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Montag, 28. Dezember 2009

Auf der Grundlage wissenschaftlicher Vernunft ...

Es fügt sich zum heutigen "Tag der unschuldigen Kinder" des katholischen Jahreskreises: Von J kam der Hinweis auf den verfügbaren Film über die tragische Geschichte eines (männlich geborenen) Zwillings im Kanada Anfang der 1960er Jahre. Aufgrund der damals immer stärker aufkommenden Theorien, denen gemäß das Geschlecht anerzogen, nicht aber angeboren sei, daß der Mensch die ersten Lebensjahre "neutral" bleibe, und erst durch gesellschaftliche Formung und familiäre Erziehung zu einer Frau oder einem Mann wird.

Damals?  Diese Ansichten liegen im Wesentlichen auch dem heutigen Gender-Wahn zugrunde. (Worin sich als "Erweiterung", aber nur vermeintliche "Differenzierung", eine völlige Relativierung der Gestalt und Identität, als das in vielerlei Hinsicht entscheidende Desaster der Gegenwart, findet.) Und den 5 x 10-minütigen Film anzusehen lohnt vor allem deshalb, weil er weit mehr exemplarische Aussage und vor allem visionäre Kraft enthält: was uns blüht, weil über Identität gewissenlos ideologische und kranke Politik gemacht wird. Denn es besteht kein Zweifel, daß in der einen oder anderen und nur "durchschnittlich" abgeschwächterer Form dieselben Folgen auf uns zukommen, wie sie die Zwillinge Brian und Bruce (resp. Brenda resp. David) Reiner in Kanada, die am 22. August 1965 geboren wurden, erduldet haben.

Aufgrund eines schrecklichen Zwischenfalls in einem Krankenhaus hatte der damals zweijährige Bruce Reimer seinen Penis verloren. Die (typisch für die damals über die "Popularwissenschaft" aufkommende, ihre heute groteske Auswüchse annehmende Wissenschaftsgläubigkeit) Eltern hatten einen Fernsehauftritt des australischen Psychologen Dr. John Money verfolgt, in welchem dieser glaubhaft machte, daß einerseits das Geschlecht keineswegs über Geschlechtsmerkmale determiniert sei, anderseits diese Geschlechtsmerkmale operativ problemlos angepaßt werden könnten. Die Eltern kontaktieren den Arzt, und dieser machte ihnen Hoffnung, ja versicherte ihnen: daß er über "Umerziehung" den Buben (der durch seinen fehlenden Penis ohnehin kein Mann sein würde) zu einem Mädchen machen würde. Der Fall war das fehlende Beweisglied in der Kette der Theorien Dr. Money's, und er nahm sich sofort der Zwillinge an. Einer sollte als Mann, der andere als Frau erzogen werden.

Denn bislang hatten Money und seine Kollegen nur "Intersexuelle" Kinder als Beobachtungsobjekte zur Verfügung, Kinder also, die beiderlei Geschlechtsmerkmale an sich trugen. Der verunfallte Bub schien auch deshalb so perfekt als Experimentierobjekt geeignet, weil er ein Hauptidentitätsmerkmal (laut Dr. Money) des Mannes, den Penis, nicht (mehr) hatte. Ohne seine Hoden konnte er nun ja auch kein Testosteron mehr produzieren.

Es sollte ein Sieg der Wissenschaft über die Natur werden. Und die Eltern waren einverstanden, ab nun ein Mädchen großzuziehen. Sie nannten das Mädchen (auf Vorschlag von Dr. Money) in Brenda um, kleideten es als Mädchen, und folgten auch sonst den strikten Anweisungen des Psychologen. Vor allem der, daß der Geschlechtswechsel in dem Moment scheitern würde, in welchem sie dem Kind die Wahrheit sagen würden.

Fortan kleideten sie das (auffallend hübsche) Kind als Mädchen, versuchten es für typische Mädchenspiele zu interessieren, ließen ihm lange Haare wachsen, und suchten einmal im Jahr Money zur begleitenden Beobachtung auf. Erschütternd das Interview Dr. Money's mit Bryan und Brenda, als diese sechs Jahre alt waren, und das als Beweis der Theorie der Geschlechtsneutralität verwendet wurde: Brenda zeigt bekenntnishaft als typisch weiblich gesehene Charaktermerkmale. "Bryan fights back, I run away, because I am the girl, he is the boss, the boy."

Dr. Money verkündete nun weltweit, daß sein Experiment erfolgreich verlaufen sei und beweise, daß ein Geschlechterwechsel jederzeit möglich, Geschlecht also anerzogen, nicht angeboren sei. In dem vielgelesenen "Man and boy - woman and girl" schrieb er, daß die Theorie der Geschlechtsneutralität bewiesen sei.

Während sich Dr. Money weltweit feiern ließ, zeigten sich in der Familie der Reimer's in Kanada aber längst andere Tendenzen. Brenda begann plötzlich, sich zunehmend spezifisch männlich zu benehmen. Für die Eltern, aber auch für die Umgebung des Kindes wurde immer offensichtlicher, daß Brenda kein Mädchen war.

In einem Interview mit Brenda Reimer im Jahre 2000 erzählt dieser, daß er nur mit typischem Mädchenspielzeug aufgewachsen war, und nur die "Großzügigkeit" seines Bruders habe ihm ermöglicht, auch mit Bubenhaftem aufzuwachsen: sein Bruder habe ihm gestattet, auch mit seinem Spielzeug zu spielen.

Diese Probleme der Gegenwehr Brenda's müßten Dr. Money bekannt gewesen sein, bereits bevor er sich als Wissenschaftler feiern ließ - und der BBC-Beitrag geht der Frage nach, wieweit er nicht unredlich nur seine Theorien stützende Beweise publiziert, die aber schon bald nach Beginn des Experiments Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre zunehmend auftauchenden Probleme aber verschwiegen habe. Dr. Money begann seine Therapie nämlich in jener Zeit bereits zu forcieren und zu spezifizieren: während das nunmehr achtjährige Kind die Geschlechtsunterschiede ausschließlich an Merkmalen wie "lange Haare", "Kleidung" festmachte, aber Probleme mit der Identifikation als Mädchen und Frau hatte, lenkte der Mann seine Aufmerksamkeit auf die primären Geschlechtsmerkmale. "Have a look between Your legs!"  Es sei damals, so ein Schüler Dr. Money's später im Interview, die erschreckenden Details der Vorgangsweise verteidigend, einfach Stand der Psychologie als Wissenschaft gewesen, sexuelle Identität an Geschlechtsmerkmalen festzumachen.

Um das Mädchen dazu zu "zwingen", seine Identität als Frau anzunehmen, zeigte er dem Kind unter anderem Bilder von Frauen bei Geburtsvorgängen. Als das alles nicht den Widerstand des traumatisierten achtjährigen Kindes gegen die Akzeptanz einer weiblichen Identität brach, blieb die Ultimo Ratio die Schaffung der äußeren Geschlechtsmerkmale: die operativ-kosmetische Herstellung einer Vagina.

Brenda war aber von dem Gedanken allein bereits schockiert, und fürchtete sich - wie der junge Mann 2000 im Interview erzählte - nicht nur, sondern hatte das Gefühl, durch solche Aussichten schwer beschädigt zu werden. Dem Arzt schien aber die Zeit davonzulaufen - sein Referenzexperiment drohte zu platzen: Brenda wollte sich einfach nicht mit einer weiblichen Identität abfinden. Und er verschärfte seine Methoden ...

Ab hier, so BBC, gäbe es keine Sitzungsprotokolle etc. mehr, ab hier würde man nur noch auf die Berichte der Zwillinge selbst zurückgreifen können. Die davon berichten, wie sie der Arzt zwang, sich auszuziehen, um aneinander die Unterschiede festzustellen, er sie photographierte, und die Bilder ans Kinsey-Institut zum Beleg seiner Theorien weiterleitete.

Brenda wuchs völlig vereinsamt, ohne Freunde in Schule und Freizeit, auf, wurde zum Problemkind. Trotz all der Bemühungen, konnte der Heranwachsende sich mit Frauen, Mädchen, der Mutter, nicht identifizieren, und empfand seine gesamte Lebenssituation als schrecklich. Aus schulischen Belegen läßt sich nachvollziehen, wie unglücklich das Kind war, wie es sich nach "Sonne" sehnte, nach "jenem Tag" an dem sie aufging, wie es sich aber vor einer Zukunft in bisherigen Bahnen fürchtete.

1978, Brenda war 13 Jahre alt, wollte Dr. Money sie noch einmal überzeugen, sich eine Vagina operieren zu lassen. (Film: Teil IV) Dazu bediente er sich auch eines "echten" Transsexuellen. Das protokollierte Gespräch brach der Teenager aber energisch ab - er wollte von einer solchen Operation, die auch weitere Mediziner und Wissenschaftler als "vernünftigen Weg" befürworteten, nichts wissen. Dazu sollte der Transsexuelle eine "positive Identifikation" ermöglichen. Brenda aber wandte sich an ihre Eltern: sie würde sich umbringen, wenn sie Dr. John Money noch einmal treffen müßte.

Aus Angst vor dem angekündigten Selbstmord, brachen die Eltern ihr Schweigen - und erzählten der 13jährigen die Wahrheit. Und während es für ihren Zwillingsbruder ein Schock war, fühlte Brenda sich erstmals in ihrem Leben ... glücklich, und erstmals konnte sie sich in so vielem verstehen. Brenda nannte sich hinfort "David", und wollte endlich ein Bub, ein Mann sein. Er suchte und fand erstmals Freundschaften, und ließ sich operativ einen Penis formen, blieb aber ohne Zeugungskraft, die er als Kind verloren hatte.

Während aber David's Leben endlich normal zu werden begann, begann sich bei seinem Bruder Bryan, der nicht damit fertig wurde, daß er anstatt einer Schwester einen (Zwillings-)Bruder hatte, Schizophrenie zu entwickeln.

Dessen ungeachtet, publizierte Dr. Money weiterhin diesen Fall als "Erfolg" und Erweis seiner Theorie der Geschlechtsneutralität: Der Fall beweise, daß man einen Jungen als Mädchen aufwachsen lassen, zur Frau erziehen könne. Auf seine Theorien beziehen sich der spätere ganze Rattenschwanz an Gender-Theoretikern beginnend bei Elisabeth Badinter bis zu Kate Millett, der Klassikerin darunter, mit ihrem "Sexus und Herrschaft", oder Ernest Bornemann ("Das Patriarchat"), die diese These längst als gegeben weil "bewiesen" setzen.

Als David von der Unverfrorenheit Dr. Money's erfuhr (ihn als "gelungenes Beispiel der Genderneutralitätsthese" anzuführen), beschlossen er und sein Bruder Brian, an die Öffentlichkeit zu gehen, um andere vor denselben traumatischen Erfahrungen zu bewahren. Aber Brian's geistige Gesundheit verschlechterte sich - wohl in Zusammenhang (so BBC) weil zeitlich zusammenfallend mit dem Gang an die Öffentlichkeit - definitiv, seine Schizophrenie ausbrach. Am 1. Juli 2002 brachte sich Brian schließlich um, obwohl nicht sicher gesagt werden kann, ob die Überdosis an Medikamenten, die er einnahm, nicht ein Versehen war.

Aber auch David (resp. Brenda resp. Bruce) kam mit seinem Leben kaum klar. Er fand kaum noch Arbeit, und schwer litt er vor allem auch daran, daß er seine Frau "nicht glücklich machen" konnte. Und am 4. Mai 2004 brachte sich auch David mit einer Schrotflinte ums Leben.

Die Eltern machten schließlich Dr. Money dafür verantwortlich, der sich aber von jeder Schuld freisprach und die Schuld für das Scheitern des pädagogischen Experiments den entsprechenden Fehlern, der mangelnden Konsequenz der Eltern in die Schuhe schob. Und natürlich fehlt es nicht an Verteidigern. Dr. Money habe, so der Tenor mancher Kollegen, "nach dem Stand der Wissenschaft korrekt" gehandelt, und nach damaligem Stand der Dinge "sein Bestes" getan. Andere meinen, er hätte spätestens posthoc zugeben müssen, daß sein Experiment nicht "funktioniert" ("that it didn't work") habe - und das sei sein ethisches Versagen gewesen.

Tja, das ist wohl genau das Problem: daß man das allen Ernstes so sieht, und nicht als prinzipielles Problem, das viel grundsätzlichere Fragen heutiger vorgeblicher Wissenschaftlichkeit aufwirft, auf die sich eine Politik beruft, die in Wahrheit Spielwiese kranker, zumindest (auch: selbst)schwacher und verantwortungsloser Charaktere ist. Die ihre Entscheidungen zu Zustimmungen zu Entwicklungen, zu Getriebenheiten durch Faktenzwänge macht, aufbereitet von rationalistischen Controllingabteilungen, die Denken längst von Erkennen und Gestalten losgelöst, zu einem reinen Vorgang mathematischer Zwänge und deren fanatischer Umsetzung gemacht haben - was dann angeblich Wissenschaft ist.

Auch wenn heutiger Feminismus der "zweiten (oder, je nachdem: dritten) Generation" von solchen Neutralitäts-Thesen zu distanzieren behauptet, also Unterschiede in den Geschlechtern selbst zum einen, unleugbare spezifische Wesensmerkmale zum anderen begründet zugibt, so lügt er, bleibt er in Wahrheit dieser Bedeutungslosigkeit der Gestalt zutiefst treu und in sich widersprüchlich, zurückgewiesen auf seine wahre Herkunft: in Charakterdeformationen. Denn er reduziert Geschlechtsidentität zum letztlich identitätsneutralen Spielwiesenphänomen, dem - je nach Beliebigkeit - Stand, Stellung und Aufgabe in der Gesellschaft frei zuordnenbar, nie aber kulturell institutionalisiert (und damit nämlich erst wirklicher, nicht positivistisch zu setzender Persönlichkeitsbestandteil) werden. Während die Gesellschaft die Aufgabe habe, die Folgerungen aus dem jeweiligen So-Sein zu übernehmen, wenn sie deren Nutzen wünscht, zugleich aber jede Betätigung zu entschränken. Wie die Entkoppelung von "Sexualität" hier, "Nachwuchs" dort, von "Nachwuchs" hier und "Aufzucht" dort etc. etc. zeigt. Und während Identität "je nach Person" frei (und täglich) zu definieren bleiben müsse, um sich von jeder wirklichen Verantwortlichkeit zu absolvieren.

Das in dieser BBC-Dokumentation aufgerollte Beispiel dieses Wahns aber demonstriert, daß geschlechtliche Identität eine zutiefst im Dasein eines Menschen an sich grundgelegte, und zum Entfaltungsauftrag definierte Weise des Menschseins (man kann nur Mensch "als ..." sein, es gibt kein "neutrales Menschsein", wie das unter anderem die "Neue Mann"-Theorien bis heute behaupten) ist. Die auch mit einer bestimmten Art des Lebens, mit bestimmten Aufgaben zusammenhängt, die ebenfalls nicht von ihrer Art der Bewältigung zu trennen sind. Und gleichermaßen wird demonstriert, in welchem Ausmaß eigene geschlechtliche Identität die Identität der Umwelt fundamental stabilisiert - oder die Auflösung der eigenen Identität die der anderen mit auflöst. Was die Dramatik heutiger Gender-Politik gar nicht genug beleuchten kann: Denn damit wird die wahrscheinlich bisher größte und weitreichendste Attacke auf das Menschsein überhaupt durchgeführt, die schwerste psychische Schäden nach sich ziehen wird, ja dies längst tut. Und das Menschsein in der Welt überhaupt infrage stellt.






















*281209*

I believe You ...

... but: that's a lot of lights!











Funny video on Funnyplace.org#





*271209*

Sonntag, 27. Dezember 2009

Gott schauen und erkennen

"Dem Tode aber hat er furchtlos in das Auge geschaut, versichernd, er glaube daran, daß dem Geiste nach der Ablösung von seiner irdischen Hülle bestimmt sei, tiefere Blicke zu tun in die ewige Ordnung der Welt, ein Wort, welches seinem Inhalte nach gleich ist dem apostolischen Ausspruch: Es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden, wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir Gott gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist.

Denn Gott schauen heißt ihn erkennen, und Gott erkennen schließt in sich das Erkennen der Welt, die nichts anderes als Offenbarung seiner Herrlichkeit ist."


Peter Wilhelm Hössbach am Grabe Wilhelm von Humboldts




*271209*

Samstag, 26. Dezember 2009

Erkennung verkannter Genies

Rudolf Borchardt schreibt in seinem Essay "Über das Recht des Dichters verkannt zu bleiben", daß gemäß den Worten Kleists den Genies "die Wahrheit ist, daß mir nicht zu helfen war." Das erreichen zu wollen, sei ein Wahn, und er "hasse und verachte den mechanistischen Optimismus der Bourgeoisie, die glaubt, die Tragikzität des dichterischen Phänomens aus der Welt schaffen zu können, als ein Residuum barbarischer Zeiten, wie die Pocken, durch eine Vakzination von Krethi und Plethi mit Lymphe der Vorurteilslosigkeit."

"Die Vorstellung, daß mit den nötigen Laternen von berechneter Normalkerzenstärke vorhandener Genius mit mathematischer Sicherheit auffindbar sein müsse, beruht auf dem Irrtum, daß das Genie, wie das verlaufene Kind im Märchen, zart im Walde sitze, und sich wolle finden lassen. Es ist aber ein scheues und schreckhaftes und oft ein schreckliches Wild, und es frißt nicht aus der Hand."

"Ich lache und schweige zu den Kleist-Bünden und Kleist-Preisen, zu den verrückt gewordenen Kleinbürgern und emanzipierten Spießern, die aus lauter Angst, vor dem Urteil der Nachwelt zu denjenigen zu gehören, die, damals, auf der falschen Seite gelegen haben, hinter dem Dümmsten her sind, was sie foppt, hinter dem Frechsten, was sie ausnützt, und die schließlich diejenigen sind, die, um nicht die Dupes ihrer Zeit geblieben zu sein, den Weltruhm [des X und Y] zur allgemeinen Schmach, fabrizieren."




*261209*

Donnerstag, 24. Dezember 2009

Ein neuer Geisteswind

Rudolf Borchardt über Entwicklungen der deutschen Geisteslandschaft zu Anfang des 20. Jhds., in der es - unvorhersehbar, und unerwartet - zur Abwechselung bislang geltender, verzweifelt machender Autoritätskriterien, zu einem neuen, lebendigen Anschluß samt folgender Blüte an den Strom der Geisteskultur des Abendlandes, kam:

"Es fuhr eine Luft durch das Land, ein unsichtbarer Geist räumte die Gasse und drängte links und rechts vom offenen Raume ab. Von einem zum anderen Tage hatten die Kräfte gewechselt, hatte die kokette Vulgarität und die rüstige Spekulation von gestern keine Aussicht mehr, sich zur Geltung zu bringen, sahen die Werte der Nachmacherei, der Buch- und Theatererfolgs-Fabriken sich verlassen, schieden aus den Massen, die noch eben der "Versunkenen Glocke" applaudiert oder "Kling, Klang, Gloribusch" und "Dagloni gleia glühlala" gefaselt hatten, die neuen Gemeinschaften sich ab und ordneten sich als gesetzgebende Minderheiten den wertlos gewordenen Plebisziten der Riesenauflagen und Serienspielereien über.

Hinter diesem Kräftetausch stand der geschichtliche Generationenwechsel und hinter diesem der Übergang der geistigen Zeitenlast auf nicht gradverschieden, sondern artverschiedene durchaus neue Träger. Die Träger der Literatur seit 1880 waren als Autoren und Leser fast durchweg selbst improvisierte Glückssoldaten und müßige Zuläufer eines hohlen Federgewerbes gewesen, das immer noch aus dem bankrotten europäischen Positivismus und den politischen Schlagworten der Julirevolution lebte, sich aus der naturwissenschaftlichen Aufklärungsliteratur der Zeit und den englischen Rationalisten eine spießbürgerliche Halbbildung zusammengestoppelt hatte, und nicht sowohl durch seinen Tendenzcharakter als durch seinen völligen Mangel an Gehalt und Urteile außerhalb der Nation stand, den Massen Sensationen gewährte, die Unzufriedenen, Schadenfrohen und Impotenten anzog, die aufwachsende Jugend anwiderte. Diese Literatur zerstob vor dem Drucke [...] des Geistes, der [...] den Geist der Nation und der Gegenwart wieder an sich zu orientieren begann."




*241209*

Mittwoch, 23. Dezember 2009

Mittelverknappung - Reißleine zur Wirklichkeit

Ebenfalls in ZDF-heute findet sich ein Bericht über den drohenden finanziellen Kollaps der deutschen katholischen Bistümer. Die bislang, übrigens, zu den reichsten Bistümern, ja wo sogar Köln das reichste Bistum der Welt überhaupt war. Die Kirchenaustrittszahlen aber erreichten nun Ausmaße, die aufgrund der Kirchensteuerausfälle dringende strukturelle Sparmaßnahmen notwendig machten.

Zur Erinnerung: die Kirchensteuer in Deutschland wurde von Hitler eingeführt. Die Idee dahinter war, daß es zu einer Loslösung von Rom einerseits, anderseits zu einer Abstimmung mit den Füßen kommen sollte. Aber anders als in Österreich, wo die Enteignung der Kirche durch Josef II. bereits 1782f erfolgt war, und die Kirche schon seitdem am staatlichen Tropf  hing, der sich aus dem "Kirchenfonds" speiste, dem enteigneten Kirchengut, so daß Hitler bereits perfekt vorbereitete Strukturen fand, war die reichsdeutsche Kirche in einer deutlich besseren Lage. Auch war ihr politisches Gewicht offenbar höher, weil Hitler zum Zeitpunkt des Konkordatsabschlusses mit dem Vatikan im Juni 1933 (wo Mussolini und "sein" Konkordat mit einer strikten Trennung Kirche-Politik/Staat ihm zudem noch Vorbild waren, Hitler international noch Prestige sammeln wollte) noch in einer deutlich schwächeren Lage als 1938/39, am Zenit seines Größenwahns, wo er auch gegen die Hoffnungen des österreichischen Klerus das Konkordat Österreichs sofort aufhob, aber die Ostmark auch nicht ins Reichskonkordat integrierte, sondern mit der Auflösung der vormaligen Republik vorderhand konkordatslos beließ. Damit konnte er sich hier ungehindert austoben, und die Rechtsstellung der österreichischen Kirche gestaltete sich fürderhin weitaus schlechter.

So wurde in Reichsdeutschland auch die Kirchensteuer automatisch von den Finanzämtern berechnet, und abgeführt. In Österreich (das nach 1945 kein neues Konkordat abschloß, sondern das als Rechtsnachfolger Deutschösterreichs jenes von 1933 wiederaufleben ließ) ließ man die Kirche über Nacht im Regen stehen, wobei ... es bis vor wenigen Jahren selbst diesbezüglich noch zu massiven praktischen Problemen kam, weil die Kirche die Kirchensteuer auf eigene Faust einholen mußte, der wiedererstandene Österreichische Staat ihr (unter den sozialistischen Regierungen) vereinbarungswidrig nicht einmal Datenabgleich (Melderegister, Einkommenshöhen) gewährt hatte.

Die Fürbitten waren vergebens. Das Erzbistum Köln muss in diesem Jahr Einnahmeausfälle von rund 80 Millionen Euro verkraften. Der Etat schrumpft auf 440 Millionen Euro, wie ein Kirchensprecher bestätigt. Ähnliche Hiobsbotschaften kommen aus Aachen: Die Einkünfte des Bistums sinken um mehr als 30 Millionen Euro. Weitere Defizite sind zu erkennen. Es herrscht Schwindsucht im Klingelbeutel - überall im Land.

Die Probleme, unter denen die christlichen Kirchen in Deutschland leiden, sind häufig die gleichen: Immer mehr Austritte sorgen dafür, dass die Kirchensteuereinnahmen sinken. Das Unternehmen Kirche ist in massive Probleme geraten. Verkrustete Strukturen und ineffiziente Geschäftsprozesse halten den sinkenden Einnahmen nicht mehr Stand. 

Eine Entspannung der Lage ist nicht zu erkennen - im Gegenteil. Kircheninterne Prognosen lassen Düsteres ahnen: Wenn das Niveau der Kirchenaustritte seit der Wiedervereinigung anhält, sinkt die Mitgliederzahl der katholischen Kirche in den kommenden 20 Jahren um vier auf 20 Millionen. Die evangelische Kirche muss noch Schlimmeres verkraften. Hält der Trend an, schrumpft die Zahl der steuerzahlenden Gläubigen bis zum Jahr 2030 auf 17 Millionen. Das wären dann neun Millionen Mitglieder weniger als bislang - ein Minusrekord.
 
"Schon jetzt stehen ganze Bistümer vor dem finanziellen Kollaps", sagt ein Banker, der große Kirchenetats einsieht. "Die Finanz- und Wirtschaftskrise sorgte zusätzlich dafür, dass die Finanzpolster schmolzen." Auch Gottesdiener, die die Finanzen ihrer Gemeinschaft verwalten, waren vor Fehlinvestments nicht gefeit. Manche, berichtet der Banker, hätten sich "sogar ganz gewaltig am Kapitalmarkt verzockt". 




*231209*

Gleichberechtigung

ZDFheute berichtet, daß der US-Generalmajor Anthony Cucolo im Irak per 4. November eine Order erlassen hat, nach der schwangere Soldatinnen sowie deren Beglücker (Väter der Kinder) mit zwölf bis vierundzwanzig Monaten Haft zu bestrafen seien. Und zwar: für den Umstand, daß sie schwanger wurden.

Cucolo wollte damit dem Trend Einhalt gebieten, demgemäß seiner Ansicht nach Soldatinnen zunehmend bewußt dieses Mittel einsetzten, um vom Wehrdienst los- und in die Heimat zurückzukommen. Das habe Ausmaße erreicht, die die Einsatzkraft der Truppe so schwäche, daß deren Mission gefährdet sei. "Jeder, der den Kampf vor der erwarteten Stationierungsdauer von zwölf Monaten verlässt, belastet seine Kameraden."

Er brauche aber jeden einzelnen Soldaten.

"Jeder, der diesen Kampf wegen einer persönlichen Entscheidung, die den medizinischen Status ändert, vorzeitig verlässt - oder dazu beiträgt - hält sich nicht an ein Schlüsselelement unseres Ethos': "Ich werde die Mission immer an erste Stelle setzen"", schrieb der Generalmajor in seiner Stellungnahme an den Sender ABC weiter. "Und ich denke, dass es negative Konsequenzen für diejenigen geben sollte, die eine solche persönliche Entscheidung treffen", so Cucolo. "Ich erwarte nicht, dass jemand, der nicht im Militär gedient hat, völlig versteht, was ich zu erklären versucht habe.

Derzeit wird darüber verhandelt, daß die US-Truppen noch bis Ende 2011 im Irak bleiben sollen. Aber ein wirklich realistisches Ausstiegsszenario scheint in weiter Ferne. Die Amerikaner scheinen auf einem Pulverfaß zu sitzen, dessen Deckel sie zwar gerade noch zuhalten können. Aber in dem Moment, wo sie das Land verlassen, sind die Folgen unabwendbar - in jedem realistischen Fall haben die USA ab diesem Zeitpunkt einen neuen und mächtigen weltpolitischen Feind, in einem weiteren islamistischen Land, das den Block des Islamismus in der Golfregion, den man in den 1950er Jahren durch massive Stützung des Putsches der Baath-Partei durchbrach, in dessen Folge Saddam Hussein an die Macht kam, sich nun strategisch wieder schließt.




*231209*

Ein ideologisches Thema

Die Seite Deutschlandpolitik bringt eine Gegenüberstellung von Mythen und Fakten die "Klimakatastrophe" betreffend. Die wie fast alles, was zu dem Thema publiziert wird, den Mangel haben, daß man solchen Meta-Aussagen nur glauben kann - zur Ermittlung ihrer Plausibilität haben wir nur unsere Augen und Nasen und Ohren, nur das können wir verantwortlich tun ... Das Thema sei aber noch einmal hierher gestellt. Dann sei es vorläufig vom Tisch. Es langweilt in Wahrheit, und ist außerdem ein politisches Thema, eines der Auseinandersetzung mit Massenpsychosen und der Gefährlichkeit von Ideologien, nicht von "naturwissenschaftlichen Fakten". Um das zu sehen, genügt aber auch handfeste Skepsis, und vor allem: ein wenig Menschenkenntnis.

Mythos 1 – Die weltweite Durchschnittstemperatur ist in den letzten Jahren angestiegen.
Fakt 1 – Innerhalb des Fehlerbereichs ist die weltweite Durchschnittstemperatur seit 1995 nicht mehr angestiegen und seit 2002 ist sie – trotz eines atmosphärischen CO2 Anstiegs von 8 Prozent seit 1995 – rückgängig.
Mythos 2 – Während des späten 20. Jahrhunderts stieg die weltweite Durchschnittstemperatur in gefährlich rasantem Maße an und erreichte beispiellose Werte.
Fakt 2 – Während des späten 20. Jahrhunderts stieg die weltweite Durchschnittstemperatur mit einer Rate von 1 – 2 Grad Celsius/Jahrhundert, was völlig im Bereich des natürlichen Klimawandels der letzten 10.000 Jahre liegt. Die weltweite Durchschnittstemperatur ist in jüngster geologischer Vergangenheit viele Male mehrere Grad höher gewesen als heute.
Mythos 3 – Die weltweite Durchschnittstemperatur war in vorindustrieller Zeit relativ stabil, explodierte dann seit 1900 und wird über die nächsten 100 Jahre um mehrere Grad ansteigen (das „Hockey-Stick“-Diagramm von Mann, Bradley & Hughes und die entsprechende Computerhochrechnung).
Fakt 3 – Die Kurve von Mann und anderen ist als statistische Erfindung entlarvt worden. Es gibt keine überzeugenden Beweise dafür, dass das frühere Klima stabil war, die Veränderungen der weltweiten Durchschnittstemperaturen im 20. Jahrhundert ungewöhnlich sind oder dass eine gefährliche vom Menschen verursachte Erwärmung stattfindet.
Mythos 4 – Computermodelle sagen vorher, daß die weltweite Durchschnittstemperatur in den nächsten 100 Jahren um bis zu 6 Grad Celsius steigen wird.
Fakt 4 – Ja, deterministische Computermodelle tun dies. Andere ebenso gültige (empirische ) Computermodelle sagen eine Abkühlung voraus.
Mythos 5 – Eine Erwärmung von mehr als 2 Grad Celsius hätte katastrophale Folgen für das Ökosystem, wie auch für die Menschheit.
Fakt 5 – Eine Veränderung um 2 Grad Celsius läge völlig im Bereich natürlicher Grenzen. Ökosysteme haben sich derartigen Veränderungen seit Urzeiten angepasst. Das Ergebnis ist der Vorgang, den wir als Evolution bezeichnen. Die Menschheit kann sich allen klimatischen Extremen anpassen und tut dies auch.
Mythos 6 – Eine weitere Zufuhr menschlichen Kohlenstoffdioxids in die Atmosphäre wird eine gefährliche Erwärmung verursachen und ist grundsätzlich schädlich.
Fakt 6 – Bisher konnte keine vom Menschen verursachte Erwärmung festgestellt werden, welche sich von natürlichen Systemschwankungen und Verzerrungen abhebt. Jegliche durch den Menschen zusätzlich verursachte Erwärmung, wird wahrscheinlich weniger als 1 Grad Celsius beisteuern. Atmosphärisches CO2 ist ein segensreiches Düngemittel für Pflanzen, dazu zählen im Besonderen Getreidearten, und hilft auch effektiv bei der Evapotranspiration.
Mythos 7 – Veränderungen der Sonnenaktivität können jüngste Veränderungen der weltweiten Durchschnittstemperatur nicht erklären.
Fakt 7 – Der Ausstoß der Sonne schwankt auf unterschiedliche Art während unterschiedlicher Zeiträume (darunter fallen auch die 11-, 22- und 80-Jahre Sonnenzyklen) mit begleitenden Auswirkungen auf das Klima der Erde. Während Veränderungen des sichtbaren Teils der Strahlung gering sind, sind der Teilchenfluss und das magnetische Feld bekannt dafür starken Einfluss auf das Klima auszuüben. Mehr als die Hälfte des beobachteten Anstiegs der weltweiten Durchschnittstemperatur um 0,8 Grad Celsius kann auf die solaren Veränderungen zurückgeführt werden.
Mythos 8 – Es finden beispiellose Eisschmelzen in der Region des Südpols, wie auch des Nordpols statt.
Fakt 8 – Die Dicke der Eisdecken in Grönland und Antarktis nimmt zu und ihre höchsten Punkte kühlen ab. Das Meereseis um die Antarktis nahm 2007 eine Rekordfläche ein. Die Temperaturen im arktischen Gebiet erreichen aktuell gerade einmal das Niveau der natürlichen Erwärmung der frühen 40er Jahren und waren schon während früherer Zeiten höher (frei von Meereseis).
Mythos 9 – Die menschlich verursachte Globale Erwärmung verursacht einen gefährlichen Anstieg des Meeresspiegels.
Fakt 9 – Der Meeresspiegel variiert von Zeit zu Zeit an unterschiedlichen Orten; zwischen 1955 und 1996 ist er beispielsweise in Tuvalu um 105 mm (2,5 mm/Jahr) gefallen. Der durchschnittliche globale Meeresspiegel ist eine statistische Erhebung ohne Wert für umweltplanerische Zwecke. Ein weltweit durchschnittlicher Anstieg des Meeresspiegels von 1 – 2 mm/Jahr trat in den letzten 150 Jahren von Natur aus auf und ist kein Hinweis auf einen durch den Menschen verursachten Anstieg.
Mythos 10 – Im späten 20. Jahrhundert verursachte der Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur einen Anstieg bei heftigen Stürmen (Wirbelstürme) und der Intensität von Stürmen.
Fakt 10 – Meteorologische Experten sind sich darüber einig, dass bei Stürmen – außerhalb der natürlichen Schwankungen des Klimasystems – kein Anstieg zu verzeichnen war.





*231209*

Geheimnis der Entwicklung

Das Geheimnis der Entwicklung eines großen Künstlers, so Julius Meier-Graefe in seinem Buch über Delacroix, besteht vielleicht nur darin, seine Erregung über immer engere Kanäle fließen zu lassen. Dazu gehört die brutale Kraft der Erstlingswerke.

Die hatten viele [...]  Aber es gehört notwendig ein anderes dazu, der Geist, der die Kanäle erfindet, das Göttliche jenseits der Kraft, das die angeborenen Gaben der Natur unablässig zu höherem Nutzen treibt, die weise Ökonomie der Verteilung, die Fähigkeit, die Kunst jung zu halten, auch wenn des Körpers Kräfte versagen.




*231209*

Dienstag, 22. Dezember 2009

Hauptsache: Nebensächlichkeiten

Man würde sehr irren, wenn man Leuten wie Rudolf Borchardt oder Paul Ernst, beide in höchstem Maß "Theoretiker" ihres Faches, unterschieben würde, sie hätten "Konzeptliteratur" gemacht.

Nicht nur ist das Ideal bei beiden gerade im Gegenteil zu suchen, in der völligen Unmittelbarkeit, sondern es dient die umfassende theoretische Beschäftigung mit der Literatur  und der Kunst ausschließlich dem, was im Klappentext zu Borchardt's Briefe I so klein und lapidar steht: zur theoretischen Absicherung ihres Werkes. Das erst so verantwortbar und damit Werk wird.

Dieses ist zuerst da, dieser Schaffensimpuls, bei beiden, unbezweifelbar, in all seiner geheimnisvollen Kraft aus Rhythmus, Sinn, Klang, Laut ... Es geht aber um die Freiwerdung dazu, und dazu ist gerade in bewegten Zeiten ein enormes Verarbeiten von Ideen und Argumenten notwendig. Umso mehr, als beide äußerst intelligent sind. Aber eben beide - Fremde, und in höchstem Maß einsam. Ob ihres Talents, ob ihres Erkenntnisstandes.

So holen sie sich aus ihrer Theorie, die zum simplen und im Grunde unbedeutenden Nebenprodukt wird, auch wenn sie rein mengenmäßig den Großteil ihres hinterlassenen Schrifttums ausmacht.

Dasselbe schreibt sinngemäß auch Doderer in seinen "Tangenten", wenn er die Zeit seines Offizierstums 1938-1945 unter dieses Motto stellt, seine Beschränktheit aufs Tagebuch, seine Unfähigkeit zum wirklichen Werk "in solcher Zeit", in der er täglich alle Kraft braucht, um sich überhaupt freizustrampeln, so begründet.

Man darf sich durchaus fragen: was wäre aus allen diesen ... heute geworden.




*221209* 

Nur ein Mißverständnis?

Zu früh gefreut, über die Schweizer und ihren Mut? Steht der auf ganz anderem, weit primitiverem Boden?

Das könnte man vermuten, wenn man nun liest, daß das Züricher Schulamt das Absingen von Liedern mit spezifisch christlichem Inhalt zu Weihnachten (!) in den Schulen untersagt hat. Und als Lernziel angibt, auch die anderen Weltreligionen ins Weihnachtsfest zu integrieren.

Wahrscheinlich wie in Norwegen (Bericht) -  mit dem Argument, daß die spezifisch weihnachtliche Botschaft doch von Jesus Christus unabhängig sei ...

„Bei christlich geprägten Unterrichtsinhalten (zum Beispiel Weihnachtsvorbereitungen) sollen keine Sonderregelungen für nichtchristliche Schülerinnen und Schüler getroffen werden, jedoch soll die Lehrperson auf die religiösen Gefühle andersgläubiger Kinder gebührend Rücksicht nehmen.

Von der aktiven Teilnahme muslimischer Kinder an Handlungen und Liedern mit religiösen Inhalten, welche ihrem eigenen Glauben widersprechen (zum Beispiel solchen, die Jesus als Gottes Sohn bezeichnen), soll abgesehen werden. Die verschiedenen Religionen sollen in den Unterricht einbezogen werden. Das Kennenlernen der Weltreligionen ist ein Lernziel, das für alle gilt.“

Vielleicht aber doch nicht ganz? Denn so wollte es zwar die Zürcher Bildungsdirektorin Regina Aeppli (SP), doch wie Politically incorrect bzw. der Züricher Tagesanzeiger berichtet, hat sich auch hier ein Schweizer Plebiszit geäußert: die Bevölkerung habe mit Entrüstung reagiert, woraufhin erst "Stille Nacht", und schließlich alle Lieder wieder "freigegeben" wurden.

Wie bei den Kirchen, die mehr und mehr nur Denkmalämtern und Fremdenverkehrsinteressen verdanken, daß sie gemäß dem Selbstauflösungswillen nicht völlig devastiert und zu häßlichen Psychotechnik-Allzweckräumen und Orten der Religionssimulation entweiht werden, und wie in mancher Gegenwehr gegen das Kreuzverbot in öffentlichen Räumen in Italien, wird auch hier ein traditionsbezogenes Argument (s. u.) vorgebracht. Die Entscheidung liegt nun hier wohl bei den jeweiligen Lehrern.

Auch das übrigens eine beobachtbare Tendenz: die institutionellen Strukturen geben auf, wo sie nicht mit diktatorischer Gewalt reagieren, weil ihre Richtlinien den Bedürfnissen der Bevölkerung mehr und mehr nicht mehr entsprechen, ja auf echte Widerstände, weil in ihrer Veränderungsabsicht auf letzte Grenzen stoßen - eines der sichtbarsten Merkmale der Auflösung einer Kultur, in der solitären Desintegration der einzelnen Gesellschaftselemente, die keine Größe solidarischer Gemeinschaft mehr finden. Legt man hier eine Tangente an, so weist diese in gar nicht so ferner Zukunft auf ... Bürgerkrieg: weil dann einzelne Gesellschaftsgruppen, längst auf unaufgebbare Positionen zurückgedrängt, die Konfliktlösung nur noch selbst in die Hand nehmen können, weil sie dies zu müssen meinen. Der Staat bricht damit auseinander.

Genau in diesem Punkt lag die noch bis ins Mittelalter, ja ins Barock (der letzten homogenen, aber bereits ins säkulare verlaufenden Kulturausatmung eines christkatholischen Europas) oft so rigorose Haltung Andersgläubigen gegenüber. Noch Kaiser Karl V. und vor allem sein Sohn Philipp II. von Spanien, haben deshalb religiöse Fragen als Staatsangelegenheiten von primärer Wichtigkeit erkannt. Ja selbst die Frage der Judenpogrome wurzelt dort: im Instinkt eines jeden Volkes, was Gemeinschaft aufbaut, oder die Grundsolidarität gefährdet. Und es lag im Interesse der Kaiser, wie immer wieder historisch aufzeigbar, daß Glaubensstreitigkeiten zwischen religiösen Gemeinschaften so rasch als möglich beseitigt würden. Denn das Leben jedes einzelnen Menschen beginnt bei seiner religiösen Haltung. Es ist die Weltanschauung, die die Kraft und Gestalt einer Kultur prägt weil darstellt, ja diese ist ohne jene gar nicht möglich.

Hier aber nun die nunmehrige Argumentation des Zürcher Schulamts:

Weihnachtslieder und -spiele gehören zu unserer Tradition und diese ist auch Bestandteil von Erziehung und Bildung.  Religion ist für die Schule kein Tabu. Wir müssen unterscheiden zwischen der Vermittlung von Wissen über eine Religion und dem Bekenntnis zum Glauben. Die Lehrer vermitteln im Fach “Religion und Kultur”, was die Hintergründe des Weihnachtsfests und anderer religiöser Feiertage sind, aber sie beten nicht mit der Klasse. Das Singen eines Weihnachtsliedes ist in meinem Verständnis ein Brauch und kein religiöses Bekenntnis.




*221209* 

Montag, 21. Dezember 2009

Nicht altern - nur sterben

Rudolf Borchardt über Hugo von Hofmannsthal:

"Er konnte nicht altern, nur sterben. Er wußte es von seinen Knabentagen an: er hat als sittlicher Mensch um das Recht des Alterns gerungen, aber das Schicksal, dem er die Weigerung des Lebenskerns im Leben, des wandelnden Erlebnisses, mit so erschütternder Klage abzudringen begehrte, gab  ihm zu seiner Zeit, was es seinen Lieblingen nur scheinbar vorenthält: alle Freuden, alle Leiden - für Leben Unsterblichkeit, für Tod das einzige Erlebnis, das ihn ins Herz traf, den Untergang Österreichs.

[Denn] Seit er das Vaterland verloren hatte, war etwas von ihm 'mit der Welt nicht mehr fest verbunden'" [...] Wenn der Roman geschrieben worden wäre, mit dem er  sich trug [...] so hätte er hier vielleicht, von diesem festen Lebenspunkte aus, durch den seine Schlagader lief, das zentrale Weltgericht erbauen können, das sich immer auf Prophetenfittichen über weltgeschichtlichen Ruinen erhebt, um der triumphierenden Entartung den Spiegel der Vorzeit ins Gesicht zu halten. 

Nun blieb seine alte Formel, Tod aus Leben, Leben aus Tod, beides in beidem, Lebenlosigkeit, Todlosigkeit, Unsterblichkeit, eine leichte nahrungslose Luft aus dem dünnen Glanze der Sterne gemischt [...]"




*211209*

Sonntag, 20. Dezember 2009

Das Maß der Ideen

Julius Meier-Graefe über Eugène Delacroix, beginnend mit einem Zitat aus dessen Tagebüchern:

"Denke an Dante! Denke immer an Dante! lies ihn fortwährend, um auf große Ideen zu kommen!" - Es ist nicht der Schatz von Stoffen, was ihn lockt und treibt, sondern die Reinigung der Inspiration, die er von dem großen Beispiel erhofft. 

Dante und Homer geben ihm ein Maß. Homer ist ihm der Inbegriff künstlerischer Wahrheit. Was er darunter versteht, sagt der Titel den er Rubens gibt, dem Homer des Nordens. 

Homerisch muß man schaffen, mit dieser Einfachheit, mit dieser Natur. Er nennt Rubens homerischer als Vergil.




*191209*

Samstag, 19. Dezember 2009

Unvorhergesehen Kälte

Unbestätigten Gerüchten zufolge sollen sich außerordentlich viele der Demonstranten, die vor den Toren des Klimagipfels von Kopenhagen gegen die katastrophale Erderwärmung demonstriert hatten, schwere grippale Infekte und Erkältungen zugezogen haben. Wie ein Sprecher einer NGO meinte, habe man mit so kaltem Wetter im Dezember nicht gerechnet.

Kollektiv wurde die in dieser Nacht getroffene Einigung begrüßt, das Weltklima um zwei Grad zu erhöhen. Während eine Kältewelle über Europa braust, die Züge lahmlegt und alles im Schnee versinken läßt.

Netter Hinweis. Danke.




*191209*

Freitag, 18. Dezember 2009

Künder seiner selbst

Rudolf Borchardt in einem Versuch über "Hofmannsthals Wirkung", als Beschreibung des Wesens des Dichters (den Borchardt im übrigen vom Künstler absetzt):

"[...] Ob er sich immer gleich blieb oder nicht, ob er sich gelegentlich verschwendete oder versäumte, ob er sich übernahm oder ins Stocken geriet - er konnte darum nichts Dümmeres werden oder machen, als er selber war, nichts Plumperes, nichts Gewöhnlicheres und Schlechteres, nicht der Zeit und ihre Literatur ähnlicheres, als er selber war; er konnte auf seinen leblosesten Stand sinken, aber seinen eigenen [...] Diese vollkommene Sicherheit gab er, und er hat sie nie enttäuscht.

Er könnte manche leichte Seite nur geschrieben haben, um zu zeigen, welcher Sphärenabstand zwischen den achtlosen Nachlässigkeiten der schwebenden Begnadung und den geschraubten Veitstänzen der trockenen Schleicher ist, die ihm am Schreitisch nachtappen, Schweiß auf der Stirne und Öldunst um die Lampe.

Solange er sich selber mitteilte, und wie anders konnte er als sich selber mitteilen? wer erhielt nicht, was er von nirgend anders hätte erhalten können? Man zeige mir eine Seite - was, einen Abschnitt - von ihm, in dem nicht ein Halbsatz, ein Bild, eine Ahnung, eine Bewegung so unwiderleglich auf ihn, den Einzigen wiese, [...] Der Schöpfer teilt allem, was er trifft, von seinem Glanze mit; daß das eine mehr von ihm hält und wiederleuchtet, das andere weniger, teilt er mit dem Göttlichen, das er auf Erden vertritt."




*181209*

Donnerstag, 17. Dezember 2009

Der ewige Jude

Die "Dolchstoßlegende" - wir vorne waren Helden, die hinten haben uns gemeuchelt - hat 1918f die Befindlichkeit einer ganzen Nation bestimmt. Eine nachweislich falsche Ursachenlegende, die lediglich der Entschuldung der Schuldigen und gleichzeitig bequem der Exkulpierung vom Versagen jedes Einzelnen dienen sollte, hat historisch eine Katharsis einer ganzen historischen Epoche verhindert und sich zur Apokalypse gesteigert.

Dieses Posting, unter einem Artikel der "news.de" zu finden, ist nunmehr exemplarisch für das, was hier gesagt werden soll. Unter einem Artikel, der die 100 Milliarden Neuverschuldung Deutschlands für 2010 behandelt, die als "Krisengeld" ausgegeben werden sollen, schreibt ein ungenannt bleiben sollender Leser:

Ich bin Laie, aber unter der Neuverschuldung von 86 Milliarden kann ich mir schon etwas vorstellen. Ich frage mich. Wer soll der Gläubiger sein? Zu welchem Zinssatz wird es geborgt? Ich, persönlich glaube, wir Deutschen werden richtig verarscht. Ich glaube, die Siegermächte des zweiten Weltkrieges haben uns keinen Friedensvertrag vorgelegt und mit einer dubiosen Regelung, die man als Wiedergutmachung deklarieren kann, kommen sie auch an unser Geld. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass die Endgläubiger die auch hoch verschuldeten Siegermächte sind. Gottes Wege sind nicht durchschaubar.

Eine Dolchstoßlegende ist also auch hier längst am Entstehen, und sie wuchert. Wie ein unsichtbarer Pilz wächst da etwas heran - diesen Eindruck könnte man gewinnen, betrachtet man viele der Kommentare zur Weltwirtschaftskrise, hört man auf so vieles, was die Menschen auf der Straße reden und denken. Und auch hier: getragen, zumindest mit diesem kräftigen Wind in den Segeln, von kollektivem (und richtigem) Fühlen, keineswegs unschuldig an dieser Krise zu sein. Und so ist es in der Tat. Mit allem Recht, größere wie kleinere Verursacher zu sondieren, aber selbst das - man denke an gebündelte Kleinanlegerinteressen, in Fonds etc. - verschwimmt bis zur Ununterscheidbarkeit.

Eines ist ebenfalls gleich: die Wolke der Blutsauger, die sich ans fiebernde Rind hängen. Politische Bewegungen aller Lager versuchen heute wie damals, solche Gefühlslagen, solche innere Bereitschaften, die als "wohlfeile Auswege" vor der Wirklichkeit nur darauf warten, daß ihnen jemand Darstellung erlaubt und ermöglicht, für ihre Zwecke zu nutzen. Und spielen gefährlich mit altem, niemals kaltem Feuer - dem des Sündenbocks, dem des "ewigen Juden". Für andere sind diese Legenden nützlich, weil sie davon ablenken, daß die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte zunehmend auf schiefe Zeilen kamen, daß grundlegende Entwicklungen (Demographie ist ja auch nur Ausdruck) daneben gingen.

Sie alle nützen dieses dumpfe Gefühl im Einzelnen, daß, weil es so viele erfaßt, sogar die Dynamik eines Gruppengefühls erhalten kann, ja hat.  Und solche kollektiven Seelenbewegungen brauchen Sündenböcke, denn sie brauchen unbedingt stellvertretende Sühne, um entschuldend zu wirken. Damals waren es "die Juden". Und heute?

Auch wenn "die Juden" kaum noch zur Verfügung stehen, zu massiv sind die moralischen Ressentimentschranken, oder: höchstens unter vorgehaltener Hand, gleicht der gesamte Überbau aufs Haar. Er nennt sich heute "Kapitalismus", "Großkapital", "die Reichen". Man sucht, und viele Menschen beteiligen sich an der Suche. Öffentliche Foren zeugen von diesem Herumirren der Menschen. Und meist steht simples Unverständnis für die (wie hier) komplexen Vorgänge an der Wiege.

Der Schritt ist winzig, die Grenze dünn wie eine Membrane, sodaß man bereits die Dünste riechen kann, die nach Personalisierung schreien.

Wenn es auch stimmt, daß überall Menschen dahinterstehen, so sind es auch immer Menschen mit dem ganzen Spektrum ihres Handelns und Daseins - in ihren Irrtümern, Schwächen, Dummheiten, Versagen, Lastern und, natürlich, Bosheiten.

Weil es mir gerade in den letzten Tagen nun schon auffallend häufig in Gesprächen wie beim Lesen von Postings in Nachrichtenorganen untergekommen ist, sei der Hinweis auf speziell dieses Kapitel - hier im Blog als Versuch, diese komplexen Sachverhalte möglichst einfach zu erläutern, zu finden - erneuert: Wo Menschen sich einfach nicht vorstellen können, daß dort, wo jemand Geld verliert, nicht jemand steht, der es einsteckt. Weil sich "Geldvermehrung" oder "Geldvernichtung" dem einfachen Verstehen entziehen. Weil heutige Wirtschaftszusammenhänge, in denen wir täglich stecken, hoch komplex sind. Im besonderen deshalb gewidmet: L, Z und R, die mich unabhängig voneinander um diesen Dienst gebeten haben.




*171209*

Big Brother is watching

Natürlich hat das Internet die Public Relation-Strategien völlig verändert. Wer nun meint, das sei alles nur eine Plattform mehr, auf der man Meinungen austauschen, Dampf ablassen, Videos gucken, oder Reisen buchen kann, hat sich etwas geirrt. Das Internet ist etwas wie eine "Extrapolation" des realen Lebens, und es wird noch eine geraume Zeit dauern, bis man es exakt lesen wird können. Immer noch tappt man weitgehend im Dunkeln, und die letzte Schweizer Volksbefragung zum Thema Minarette hat gezeigt, wie sehr man noch daneben liegen kann. Noch ist einfach nicht klar, welcher Instrumenteneinsatz, welche Vorgänge welche Auswirkungen haben. Aber man arbeitet daran. Ernsthaft. Und mit viel Geldeinsatz.

Eine der Sumpfblüten dabei - und keine verzichtbare, sondern eine der drei Säulen, auf denen heutige Medienarbeit steht - sind eigene Medien-Beobachter. Solche wie "www.eclipping.at". Diese und ähnliche Unternehmen überwachen permanent das gesamte Internet (was man sich nur nicht so kompliziert vorstelle - jedem der die Augen ein wenig aufmacht stehen oft sogar recht raffinierte Web-Beobachtungstools zur Verfügung, die erstaunliche Rückschlüsse ermöglichen), und das im Auftrag ihrer Kunden, also absolut "Interessen gesteuert". Und reagieren sofort, zum Beispiel über "Alarmmeldungen". Weil (so steht es auf ihrer Homepage):

Wenn es mal wirklich brisant wird, garantiert dieser Service [der Alarmmeldung, Anm.], daß kein heikles Posting von unseren Kunden übersehen wird. Mit dieser Funktion kann jedes üble Gerücht und jede Verleumdung prompt erkannt und Gegenmaßnahmen getroffen werden. Außerdem ist die Warnmeldung ein wichtiges Indiz für die Richtung, die Ihr Image oder das Ihrer Mitbewerber einschlägt.

Wie wird dann reagiert? Postings. Gegenmeldungen an Presseagenturen oder direkt an die Zeitung (man kennt sich ja!) Artikel. Bilder. Werbeeinschaltungen. Abendessen mit einem Redakteur. Texte von Prospekten und Verkaufsunterlagen. Argumentationshilfen. Einschaltungen "im öffentlichen Interesse" (Werbeinserate der Parteien, zum Beispiel) mit dezent richtungssteuernder Wirkung bei den Medien. Allgemeine Maßnahmen der öffentlichen Wirkung (Preise, Auszeichnungen, Sponsorentätigkeiten) Und so weiter, und so weiter, und so weiter.

Schauen Sie sich einmal die Referenzkunden des oben bereits genannten Unternehmens an:
  • Albertina Museum
  • ARCOTEL Hotels & Resorts GmbH
  • Bayer Austria GmbH
  • Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG
  • FAIRTRADE Österreich
  • Falstaff Verlags GmbH
  • Libro Handelsgesellschaft mbH
  • ÖBB Personenverkehr AG
  • Pfizer Corporation Austria GmbH
  • SAP Österreich GmbH
  • Schindler Aufzüge und Fahrtreppen AG
  • Sky Österreich GmbH
  • TUI Austria Holding GmbH
  • Tupperware Österreich GmbH
  • Universal Music, Austria
  • Universal Pictures, Austria
  • VELUX Österreich GmbH
  • Vienna International Hotelmanagement AG
  • Walt Disney Studios Motion Pictures, Austria
Da ist alles dabei. Von NGOs (Fairtrade!) über Pharmaunternehmen bis zu simplen Wirtschaftsunternehmen handbackener Art. Die Parteien haben natürlich ihre eigenen Agenturen, meist zumindest. Und hätten es sicher nicht so gerne, in solchen Listen zu erscheinen. Aber alle sind höchst interessiert, öffentliche Meinungen, Stimmungen, Trends möglichst früh, möglichst in der Phase ihrer Entstehung, oder davor, zu erfassen um darauf zu reagieren bzw. ihre PR-Maßnahmen zu verifizieren.

Oder dachten Sie ernsthaft, daß hinter den Postings Ihrer täglichen Online-Zeitung - nur weil sie so ehrlich und offen sind - tatsächlich Ihnen ähnlich motivierte Einzelpersonen, Privatpersonen stecken, die allen Ernstes an einem Meinungsaustausch interessiert sind? Auch wenn das nicht auszuschließen ist. Aber: Das ist ja heute nicht einmal mehr bei den simplen Redaktionsbeiträgen der Fall - auch die bestehen nach Schätzungen zu längst mehr als 50 Prozent aus Public Relation, vorgeblich und zumindest aus Kostengründen. Darüber spricht man auf Kongressen als "bevorstehende unabdingbare Strukturveränderungen in der Medienlandschaft".

Nahezu alle Zeitungen leben zu einem immer größeren Teil von durch PR-Unternehmen (Imageagenturen, wie eClipping, die PR wird ja längst weit umfassender aufgefaßt als wir es seinerzeit noch im Studium hörten - mit abgetippten Meldungen, etc. ... heute geht es nur noch um Corporate Identity etc.) oder PR-Abteilungen bereitgestellten Artikeln, die man schon seit 25 Jahren (damals war das noch neu) im Stile eines "public interest" durchführt. Dabei also jede Meldung an einem Thema von öffentlichem Interesse aufhängt. Je öffentlicher, also von allgemeinerem Interesse das wirkt, desto erfolgreicher ist diese PR. So verbindet der Botschaftsempfänger Unternehmer oder politische Anstalt mit bestimmten Gefühlen, Inhalten etc.

Also: Pfizer (um nur so ein willkürliches Beispiel herzunehmen) macht nicht "Werbung für die Anti-Baby-Pille!" Ach, wo denken Sie hin, wo leben Sie! Pfizer startet eine Kampagne zur weiteren Modernisierung des heutigen Lebens, zur Steigerung des Lebensgefühls durch einen Urlaub zu zweit in Timbuktu; sponsert die SPÖ Liesing bei der Durchführung von Frauenberatungen und postet zu jedem Thema im 'Standard', das nur irgendwie mit diesem Thema - Empfängnisverhütung - zu tun hat, um das Meinungsklima dafür aufzubereiten. Und Pfizer bezahlt jährlich 10.000 Euro (metaphorisch gemeint, der künstlerischen Phantasie entnommen) für eine Tafel am Aufgang zum Brahmssaal. Und das ist nur ein kleiner Ausflug in dieses Thema! Wobei: wir leben in Österreich, nicht vergessen ...

Aber auch hier wird längst heiß gekämpft. Beobachten Sie zum Beispiel nur, was sich in den Medien (ausnahmslos) tut, wenn ein Thema (suchen Sie sich eines aus, man braucht meist nicht einmal viel Intuition, um diese Zusammenhänge zu erfassen) im Parlament zur Debatte steht. Oder ein Kongress in ein, zwei Wochen stattfindet. Oder der "Tag der Frau" oder der "Tag des Weltklimas" oder der "Christopher-Street-Day" etc. etc. "Zufällig" werden Sie dann Tage, Wochen vorher, in exakt abgestimmter Strategie, Meldung über Meldung, Informationen aller Art, Bilder, Farben ... an alle Ecken und Enden entdecken, die je nach Strategie das Feld beackern, und natürlich ein bestimmtes Klima erzeugen sollen, das für die Auftraggeber dieser Agenturen (sowas macht ja kaum noch jemand selber) günstig wirken soll.

Na selbstverständlich geht das bis hin zu lächerlichen Details wie "Anzahl der Postings" oder "Bewerten des Postings". Kein Parameter, das da vergessen wird, es sind Profis! - alles wird verwertet, analysiert, in eine Strategie umgesetzt. Speziell NLP - eine Art Technik (!) der Phänomenologie - hat hier wahre Revolutionen bewirkt.

Und selbstverständlich, aus der Natur der Sache heraus, sind es vor allem linke Meinungen und Haltungen, die so intensiv beackert werden ... denn die Linke braucht die apodiktische Behauptung, dieses Setzen, weit dringender als die Rechte. Und unaufhörlich. Denn immerhin steht die Wirklichkeit gegen sie. Weshalb die Vorstellung, daß vor allem die "reichen Kapitalisten" solche Agenturen beanspruchen, Schnee von übervorgestern ist. Greenpeace ist heute zum Beispiel ein einziger PR-Konzern von riesigen Ausmaßen.

Also, posten Sie, tauschen Sie ihre Meinungen weiter aus, im Zeitalter des so großartigen, demokratischen Web 2.0. Dort sitzen sie dann, die Cerberusse der Web-Beobachtungsstellen mit ihren Kundenaufträgen, und greifen sofort ein, viel geschickter als Sie es sich vorstellen können, weil an keine allgemeine Ethik gebunden. Denn ihre Ethik ist die Wahrung des vordergründigen Interesses ihres Kunden. Immerhin kassieren sie dafür dicke Gelder, denn so, so werden Meinungen und Haltungen gemacht.

Selbstverständlich wird auch dieses Blog beobachtet. Das nachzuverfolgen ist kinderleicht, und Google liefert dazu beste Eckdaten. Das läßt sich somit je nach Thema vorhersagen und feststellen, sogar zurückverfolgen. Das ist so, und damit lebt man. Diese Internetseiten, als deren Bestandteil dieses Blog zu sehen ist (Impressum), verstehen sich ja als publizistisches Medium. Es ist also deren Aufgabe, wahrgenommen zu werden. Außerdem: wir leben in Österreich, da muß man so etwas nicht dramatisieren. Hierzulande fehlt die Größe, aber auch deren Format.

Was sich aber erst bei Facebook (etc.) und Twitter abspielt und noch abspielen wird, dazu dürfen Sie nun ihre Phantasie alleine weiterspinnen lassen. Wer einmal erlebt oder beobachtet hat, wie menschliche Intelligenz es schafft, auf simplen Bedürfnisstrukturen und Leidenschaften aufbauend (wo, staunenswerter Weise, das Menschenbild noch ziemlich abendländisch zu sein scheint - da sind sogar speziell die Russen Weltmeister!), Wahrnehmung und Wirklichkeitsbild völlig zu düpieren, der staunt ohnehin nur noch ...




*171209*

Jahrhundertchance verpaßt

Aber, so K zu mir, was hätte man tun sollen? Irgendetwas muß man doch tun - tun, was möglich ist!?

Aber das was man tat, meinte ich, und lehnte mich zurück, schob die Mütze ins Genick und den Zahnstocher zwischen die Lippen, um die Hände hinter dem Nacken zu verschränken, ging einfach zu weit - es war eben gar nicht mehr möglich. Sieh doch: Alleine England hat, um seine Banken zu retten, um so, angeblich, die Wirtschaft vor dem Zusammenbruch zu bewahren, den Gegenwert eines halben Jahres-Brutto-Inlandsprodukts an Geld neu geschaffen und ausgegeben, um die Banken zu stützen! Jeder britische Kopf ist nun mit zusätzlich 27.000 Pfund an neuen Schulden belastet! Und ich rede nur von England! Die EU besteht aber aus 27 Staaten! Wenn die Rettung des Status quo so weit geht, dann ist es einfach zu weit! Dann ist es doch keine Rettung - sondern die Basis für die nächste Krise. Denn was hat man gerettet? Nur die Hype-Blasen. Keine realen Werte. Nur die bereits bestehenden Schuldenbelastungen, denn unser ganzes Wirtschaften war schon Jahrzehnte nur noch auf grotesker Hoffnung aufgebaut, durch noch neue Belastungen für die Zukunft. Wir machen uns selbst weiß, daß das, was wir herleihen, auch einmal zurückgezahlt werden kann. Geht es absurder? Das perfekte Hamsterrad. Wir laufen, weil das Rad sich angeblich so schnell dreht, und stattdessen ...

Ja, aber hätte man denn stattdessen das totale Chaos riskieren müssen? Das geht doch nicht!? K war ein wenig verzweifelt.

Ja, fast darauf kommt es hinaus, denn wir haben hier ja die fünfte oder sechste Stufe eines jeweiligen Rettungsversuchs der letzten 30 Jahre. Jedesmal war das Argument dasselbe: wenn man jetzt nicht rettet, nicht einspringt, riskiert man einen Teilzusammenbruch.  Und jedesmal waren wir nur noch einen Schritt weiter, war alles noch prekärer, und die alten Probleme waren sowieso in vollem Umfang wieder da, nur diesmal: zusätzlich.

Wie haben keine Probleme gelöst, so höre doch zu: Es IST NICHTS GELÖST, und NIEMAND hat irgendetwas GERETTET! Das sind die Lügen dieser Politikbeutel, die völlig hilflos auf ihre nächste Wiederwahl starren - Sie haben ALLES NUR wieder einmal AUFGESCHOBEN, WIEDER EINMAL: AUFGESCHOBEN!! WIR WARTEN ALLE AUF DEN WEIHNACHTSMANN!

Nun wurde ich ziemlich eindringlich, um es so auszudrücken. K war bereits im Maß des Ansteigens meiner Stimme nervös geworden, blickte nun hastig, mit angstvoll aufgerissenen Augen im Lokal um sich, als erwartete er sich vom KGB beobachtet. Er streckte seine Arme in meine Richtung:

Schschsch, reg Dich ab!!! Die Leute schauen schon!

Tschuldige ... Ich richtete meine Mütze, die in der Erregung nach vor gerutscht war, schämte mich einen Augenblick - ich mußte ausgesehen haben wie Fummelbär kurz vor seinem ersten Herzinfarkt - und blickte verstohlen um mich, fuhr dann, bemüht ruhig, fast flüsternd fort. Vielleicht aber hätte man jetzt noch ein wenig Handlungsspielraum gehabt. Der aber wird nun auf eine Weise eingeengt, daß ich behaupte, wir können uns zukünftig nicht einmal mehr wehren, wenn ein Floh hustet. Selbst kleinste Unregelmäßigkeiten im Wirtschafswachstum werden zukünftig brisant - und, vergiß das nicht: es gibt kaum einen Krieg der letzten 200 Jahre, der nicht aus Wirtschaftsgründen begonnen wurde. Wenn zukünftig schon kleinste Probleme das System in seiner Existenz erschüttern - dann frage nicht, wie rasch man mit schärfsten Gegenmaßnahmen kontern wird müssen. Immer mit demselben Argument: um Ärgeres zu verhindern. Verstehst Du? Wir haben eine Jahrhundertchance VERPASST!

Du übertreibst doch wieder einmal, Du bist halt ein ewiger Schwarzseher ... K schien nun zerstreut, nervös, blickte im Lokal herum, stocherte in seinem Kuskus, grüßte eine Bekannte durch Heben des Kopfes, ehe er den bemüht blasierten Blick wieder mir zuwandte. In solchen Momenten haßte ich ihn.

Nein, im Gegenteil, behaupte ich: ich glaube noch an die Regenerationskraft des Menschen, und ich glaube, daß sogar die heutigen jungen Menschen willens und tatkräftig genug wären, so richtig von vorne anzufangen, in die Hände zu spucken, gebraucht zu werden, und eine schöne Kultur aufzurichten. Ja, die warten auf dieses Signal! Aber stattdessen hat man uns nur noch angelogen und tut es noch: denn es geht nicht um Verhinderung eines Zusammenbruchs - was, bitte, soll denn noch mehr zusammenbrechen? Das WAR der Zusammenbruch. Und wir kitten nun die Scherben notdürftigst zusammen, unter noch mehr Ängsten und Bedrohlichkeiten, um uns so in die nächste, noch größere Apokalypse hinüber zu schleusen, in dem Wahn, es werde irgendwas, irgendwie, irgendwann schon noch kommen, das uns alle Löcher endlich auch wieder mal flicken und stopfen läßt, irgendwann ... Wehe nun dem, der dieses zusammengeschusterte Ding nun NICHT als "schön und gut" sehen will.




*171209*

Nolentem trahunt.

Während die alten Epen - und man muß gar nicht so weit, also bis Homer zum Beispiel, zurückgreifen - die Charaktere aus den Handlungen erklärten, ist im heutigen, im zeitgemäßen Roman Handlung und Charakter weitgehend, wenn nicht völlig, auseinandergefallen.

Denn der heutige Mensch handelt gar nicht mehr - die Dinge geschehen vielmehr, anstelle einer Handlung bleibt bestenfalls noch eine irgendwie etwas auslösende Tat, ja oft sucht sich die Wirklichkeit als "Seinsspannung" kräftiger ihren Weg als der Mensch im Entschluß. "Fata volentem ducunt, nolentem trahunt." - Dem der nicht will, den zieht das Schicksal. Den Wollenden führt es.

Deshalb würde ein Geschehen, eine Handlung, den Charakter eines Menschen heute gar nicht mehr ausreichend darstellen können. Deshalb muß mit feinsten Instrumenten jene oft schon fast ganz verborgene Handlung gesucht werden, die die eigentliche Handlung ist ... ein Verhalten zur Handlung oft mehr, als Handlung eines Menschen, soweit er sich überhaupt besitzt.




*171209*

Mittwoch, 16. Dezember 2009

Wie Geld entsteht - eine reale Groteske?

Das vor wenigen Tagen an dieser Stelle begonnene Thema illustriert die heutige Meldung der Presse über eine Aktion der EZB, der Europäischen Zentralbank. Die leiht nämlich europäischen Banken Geld. Billiges Geld, also solches zu niedrigem Zinssatz. Das ist nicht das erste Mal: alleine im Juni 2009, so schreibt 'Die Presse', habe sie 559 Milliarden Euro an Banken verliehen, im September "nur" 75 Milliarden.

Was ist diese Bank? Tragen dort die Europäer ihr Geld hin, das sie in Sparstrümpfen zu Hause horten? Oder reiche Kapitalisten, die nicht wissen, woher sie sonst noch ihre Kapitalerträge lukrieren sollen? Nein.  Sie "lebt" von der Bonität der Staaten, die (sehr vereinfacht) mit ihren jeweiligen Staatskapitalien (Steuereinnahmen etc.) für diese Bank - unter anderem über die verstaatlichen Nationalbanken - haften.

Die natürlich auch wieder einen gewissen Prozentsatz dieser Kredite in ihren Bilanzen absichern müssen. Als Risiko. Das tun sie in der Regel über die "Gewinne" die sie machen. Wie kann eine Nationalbank Gewinne machen? Darf sie das überhaupt?  Machen wir es einfach: das sind indirekte Steuern, selbstverständlich. Die sich die Nationalbanken bei inländischen Kreditinstituten etc. holen.

Aber: das geschieht alles nicht in voller Kredithöhe, natürlich. Sondern in Höhe eines gewissen Prozentsatzes, den man als "notleidende Kredite" einschätzen könnte. (Auch damit also läßt sich "Geldmenge" steuern.) In Höhe des Risikos. Die EZB ist also eine Art Notfallgemeinschaft, wo alle Staaten - im Letzten sind alles immer nur Steuern, da kann nichts darüber hinwegsehen - dafür garantieren, daß Geldmarktmaßnahmen durch solidarische Wirtschaftskraft ausgetragen werden. Durch ZUKÜNFTIGE Wirtschaftsleistung. Womit auch klar wird, warum Stabilität des Status quo von so hoher Bedeutung ist: riskiert man Stabilität, bricht dieses ganze Gebäude, das auf Zukunft orientiert ist, nämlich sofort zusammen! Wenn ein Staat nicht stabil ist, kann er auch keine Zukunft belehnen.

An sich hat die EZB (sieht man von den Goldreserven ab, die sämtliche Staaten der EU dorthin abliefern mußten) keinen einzigen Euro in ihren Kellern liegen. Es fehlte ja ein "direktes EU-Volk".  Wenn diese Zentralbank also nun "billiges Geld in die Märkte pumpt", wie es 'Die Presse' beschreibt, so ist dieses Geld (noch) nicht vorhanden, sondern wird es erst: in dem Moment, wo europäische Banken (für diese ist es da) diese Kredite in Anspruch nehmen, um sie den eigenen Kundenkreisen weiter zur Verfügung zu stellen.

Diese Kredite kann die EZB deshalb vergeben, weil sie nichts anders vorliegen hat als Unterschriften. Unterschriften der jeweiligen Länder, die an ihr beteiligt sind. Aus einem freien Markt kann sie es kaum nehmen - denn dort soll es die Nachfrage nach Gütern über die Geldmenge vermehren! Nicht zufällig spricht 'Die Presse' auch nicht von einem bestimmten Betrag. Was gebraucht wird - wird in den "Markt gepumpt". Die EZB hat also so etwas wie einen "Blankowechsel" in Händen: der ist unterschrieben, aber noch kein Betrag ist eingesetzt.

So "schafft" die EZB aber zusätzliches Geld. Um über die vermehrten Geldangebote Anreize für Investitionen zu schaffen, also Nachfrage, die der europäischen Wirtschaft derzeit - mangels Geld, das ja vernichtet wurde, das aber natürlich trotzdem mit sehr realen Werten zu bedecken wäre - zu fehlen scheint. Um also - in extremis - die noch mehr als jene einer Inflation gefürchteten Erscheinungen einer Deflation (die einen Stillstand der Wirtschaft zur Folge hat) zu verhindern.

Die Geldmenge innerhalb der EU erhöht sich, im Wesentlichen um genau den Wert dieser Kredite. Auf der Grundlage von Geld, das NOCH niemand hat, sondern das nur jeder EU-Staat verpflichtet WÄRE, in die EZB zu investieren.

(Theoretisch könnte man die EZB auch pleitegehen lassen, aber das macht keinen schlanken Fuß, wie die Geschichte um Dubai gezeigt hat: wo der Staat seine Immobiliengesellschaft einfach hat sinken lassen, sich so entschulden wollte ... nun springt ja Abu Dhabi ein. Die Kreditwürdigkeit Dubais wäre sonst völlig ruiniert gewesen.)

Auch wenn es keiner dieser Staaten (noch) selber hat. Jeder der EU-Staaten erhöht aber auch die Festschreibung einer Verpflichtung für die Zukunft, riskierte er nicht simpel rasche Inflation, die jeden Vorteil aus diesem zusätzlichen Geld augenblicks wieder auffressen würde.

Und dies mittel- und langfristig auch immer - es war noch nie anders - tut. Und damit dieses Geld (bzw. seinen Deckungswert) über Enteignung (das ist Inflation) wieder auftreibt. Erarbeitet muß dieser Geldwert nämlich irgendwie und irgendwann einmal werden. Wenn die EZB nun also "Geld in den Markt pumpt", so tut sie das unter der Prämisse, daß dieses zusätzliche Geld in der Zukunft durch zusätzliche Wirtschaftsleistung auch bedeckt wird.

Um die Sache aber endgültig auf die Spitze zu treiben: Hier wurde schon berichtet von Deutschland, das nun genau diese Wechsel - siehe oben - zumindest zum Teil wieder als Anleihen auf den Markt bringen möchte, um noch "Finanzierungsspielraum" zu gewinnen, wie Kanzlerin Merkel es nannte. Also das Geld ... zweimal (!) aus dem Volk zieht - das nämlich selber für das Geld, das es dem Staat leiht, auch garantiert, daß es an es selbst zurückgezahlt wird, und dafür Zinsen kassiert, die es selbst erarbeiten muß, um damit irgendwann hoffentlich, über alle Inflation hinaus, das Geld zu verdienen, das es JETZT herleiht. Nicht dumm - oder?

Weil diese Prognose aber bei einer Wirtschaftskrise, wie derzeit, zusammenfällt wie ein Germkuchen unter der Sonne, Wirtschaftskrisen aber so regelmäßig sind wie auf den Sommer der Herbst folgt, und das auch jeder weiß, außer Wirtschaftsstudenten, die glauben ihre Mathematik wäre mit der Wirtschaft gleichzusetzen und irgendwann auch dieser verbindlich vorzuschreiben, wird damit ohne jeden Zweifel der Euro ausgehöhlt. Und selbst wenn das, wie derzeit, so gut wie alle Staaten der Welt machen, hebt sich das nicht auf, sondern wirkt überall gleichermaßen ... inflationär. Weil aber derzeit kein Staat der Welt noch danach bemessen werden kann, wie weit seine Währung überhaupt gedeckt ist, sondern vor allem danach, wieweit er überhaupt willens ist, wieweit er also willens ist, sich noch weiter zu verschulden, um den Status quo fortzuschreiben, und das schon als wichtigstes Merkmal von Stabilität gesehen wird, ist das wohl auch schon egal.

So denken offenbar alle diese Herren bereits.

SIE denken nun: aber ... aber ... Richtig. Es ist wie im Beispiel das sich Merkel ausdachte ... genial.

Aber stellen Sie sich nun vor: Genau so funktioniert unser Wirtschaftssystem seit Jahrzehnten. Und es funktioniert genau so und noch genau so lange, bis ... bis ... das Element Zukunftshoffnung - daß alles irgendwann wieder ins Lot kommt und alles sich irgendwie noch regelt - endgültig nicht mehr funktioniert.

Warum schließen wir aber nicht Afrika an die EU an? Die haben doch noch ungeheuren Bedarf nach Produkten, und produzieren nix! Das mit dem Geld, das kriegen wir schon hin. Der Hintergrund, warum nach Leben am Mars gesucht wird, ist ja nun auch klar.




*161209*

Volkstheater, nicht Proletenstadel

Eine der Perversitäten, an die wir uns längst gewöhnt zu haben scheinen, ist die Reklamation der Linken, daß das Theater im Ursprünglichsten "Ihnen" gehöre - also eine Veranstaltung der Proletarier wäre. Nichts aber wäre (und das ist penibel historisch belegbar) weiter verfehlt!

Das Theater als lebendige Volksäußerung ist zuallererst eine Sache der religiösen Äußerung, als Fokus und Herz der innersten Bewegung des Menschseins. Und von dort weg hat es sich auch - in der Ausbildung stets vorhandener Zweige, wie dem "Komiker" als Diabolos des Sakralen - profaniert, so problematisch diese Trennung in hier profan, dort sakral, ist.

Noch heute hat jede kirchenrechtliche Verhandlung mehr vom echten Theater als die Linken je zu Gesicht bekamen, geschweige denn schufen.  Wo es sogar den Kasperl, den Mephistopheles, den Hanswurst (und wie er sich sonstwed ausarbeitete) noch gibt: den advocatus diabolo - den die Linken ganz schnell in ihren KZs verschwinden haben lassen. Das unbändigbare Instrument der Selbsthinterfragung, ohne Tabu und Grenze.

Das "politische" Theater ist eine impotente Angelegenheit verkopfter Aufklärung, und da darf man schon mal Schiller am nicht vorhandenen Bart zupfen: denn ab der Spätaufklärung und Romantik begann dieser Zirkus, das Theater als Bildungs- und Volksverbildungsanstalt zu mißbrauchen. Nicht zufällig kam es zu einem regelrechten Einbruch der Dichtkunst, vor allem in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, von welchem Tiefschlag sie sich erst mühsam nach dem ersten Weltkrieg wieder aufrappelte, ob erholt ist eine andere Frage. Aber spätestens in dieser Zeit begann endgültig die völlige Solitärisierung der Dichtkunst, die ihre Höhe nur noch in einigen Ausnahmen halbwegs hielt, gegenüber einer zum Strom anschwellenden, immer breiteren Masse an Nieten und Bedarfsschriftstellern, einer der vielen abscheulichen Mißgeburten des Technizismus ...

Am lebendigsten blieb die Dichtung als lebendige Volkskunst dort, wo sie auch zuletzt lebendig war: im geistlichen Spiel (Jesuiten- und Klostertheater des Barock!), in den Passionsspielen, in den Pfarrtheatergruppen (ja, tatsächlich ...) Und in den ach so harmlos wirkenden, aber wie populären Hausbüchlein und Volkskalendern, inmitten eines Umfelds von Frömmigkeit und heiterer Beschaulichkeit. Dort findet sich noch, mit welch bescheidenem aber wie echtem Anspruch, die blutwarme Erzählkunst tradiert.

Und die Proletarierkunst? Ja guter Gott - schaue man sich doch Hauptmann an! Will jemand allen Ernstes behaupten, daß DAS, diese konstruierte Belehrungsveranstaltung, blutwarme Volkskunst war? Oder das Thesentheater, bis hin zu Brecht und weiter zu Sein, Peymann und Konsorten? DAS soll Volkskunst gewesen sein??? Bestenfalls, wie es sich hirnverödete Linke vorgeträumt haben, die nicht gemerkt haben, daß neben ihnen im Publikum nur dieselben strukturkonservativen, verbeamteten Pseudointellektuellen saßen wie sie selber waren. Und die - welch ein Frevel! - Volkstümlichkeit mit ihrer eigenen geilen Primitivität vertauschten.

Da schaue man doch lieber hin, wo die Pauren und Arbeiter ihre befreienden Vergnügungen fanden, ab den 1920er Jahren ... Kein Geringerer als Rudolf Borchardt, von klassischer Bildung und Tradition gesättigt bis unter den letzten Haarschopf, weist darauf hin, was dort geschah: sie wanderten ab in ... Kino und Varieté. Wo man sie aber leider untergehen läßt.

Und die letzten Zuckungen des Volkstheaters, manche Komiker, manche Kabarettisten, die von den Linken mit gerümpfter Nase und verächtlichem Ausspucken bedacht werden, solange sie nicht auch da und dort linke Thesen hervorwürgen, werden nicht in Österreich gesichtet ... wo sich noch seichteste, langweilig-konformistische Komödie dem sogenannten Theater überlegen fühlen darf. Jeder Musikantenstadel hat mehr von diesem ursprünglichen, echten Volkstheater, als das Volksstimmfest um drei Uhr früh je hatte. Und jede Hansi Hinterseer-Bergwanderung mehr von Poesie, als die Herren Peymann und Stein je zu Gesicht (nicht: zu Gehirnmatsch) bekamen. Die jedem Sepp Forcher dieser Zeit die Füße küssen müßten.

Anstatt in linken Gazetten ekelige Wichs-Ejakulate vorgeblicher Altersweisheit - "Na wir waren ja noch ...!" - nie fertig pubertierender Beamter von sich zu spotten. Jawohl, Herr Peymann, das Theater ist selber schuld, aus der Mitte in den Randbereich geschoben worden zu sein. Und Sie sind gleich voran mit Schuld. Denn VOR Ihnen gab es noch etwas zu zerstören und zu zertrümmern, NACH Ihnen (und all ihren Kollegen der Nachkriegszeit, auch Zadek muß man da nennen, auch wenn sein Weg nicht so dezidiert, sondern unbewußt, deshalb quasi zufällig und immanent politisch war) nicht mehr.

Und um Ihre Ausführungen zu einem hoffnungsvollen Ende zu bringen: wunschgemäß stelle ich Ihr Bild in der Graphikmaske auf "rechts" (einzuordnen) - vielleicht nützt es noch was, ehe Gevatter Hein an der Tür klopft.




*161209*