Dieses Blog durchsuchen

Samstag, 29. August 2009

"Mein Kind! Du bist Braut."

Hugo von Hofmannsthal über seine Großmutter (in: "Aus einem alten vergessenen Buch"):

"[Sie] nahm ihr Dasein wie ein lebenslängliches Amt, das keine Abwechslung duldet, keine Ausnahme von der Regel kennt. Ihre einzige Leidenschaft war ihre Liebe gewesen; seit diese im Laufe der Ehe zu Achtung und Zuneigung gekühlt war, hatte das Blut keine Macht mehr über sie. Nie lachte sie, niemand hatte sie jemals anders gesehen als in stiller Heiterkeit; nie besuchte sie das Schauspiel. [...] So, verzagt an Empfindungen, hatten sich alle Töchter vermählt ohne Liebe. Man sah einen Mann am Teetisch der Mutter; er kam nach acht Tagen ein zweites Mal. Jetzt fragte man, wer er sei? Ein drittes Mal kam der Mann vor den Tisch, ging zur Mutter, dann zum Vater. Jetzt fragte man sich: Was mag der Mann wollen? Nach Tische ließ die Mutter die Tochter vor sich befehlen und sagte ihr: "Mein Kind! du bist Braut."





*290809*

Also lernte sie türkisch

Das Antlitz Europas steckt bereits mitten in gewaltigen Umbrüchen. Hier ein ZDF-Bericht aus Duisburg. "Um hier zurecht zu kommen, passen sich die Deutschen den Ausländern an." Daß eine Integration der Migranten in diese, unsere Kultur, längst gescheitert ist, ist seit Jahren bekannt. Dafür aber eskaliert in Duisburg die Situation bereits in Straßenschlachten. Oder in enormen Kriminalitätsraten, und in einer Gewaltbereitschaft, die ein Durchsetzen der deutschen Rechtsordnung immer schwieriger machen. Das Faustrecht kehrt wieder. Wer sich nicht selbst wehren kann, kommt unter die Räder.



*290809*

Montag, 24. August 2009

Zurück zur Ikonostase

Das Verschwinden beziehungsweise der Abbau des Lettners, im Übergang Gotik - Barock, wie er sich in der Ikonostase der Ostkirche bis heute ohnehin erhalten hat, ist im Gleichschritt mit der kulturellen Entwicklung und Verlebendigung beziehungsweise der Bekanntheit von Glaubensinhalten zu sehen. Anders ist er nicht denkbar.

Genau das also schwindet heute: Glaubenswissen. Somit ist ja niemandem mehr klar, was es überhaupt zu glauben gäbe. Und gerade die konservativsten Bischöfe verteidigen den Religionsunterricht, der sogar weitgehend mehr verdirbt als er gut macht, aber in jedem Fall kein Glaubenswissen mehr vermittelt, aus faulem Strukturkonservativismus am vehementesten. (Während sie sich sein Mißlingen dem "allgemeinen Kulturverfall" in die Schuhe schieben, anstatt zu begreifen, daß sie, als die Spitze, diesen zuallererst zu verantworten haben.)

Von der Entwicklung des Lettners her, jedenfalls, ist der Schritt eine einzige, klare Linie: hin zum Volksaltar, hin zum Altar inmitten der Gläubigen, in völliger Distanzlosigkeit. Der Altar ging ins Volk, wohl um sich besser kennen zu lassen? Denn je weiter er zum Volk (auch sichtbar) wanderte, desto weniger Glaube ist zu bemerken.

Aber ganz simpel betrachtet: Gab es also eine Entwicklung in diese Richtung, so müßte doch ebenso simpel die Entwicklung - schon aus rein pädagogischen Gründen, denn aus ästhetisch-künstlerischen Gründen sind sie sowieso niemandem mehr plausibel zu machen - in die andere Richtung ebenfalls gehen? Wo doch das Wissen eben NICHT mehr in den Menschen ist, von wohin es aus den Bildern heraus (in der Erinnerung, im Fleisch) gewandert ist - wenn.

Und das hieße: Wiederaufbau des Lettners, Remontage der "Speisegitter", Einführung einer Ikonostase. Das wär' mal was Solides.




*240809*

Freitag, 21. August 2009

Nicht ganz bekannt, von Kraus

Fritz Kortner spuckt in seinen Memoiren gegen (den späten) Karl Kraus Gift und Galle. Denn Kraus hatte sich nicht nur zunehmend gegen die Linke gestellt, sondern Hitler auch noch völlig unterschätzt, wie Kortner meint. In der "Fackel" habe Kraus sogar Theodor Haecker das Wort erteilt, mit der (etwa 1935) getroffenen Aussage:

"Das aktive Böse dieser Welt ist heute in Westeuropa in der Form der Formlosigkeit in Presse und Publikum zu Hause, in Parlamentarismus, Wählerschaft, Bank- und Geldwirtschaft, lauter anonymen, vollkommen verantwortungslosen, nicht faßbaren Massenmächten. Ich werde aber von dem Glauben nicht lassen, daß der blutrünstigste Tyrann noch leichter zu jenem geistigen Verantwortlichkeitsgefühl gelangen kann, ohne das keiner herrschen darf, leichter, sage ich, als die von Verleger, Abonnenten und Inserenten abhängigen Redaktionskollegien in Massenauflagen erscheinender liberaler und sozialdemokratischer Zeitungen und Zeitschriften."

Schon zuvor zitiert Kortner mit Abscheu Kraus, wie dieser 1913 in der "Fackel" bereits schrieb: "Meine radikalen literatischen Freunde, die noch ahnungsloser waren als die feudalen Privatgesellschaften, haben ... seit fünfzehn Jahren nicht gemerkt, daß ich die Pest weniger hasse als meine radikalen literatischen Freunde. Sie haben meine Angriffe auf die jüdischen Liberalen, auf Bourgeoisie und Neue Freie Presse für linksradikal gehalten und nicht geahnt, daß sie, wenn ich überhaupt etwas will und wenn sich das, was ich will, auf eine staatsverständliche Formel bringen läßt, im höchsten Maße rechtsradikal sind. Sie haben geglaubt, ich sei ein Revolutionär, und haben nicht gewußt, daß ich politisch noch nicht einmal bei der französischen Revolution angelangt bin, geschweige denn im Zeitalter zwischen 1848 und 1914, und daß ich die Menschheit mit Entziehung der Menschenrechte, das Bürgertum mit Entziehung des Wahlrechts, die Juden mit Entziehung des Telefons, die Journalisten mit Aufhebung der Pressefreiheit und die Psychoanalytiker mit Einführung der Leibeigenschaft regalieren möchte."

Das sollte man vielleicht nicht nur wissen, wenn man Kraus als Fackelträger der Linken mißbraucht. Diese Seite an Kraus, der aber doch sein Werk die Qualität verdankt, an der niemand vorbeikann, und wie peinlich wäre es: die wirkliche Hellsicht käme nicht von Links ... wird gemeiniglich nämlich ausgeblendet, ja man vergißt sie sehr gerne. Hier also, als Überraschung, und mit Genugtuung serviert.





*210809*

Der Stoff, aus dem unsere Informationen sind

In einem (im Titel verlinkten) Interview gesteht der Chef von Greenpeace, Gerd Leipold, daß man in der Information über das Schmelzen des Polareises nicht ganz "faktengetreu" war. "Nein," sagt er nun. "Die Polkappen werden 2030 nicht geschmolzen sein." Die Fakten, das gebe man zu, hätten nicht ganz der Wahrheit entsprochen. Aber - jetzt kommt's - man habe eine Emotionalisierung des Themas für richtig gefunden, und deshalb sei die Verwendung von falschen Informationen auch okay.

Was war passiert? Greenpeace hatte jüngst medienwirksam gewarnt, daß wenn nichts geschähe, die Polkappen bis 2030 abgeschmolzen. Nun mußte man korrigieren ... Das sei nicht ganz richtig gewesen, nein, keine Rede davon, man habe nur die politischen Entscheidungsprozesse etwas beschleunigen wollen, und dazu die öffentliche Meinung "emotionalisiert."

Genau das ist es, was seit Jahrzehnten sich abzeichnet, exakt so sind mehr und mehr unsere Informationen aufgebaut, aus denen wir, die einfachen Maxis von der Straße, unsere Sicht der (vor allem aktuellen) Weltprobleme aufbauen, und dabei vor allem auf Medien angewiesen sind, weil sich der Horizont dieser Probleme meist weit (!) außerhalb unseres wirklichen Erfahrungs-, Bildungs- und Entscheidungshorizonts befindet.

Der im Gegenzug kaum noch Beachtung findet, weil wir immer ausschließlicher und ständig mit "Mega-Problemen" konfrontiert sind, gegen die subjektive Einschätzungen ohne Wert bleiben: wir sind nur noch auf sich (medial) als kompetent etablierende Dritte angewiesen. Angeblich. Aus denen sich aber Handlungsmaxime ergeben, die unsere Leben (angeblich) massiv beeinflussen und fordern. Moral baut sich eben auf "Ressentiment" auf, Max Scheler zeigt das schön. Weshalb der Kampf um Autorität ein Kampf um Glaubwürdigkeit ist, und da gilt das Faustrecht!

Dann lesen wir Informationen, Aufrufe ... die immer ausschließlicher von Interessens- und Ideologiegruppen lanciert sind, von Wissenschaftlern die unter Sensationsdruck stehen, von Konzernen die "moral funding" betreiben, um langfristige PR-Strategien umzusetzen. Die ihre Informationspolitik zunehmend unter das Motto des "geringeren Übels" stellen, weil alles dominiert wird von panikartig gewichteten Dringlichkeiten, auf die sich Ideologien im Kampf um Weltveränderung zwangsläufig (und meist sehr kurzfristig) reduzieren.

Dann zählt nicht mehr Wahrheit und Wahrhaftigkeit, die zumindest besagt, daß nichts Gutes aus Falschem entstehen kann! Dann gilt nicht mehr, daß verbreitete Information (früher nannte man das: Verleumdung) auch stimmen muß.

Dann geht es nur mehr um "globale", grobe Deutungsschemata, um die gekämpft wird, im Namen der Institution, die zur Durchsetzung Autorität braucht. Dann geht es nur mehr um Einflußmöglichkeiten, um Wirkungen zu erzielen - denn das Recht verschiebt sich längst auf den Stand, auch wenn man das nicht wahrhaben will: und um die Positionierung, um den Stand eben, geht es.

Nicht, daß dies prinzipiell "falsch" wäre. Es geht nämlich immer nur darum: es geht um die Autorität der Deutungshorizonte. Aber angesichts einer Moralisierung auf der Basis eines "Rationalismus", der eine mögliche Weltdeutung fern von Deutungshorizonten behauptet, um damit die bestehenden Autoritäten der Weltdeutung auszuhebeln.

Wenn es um die Wirklichkeit geht, dann geht es halt um die Wirklichkeit - nicht mehr um Ideologien und Philosophien, die in der Wirklichkeit versagen. Keine ideologische Gruppe (und wenn sie noch so viel Unsinn verzapft) möchte in Wirklichkeit versagen. Weltanschauung hin oder her: es bleibt dann doch die eine Wirklichkeit, der Realismus.

Dann spricht man wie Greenpeace von "Emotionalisierung", wo die Fakten zwar falsch, aber das Ziel - Greenpeace, Rettung der Welt - doch von niemandem abgelehnt werden kann? Wer solches will, der hat alles Recht aufs Papsttum. Darin hat Greenpeace viel Erfahrung, betreibt es als regelrechtes Business, als "Skill" - Thilo Bode, der vormalige Greenpeace-Chef, baut auf dieser Basis seit Jahren die nächste Moralinstanz auf: Foodwatch.




*210809*

Donnerstag, 20. August 2009

Das Wirkliche

In "Die Briefe des Zurückgekehrten" (1901) beschreibt Hofmannsthal im Grunde, was das Wesen des Dramatischen, was die Vorgabe allen Dramaturgischen ist: Wenn er schreibt, daß hinter den Gesichtern, die ihm Deutschland zuwendet, das sichtbar, fühlbar wird, was die Menschen zum Handeln treibt:

Es ist die Haltung des Menschen zur Welt. In seiner Widerständigkeit und Frömmigkeit, in seinem Fügen und Trotzen, in seinem Betrug und in seiner Aufrichtigkeit.

DAS ist dann das Wirkliche. Das ist dasjenige, was eine Handlung treibt, was die Welt zu Bewegung treibt und den Kampf ausmacht, in den alles mündet.

Wenn in diesen Briefen also Hofmannsthal (in der Stimme des Heimkehrenden) beklagt, daß alles verschwommen ist, daß er diese Haltungen nicht mehr wahrnimmt, was unheimlich ist, beklagt er auch ... das Ende des Dramatischen, das sich bestenfalls noch ins Komische, Groteske, ins Dissonante, Irrationale auflöst.

Das Dramatische ist immer das Ringen um den einen, einzigen Satz, der den Menschen in seiner Geschichtswirksamkeit und Würde meint: "The whole man must move at once." Indem als Frucht des dramatischen Ringens das Wesen der Dinge wieder sichtbar wird, auf dem in Wahrheit alles aufruht, stützt die Kunst das Dasein des Menschen! Bewahrt ihn vor dem völligen Absturz aus dem Taumeln einer sich ins Substanzlose auflösenden Welt.




*200809*

Dienstag, 18. August 2009

Warum Künstler links sind

In der Wiener Zeitung greift Herbert Kaspar das "absehbare Sommertheater" des ORF auf: Politiker werden interviewt (eine bereits langjährige Tradition), diesmal aber mit einer Neuheit: es werden auch Künstler dabei sein, die das ihre beisteuern werden.

Kaspar meint nun, daß das Theater absehbare Ergebnisse zeitigen würde, denn alle diese Künstler seien bekanntermaßen links (oder, siehe Oscarpreisträger Regisseur Ruzovicky, rhetorisch nicht besonders begabt). Damit sei klar, wie diese Gespräche verlaufen würden. Kammerschauspielerin Erika Pluhar beispielsweise bekannte sich im Interview offen dazu, sozialdemokratisch zu wählen.

Kaspar hat natürlich recht, denn der ORF (und damit wohl die dort beschäftigten Menschen) ist immer eindeutiger sogar jener Geisteshaltung, die gemeiniglich als "links" bezeichnet wird, und das Bemerkenswerte dabei ist: niemand der Betreffenden wäre sich dabei einer Verletzung des Objektivitätsgebots bewußt, denn links wird mit objektiv gleichgesetzt, mit wahr.

Nun gehen wir ja davon aus, daß sich in einem Medium, das viel mit Kunst zu tun hat (im Bericht, im Spielfilm etc.), auch viele Künstler sich herumtreiben. Bei weitem nicht alle, auch wenn dieses Selbstverständnis nicht selten von der Plakatgraphikerin bis zum Garderobiere seuchenartig um sich greift, sich im TV- (wie Theater- und Film-)Bereich die meisten Beschäftigten als Künstler sehen. Und die Lebensweisen derjenigen, wenn schon nicht imitieren, so doch fordern.

Aber noch mehr: gemeiniglich gilt der Kunstbetrieb als "links". Das ist zwar bei weitem nicht so, aber anderseits nicht von der Hand zu weisen. Die ideologischen Grabenkämpfe sind sogar sehr oft (zumal in Österreich) von einer Vehemenz und Existentialität, wie man sie nur noch aus Diktaturen kennt. Wer nicht "links" ist, hat tatsächlich als Künstler kaum Chancen, in Ausübung seiner Tätigkeit zu existieren. Es sei denn, er macht den gegenteiligen Fehler, und wirft sich dem "rechten", dem konservativ-bürgerlichen Lager in die Arme, um dort sein Leben auszuhauchen.

Denn dem Beitreten zu beiden Lagern, und man muß hier davon sprechen, ist genau das gemein: die ideologische Eingliederung in eine gesellschaftspolitische Wirkkraft mit einem Ziel. Dies bewirkt automatisch, zumindest mit der Zeit inhäriert (also: aufgesogen und zu einer inneren Filtermechanik ausgebaut), eine Deformierung der Kunst. Der Künstler, der sich politisch verpflichtet sieht, geht vom Prinzip Form ab, an die hinzugeben ihm einzig Aufgabe sein müßte, und geht über zum Prinzip Ethik. Er fühlt sich nicht mehr für die Gestalt seines Kunstwerkes verantwortlich, die medienimmanent ist, sondern für seine gesellschaftspolitische Wirkung.

Nun ist ja dem Schaffenden eigen, daß er niemals einer Imitation, einer Nachahmung aufliegen kann. Ich sage: KANN. Seine Begabung hat einen gewissen Drang zu Neuem, nämlich: zu EIGENEM. Der künstlerische Vorgang ist in vielem also vergleichbar einem Zueigenmachen, um dann zu überwinden. Die schöpferische Unruhe ist in vielem lediglich ein unbestimmter Drang nach noch nicht Gewesenem, wenn auch nicht nur.

Also: als bloßer Drang nach "Anderssein", wie er bestimmte Persönlichkeitsdefekte wiederum kennzeichnet, wo der antinomische Teil der Persönlichkeit - im Anderssein, Außenseitersein, um seine Grenzen zu erfahren.

Eigen sein heißt natürlich: anders sein, aber anders sein heißt noch nicht: eigen sein.

Damit ist der Künstler immer in gewisser Weise "gegen" das Bestehende. Denn es genügt ihm nicht! Er muß (!) es anders machen, muß umschaffen, muß sein Eigenes umsetzen.

Gleichzeitig ist der Künstler (und alle diese aufgezählten Faktoren hängen eng miteinander zusammen) aus ähnlicher Eigenheit jemand "ohne" einordnenbare Identität. Gütersloh nennt das einmal: "ohne Archetyp". Jeder Künstler muß sich in gewisser Weise sein eigenes Archetyp einer Identität schaffen, und in dieser kann er allmählich sogar wieder "gesellschaftliche Rolle" werden und übernehmen. Wieder als Beleg Gütersloh zitiert: vielleicht kann er sogar einmal heiraten, aber all das im Normalfall erst später.

Das Kernproblem des Künstlers ist eine gewisse "Unmenschlichkeit", die er zu bewältigen hat. Hohe Individualität bedeutet ja auch hohe Einsamkeit! Das, woran der Künstler menschlich reifen kann, ist ... ein Produkt aus ihm selbst, im Anspruch auf ein ihm weit vorausgehendes, streng, unerbittlich forderndes Ideal der Form!

Der Begriff "links" hat - neben seiner fast metaphysisch zu nennenden Symbolik - von seiner Genese her (auch politisch) nun dieses "gegen" zum Inhalt. Und zwar ist dieses "gegen" auch immer ein gewisses (!) "gegen" gegen das Sein.

Hier trifft sich also die künstlerische Eigenart mit der politischen Zerstörungsabsicht der Linken. Mischt man nun noch die Einsamkeit (und Nutzlosigkeit) des Künstlers als dessen persönlichem Hintergrund dazu, an der alleine viele Künstler scheitern (sehr aufschlußreich dazu: J. P. Jacobsen in "Niels Lyhne"), so liegt es sehr nahe, diese blutende Wunde zu schließen, indem man der "linken" Bewegung beitritt. Oder: überhaupt einer Bewegung beitritt.

An dieser Versuchung (und genau das ist es) scheitern und zerbrechen fast alle Künstler, wie aus Zeiten offener Diktatur bekannt ist. In einem Land wie Österreich, dessen elitefördernde wie Elite seiende Strukturen (und damit Macht) sehr weitgehend in linker Hand sind (siehe unter anderem: "Marsch durch die Institutionen" der 1968er, die gezielte Köderfunktion, vorgebliche Anpassung, um den Apparat in die Hand zu bekommen),

was auch immer heißt: Macht zum ethischen Ressentiment (also Herstellung dessen, was von den Menschen als "ethische Qualität" gefühlt wird, was das Rechtsgefühl durchdringt und konstituiert),

bedeutet also die Eingliederung in die "Linke" das vermeintliche Ende der Einsamkeit und Nutzlosigkeit für den Künstler. Was so weit geht, daß der Nicht-Linke Künstler sogar als "Nicht-Künstler" gleichgesetzt wird - als Nicht-Schaffender nämlich! Politische Interessen wollen ja verhindern, daß Wahrheit Autorität bekommt, die außerhalb der politischen Verantwortbarkeit liegt. Jawohl, "links" zu sein hat enorme Ähnlichkeit mit Wahn, der in seiner Dynamik liegt.

Das Entscheidende am Menschen ist ja nicht seine "Rationalität", mit der er seine Weltanschauung wählt. Das ist lächerlicher Quatsch. Das Entscheidende ist das Herz, das ihm vorgibt, welche Weltverankerung er rational zu suchen hat. Denn denken heißt: verifizieren, falsifizieren. Nicht: schaffen. Nur das Geoffenbarte ist neu, kreativ und genial.

Das Herz erfährt sich zweifellos in seinem Weh alleine, auf sich geworfen. So wirft es seine Hoffnung und Überwindung zum Leben hin auf Transzendenz. Sei es: weltimmanent (in der über das Heute hinausgehenden Utopie), oder auf einen Gott bezogen. Hat der Mensch keinen ausreichenden intellektuellen, rationalen Apparat, um die angebotenen Weltanschauungen in ihren Mängeln zu erfassen, tritt er einer solchen bei. Und geht damit in die Falle. Denn er fällt in Unfreiheit, und verdirbt sich im Werk. Das kann man an jedem ideologischen Künstler bemerken.

Der Künstler geht eben deshalb besonders gerne in solche Fallen. In Österreich: in die linke. Denn die hat die scheinbare Macht, wie sie der ORF besonders eindrücklich demonstriert. Und liefert ein Wirklichkeitsbild, das längst nicht mehr mit der Welt übereinstimmt, weil in seinen Prämissen bereits gegen das Sein steht. Es bleibt damit nur noch Zerstörung. Nicht: Neue Schöpfung.





*180809*

Montag, 17. August 2009

Keine Ausdrucksschablonen

Vehement wehrt sich Fritz Kortner in seinen Lebenserinnerungen ("Aller Tage Abend") gegen die Verwendung von Gefühls- und Ausdrucksschablonen. Selbst Schauspieler, hat er sich von Anfang an gegen die Vorstellung der Regisseure gewandt, "wie" ein Gefühl zu spielen, mit welchem Gesichts- und Stimmpathos zu belegen sei, um seine Innigkeit zu demonstrieren.

"Innigkeit kommt von innen, will ans Licht, und erscheint erst durch einen Widerstand filtriert in Gesicht und Gehaben. Die Transparenz, die Durchlässigkeit des Gesichtes, ist eines der Attribute großer Schauspieler. [...] Die Ausdrucksschablone ist entwertet; mag sie einstens sogar aus einem künstlerischen Erlebnis hervorgegangen sein; sie darf nicht leichtfertig wiederholt werden. Das künstlerische Erlebnis lebt nicht in zweiter Hand. Es gibt keine Gebraucht-Erlebnisse, wie Gebrauchtwaren."

Also muß von jedem Schauspieler bei den Proben ein ihm und der Situation der Rollenidentität gemäßer, eigener Ausdruck gefunden werden, und dieser mag allen gängigen Klischees widersprechen - er ist seine Schöpfung und Interpretation, gemischt, wie das Leben eben ist.

Das Interessante an method acting übrigens ist, daß genau dies - unter Beiziehung höchst persönlicher archetypischer Erlebnissituationen - ihre Art zu arbeiten ist: höchste Konventionalität also, der alle persönliche Substanz zu opfern ist!




*170809*

Samstag, 15. August 2009

Die dramatische Lüge

Die Wahrheit des Dramatischen, der Poesie, liegt nicht darin, daß Faktentreue herrscht. Sondern jede Darstellung bedient sich lediglich der konkreten Wirklichkeiten und Fakten, um eine dahinterstehende Wahrheit zu verifizieren.

Hofmannsthal zeigt ja einmal in einer Ansprache über die Rolle des Dichters, daß selbst hinter den simpelsten Kolportagemedien und Tageszeitungen nur die eine und selbe Sehnsucht steckt: die nach dem Dichter, dem Deuter, dem Entwirrer. Und es ist die eine einzige Sehnsucht - nach der ganzheitlichen Wahrheit der Poesie.

Die Lüge (und damit Verwirrung) des KURIER-Artikels, der die Armut in Österreich anhand von Beispielen darstellen soll, und dabei die unvermeidlichen "armen geschiedenen Frauen mit Kindern" anführt, liegt also nur zum einen in den auch falschen (zumindest verkürzten, nicht richtig im Zusammenklang dargestellten) Fakten. Sie liegt im Bild, das erzeugt werden soll: "Die Männer zahlen nicht für ihre hinterlassenen Kinder, wenn sie geschieden sind. DESHALB sind Frauen mit Kindern, nach der Scheidung, zur Armut verdammt."

Es soll schlicht eine Aussage gegen die Männer getroffen werden, die den Feminismus, die Herauslösung der Frau aus dem familiären Ganzen (nicht die Familie und deren Erhalt ist der Bezugspunkt, sondern subjektive Gefühle werden vorgereiht - nichts anderes ist Emanzipation) durch vermeintliche konkrete Argumente durch solcherart belegte existentielle Notwendigkeiten stützt.

Aber diese Notwendigkeiten sind sämtlich ... Lüge. Denn wenn in diesem (im Titel verlinkten) Artikel von der Frau mit vier Kindern erzählt wird, die nach der Scheidung das Haus mit vielen Schulden zu erhalten hatte, so sind die Fakten mit Sicherheit lediglich dem Aufbau eines emotionalen Wunschbildes (man nennt das andernorts: Manipulation) dienlich. Aber gar nicht möglich.

Es GIBT den Mann nicht, der keine Alimente zahlt, und deshalb die Familie, die armen, zurückgelassenen Kinder, die opferbereite Frau, im Stich läßt und ins Elend stürzt! Das sollte man ein für allemal deponieren!

Nicht, daß es nicht zahlungsunwillige Männer gibt, wobei man die Gründe dafür gemeiniglich vom Tisch wischt, dabei wären sie von großer Wichtigkeit und Aussagekraft! Denn in den allerseltensten Fällen ist Bosheit der Grund.

Aber die Frau - und so wird es auch in der Praxis gehandhabt - klagt entweder selbst gegen den Mann, oder übergibt die Angelegenheit dem Jugendamt zur Klage. Mit dem Hintergrund, daß der Staat Alimente lückenlos vorschießt, und vom Mann erbarmungslos durch Pfändung weit unter das Existenzminimum einholt. Für den Mann bedeutet dies in der Regel, daß er offiziell nicht mehr existieren kann. KANN, nicht: will. Ein Umstand, er ihn sich noch mehr als "Verlierer" erleben läßt, als er es bei einer Scheidung heute faktisch ohnehin fast immer ist.

Es ist gewiß so, daß so ein Verfahren längere Zeit in Anspruch nimmt. Denn: soll der Mann einfach freiwillig jeden geforderten Betrag zahlen? Wobei das sogar in der Regel passiert beziehungsweise sich nach den gesetzlichen Alimentebeträgen richtet! Deshalb gab es ja die jüngsten Gesetzesänderungen, die nunmehr die Alimentebevorschussung UNABHÄNGIG vom Verfahrensausgang machen. Was (unabhängig davon, daß dies den Mann noch weiter entrechtet) diese Zeitverzögerung (mehr ist es nicht gewesen, auch bisher nicht, denn die Frau erhielt jeden Cent nachgezahlt, mußte nur zwischenfinanzieren) hinkünftig beseitigt: Unabhängig vom Verfahrensausgang wird der Frau die Alimentezahlung (für die der Mann übrigens haftet) vorgestreckt.

Unabhängig davon, daß in diesem "Kampf ums Geld" sich selbstverständlich alle Trennungsschmerzen und unbewältigten Probleme (jede Scheidung bedeutet unlösbare Probleme, nur die Narren heutigen Ideologiezuschnitts meinen es könnte anders sein) ausdrücken.

Hatte die Familie, deren Ehe sich schied beziehungsweise geschieden wurde, aber mehrere Kinder, so wird ein anderer Umstand schlagend: Daß nämlich ein Durchschnittsverdiener (in der Regel: ab dem dritten Kind) diese Zahlungen schlicht nicht mehr leisten kann.

Zwei Haushalte sind für einen normalen Konfektionsverdiener - der Alimente UND Unterhalt zu zahlen hätte - nicht mehr leistbar. Die hohen Scheidungsraten hierzulande zeitigen also ein bisher unter den Tisch gewischtes Problem: sie bringen eine laufend wachsende Bevölkerungsschichte unter die Existenzgrenze. Damit sind beide Teile einer früheren Familie meist nicht nur armutsgefährdet, sondern in der Regel zur Armut verurteilt. Das kann aber gar nicht anders sein! Es liegt in der Natur einer Katastrophe wie eine Scheidung immer ist und bleibt: denn hier wird etwas auseinandergerissen, das aus seiner Natur heraus nie bei getrennten Ehepartnern bestehen konnte!

DARIN liegt aber, wenn schon, das Problem der Verarmung von Scheidungskindern. NICHT in der angeblich so schlechten Zahlungsmoral der Väter. Daß nämlich eine Scheidung Folgen mit sich bringt, die die verbleibenden Teile nicht einfach so tragen können! Ja, in vielen Fällen: gar nicht tragen können. Die Armutsstatistik zeigt es eindrücklich. In der Regel rutschen beide Teile in die Armut. Das ist so, und das wird für den Durchschnitt nie anders sein können. Auch nicht mit sozialistischem Umverteilungsraub. Denn wie sich erst jüngst gezeigt hat: es gibt "Geld" nicht. Geld ist immer nur ein Versprechen auf Leistung, die auch erarbeitet wird.

Aber das wahrheitsgemäß darzustellen ist politisch inopportun. Denn es widerspricht den Ideologien und entlarvt die Utopien der Herrschenden, die eine Familiengestalt fordern, die niemals funktionieren kann: ohne Ehe, ohne eine Ehe die auf Unauflöslichkeit aufgebaut ist.

Und macht damit das "Drama", das der KURIER aufführt, zur Lüge. Weil das dahinterstehende Prinzip, das zum Ausdruck gebracht werden soll, nicht wahr ist. Nur dann könnte, ja müßte man die eine oder andere "kreative Faktenzusammenführung" - das Prinzip der Dichtung - nachsehen.

Das Prinzip der Einkommensverteilung nach Scheidungen liegt in Österreich per Gesetz und Definitionem so, daß ERST die Kinder, dann die ehemalige Frau, und DANN der Ex-Mann berücksichtigt werden. Das führt für Männer zweifellos zu einer existentiell meist als "Notwehr" zu definierenden Lage.

(Noch dazu, wo Jugend- und Sozialarbeiter bei familiären Problemen nachweislich die Frauen dahingehend beraten, sich rasch scheiden zu lassen, weil dann viele Probleme "lösbarer" werden, oder "gelöst sind" - wie Ehespannungen, Differenzen in der Kindererziehung, oder bei Geldproblemen, weil dann durch die Alimentebevorschussungen die finanzielle Lage der Frau stabiler oder/und besser wird! Auch ein Faktum.)

Nur ein Wirkmittel gäbe es, und dieses Wirkmittel wäre wahr: Wenn der Staat das Gelingen und Bestehen einer Familie nicht vom Willen des (finanziellen) Erhalters abhängig macht, sondern seinen Elementen in die Hand gibt, weil das politisch-ideologischer Wille ist, so muß er auch die Folgen dafür tragen. Ein Staat, der sich in die Ehe einmischt, und ihr zu verfolgende Prinzipien abverlangt, die ihrer (traditionellen) Natur nicht entsprechen, dann muß er auch existentielle Folgen tragen.

Aber sich's so einfach zu machen, daß man den Mann schlicht für die Folgen haftbar macht, egal ob er die neue und IMMER schwierige Lage verschuldet hat oder nicht - das ist Merkmal einer Diktatur der einen über die anderen.

Von Respekt oder Zwischenmenschlichkeit will man ja gar nicht mehr reden. Die existieren für die hiesigen politischen Mächte ja ohnehin schon lange nicht mehr. Deren politisches Handeln ja zum überwiegenden Teil nur noch panikartigem Niederhalten der Folgen ideologischen Wahnsinns gleicht.




*150809*

Die Ebene der Prinzipien


In Bayreuth sollte das versenkte Orchester den Klang aus tiefsten, mythischen Tiefen darstellen. In Thale (im sächsischen Harz), wo aus dem Felsen ein Amphitheater herausgesprengt wurde, zur gleichen Zeit, wurde dasselbe Verständnis für das Sprechtheater angewandt.

Aus den Tiefen dringt das Wogen der Prinzipien, des Urgrunds allen Weltgeschehens, rückgeführt auf einige wenige Grundthemen, auf die alles Leben reduzierbar ist: Liebe und Tod. So verstand man das Theater in seiner Soteriologie, nicht nur im 19. Jahrhundert - transzendent die Ebene des Alltags, des Publikums.

Der Ort des Spiels, des dramatischen Geschehens, wurde zum Ort magischer Hereinholung des Göttlichen in die Welt selbst - so konkret, daß die Einbettung in die Natur (wie in Thule) den Platz selbst zum Gebärschoß machte, zum konkreten Ort der Weltschöpfung.

Nicht anders versteht sich die Katholische Liturgie, wo es im Hier und Jetzt zur konkret wirksamen weil historischen (was heißt: gegenwärtigen, überzeitlichen) Berührung Gottes selbst mit der Welt kommt, der so die Welt schafft und gebiert.

Wenn also heute die Unterschiede von Publikum und Szene - in der darstellenden Kunst wie in der Liturgie - aufgehoben werden, zeigt es eine völlig andere Weltsicht an: Herkunft allen Geschehens ist der Mensch selber, seine Ebene ist, wo alles Weltgeschehen eine bloße Frage temporären Empfindens und verzweifelt-sinnlosen, bestenfalls moralisch-positivistischen Denkens ist.

Es gibt aber keine Transzendenz mehr. Die Welt der Prinzipien wird zur Welt der unter uns herumstreifenden Dämonen. Heil bleibt weltimmanent.




*150809*

Freitag, 14. August 2009

Weg der Vollkommenheit

Was wohl erneuerungsbewegte Charismatiker oder Rahner-Anhänger ("Der Christ wird mystisch sein, oder er wird nicht sein") zu den eindringlichen Warnungen von Theresia von Avila sagen, knochentrocken und konsequent den Weg des Kreuzes zur Vollkommenheit zu gehen, auf alle Fälle aber "Süßigkeiten" auf dem Weg des Wachstums der Seele zurückzuweisen?

Wir wollen es nicht hören. Wir wissen es. Jene bezeichnen sich ja als bekehrt. Theresia spricht hingegen nur davon, wie böse sie sei.





*140809*

Donnerstag, 13. August 2009

Kein Präsident mehr


Wie ich schon einmal hier sagte: die USA haben keinen Präsidenten mehr. Sie haben jemanden, der unter Vorgabe dessen, zu tun, was ein Präsident zu tun habe, was weitgehend identisch ist mit dem, was er bisher tat, dessen Sitz eingenommen hat - ohne aber das Amt zu bekleiden: denn er hat den Stand abgeschafft und den Präsidenten" zum Erlediger bestimmter Tasks in die Technik aufgelöst. Und so wird er nicht selten zur (gewiß: wie im Bild köstlichen) Parodie seiner selbst.

Staat, Kultur und Amt ist teleologisch. Obamas Konzept aber - teleonomisch. Als Präsident. In Wahrheit muß man sich (mit ihm, denn er weiß es wahrscheinlich nicht) fragen, welches Ziel ihm wirklich vorausging.




*130809*

Nichts mehr anfangen können


Bruno Ganz im Interview:

...

Standard: Wann darf man Sie wieder auf der Theaterbühne bewundern? Gibt es Vorhaben?

Ganz: Nein.

Standard: Woran liegt das?

Ganz: Ich habe mich sehr weit vom Theater entfernt. Nach dem Ende der alten Berliner Schaubühne hatten es Leute wie ich etwas schwieriger mit Regisseuren. Als auch Klaus Michael Grüber anfing, nur noch Opern zu inszenieren, war er für uns Schauspieler nicht mehr zugänglich. Als ich zudem feststellen durfte, dass da eine neue Generation von Regisseuren heranwuchs - da hätte ich mich sehr opportunistisch verhalten müssen, um bei denen mitzumachen. Man wusste ja, wie dort gearbeitet wurde! Aber mich hinstellen und vier Wochen mit den Beteiligten streiten - ich kann mit den neuen Sachen nicht allzu viel anfangen. So ist mir das Theater vollkommen weggerutscht. Was mir leid tut, denn ich hätte schon Lust dazu.

Standard: Sie hätten Ideen?

Ganz: Man könnte sich selbst zu einem Monolog verhelfen: zum Beispiel Texte montieren. Aber auch das wäre eine Ersatzsache. Ich sehe im Moment kein Ensemble, keinen Regisseur, kein Vorhaben, auf die ich mich über längere Zeit einlassen würde. Manchmal erscheint es mir, als wären alle Sachen, die ich im Theater gerne gemacht hätte, nur noch im Kino möglich.

Standard: Wie kommt das?

Ganz: Die ganze Art, wie sich Theater heute verhalten: die gängige Auffassung von Theaterspielen berührt sich so gar nicht mit der meinen! Im Kino kann ich nach wie vor realisieren, was ich mir unter Schauspielerei vorstelle.


Standard: Aber die beiden Medien stellen doch grundverschiedene Anforderungen.

Ganz: Es wäre eine vollkommen sinnlose Quälerei mit dem Theater. Das geht im Moment nicht.





*130809*

Mittwoch, 12. August 2009

Wert im Maß der Dauerhaftigkeit

Die Faustregel der Hl. Theresia von Jesus (Theresia von Avila) beschreibt sie (ca. 1566) in ihrer Lebensbeschreibung: "Ich hatte nur eine lichte Erkenntnis, die mir zeigte, daß alles, was ein Ende nimmt, gering zu achten, jene Güter aber, die damit gewonnen werden können, von großem Werte seien, weil sie ewig dauern."

Immer wieder betont sie die Bedeutung, und beschreibt die Auswirkungen von Freunden und Umgebung. So beklagt sie sich mehrfach, wie viele Freunde sie fand, die ihr zum Fallen, wie wenige aber, die ihr zum Aufstehen halfen, und wie bedeutend die Konsequenz ihrer Mutter war, für ihre Kinder nur eine Umgebung zuzulassen, die aus tugendhaften Menschen bestand.

"Denn jetzt sehe ich ein, wie gefährlich es ist, wenn man in einem Alter, in dem man anfangen sollte, Tugenden zu pflanzen, mit Personen umgeht, die, anstatt die Eitelkeit der Welt zu erkennen, dazu anreizen, sich ihr in die Arme zu werfen." Denn "... es ist schon so weit gekommen, daß man die Eitelkeiten und Freuden dieser Welt sogar für gut und recht hält."

Um doch die Bedeutung von Gleichgesinnten zu betonen: von Menschen, die nach dem Gleichen - dem Inneren Gebet - streben. Als Hilfe, aber auch als Übung in der Liebe.




*120809*

Dienstag, 11. August 2009

Satt am Traum von Freiheit

Ein Portrait von Uschi Obermaier, das eigentlich ein Portrait des Lebensgefühls der späten 1960er, frühen 1970er Jahre, und deshalb sehenswert ist. Weil es sehr gut diese eigentümliche Faszination der Anarchie festhält, die sich selbst nicht so wichtig nimmt: und so zu einem Traum von Freiheit wird, der darauf pfeift, nur Illusion zu sein, weil das Leben sich mit sich selbst paart.

 

*110809*

Schluß mit Dekonstruktion


Im Rahmen der Salzburger Festspiele fand (oder: findet) auch eine Produktion einer lettischen Theatergruppe unter der Regie von Hermanis statt. Er war bereits zum zweiten Mal eingeladen, vor Jahren war er bereits "positiv" aufgefallen, hatte überrascht.

Das tat er diesmal ebenfalls wieder, und wie es Überraschungen halt zu sein pflegen: wirklich überraschend. Denn da war nichts Provokatives, Zerstörerisches, nein! Das war reinstes "Schmusetheater", "Kuscheltheater", wie es "manche Kritiker" (O-Ton ORF) nennen, was er mit seiner Gruppe da unter "The Sound of silence" (siehe Bild) darbot. Eigentlich sogar ein waschechtes Aufgreifen der 68er-Thematik! Aber nichts da. Keine Provokation, konstatierte auch das gestrige Kulturjournal im staatlichen Fernsehen.

Die ehemaligen Ostblockländer waren ja einerseits, was den Wohlstand und seine Segnungen anbelangt, hoffnungslos zurückgeblieben. Das hat anderseits eine interessante Entwicklung gebracht: es wurden - ja, ausgerechnet! - dort zwischenmenschliche, und sogar kulturelle Haltungen konserviert, die bei uns durch die Entwicklungen, vor allem aber eben: den Wohlstand, völlig verändert oder ausgelöscht wurden.

Nicht jede Veränderung und nicht jede Entwicklung ist aber auch eine Weiterentwicklung.

Künstler aus den Oststaaten - der Russe Vladimir Kaminer, um ein Beispiel zu nennen, hat es ja durch seine rotzfrechen Bücher gezeigt, die Bestseller waren (obwohl ... naja: etwas "holperig" geschrieben, um es milde zu sagen) - bestechen nun hier immer wieder (freilich: nicht immer, manchmal wirkt die Kunst dort auch etwas großmutterbestrumpft, in Konvention schon erstickt, sodaß tatsächlich ein Aufbrechen fallweise nottut, um wieder originär, damit erst: Kunst, zu werden) durch ihren klaren Blick, durch ihre originelle Sichtweise. Wie sie eben nur Außenstehende haben und auszeichnet.

Hermanis nun meinte im gestrigen TV-Interview: Es sei an der Zeit, mit der Dekonstruktion aufzuhören. Wozu, meinte er? Es gäbe doch nichts mehr zu dekonstruieren! Stattdessen sollte man doch anfangen, wieder zusammenzusetzen, was zertrümmert ist. Er verstehe nicht, warum man sich so gegen Harmonie in der Kunst wehre. Der Künstler sei doch jemand, der Harmonie herstelle?!

Der Künstler als Ordner; als jemand, der die Dämonien der Menschen und Zeiten auflöst, klärt, der damit gegen den Tod kämpft, gegen den Zerfall, gegen die Selbstzerfleischung des Menschen.

Zwar kann hier keine Stellungnahme zu dieser Theaterproduktion stattfinden, mangels persönlichem Eindruck, die paar Fernsehbilder sind zuwenig. Aber: DAS klingt doch nach was? So "gestrig", so frisch von außen, daß man es schon alleine deshalb fast "wahr" nennen möchte.




*110809*

Samstag, 8. August 2009

Zeitung aus PR

Zwar wird längst beklagt, daß die Tageszeitungen in einem bereits beängstigenden Ausmaß PR-Artikel von Wirtschaftsunternehmen lediglich noch übernehmen, meist im Gegenzug mit Werbeaufträgen - daß also die sachlichen Berichte nur noch in seltensten Fällen aus entsprechend kompetenter "freier" Feder stammen, sondern aus den absichtsvollen PR-Stuben der Unternehmen. Ich habe selbst in Konzernen gearbeitet, bemerkenswerterweise bereits Anfang der 1980er Jahre, und was ich damals gesehen habe - nämlich: WIE eine Zeitung, ein Medium entsteht - hat mir für den Rest meines Lebens eine Ahnung gegeben, wie diese Prozesse sich gesteigert abspielen können und werden. Über die Problematik der Unternehmens-PR wird also längst öffentlich geredet.

Aber es wird noch völlig darüber geschwiegen, daß dies bei gesellschaftspolitischen Themen in noch schrecklicherem Ausmaß der Fall ist! (Wer Agenturmeldungen bezieht kann dies leicht nachprüfen.) Nicht nur, daß Produkte eine PR erfahren, die ja längst in der Aufbereitung des gesellschaftlichen Klimas ihren eigentlichen Ansatzpunkt sehen: am auffälligsten vielleicht geschieht dies bei Pharmakonzernen, das kleine Beispiel der Aids-Forschung in den USA ist dafür illustrativ, denn das Wohl und Wehe deren Bilanzen hängt in hohem Maß von der öffentlichen Meinung ab! Abgesehen davon, daß die Veröffentlichungsquote direkt proportional zum "public interest" ist, sich also jede unternehmensförderliche (werben sollende) Nachricht umso förderlicher darstellt, je mehr sie in scheinbar neutralem Umfeld verpackt, ja oft sogar lediglich indirekt angesprochen ist.

Aber auch und vor allem jedes gesellschaftspolitische, rein politische Anliegen findet mittlerweile Menschen, oder entsprechende Interessenshintergründe (Parteien, Weltanschauungsverbände, etc.), die zum einen ihre Existenz mit öffentlicher Meinung absichern (meist in Zusammenhang mit Fördergeldern), zum anderen massive Manipulation der öffentlichen Meinung zum Ziel haben. Da werden Studien veröffentlicht, die in die gewünschte Richtung interpretiert werden, Berichte lanciert, nicht selten mit gehörigem Anteil an glatten Lügen (deren Rechtfertigung mit der Dringlichkeit des Anliegens geliefert wird, denn: der Zweck heiligt ja angeblich die Mittel) - der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Zwar stehen als Bezahlung keine Anzeigeaufträge oder ähnliches zu Gebote, aber die politische Richtung der Medienherausgeber greift gerne zu. Schon gar, weil diese Praxis die Lohnlisten der Redaktionsstuben entlastet.

So nahezu ausschließlich ist dies bereits anzuwenden, daß man sagen muß: ein Narr, wer tatsächlich noch ... Medien aus anderen Gründen konsumiert, als jenem: zu sehen, in welchem Stadium der Kampf der Weltanschauungen sich befindet. Und arm, wer aus den Medien relevante Informationen über die Welt erwartet.




*080809*

Nur Zadeks Dämonen?

Nach dem Lesen der beiden Bände der Autobiographie von Peter Zadek bin ich mir nicht mehr sicher, ob man die Sache noch radikaler formulieren müßte:

Daß nämlich die zeitgenössische Theater-, Schauspiel-, Regie- und Literaturkunst plumpeste Konventionalität darstellt, in der im Grunde lächerliche Gestalten die Maßstäbe ausgetauscht, ja sich deren "Hervorbringung" vorgaukeln, weil sie sich die Ressentiments- und Manipulationshebel angeeignet haben, anstatt dem Wesen der Konventionalität auf den Grund zu gehen: wirklich Freiheit zu suchen.

Daß Freiheit nicht mehr Dreh- und Angelpunkt ist, sondern das Wort lediglich als Blendwerk mißbraucht wird, um dem Gegenüber die Waffen aus der Hand zu schlagen, der die Unfreiheit erkennen könnte - weshalb Sophistereien maßgeblichstes Handwerk werden.

Was zu grotesk unwesentlichen, häufig regelrecht unintelligenten Fragestellungen als vorgebliche gesellschaftspolitische Problemzonen führt. Oder zu Fragestellungen (Stichwort: "spannend") führt, die mit ganz einfach die Position des theaters ignorieren, nur noch vorgeben, sie zu diskutieren, sondern einfach unselektiert alles zulassen.

Tausend Seiten Zadek, und nächstes Jahr sollen es mehr werden (ein dritter Band soll posthum erscheinen) - interessant als Dokument darüber, was im Theater nach dem Kriege passiert ist; sehr interessant sogar. Aber wie entlarvend auch! Ein rein subjektiver Kosmos ... als: Regisseur?

Was produziert ein Regisseur?

Gewiß, Kunst kann nur in höchster, gar skrupelloser Subjektivität ausgeübt werden. Pars pro toto!

Hat Zadek, der Provokateur, das Volk, dem das Theater als neuralgische Spitze der Geister der Zeit gegenübersteht, aber freier gemacht, es von seinen Banden der Konvention gelöst, um den Blick auf die Wirklichkeit zuzulassen? Oder war nicht alles, was er gemacht hat, nur Vorarbeit für ein Werk, zu dem es dann nie mehr gekommen ist, weil er sich nur von seinen eigenen Dämonen - öffentlich - befreit hat, wir also nur Zeugen seiner subjektiven Befreiungsversuche geworden sind?


*080809*

Donnerstag, 6. August 2009

Der gesicherte "status quo"

Die Zeitung schreibt, daß den heutigen Generationen die "Lust zum Leisten" fehle. Sie "begnüge" sich mit weniger, habe der Fokussierung auf Wachstum abgeschworen, und wolle eigentlich das Bestehende erhalten, soziale Sicherheit, sowie eine gute Rechtsordnung (die alles das garantiert). So eine "Studie" aus Bonn. (Studien? Ja, das, womit die Zeitungen ihre leeren Spalten füllen, und deren Aussagen sie je nach ideologischer Ausrichtung biegen.)

Dabei ist ein Gipfelpunkt der Aussage: Auf dem Ranking jener Dinge, die das Leben lebenswert machen, liegt "hart zu arbeiten und beruflich viel zu leisten" weit abgeschlagen an letzter Stelle. Wenn man die Frage so gestellt hat - kein Wunder.

Es stimmt aber mit den Beobachtungen überein, daß den jungen Menschen zunehmend jede Motivation fehlt, etwas Bestimmtes zu erreichen. Wollen, im Sinne von wünschen, - ja. Nein, sogar: FORDERN. Denn noch nie war "Selbstverwirklichung" (hier nur als Schlagwort verwendet) so hoch im Kurs. Die Studie sollte also eher heißen: Leben ohne Mühe! Und das auf ewig!

Denn wir haben es nun mit den Früchten der wahnwitzigen ideologischen Zerstörungsarbeit der letzten Jahrzehnte zu tun, ganz einfach. Niemand begreift heute noch, wie die Dinge zusammenhängen, niemand erfährt, daß es Geld nicht im Automaten, Strom nicht aus der Steckdose, daß es keinen Staat gibt, der alles regelt, der mehr hätte als an Substanz bei seinen Bürgern vorhanden ist.

Das zu erreichen ist zwar Ziel der Linken, und sie haben es längst erreicht, denn es war maßgeblicher Hebel, um zwischenmenschliche Zusammenhänge - konkret: durch das Herauslösen aus der Familie, aus der Ehe, aus naturgesetzlichen kulturellen Gebilden - zu zerstören. Aber es wird etwas Erstaunliches zeitigen:

In wenigen Jahren wird man entdecken, daß es die eierlegende Wollmilchsau Staat (so) nicht gibt. In wenigen Jahren wird man entdecken, daß die letzten Jahrzehnte im Sinne der Errichtung von Utopia nur verteilt haben, was a) von früheren Generationen da war, und b) noch nicht da war und nur durch Wachstum irgendwann erarbeitet werden könnte.

Es gibt nicht einmal dauerhaft Lebensgenuß - ohne Persönlichkeitsspannung. Erschlaffung, auf die heutige Erziehung abzielt, geht dem lebensmüden Nichts nur voraus.

Niemand wird also noch die Kraft - "Lust" - haben, das zu leisten, was dieses hohe Niveau halten wird.

Macht nichts? Die Jugend ist ohnehin so "genügsam", verzichtet auf alles liebend gerne?

Na daß sich da nicht einer täuschen tut ... Gleichgültigkeit und Kälte ist nämlich etwas völlig anderes als Bescheidenheit. Was sich heute findet ist nicht Bescheidenheit, sondern Geringschätzung und Größenwahn (aus nie testierten Selbstbildern), gegen "alle Lebensfälle" versichert zu sein, also kann man sich ruhig mal zurücklehnen. Werden ja mal sehen, was sich tut, wenn der Sozialstaat notgedrungen zusammenbricht, und auf menschliche Strukturen zurückfällt, die es ... nicht mehr gibt. Und dann alles, was heute angeblich so bescheiden nur noch gewünscht wird - nicht mehr vorhanden ist: Status quo im Wohlstand, soziale Sicherheit, rechtliche Absicherung (die in Wahrheit ja zuvorderst gereiht gehörte).

Als Anarchist kann einen das eigentlich nur hoffnungsvoll stimmen. Der an die Kraft der innersten Natur glaubt, und um ihre Regenerationsfähigkeit weiß. Da haben die Linken heute allen Grund, sich zu beeilen, den Sack rasch noch zuzumachen.




*060809*

Karussell der Moderne

Wie modern doch klingt, was Max Stirner vor hundertfünfzig Jahren schrieb. Es mag einem oft so vorkommen, als sei der Fortgang der Geschichte lediglich eine Abwandlung der sich immer wieder um ein nie ganz sichtbares Zentrum drehenden, einander an- wie abstoßenden Theorien und Ansichten - und wieviel mehr: der dahinterstehenden menschlichen Haltungen, also auch der gesellschaftlichen Bedingungen und Klimata, Bedingungen.

"Alle Wahrheiten unter mir sind mir lieb; eine Wahrheit über mir, eine Wahrheit, nach der ich mich richten müßte, kenne ich nicht. Für mich gibt es keine Wahrheit, denn über mich geht nichts." Greif zu und nimm, was du brauchst. Krieg aller gegen alle. Der Starke siegt. "Über der Pforte unserer Zeit steht nicht jenes apollinische: Erkenne dich selbst, sondern ein: Verwerte dich." Der Zauberkreis des Christentums ist gebrochen, wenn die Spannung zwischen mir, wie ich bin, und mir, wie ich sein soll, aufhört. Mein Verkehr mit der Welt besteht darin, daß ich sie genieße und sie zu meinem Selbstgenuß verbrauche.

Interessant ist, daß Stirner dies am Vorabend eines sich also erst im geistigen Grunde vorbereitenden neuen Staates, eines Zeitalters enormer gesellschaftlicher Bindungen dachte. Als Ausläufer der geistigen Bewegungen des Idealismus der Romantik, der inmitten völligen Zerfalls (sichtbar unter anderem in der Französischen Revolution) begriff, daß (im zerschlagenen Reich und in der Reformation) genau die zentrale Idee zerschlagen ist, die allem Einzelnen erst Leben und Kraft einhaucht, in Religion und Staat. So ging es also nun um einen neuen Staat, um eine neue Religion, die alles wieder vereinte!

Die heutige Reichsidee? Die EU. Als immer weitere Spange einer immer weiter auseinanderfallenden Kultur versucht.

Die Welt dreht sich um immer dieselben Fragen, und wo immer das Karussell stehenbleibt, sofern es überhaupt stehenbleibt, zeigt es das Gesicht der Moderne an der Einstiegsstelle.




*060809*

Sonntag, 2. August 2009

"Ich oder der Faschismus!"

Die Reaktionen waren eigentlich so absehbar, daß ich mir an dieser Stelle weitere Arbeit ersparte. Rudolf Mitlöhner hat nun in der Furche eine Replik auf Kehlmann's Eröffnungsrede zu den Salzburger Festspielen dieses Jahres geschrieben, nein: Vielmehr eine Replik auf die Repliken. Der gar nicht so überwältigende Artikel genügt um zusammenzufassen, was über die Sache zu sagen sich lohnt. Denn die ganze Sache ist gar nicht so überwältigend ...

... Man mag auch daran Anstoß nehmen, daß Kehlmann ins Zentrum seiner Eröffnungsrede bei den Salzburger Festspielen seinen Vater, mithin ein gutes Stück persönlicher Befindlichkeit, gestellt hat. Aber natürlich kennt Kehlmann auch genau den Wirkmechanismus der Personalisierung: daß sich Geschichten, die über konkrete Personen erzählt werden [...] [...] Die Worte des Autors wurden primär als Abrechnung mit dem Regietheater rezipiert, erwartungsgemäß als hoffnungslos reaktionär punziert und dementsprechend empört zurückgewiesen. Aber diese Sicht greift wohl doch ein wenig zu kurz. An den Schluss seiner Rede stellte Kehlmann ein überzeugendes Plädoyer für die Phantasie und für die Kunst. „Enthüllung“, „nicht Verstellung“ sei die Aufgabe des Schauspielers, heißt es dort unter Berufung auf Festspielgründer Max Reinhardt – und weiters: „Die Wahrheit auszusprechen also über unsere von Konvention und Gewohnheit eingeschnürte Natur, die Wahrheit über das eine kurze Leben, das wir führen. Und über die unzähligen Leben, die wir darüber versäumen und denen wir nirgendwo anders begegnen können als in unserer Phantasie und in der Kunst.“ Und von diesem Schluss her erhält dann seine zuvor mehrfach formulierte Kritik erst ihr eigentliches Gewicht: die Sorge, das Theater sei zum „Privatvergnügen einer kleinen Gruppe“ verkommen, „ohne Relevanz für Leben, Gesellschaft und Gegenwart“. Wo das Theater diese Relevanz – „die Berührung mit der existenziellen Wahrhaftigkeit“ – verloren habe, so formulierte Kehlmann, wiederum auf Reinhardt Bezug nehmend, „bleibe leeres Spiel und, schlimmer noch, blanke Langeweile“.

Der Schlüsselsatz der Rede ist indes ein anderer, und er kommt ganz schlicht daher: „… man darf selbstverständlich auch für die drastischste Verfremdung (von Theaterstücken durch die Regie; Anm.) eintreten, aber man sollte sich deswegen nicht für einen fortschrittlichen Menschen halten.“ Hier liegt die eigentliche Sprengkraft, die weit über den Bereich des Theaters hinaus reicht, und wohl auch der tiefere Grund für die gereizte Reaktion jener, die sich für die „fortschrittliche Intelligenzija“ halten. Entgegen der Lesart seiner Kritiker lehnt Kehlmann also nicht generell „das Regietheater“ ab, schon gar nicht plädiert er für konventionelle oder historisierende Inszenierungen. Er hält es nur für unzulässig, ästhetische Fragen gewissermaßen moralisch zu überhöhen.

Antifaschistischer Schutzwall

Damit trifft er freilich einen wunden Punkt der Linken. Denn sie bezieht seit jeher ihre Selbstlegitimation aus genau dieser Überhöhung, aus der Selbststilisierung zu einer Art fleisch- und geistgewordenem antifaschistischen Schutzwall. „Ich oder der Faschismus“ war der Sukkus der Botschaft etwa von Claus Peymann oder Gerard Mortier (um beim Theater zu bleiben), mit der sie ihre (kultur)politische Mission begründeten. Wobei sie wohl den „katholischen Klerikofaschismus“, wie sie es genannt haben könnten, für die größere Gefahr hielten und deswegen auch als liebsten Reibebaum erkoren.
An diesem liebgewordenen Selbstverständnis hat Daniel Kehlmann kräftig gerüttelt. Sanft im Auftreten, ist er den Hütern der politischen Moral kräftig auf die Zehen gestiegen, diese haben reflexartig „Aua“ und „Pfui“ geschrien – und fertig war die Debatte.

Fertig wäre wohl zu lesen als: Schluß damit, es ist genauso langweilig wie der kritisierte Gegenstand.




*020809*

Samstag, 1. August 2009

Die Tiefe liegt außen

Alle Dinge hängen an ihren äußersten, höchsten Punkten. Dort liegt ihr Sein - in dieser unendliche kleinen Berührungsspitze zu Gott, im Wort.

Nicht anders, und dort deutlich zu sehen, in der Vaterschaft. Ihre Stellung in der Genese des Menschen ist in keiner Funktion beschreibbar und auflösbar. Alles hängt in der Autorität, die vorerst nahezu "absolut" erfahren wird, und sich erst allmählich wandelt, aber erst im Heraustreten in eine neue Gestalt des (von Hierarchie geprägten) Zusammenlebens (König-Reich-Verhältnis). Von diesem definierten Außen her ordnet sich jede Lebensäußerung erst zur väterlichen.

Ist diese Autorität und Stellung gebrochen, ist das Vatersein zerbrochen und eine lächerliche Farce. Alles "Aushalten" wird zum grotesken Simulieren, zum "als ob", meist in nichts sonst motiviert als in der Angst vor dem Schmerz - väterlicherseits. (Die Mutation der Frauen zu "Megären ist also schon deshalb so häufig weil logisch: sie können den Mann ja nur noch verachten.)

Die meisten Familien (beziehungsweise Ehen) "existieren" nur noch deshalb, sofern sie noch bestehen: Weil die Männer nicht Manns genug sind, Männer (Ritter) zu sein. (Schon Theresia von Avila äußerste sich mit größtem Bedauern, daß die meisten Männer ihre Männlichkeit verlieren, wenn sie länger verheiratet sind.)




*010809*