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Freitag, 28. September 2007

Was ist der Nationalsozialismus überhaupt?

Beim Studium einschlägiger Literatur drängt sich der Eindruck auf, daß es damals wie heute niemandem gelingt, überhaupt zu definieren, was denn der Nationalsozialismus überhaupt war bzw. ist. Es gibt keinen wirklichen theoretischen Unterbau, lediglich vielerlei theoretische Facetten, die vor allem aber in Affekten zusammengeklittert werden.

Betrachtet man die Fakten, muß man sich die Frage stellen, ob wir nicht in unausgesetzten Systemen nationaler Sozialismen leben. Denn die Grundmerkmale scheinen nicht wirklich verschieden: Die Auffassung des Staates als eines homogenen Organismus, der in sich durch staatliche Interventionsmaßnahmen ein Wohlergehen der Bürger (im Sinne des Wohlstands sowie der Selbstbehauptung des Staates) gewährleistet. Das Element der freien Marktwirtschaft wie auch der Individualität ist dort erwünscht, wo es diesem Wohlergehen dient. Wo nicht, wird es durch staatlichen Eingriff beseitigt. Der Affekt gegen den Liberalismus vor allem der Wirtschaft.

Der Nationalsozialismus schien damals, wie es scheint, heute eine historische und politische Antwort auf den kulturellen Zustand zu sein. Die Betrachtungsweisen des Volkes - Mittel zur Macht - und der damit notwendigen politischen Mittel - Affekt, Emotion, damit der Stellenwert der Propaganda; die Pädagogik - sind keineswegs heutige Erfindungen, sondern standen in ganz Europa am Anfang der Entwicklungen hin zum nationalen Parlamentarismus, der den Reflex der Selbstdefinition wie Selbstbehauptung als Nation in sich birgt.

Das Revolutionäre als "Sozialismus" - die Beseitigung der Stände zugunsten eines definierten Leistungsgedanken, der die Standesordnung neu zusammensetzt ("Nicht Gleichheit, sondern Gleichheit der Chancen" ist ein expliziter Gedanke des Nationalsozialismus) - ist ebenfalls längst Alltag. Und er bringt eine ständig neu und panikartig zu sichernde Identität mit sich, weil die Fragen des Status quo zu höchst persönlichen Fragen werden: nur das Faktische sichert nämlich die Identität.

Entsprechend auch die intellektuelle Unschärfe dieser Ideologien, aber auch verschiedenster Ausprägungen, bis hin zum Rassenwahn. Auch letzteres ein Gedanke, den der Begriff "Nation" schleichend mit sich trägt.





*280907*

Gegen den Terror - Einschränkung der Freiheit

Immerhin ist zu sagen, daß Hitler die Macht tatsächlich auf völlig legalem Weg von einer schwachen Gegnerschaft übertragen bekam. Diese Legalität, die er später zu beseitigen nie verhehlt hatte, war seine erklärte Strategie, und sie lehnte sich auch an Mussolini und den türkischen Weg an. Hitler hatte damit sogar parteiintern große Schwierigkeiten, insbesonders die SA unter Röhm war einem Putsch mehr als zugeneigt. Und die Bereitschaft, die politische Krise der Weimarer Republik durch Gewalt zu beseitigen, schien auf einer von allen Seiten fast für notwendig gehaltenen Notwendigkeit zu beruhen. Gerüchte über Putschgelüste, ja aufgeflogene Putschpläne von allen Seiten - außer den Sozialdemokraten und den eigentlichen Konservativen - gab es zuhauf. Nicht zuletzt beruhte die weitgehende Handlungsvollmacht, die Hitler durch die von Hindenburg erlassene Notverordnung bald alle Möglichkeiten eröffneten.

Als noch der Reichstagsbrand dazukam, war die Bereitschaft, die individuellen Freiheiten um des größeren Übels - die Gefahr eines kommunistischen Putschversuches - einzuschränken keine Frage mehr. Es ist fraglich, wer den Brand gelegt hat, die Autoren widersprechen sich, in jedem Fall wurde das Umstoßen eines Grundgesetzes als das kleinere Übel angesehen.




Das GANZE war ja - nachweislich - in Gefahr.

Dieses Ganze in Gefahr zu sehen - das war das Kennzeichen sämtlicher faschistischen und nationalsozialistischen Bewegungen Europas. Und es traf noch dazu das Grundempfinden der Bevölkerungen in einem Zeitalter des völligen Umbruchs der Gesellschaften.




*280907*

Gescheiterte Existenzen

Es ist zumindest bemerkenswert, daß das demokratische Zeitalter, das Zeitalter des "kleinen Mannes", gleich an seiner Wiege zwei gescheiterte Existenzen zu einer Machtfülle brachte, die es zuvor kaum je in der Geschichte gegeben hatte: Hitler und Stalin.

Hier der "arbeitsscheue", orientierungslose Bohemien und Möchtegern-Künstler Hitler, dort der ehemalige Leibeigene und entlaufene Priesterzögling Stalin.




*280907*

Sonntag, 9. September 2007

Es gibt keinen katholischen Schriftsteller

Graham Greene, der in vielerlei Inventarismus der "katholischen Epoche" der Mitte des 20. Jahrhunderts zugerechnet wird, hat es einmal so ausgedrückt: "Es gibt keinen katholischen Schriftsteller - es gibt nur Schriftsteller, die katholisch sind."

Der Betrachtungsgegenstand wie das Material, mit dem er arbeitet, ist nur eine einzige Wirklichkeit. Zu der es nur eine einzige Wahrheit gibt, eine einzige dahinterstehende Wirklichkeit.

Die Aufgabe des Schriftstellers selbst ergibt sich aus seinem individuellen Lebenshorizont. Das kann für den einen ein winziges Tal in Tirol sein mit all den Lebensumständen, in die der Künstler hineingeworfen ist, und das kann zum anderen die Welt oder auch geistlicher Inhalt sein. Auch hier gilt: "gratia supponit naturam", die Gnade baut auf der Natur auf, ja setzt sie voraus.

Dies auch all jenem Kleingeist entgegengestellt, der meint, die Darstellung der Welt in ihrer Unmoral und Zerstörtheit sei eines katholischen Schriftstellers (bzw. generell Künstlers) unangemessen, er habe sich als Prediger auszuweisen. Wo immer ein Werk wahr ist, ist es ein Hereinragen der einen Wahrheit, die auch Gott und Gnade einschließt. Der Gottesdienst eines zum Beispiel Schauspielers kann sehr wohl auch darin liegen, einen unmoralischen oder gar bösen Sachverhalt wahrhaftig darzustellen!

Eine Unterscheidung zwischen religiösem und nicht-religiösem Künstler (so schwer es glaubhaft ist, daß es einen solchen überhaupt geben kann), mehr also noch zwischen getauftem und ungetauftem Künstler, findet sich lediglich in der Dimension seiner Wahrhaftigkeit und Darstellungskraft der Wahrheit. Was keineswegs bedeutet, daß sein Darstellungsobjekt quasi nur geistlichen, kirchlichen oder gar direkt verkündenden Inhalts (wie beim sakramentalen Priester) sein muß.




*090907*

Über den Weg des Künstlers als Heiligen und Priester

Anders als beim sakramentalen Priester, dessen incarnatio der Wahrheit im liturgisch-sakramentalen Akt gewährleistet ist, ist das Hereinragen des paradiesischen Menschen im Künstler graduell verwirklicht, ontologisch aber ein "Relikt" des Paradieses. Seine Liturgie im Werk ist somit immer wahr, als sie zum einen von der nicht ermeßbaren Standesgnade geheimnishaft wie prophetisch getragen ist, zum anderen im Maß seiner Wahrhaftigkeit ein reines Antlitz bietet.

Der genuin christliche Weg des Kreuzes, des Sterbens, auf daß der ursprünglich gedachte Mensch, die Wahrheit an sich, im Gewand ihrer historischen Gestalt dargestellt wird, ist auch der Weg des Künstlers, der sein Figursein absterben lassen muß, wie die Schlange sich häutet, in völliger Auslieferung an das Sein. Weil er diese absolute Freiheit in der Wahrheit naturhaft sucht und will, und für sie sein vor anderen bewertbares Leben läßt. So aber wird er zum "sacerdos", zum Priester, zum Urbild des Menschen an sich und zum Propheten.

Hier ist kein Platz für Ideologien und Egoismen, kein Platz sein Menschsein angstvoll selbst in Händen zu halten - das alles spiegelt sich als Spannung wieder. Aus dieser Sicht heraus ist auch seine A-Moralität zu verstehen, ist das notwendige Vertrauen in sein Werk zu verstehen, das keine Wirkens-Absicht als die größtmöglicher Wahrhaftigkeit - mit dem Staunen über seine gestalthafte Wirkung, die auch den Künstler selbst erfaßt - prägen darf.

Wenn er diesen Kampf verweigert, den vielfältigen Versuchungen nachgibt, doch sein Menschsein selbst in Händen zu halten, wird sein Werk unbrauchbar, bestenfalls zum Symptom. Denn er beginnt sogar, sein Werk zu bekämpfen. (Thomas Bernhard halte ich für ein sehr gutes Beispiel dafür - der in meinen Augen werklos blieb.) Also unterliegt er derselben Disziplinierungspflicht wie der Heilige, muß zum Kelch, zum "Verdunstungsapparat" der Wahrheit werden, auf daß die Welt den Duft der Wahrheit aufnehme, wie auch immer rezipiere. Auch mit Haß und Ablehnung. Der Künstler wird zum Entstehungsort der Wahrheit, er ist damit ein Gezeichneter, ein Herausgehobener, in einem kaum faßbaren ontologischen Zusammenfall - was für eine Berufung!

"Wenn Ihr nicht werdet wie die Kinder ..."





*090907*

Freitag, 7. September 2007

Jungfräulichkeit Mariens

Aus der Erfahrung, wie Kinder geboren werden, ist manchen die Jungfräulichkeit Mariens nicht nachvollziehbar, ja abstrus. Wie soll sie ohne Zerstörung des Hymens (des Jungfrauenhäutchens) gebären? Ist das nicht überzogen? Sie bliebe doch Jungfrau, schon weil sie mit keinem Manne geschlafen hat - "ich kenne keinen Mann". (Josef hatte ja auch erst Zweifel, wie überliefert ist.)

Es gibt keine Dinge "in spiritu", auch wenn sie geschöpflich halt anders sind - Jungfräulichkeit schließt ein, daß diese Jungfräulichkeit "ganz" blieb, um Jungfräulichkeit zu sein. Also auch mit intaktem Hymen. So wie alle Konkretion von "Dingen" nicht von ihrem Bezug zu ihrem Urbild ("potens") - dem Gedanken im Sein - zu trennen ist. (Dies ist die Auffassung unter anderem der Protestanten, wo ein Ding nicht unbedingt wie sein Gedanke aussehen muß, um dieser zu sein, und umgekehrt - vereinfacht ausgedrückt.)

Das ist bereits weniger schwer verständlich, wenn man die uns heute bekannte Geburt - "in Schmerzen" - als Folge der Erbsünde begreift. Wie zuvor geboren wurde, wissen wir nicht. Die katholische Theologie spricht selbst bei der Geburt Jesu von "neuer Geburt", ohne das genau definieren zu können, aber so muß es aus anderen Voraussetzungen heraus dann eben gewesen sein. Es gehört nicht zum Glauben, sich genau vorstellen zu müssen, wie das geschehen sei. Wir wissen eben nicht alles. Aber es ist logisch und denknotwendig, daß die Geburt des "neuen Adam" auf eine Weise geschah, die mit der erbsündlichen Folge nichts zu tun hat bzw. diese nicht kennt.

Um diese gesamte Thematik aber glauben bzw. glaubend annehmen zu können, bedarf es des Für-wahr-Haltens vieler weiterer, solcherart "vorangehender" Glaubensinhalte. In diesem Sinne spricht man von "zentralen" Glaubensinhalten und weniger zentralen. Nicht, weil sie weniger wichtig oder auch weglaßbar wären, sondern weil die Gesamtheit der Glaubenslehre sehr eng ineinander verwoben und verschränkt ist, und manche Inhalte andere wiederum voraussetzen, um verständlicher und plausibler zu werden.

Wer zum Beispiel nicht an die Geschöpflichkeit der Welt glaubt, diese also für plausibel (vernünftig) und damit - im Zustimmen - für wahr hält und damit ihre Verkünder (die Kirche) für glaubwürdig hält, wird mit der gesamten katholischen Theologie nichts anfangen können, ja sie für positivistischen Unsinn halten.





 *070907*

Montag, 3. September 2007

Niederlage

Typisch für den Zustand der k.u.k.-Truppen, denen seit Oktober 1918 alle tschechischen, ungarischen, slowakischen und kroatischen Kräfte abhanden gekommen waren, die deshalb zunehmend die Unterstützung deutscher Truppen benötigten (unter anderem bei der entscheidenden 12. Isonzoschlacht, wo im deutschen Truppenkontingent unter anderem ein gewisser Hauptmann Erwin Rommel kämpfte) war das Ende in der Po-Ebene.

An keiner Front kämpfte ja im November die k.u.k.-Armee auf eigenem Boden, an allen Fronten stand man im Land des Feindes. So auch in Italien, wo man den vereinten amerikanischen und italienischen Kräften noch entscheidend Widerstand leistete.

Als der Waffenstillstand ausgehandelt wurde, funkte das Oberkommando in Wien am 3. November 1918 nach Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens von "Villa Giusti" an die Truppenkommandierenden: "Heute, 0.00 Uhr, Waffenstillstand! Sämtliche Truppen sind auf heimatlichen Boden zurückzunehmen." Die österreichische Truppenleitung verstand dies so, daß man seit 8 Stunden nicht mehr im Kriegszustand war, und befahl ordergemäß die Einstellung sämtlicher Kampfhandlungen, zugleich schickten sie die Truppen unverzüglich auf den Heimmarsch.

Die Italiener argumentierten später so, daß sich der für 0.00 Uhr vereinbarte Waffenstillstand erst auf die Nacht vom 3. auf den 4. November 1918 bezog. Sie rückten eilig vor, und nahmen bei Veneto überraschte 300.000 Österreicher gefangen.

Der Ort heißt seither "Vittorio Veneto", als Symbol für den Gewinn des Krieges durch Italien ... Die Geschichtsschreibung Italiens bezeichnet ihr Land als Sieger auf dem Felde, der Waffenstillstand wird mit 4. November 1918 datiert, bis heute.





*030907*

Klimawandel II

Dieser Film - in Auszügen oder ganz vor einigen Wochen schon auf RTL gezeigt - bestätigt sehr glaubhaft, was mein Eindruck ist: Unser Gerede vom Klimawandel zeigt alle Anzeichen einer maßgeblich journalistisch unverantwortlich hochgekochten Massenpsychose, aber keine Anzeichen von wissenschaftlich untermauertem Faktum einer bevorstehenden "Katastrophe".

Vielmehr bewegt sich die seit 30 Jahren (!) feststellbare Erwärmung (das weltweite Ausmaß ist nicht einmal unumstritten, manche sprechen von 0,.. - andere von bis zu 2,.. Grad) im Anschluß an 30 Jahre Abkühlung (mir selbst sind noch die Titelseiten bei zum Beispiel GEO in Erinnerung, wo der Kölner Dom vor einem riesigen Gletscher abgebildet war, man von "bevorstehender Eiszeit" sprach) und eingebettet in eine Rückkehr zu Temperaturen vor ca. 1.000 Jahren, nach dem Tal, das die "kleine Eiszeit des Mittelalters" (14. Jahrhundert) darstellte, absolut im Rahmen dessen, was wir mit "normal" qualifizieren müssen.

Der Film eines britischen Wissenschaftlers mit Wortmeldungen zahlreicher weiterer Wissenschaftler stellt auch keine Gegenthese auf, wie zum Beispiel den Zusammenhang von Sonnenflecken und Temperatur, auch das wird als zu wenig signifikant (wenn auch oft erstaunlich zutreffend) abgetan. Er beschränkt sich auf Fakten. Und eine dieser Fakten ist, daß es unverantwortbar und falsch ist, ein Schwindel sozusagen, von einer Bedrohung der Menschheit zu sprechen.

Schon gar nicht von einer, der mit CO2 Ausstoßverringerung beizukommen wäre: Der Anteil an menschlichem bzw. durch die Zivilisation verursachtem CO2 ist derart gering, daß schon von daher eine Möglichkeit zur Beeinflussung des Klimas nahezu ausgeschlossen werden kann. Vielmehr ist überhaupt festzustellen, daß man nicht sagen kann, daß erst das CO2 steige und dann die Temperatur - sondern aus allen Befunden zum Beispiel an Eisbohrkernen UMGEKEHRT: Wenn die Temperatur steigt, steigt absehbar der CO2-Anteil in der Atmosphäre. Und zwar schon alleine aus dem allergrößten Faktor heraus, der Temperatur der Meere, die den überwältigend größten Anteil von CO2 binden, warm weniger, kalt mehr. Selbst die vulkanischen Tätigkeiten übertreffen alles, was der Mensch Anteil am CO2-Gehalt in der Atmosphäre hat, und das sind etwa ... 0.05 Prozent der gesamten atmosphärischen Gase.

Eines der zahlreichen Beispiele, die zur Skepsis aufrufen sollen: Von 1940 bis 1970, der "post-war-industrialization", war der CO2-Ausstoß signifikant gestiegen. Doch die Temperaturen ... fielen.

Aber auch die Verantwortung der Politik wird angesprochen, die durch die Mittelwidmung den Forschungsstrom ganz klar steuert. Und damit eine Bewegung auslöst, die einer Spirale vergleichbar ist: Forscher, die mit dieser Zielsetzung gut dotiert werden, werden automatisch alles tun, um diese Mittel zu rechtfertigen und abzusichern ...

Der Film stellt keine Gegenposition dar, wie gesagt, er mahnt vielmehr zu einem anderen Umgang mit Wissenschaft, insbesonders auch durch den heute so maßgeblichen Journalismus. Und darin ist er beispielhaft für so manche andere der heutigen Gewißheiten.





*030907*

Es gibt keine Gerechtigkeit

Ich bringe die Sätze Mosebachs, auch wenn sie wie glühende Kohlen zu behandeln sind. Denn Selbsteinschätzungen, den eigenen Wert Taxierendes, gehört der Welt der Figuren an, ist Gift für den Künstler. Auch wenn es ein Beitrag sein kann, um dieser Welt weiter zu entsterben.

"Es gibt keine Gerechtigkeit in der Literatur, und auch keinen Anspruch darauf. Der wahre Wert einer Literatur wird wahrscheinlich immer erst lange Jahre nach dem Tod eines Schriftstellers festzustellen sein."





*030907*

Abendrot und Morgendämmerung - Philosophie und Kunst

"Ins Bewußtsein steigt als Bild, was fehlt" - diese meine Feststellung läßt sich in der Geschichte der Philosophie sehr schön nachweisen, wo die größten gesamtheitlichen Systeme zu Zeiten des Kulturverfalls, des Entgleitens und Sterbens der Formen entworfen wurden. Der Leichengeruch unserer Kultur lag somit bereits im Spätmittelalter über den Dächern - so ist Thomas v. Aquin verstehbar, dessen (fälschlich oft positivistisch, ja dogmatisch verstandenes) Denken den Gipfelpunkt menschlicher Vernunft darstellt. Mit apokalyptischer Dimension.

So wird auch verständlicher, was ich über das Wesen des Künstlers und des Philosophen sage - die beide und sehr persönlich "aus dem Zeitstrom Herausgenommene" sind. Indem sie diesen Schritt schaffen, überwinden sie die Zeit in ihrer historischen Problematik und beziehen sie auf das Ewige, immer Gleichbleibende, Prinzipielle, dem alles zugrunde liegt, gerade in dem was Leid verursachte, weil beide in eine konkrete Situation hineingeboren wurden, die sie mit geprägt hat.

Der Künstler selbst überschreitet freilich die reine Analyse des Philosophen, indem er darstellungshaft das Gesicht des Ewigen - das Faktische in seinem Drama, seinem Kampf mit dem um Gestalt ringenden Ewigen - von seinen historischen Schleiern befreiend gebiert. Das gibt ihm in der Tat prophetische Dimension. Und es macht ihn zum Priester der Wahrheit, macht sein Werk zum Pharmakon in der Selbstäußerung auf der Grundlage der absichtslosen Wahrhaftigkeit, der "Figurlosigkeit". Ein Werk, dessen Ursprung aus der Kreuzigung erfließt, die zum paradiesischen Menschen formt, der das der Zeit querstehende Ewige in seiner Spannung zur Geschichte bildenden Zeit in Händen zu halten versucht. Damit zeigt er das wahre Gesicht der Welt und Wirklichkeit, das im Trubel des Lebens, das partielle Interessen von den Menschen einer Kultur fordert, unter Sedimentschichten und Schlacken aus dem Blick gerät.

Sehr schöne prinzipielle Aussagen von Robert Spaemann, die ich in ihrer Übereinstimmung mit meinem Denken nur bestätigen kann. "Man wird wie das, was man anschaut."

 





*030907*

Sonntag, 2. September 2007

Identitätsbehauptung

Was zeigt mehr den kulturellen Verfall an als der Umstand, daß es so gut wie keine Menschen mehr gibt, die ihren Stand und damit ihre Identität nicht durch positivistische Behauptung, durch moralistisches Setzen ihrer Lebens- und damit Standesattribute in der Welt zu halten vermögen. Und dabei übersehen, daß sie alleine dadurch bereits auf jener Ebene einherwatscheln, die sie damit verlassen wollen. Stand als Gliederung wie Beweis einer Kultur bedeutet eben gerade nicht, daß er positivistisch zu behaupten wäre.

Nicht einmal die neuen Standesverteilungsmechanismen vermögen das zu beheben. Die nahezu ausschließlich das Instrument der Entsprechung dem Weltanschauungskanon gegenüber (nicht einmal Bildung) durch Titel früher akademischer Art (mit der sie nur noch die Bezeichnung gemein haben) bezeichnen, und nur noch eine einzige Klasse von Menschen kennen, an der man mehr oder weniger teilhaben kann ... für das das Wort "wissenschaftliche Denkungsart" als Autoritätskriterium zu verwenden sich alles in mir sträubt.





*020907*