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Donnerstag, 30. Juni 2011

Ohne Zeit ist nichts in der Welt

Alles hört irgendwann einmal auf, alles im Raum hat einen Anfang, alles ein Ende, alles hat seine Entwicklung, alles seine Akme, die Zeit der Blüte. 

"Die Zeit jedoch wird häufig nicht als notwendige Bedingungen für alles, was in der Welt ist, erkannt, und daher erscheint die Möglichkeit eines unbegrenzten Existierens, das zwar abbricht, aber jedes mal nur durch einen unglücklichen Zufall, als natürlich: In der Tat, wenn die Zeitkoordinate nicht notwendig zu den Charakteristika einer gegebenen Gestalt gehört, so hat diese auch keine Dauer im eigentlichen Sinn des Worts, und deshalb gibt es in ihr keine von innen heraus bestimmte Entwicklung mit ihren zeitlichen Untergliederungen, ihrem Auf und Ab, Ihrem Anfang und Ende. 

Als krasseste Lehre der Zeitlosigkeit der Welt, d. h. als Leugnung der Entwicklung als solcher, ist der Darwinismus zu nennen: Hier stellt man sich das Leben der Art als von der Zeit völlig unabhängig vor und die Art als ganz geschichtslos, denn jede Veränderung geschieht kraft eines äußeren Impulses, der nicht mit dem Leben der Art verbunden und deshalb zufällig ist, d. h. der stattfinden kann oder auch nicht.

Wie falsch derlei Theorien sind, liegt auf der Hand. Die biologische Art hat ihre eigene Geschichte, d. h. ihre eigene Zeitlinie, so wie auch jeder einzelne Vertreter er Art sie hat. Äußere Umstände können die innerlich vorgezeichnete Zeitlinie einer gegebenen Art verzerren, können sie krümmen, wie ein Baumstamm durch einen Felsvorsprung gekrümmt wird oder der Stiel einer Pflanze durch einen sie niederdrückenden Stein. Doch das Entwicklungsgesetz, d. h. die Form der Zeitlinien, hat seine Invariante, und die Art wird dies nicht preisgeben und kann nicht auf sie verzichten, es sei denn  um den Preis ihres eigenen Untergangs."

Wo aber Anfang und Ende herrschen, also Dinge ihrem Ende entgegengehen, da muß es auch einen Höhepunkt geben. Alles was lebt, ja alles was ist hat also seine Akmé, seine Zeit der Blüte. Denn auch das Unbelebte hat seine Entwicklung, auch Kristalle entwickeln sich, und zersetzen sich wieder, so wie alles wieder zerfällt.

Diese Blüte steht symbolisch (nicht real, weil auch die Akmé nur ein zeitlicher Querschnitt durch ein Ding ist) für das Ding als Ganzes. Diese Geschichte der Dinge in der Zeit ist gleichsam ihre Musik.


Pawel Florenski, in "Zeit und Raum"


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Um nichts abzuwürgen

Warum, um alles in der Welt, werfen die europäischen Länder ihre Ölreserven auf den Markt? Sind die meschugge? Was passiert, wenn es zu einem Versorgungsengpaß kommt? Ach so, die Gefahr ist ja gering, weil die arabischen Staaten seit den Revolten in ihren Ländern etwas kleinlaut geworden sind ...

Insofern könnte man fast bewundernd sagen: wenn tatsächlich Israel hinter diesem "arabischen Frühling" steht, dann hat das Ländchen sein Meisterstück in Außenpolitik abgeliefert, denn es hat mit einem Schlag alle seine Feinde entwaffnet, und Europa dem Zugriff der OPEC wenigstens etwas entzogen. Mit dem Wermutstropfen, daß die Sache in Libyen sich wider Erwarten hinzieht, und das Land als Ölliferant immer noch ausfällt.

Trotzdem hat die Maßnahme den ganz seltsamen Beigeschmack einer "ultimo ratio". Vorstellbar ist nämlich nur, daß für ein paar Monate zumindest mit aller Macht verhindert werden soll, daß die Ölpreise steigen. Warum? Um die "Aufschwünge", die wie sich mehr und mehr herausstellt, nur kurzes Aufflackern von dochtlosen Funzeln gewesen sein könnten, in den europäischen Ländern nicht "abzuwürgen", die Inflation, die allen ins Haus steht wie Knecht Ruprecht vor der Tür, noch ein wenig hinauszuzögern.

Es ist vermutlich nur eine Facette, sie könnte aber zeigen, wie koordiniert sich die Außenpolitik zunehmend vorgeht: denn nun kommt die Reisezeit. Damit steigt der Anteil der Ölpreise am Warenkorb. Also? Sinken die Benzinpreise, sinkt die Inflationsrate, die ja zuletzt auf deutlich über 3 Prozent, im Wocheneinkaufskorb sogar auf 7 Prozent und mehr stieg.


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Erinnertes Sehen

Es ist in jedem Fall ein Irrtum zu meinen, wir würden die Dinge so sehen, wie die Photographie - die nur die Zentralperspektive kennt - sie abbildet. Wir erfassen Punktmengen, und tasten dann das Bild ab, das sich in unserem Geist allmählich zu einem Bild, zu einer Wirklichkeit zusammensetzt - an die wir uns bei der Photographie lediglich erinnern! Denn die Photographie hat nur die Referenz auf Tatsächliches, sie kann ohne das Objekt nicht bestehen. Das Kunstwerk aber will eine für sich bestehende, geschlossene Welt entstehen lassen. Auf Photos reagiert man deshalb zweitwirklich, in der Vorstellung, sie wirken deshalb als Sentimentalität.

Die Begegnung mit dem Kunstwerk ist aber wirklich, sinnlich, die Begegnung mit einer für sich bestehenden Welt, die von mir getrennt ist.

Die Frage nach der Kunsthaftigkeit von Photographie - und nur dann hat sie diesen Sinn, wenn man Kunst als die Steigerung des Lebens in den Geist hinein (nur dort kann man von Schöpfung reden) versteht -entscheidet sich also am Punkt, ob es gelingt, mit dem photographierten Bild (und ich spreche da auch vom Film) etwas wesentlich anderes zu schaffen, als Sentimentalität - eine Welt.

Wenn man den letzten Film von Charles Chaplin, der sich ja lange geweigert hat, den Tonfilm überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, denn der sei keine Kunstform mehr, ansieht - "Die Gräfin von Hongkong"/"A Countess from Hong Kong" (1966) - wird deshalb auch klar, daß Chaplin sich höchst vorsichtig heranzutasten versuchte. Mehr als verfilmtes Kammerspiel gelang ihm mit dieser seiner letzten Arbeit nicht. Man spürt aber ständig, wie Chaplin mit genau dieser Frage ringt. Und die schnitttechnischen Unvollkommenheiten, die Brüche in gar nicht wenigen feinen Anschlüssen, die auf Filmkenner "dilettantisch" wirken könnten, erscheinen mir als für ihn unverzichtbare Illusionsbrüche, mit denen er diese Sentimentalität verblasen wollte.

Photo Sally Mann / everyday_i_show


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Ein Horrorfilm

Allmählich entwickele ich eine Leidenschaft für die Art, wie Mercedes seine Werbung in den USA gestaltet, und dabei ganz unerwartete Assoziationen herzustellen versucht. Die recht viel Humor beweisen. Hier als eigentlich subtile Persiflage aufs "Horrorgenre", mit leicht vertauschten Vorzeichen.


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Mittwoch, 29. Juni 2011

Warum der Euro eingeführt wurde

Als zumindest fragwürdig bezeichnet die FAZ in einem Beitrag die Behauptung, daß der Euro die große Erfolgsgeschichte Europas, vor allem aber Deutschlands sei. Die Fakten sprächen nämlich eine andere Sprache, sodaß sich die Aussage, Deutschland (und, mit Verlaub, Österreich darf da in einem Zug genannt werden) bräuchte unbedingt die gemeinsame Währung, nicht begründen läßt.

Zwar bleibt unbestritten, daß der Euro binnen kurzem zur zweiten Weltleitwährung wurde, was sich vor allem im asiatischen Raum entscheidend ausgewirkt hat. Wobei der Schweizer Franken die Frage stellt, ob ähnliches nicht auch der D-Mark zugeflogen wäre. Genau das aber wollten so manche deutsche Interessensgruppierungen nicht. Und, wie sich herausstellt, auch auf Kosten von "Kollateralschäden", als die man die Staatspleiten in Europa fast bezeichnen muß. Denn die Vorteile, die die starken Länder lukrierten, stammen aus diesem Titel: Zur D-Mark betrachtet verhältnismäßige Schwächung der Währung, um leichter exportieren zu können. Nach Asien, nach Rußland. Nach innen aber war es eine Überforderung für viele schwache Teilnehmer, die sich vom Scheingeld blenden ließen. Aber auch für die starken Länder bleiben, sieht man genau hin, jede Menge Nachteile:

Schon ein oberflächlicher Blick in die Wachstumsstatistiken von Eurostat muss skeptisch stimmen. In den zwölf Jahren seit Einführung des Euro hat Deutschland mit das niedrigste durchschnittliche Wachstum gehabt. Es lag – trotz des jüngsten kräftigen Aufschwungs – mit 1,2 Prozent signifikant unter dem Durchschnitt des Währungsraums (1,5 Prozent) oder der gesamten EU (1,7 Prozent). 

Auch gemessen am Jahrzehnt vor der Euro-Einführung hat sich das Wachstum in Deutschland nicht beschleunigt. Die europäischen Länder wie Schweden, Großbritannien und die Schweiz, die nicht am Euro teilnehmen, hatten höheres Wachstum als Deutschland; nur Dänemark wuchs noch langsamer, im Euroraum war Italien das Schlusslicht. Die höchsten Wachstumsraten im Euroraum hatten bezeichnenderweise die Peripherieländer: Irland wuchs im Durchschnitt der Jahre 1999 bis 2010 fast um 4 Prozent im Jahr selbst unter Einbeziehung der jüngsten Rezession, Griechenland um 2,7 Prozent und Spanien um 2,6 Prozent. [Kein Zufall: jene Länder, deren Volkswirtschaften durch Geld aufgepumpt wurden, und nun platzten; Anm.: „Wegen der Zinskonvergenz haben sich Spanier, Portugiesen, Griechen und andere billig verschulden können“, sagt Hans-Werner Sinn, der Präsident des Ifo-Instituts. „Das Kapital floss an die Peripherie und löste dort einen Boom aus. Es kam zu einer Überhitzung mit viel zu stark steigenden Löhnen und einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit.“]

Und dann macht die FAZ noch eine Bemerkung, deretwegen man in Österreich freilich immer noch gesteinigt und mit den üblichen Beschimpfungen und Anzweifelungen der Fähigkeit, die Vernunft zu gebrauchen, aus dem Verkehr gezogen wird. Genau so stand es übrigens schon an dieser Stelle zu lesen, wir nehmen die Aussage der FAZ deshalb mit Genugtuung zur Kenntnis:

Gerken warnt aber davor, Exportüberschüsse als Selbstzweck zu sehen. „Die deutschen Exporte wurden zum Teil durch deutsche Kredite finanziert.“ Nun zeige sich aber, dass nicht alle Länder die Kredite zurückzahlen können, kritisiert er. „Daraus folgt, dass Deutschland seine Exportgüter verschenkt hat. Die Rechnung wird gegenwärtig dem deutschen Steuerzahler gestellt.“
Noch einmal, zum Mitschreiben: Wenn man davon spricht, daß seit der Einführung des Euro Deutschland mehr Exportvolumen in den Euro-Raum abwickelt, so hat das vor allem mit der wiedergewonnenen Wettbewerbsfähigkeit zu tun - und die stammt von den maßvollen Lohnabschlüssen. Sprich: Das Lohnniveau in Deutschland sank in diesem Zeitraum. (Die Reallöhne in Österreich übrigens, und damit der nominelle Wohlstand, auch.) Das aber hat sich vor allem in den Exporten in den Asien-Raum ausgewirkt, deren Anteil an den deutschen Gesamtexporten kräftig stieg. Die Exporterfolge wurden also durch Wohlstandsverlust (oder -verzicht) im eigenen Land erkauft.

Noch eine gravierende Folge aber hatte der Euro in seiner Exportdimension: Er hat sich auf die Wirtschaftsstruktur im eigenen Land ausgewirkt. Angesichts fallender Kaufkraft im Inland, angesichts der Bedeutung des Preisarguments (das Hauptargument für die Einführung des Euro!) nämlich verlagerte sich die "Innovationskraft" auf innovative Preisminderungstaktiken - anstatt auf innovative, qualitativ hochwertige Produkte, der Deutschland bis dorthin seine Erfolge zu verdanken hatte. Trotz einer enorm starken D-Mark, die den Export erschwert hatte. Der Ruf nach einer schwächeren Währung also - und das ist der Euro im Vergleich mit der D-Mark - hat also die Produktionsstrukturen im Land verändert: weg von der Qualität, hin zu Preisaspekten.

Und das zusätzlich gewonnene Umsatzvolumen im Euro-Raum? Das wurde sowieso vorwiegend durch deutsche Kredite finanziert, diese Wachstumsimpulse sind also selbstinduziert gewesen, wie sich nun herausstellt. Weil genau diese Länder nun diese Kredite nicht mehr zurückzahlen können, zahlt Deutschland sich die Exporte mit eigenem Steuergeld selbst - DAS sind die Griechenlandgelder etc. Mit diesem Geld wurde der Wohlstand im Euro-Raum künstlich hochgedrückt, aber er ließ die Länder kollabieren. Geld verdirbt eben den Charakter ...

Dazu zeigt die FAZ eine bemerkenswerte Graphik: Sie zeigt, wie es aussah MIT dem Euro, und wie es OHNE den Euro ausgesehen hätte. Freilich eine Hochrechnung von "Experten", das soll einschränkend dazugesagt werden. Das Ergebnis ist nämlich überraschend. Für die großen Propagandisten des Euro sogar peinlich. Da stellt sich nämlich heraus, daß es vor allem jenen Ländern* - Deutschland, Österreich - die wirtschaftlich im Verhältnis immer noch gut dastehen, OHNE Euro deutlich besser gegangen wäre. 

Und damit stimmt die Rechnung für jene wieder, die schon an der Richtigkeit des kleinen 1x1 gezweifelt und die Einführung des Euro immer schon kritisiert hatten, wozu auch der Verfasser dieser Zeilen zählt. Denn wie anders hätte es kommen können - als daß sich die EU zu einer Transferregion entwickelt, von viel zu wenig. Bis alle nichts haben. Das war ja das ursprüngliche Argument. Man kann nämlich Wohlstand nicht einfach "erzeugen". Der muß immer durch das Leben, durch die eigene Arbeitswirklichkeit gedeckt sein. Sonst fällt er zusammen wie ein Germkuchen.




Der Euro hatte also zwar gesamtwirtschaflich betrachtet Vorteile, aber er hatte sie nur für bestimmte Wirtschaftsformen und -gruppen. Insgesamt gesehen hatte er deutliche und sehr reale Nachteile, und die sind sogar höher zu veranschlagen als die Vorteile. Konsequenzen aus dieser Erkenntnis sollten also zumindest Bestandteil der politischen Debatte sein können.

Denn das, was sich seit Jahren in dräuenden Staatspleiten abzeichnet, beweist, daß der vorgebliche Vorteil eines Euro für Gesamteuropa - das MIT Euro ein höheres BIP-Wachstum aufweist, als es ohne ihn gewesen wäre - reine Selbsttäuschung gewesen ist. Mit Geld wurden Wirtschaftsvolumina aufgeblasen, die nun nach und nach wieder einfallen, weil sie durch die reale Situation in den Länder nicht gedeckt sind, bzw. immer gedeckt werden müssen. Man muß kein Prophet sein, um zu sehen, daß z. B. Länder wie Slowenien (bei aller angebrachten Wertschätzung deren Tüchtigkeit), die vorerst durch den Euro "profitiert" haben, die Folgen der weihnachtlichen Geldvermehrung in einer kräftigen Wertberichtigung nach unten wieder ausschwitzen werden müssen. Während man im Grunde Länder wie Kroatien warnen müßte, weil der erhoffte Wachstumssegen durch EU-Gelder eine Zeitbombe ist.


*Für die Ausnahmen wie Portugal gibt es spezifische Gründe: bei dem Land muß man ja fast sagen, daß´es durch den Euro ruiniert wurde, weil die "mangelhafte Wettbewerbsfähigkeit" die heimische Produktion ausradierte.
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Im Dienste der Schönheit

Was ich an diesem Film mochte war die Zwecklosigkeit, die sich in dem Geschehen äußert: Da will jemand einfach, daß sein Auto schön ist: daß das bloße Da-Sein Überhang über dem Nutzen hat. Und darin geht er keinen Kompromiß ein: Es muß GANZ schön sein. Wir haben uns längst angewöhnt, in jedem Fall Kompromisse zu schließen, meist einfach aus Bequemlichkeit. Das Filmchen erinnert damit an den Grundsatz, daß Zweck, oder gar Geld, menschliche Arbeit entwürdigt.



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Von Wirklichkeiten

(Alle Rechte: TonkBerlin)
Der Vergleich Perspektive - Photographie birgt manche interessante Hinweise, denn was wir auf einer perspektivischen Darstellung sehen, versuchen wir in einer Photographie zu vermeiden: dort wird uns noch klar, daß die (perspektivisch richtigen) Größenunterschiede der Personen eine Aussage haben (Rang, Ansehen, Liebe ...) Auch eine Photographie, die einen Menschen in seiner Länge zeigt, wird von uns als ungehörig (zumindest als "eigen") klassifiziert, die große Zehe (als Beispiel) und der im Hintergrund verschwindende Kopf sind keineswegs einfach aussagelos für uns, in jedem Fall würden wir nicht sagen, daß es eine adäquate Aufnahme desjenigen ist.

Die Größe des Eifelturms (Foto Ellen Brouwers)
Wenn wir eine Gruppenaufnahme machen - und wo Form eine große Rolle spielt, eben weil alles etwas bedeutet, wie offizielle Schulschlußphotos, Hochzeitsversammlungen etc. - wird viel Augenmerk darauf verwendet, die Personen nicht nur frontal, sondern in einem würdevollen und adäquaten Größenverhältnis zueinander darzustellen.

Desgleichen ist die Frontalansicht, wiewohl die adäquateste Ansicht, in der Perspektive kaum beheimatet, diese bevorzugt eindeutig das Profil, das deutlich mehr Bewegung ausdrückt, während Bewegung selbst die Dinge ja verschwimmen läßt. (Gerade die Geste aber muß ihre Energie innerhalb der Darstellung bewahren - in der Renaissance aber gewinnt die Leidenschaft etc. Oberhand, und damit das Profane, während die Darstellung, wenn die Energie nicht innerhalb des Bildes aufgenommen wird, das Zielobjekt der Geste sogar in den Raum des Betrachters hineinvermutet!) Ja, die Perspektive weist vor allem das Profil, die Drehung, den Gang aus dem Bild hinaus, und sogar die Rückenansicht auf, saugt sie in das "unendliche Loch" der Zentralperspektive (mit ihren Fluchtpunkten).

Proportionen - Aussage - Gruppenbild (Photo Niels und Patricia)
Gerade aber in der Frontalabbildung ruhen die Figuren aber. Die umgekehrte Perspektive bzw. die solcherart künstlerisch gestaltete Komposition eines Bildes läßt dieses Bild ein Ganzes sein, schließt es gegen den Betrachter ab. Die Perspektive aber macht aus den dargestellten Figuren Figuren, die in den Raum heraus, auf den Betrachter zu wirklich werden, den Raum des Bildes in den des realen Raumes einmünden lassen. Dadurch öffnet sich das Werk, und die Realitätsdimensionen werden ununterscheidbar. Die dargestellten Figuren aber erhalten mitunter sogar dämonische Dimension - das deutlichste Merkmal der Antikunst. Ein Kunstwerk muß eine Welt für sich sein, sonst ist es ein Funktionsgegenstand, nicht Kunst!

Ein ähnliches Phänomen kann man übrigens in der Photographie feststellen, wenn bei Teleobjektivaufnahmen das ferne Objekt größer wird als das real-räumlich nähere.

Also muß die Abbildung sehr wohl die dargestellte Dinge in ihrer "absoluten" Größe und in ihren gewichteten Ansichten darstellen - und hierzu sind zufällige Größenbezüge zu Dingen oder Umgebenden nicht ausreichend, wir gestalten sie.


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Dienstag, 28. Juni 2011

Offizielle Versionen

Es wäre zwar lächerlich, den Angriff Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion, der am 22. Juni 1941 begann, als Verteidigungsstoß oder reine Notwehr darzustellen. Wer immer sich mit Hitler ein wenig nur befaßt weiß, daß der Osten für seine Gesamtpläne - soferne man von solchen überhaupt sprechen kann, sofern sie je mehr waren als vage Wunschträume und Phantasien; ich bin vehementer Gegner des weitverbreiteten Versuchens, dem Hitlerismus (Wortschöpfung von Joachim C. Fest) rationale Kontingenz zuzuschieben, er war zutiefst irrational - eine entscheidende Rolle spielte.

Aber es ist auch lächerlich so zu tun, als wäre die Auseinandersetzung nicht der Ausbruch zweier bis an die Zähne bewaffneter Übeltäter gewesen, Hitler und Stalin. Das "Unternehmen Barbaross" stieß mitten in einen gigantischen sowjetischen Aufmarsch hinein, der nur deshalb brach, weil die Wucht des deutschen Angriffs bei weitem unterschätzt wurde (Aussage des Generals Schukow nach dem Krieg), und weil zum anderen die eigenen Angrifspläne überschätzt wurden. Nach Öffnung der sowjetischen Archive ist unbestritten - in Rußland übrigens offizielle Version, die auch in den Schulen gelehrt wird! - daß Stalin einen Angriff auf Deutschland vorbereitete. Sehr lange hätte Deutschland nicht zuwarten können, man mußte handeln, vielleicht sogar deshalb zu einem Zeitpunkt, der für die deutschen Generäle als "zu spät" bezeichnet wurde. Und prompt schienen dann genau die durch die Intervention in Jugoslawien verlorenen Monate die Entscheidung zu bedeuten: kurz vor Moskau mußte der erste Vorstoß wegen des extremen Winters abgebrochen werden. Stalin konnte seine Kräfte reformieren, und so kam es, wie es kam.

Wobei wir hier nicht darüber urteilen wollen, was besser gewesen wäre. Die Problematik des Hitlerismus entsteht ja nicht aus der Gutheißung dieses Wahns, sondern lediglich aus der Verquickung mit dem Volk, dem auch der Verfasser dieser Zeilen angehört: wer Hitler schlug, schlug einen selber. Hitler zu vernichten hieß dann ja auch, das Volk zu vernichten. So verquickt sich Wünschenswertes mit Furchtbarstem. Aber Geschichte läßt sich eben nicht in "wenn wäre - dann wäre" abhandeln. Sie kennt nur ein "so war es," nur dann erhellt sie eigene Antriebe und Wurzeln.

Die Junge Freiheit berichtet in einem sehr präzisen, kompakten Artikel über die damaligen Entwicklungen. Stalin war durch Spionáge nachweislich und bestens über die deutschen Angriffspläne unterrichtet. Nur reichten die Verteidigungsbemühungen nicht, obwohl die sowjetischen Kräfte teilweise doppelt so stark waren wie die Angreifer. Ziel des sowjetischen Angriffs wäre eine Zangenbewegung aus dem Raume Lublin heraus gewesen, die die deutschen Ostarmeen einkesseln und vernichten hätte sollen.


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Gegen manche Hitze

Ich gebe es zu: mich hat das kühle Bier so gelockt, das mir die Erinnerung serviert hat. An sich aber mag ich selbstreferentielle Filmchen nicht unbedingt. Ihr Humor ist billig und vorhersehbar. Hier hat man es allerdings auf die Spitze getrieben, und so ist es doch noch eine geschlossene Form geworden - also doch nicht selbstreferentiell. Sondern Selbstreferentialität als Inhalt eines Films!



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Deutungsverzicht als Entwertung der Welt

Verzichtet der Künstler auf Deutung, so verzichtet er auf die Welt. Denn die Welt ist sinnvoll, und die Dinge in ihren Verhältnissen (und Bedingtheiten) zueinander verhalten sich im Normalfall so, daß sie einander ihre entscheidenden Seiten zuwenden. Der solcherart aber willenlose Künstler glaubt nicht daran, daß die Wirklichkeit einen eigenen Sinn und eine eigene Realität hat.

In der Zentralperspektive (der die einäugige, unbewegliche Kamera entspricht) aber wird zugunsten eines zufälligen Ordnungsschemas auf jede Deutung der Dinge verzichtet. Sie werden in ihrer Abgebildetheit zufällig. Der Künstler bleibt somit passiv, aber nicht nur das: er zeigt eine wertlose Welt, und damit weist er erst recht auf SICH zurück. Das Abzubildende aber hat keine Wahrheit, nichts, das es darüber auszusagen gäbe, als daß es zufällig im Raum steht. Der Künstler anerkennt keine Realität, sein wahrer Gegenstand erweist sich nun folgerichtig nicht mehr als das abzubildende Ding, sondern er selbst als derjenige, der das Ding leugnet.

In der Wirklichkeit existieren Drehungen, aber keine Verkürzungen; Verkürzungen aber - die im Grunde DIE Darstellungsweise der Perspektive darstellen - entstehen aus Subjektivismus, als Gesten der Feindschaft gegenüber der Realität.


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Photo

Sally Mann - Selbstportrait



Photo Sally Mann / everyday_i_show


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Montag, 27. Juni 2011

Worin komponieren?

Worüber man in der Kunst handelt - das muß abgehangen sein, das darf einen nicht mehr bewegen. So lauteten übersetzt auch die Aussagen Florenski's über das Zusammenspiel Konstruktion - Komposition: die Konstruktion ist der Punkt, an dem die kompositorische Absicht zur Ausführung kommt, schreibt er in "Raum und Zeit". Die Komposition, als Ausdruck des Willens des Künstler in sich frei, trägt sich eben deshalb, d. h. aufgrund ihrer Freiheit, selbst; das wäre jedoch nicht der Fall, wenn sich das, worauf sie sich stützt, verändern würde.

"Der kompositorischen Geschlossenheit halber muß daher in jedem Fall eine Konstruktion gewählt werden, in der es keine innere Bewegung gibt, welche dieKomposition von deren eigenem Weg abbringen könnte. Die Realität ist nicht passiv - wenn sie es wäre, so würde sie keinen festen Halt bieten. Eben deshalb muß sie gewählt werden als eine Ausrichtung von Kräften, welche den Künstler in der von ihm gewählten Lösung bestärkt, ihn bei seiner Absicht hält und ihn, falls er innerlich schwankt, zu ihr zurückführt."

Das, worüber gehandelt wird, führt also über seine ihm innewohnende Realität auf jeden Fall wieder zum Schöpferischen der Komposition. Dazu aber braucht es das Ruhende einer Sache, zu der der Werkschaffende ein freies Verhältnis hat. Andernfalls wechseln die Dinge der Komposition ihren Ort und stören das Ganze, weil in einer Komposition noch einzelne Dingkräfte wirken, die nicht in ein Gesamtziel gezähmt sind.


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Das war's dann aber auch schon

Was verbindet die Grünen in Baden Württemberg und die Grünen in Wien? Beide sind seit einigen Monaten in die Regierung ihrer Regionen gekommen, und beide kämpfen derzeit mit einer Situation, mit der sie nicht gerechnet haben: mit der Realität.

Maria Vassilakou / Die Presse - Clemens Fabry
Seit Tagen tourt deshalb die Grüne Vizebürgermeisterin von Wien, Maria Vassilakou, durch die Bezirke, um die aufgebrachte weil enttäuschte "Basis" - ihren einstigen Wählern, die zuhauf gebrochene Wahlversprechen reklamieren - zu beruhigen. Denn Unzufriedenheit macht sich breit, in Wien nicht anders als in Stuttgart. In Stuttgart stehen die Grünen vor dem Dilemma, als Regierung die Gesetze vollziehen zu müssen, die zu kippen sie zur Wahl angetreten waren, in Wien stehen die Grünen vor der ganz normalen Wirklichkeit täglicher Regierungsarbeit.

Wo sich nun etwas ganz anderes herausstellt, als wohl gewollt war: Plötzlich kann auch Vassilakou (und ihre Mandatare) nicht anders als nach strengen Sachprinzipien zu urteilen. Plötzlich wird bei einer Bürgerversammlung in Transdanubien im 22. Bezirk zum Ärger der Bürgerintitiativen die Siedlungspolitik der Stadt verteidigt, die schöne Landschaft mit Siedlungsbauten zupflastern möchte, denn "nur Einfamilienhäuser wollen wir auch nicht, Wien muß sich schon entwickeln" ...

Wobei man in Stuttgart nicht lange fackelt, und die Grünen kurzerhand aus dem Sattel der Bewegungen um Stuttgart 21 gehoben wurden. Denn anders als in Wien geht es den Stuttgartern nicht um ein bißchen "seind wir doch nett" - sondern um fundamentale Änderungen der Denkweise. Hier wurde wirklich Zivilisationsdruck zum Leidensdruck, hier geht es um mehr als Bahnhofsverhinderung. Da will ein Teil der Bevölkerung einfach nimmer so wie bisher. Die Deutschländer haben ihr Denken immer schon recht ernstgenommen, die sterben auch für ihre Überzeugungen.

Was sich da zeigt? Es zeigt sich, daß die Grünen und die größten Teile der Öko-Bewegung in Wahrheit nie ein Gegenkonzept gegen den Technizismus der Gegenwart hatten und haben. für sie beschränkt sich die Welt auf Utilitarismus und Zweckdenken, und der Grün-Gedanke auf bessere Meßwerte und niedrigere Ausstoßmengen. Einen wirklichen Begriff von Natur, von Natürlichkeit aus wieder anzustrebende Menschengerechtigkeit, haben sie nicht. Der Mensch zerfällt für sie wie für alle etablierten Technokraten in objektivphysikalische Eigenschaften und Einzelbedürfnisse, an denen man dies und das bewirken kann. Aber ein wirkliches Konzept, wie man die Welt lebenswerter, menschengerechter machen könne, haben sie nicht, und hatten sie nie. Die Kernfrage ist nämlich nicht, das Richtigere im Falschen zu tun - sondern ein neues Denken umzusetzen. Das sie aber nie hatten, denn die Linke - als eigentlich einziger "Inhalt" grüner Politik - ist uralter Ideologie-Technizismus des 19. Jahrhunderts, aus mit der Maus.

Also sitzen sie nun an der Macht, und müssen irgendwie schauen, den Apparat in Bewegung zu halten. Koste es, was es wolle. Und ab und zu wird dann ein Radweg eröffnet (Wien), eine neue Begrenzung für Geschwindigkeiten eingeführt, und ein Baum gepflanzt, in Stuttgart ein paar Bänkchen mehr und vielleicht ein kürzerer Nahverkehrstakt nach Sindelfingen, vom neuen Bahnhof allerdings - das war's dann. Grün war in ihrer ideologischen Variante nie mehr als ein Käppchen, das Eintritt ins Etablissement zaubern sollte. Ihre wahren politischen Ziele waren aber nie mehr als Ablaufoptimierung des bestehenden Wahnsinns, mit da und dort einigen etwas hübscheren Aspekten.

Jeder, der also gemeint hat, die Beteiligung der Grünen in Stuttgart wie in Wien brächte fundamentale Veränderungen - der wird enttäuscht werden müssen. Nun entlarven sich die Wahlversprechen als lediglich aus Mangel an Einblick in die Realität des politischen Alltags abgesetzte Wahlkampfblasen.

Heilsame Enttäuschung aber kann eigentlich nur gut sein.


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Vage + vage = Unfreiheit

Allmählich fragt man sich, wo wir bereits leben ... Man dreht den Radio auf - Riesenbericht über den (mir bisher völlig unbekannten) französischen Modeschöpfer Galliano, der sich im Vollrausch vergessen, und unflätigst auf Juden und Kapitalisten geschimpft hatte. Ähnliches wäre ja ums Haar Lars von Trier in Cannes passiert, dieselbe Baustelle.

Min.f. Justiz B. Karl - Min. f. Inneres J. Mikl-Leitner
Am selben Tag wird von zwei aufgeräumt lächelnden Ministerinnen - Justiz und Inneres - als großer Erfolg ein Gesetzespaket vorgestellt, das in Anknüpfung an so manche frühere Entgleisung einen nächsten Schritt zur totalen Gesinnungskontrolle im Lande ermöglicht. Unter dem Titel "Terrorbekämpfung" (und wie stolz sie dreingucken!) werden die nächsten Gesetze installiert, deren rechtliche Anwendung von der momentanen Interpretation von "gut" oder "böse" abhängt. Das kann nicht reichen. Man darf keine Rechtslage schaffen, in der es nur vom "guten Willen" des jeweils Regierenden abhängt, ob er die Gesetze mißbraucht oder nicht, den Rechtsstaat auszuhebeln.

Hitler, als Hinweis, mußte kein einziges Gesetz ändern oder neu erfinden. Sein Totalitarismus, mit dem er die totale Macht im Lande an sich riß, erfolgte unter einem rechtlich verankerten Anspruch: Sicherung des Staates gegen Terrorismus.

So nebenbei - und man merkt förmlich, wie stolz sie auf ihre Arbeit sind; Frauen sind eben stets die eifrigsten Perfektionierer eines totalen Systems gewesen - wird die nun mögliche bzw. erleichterte Verknüpfbarkeit der gesammelten Daten gepriesen.

Künftig sollen die Behörden weitgehendere Befugnisse zum Verknüpfen von Ermittlungsdaten bekommen, und die Anleitung zu Begehung, Aufforderung oder "Gutheißung" eines Terrorakts sollen strafbar werden.

Die Ermächtigungsgesetze der Weimarer Republik hatten keinen anderen Inhalt. Eine schwammige Formulierung nach der anderen, und nach den letzen schwammigen Gesetzen (die die Einschränkung der Meinungsfreiheit vorbereiten) die jede "Diskriminierung" verbieten zeichnet sich bereits ab, wohin solche Gesetzgebung führen wird. Nicht "kann" oder österreichischer: "könnte". Nein. Wird.

Das Problem nämlich, auf das wir mit Riesenschritten zueilen, rascher als ich geglaubt habe, ist, daß hier Vorhaltungen erhoben werden können, deren Widerlegung auf Beweisbarkeiten angewiesen ist, die der menschlichen Wahrnehmungsevidenz nicht mehr entspricht. Engt man solche Bereiche zu stark ein, indem man die Toleranz der Bewertung auf abstrakte, kaum wirklich erschöpfend definierbare Ziele - "Freiheit" etc. - beschränkt, öffnen sich immer weitere Tore für reinsten Terror.
Aber das hat nicht nur Auswirkungen auf die direkte Rechtssprechung - auch auf das öffentliche Klima eines Staates. Weil es durch die Bekanntwerdung die individuelle Urteilsbildung erschwert weil neurotisiert.

Jedes menschliche Urteil entsteht zuerst über nichtrationale Evidenzen, über Wahrnehmung, sinnlich. Ratio, Begriffsfindung, ist erst nachträgliche Handhabbarmachung innerer Gewißheiten. Das bedeutet aber auch, daß so gut wie alle menschliche Gewißheiten lediglich graduell unausdrückbar und "beweisbar" sind. Denken, Überzeugungen auf "Beweisbarkeit" im positivistischen Sinn zu verengen bedeutet nicht die Erhöhung deren Vernünftigkeit, sondern letztlich deren beliebige Verdrängung! Denn rational läßt sich jede Überzeugung widerlegen, aber kaum eine a priori "beweisen". Menschliche Überzeugungen  - sollen sie nicht Fanatismus sein - entstehen nicht apriori rational. Sie sind schlichtweg "Erfassungen" von Wirklichkeiten.

Wer dazu vage Gesetze auf vage Gesetze aufbaut, geht mit absoluter Sicherheit einem Punkt zu, wo die Summe aus dieser Addition einen ursprünglich niemals intendierte, nie vorausgesehenen Standpunkt des Gesetzes ergibt, der aber dann unverrückbar da ist, oder geschaffen werden kann. Und der nur zulasten der Gesinnungsfreiheit der Bevölkerung gehen kann.  

Denn diese Gesetze sind - ohne wenn und aber - Gesinnungsgesetze. Sie gehen nicht nach Taten, sondern nach persönlichen Haltungen. Wenn ein Staat einmal damit beginnt fragt sich nur noch, wo er herauskommen wird. Ganz sicher nicht in der Freiheit.

Und da schließt sich der Kreis: der französische Modeschöpfer Galliani, der sich außerhalb allen Anstands benommen hat, (wobei Liebeserklärungen an den Führer  -  "I love Hitler," soll er gerufen haben - möglicherweise in andere human-pathologische Kategorien fallen, als unter Wiederbetätigung) wurde trotz einer öffentlichen Entschuldigung (er ist bekannt für seinen Alkoholkonsum) sofort aus allen Funktionen bei  Dior entfernt. Nicht nur das, wurde er aus seiner eigenen Firma hinauskomplimentiert, fragen Sie mich nicht, wie das geht. Ein Prozeß steht ihm sowieso ins Haus. Das heißt: der Mann wurde für eine gewiß blöde Entgleisung, die aber einfach nicht mehr war: eine Entgleisung, und wer ist nicht schon entgleist ... vollständig vernichtet.

Da geht es nicht darum, daß jemand die Gründung einer neuen Judenvernichtungspartei verkündet hat, und mitten aus einen einen Juden massakrierenden Anhängerscharen heraus verhaftet wurde. Nein. Hier geht es um eine simple "b'soffene G'schicht", wie man so sagt. Selbst wenn der Mann so tatsächlich denken dürfte.

Wenn wir uns aber das Menschsein so einengen, dann bleibt nicht mehr Menschlichkeit, sondern totalitäre Unmenschlichkeit übrig. Dann werden wir tatsächlich zum Lachen in den Keller gehen müssen. Dann wird alle Lebenslust im Bierernst vertrottelter Bürokraten ersticken.

Wer sich nicht mehr von sich selbst distanzieren kann und will, der führt etwas im Schilde. Also frage ich erneut: Wo leben wir bereits?! Fällt das niemandem auf?


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Sonntag, 26. Juni 2011

Pathos, der das Denken abwehrt

Wie Wissenschaft (die es ja nur in ihren Trägern gibt, den Wissenschaftlern) als Erkenntnishaltung schließt (seit Galilei und dem Begriff der Welt als Maschine, als Mechanismus, seit der Welt der zwei Wahrheiten, deren eine nichts mit der anderen zu tun hat, weil deren andere völlig unabhängig vom Wahrheitssuchenden zu finden ist) - wiewohl selbst aus Intention des Lebens erwachsen - das Leben der Subjektivität, die sich im Erkennen selbst umarmt, aus. Das heißt nichts anderes (ich verkürze), daß die Art des Wissenschaftlers, sich (der ja auch Mensch ist) als Mensch zu empfinden und sich selbst zu erfahren sich gegen die Art wendet, in der er sich als Wissenschafter (identitär) zu empfinden "hätte", er in Widerspruch mit der Erkenntnis der Evidenz gerät.

"Sich gegen das Leben zu wenden, und zwar als eine bestimmte Lebensweise," schreibt Michel Henry dazu, "die insbesondere die Galileische Lebensweise ist, heißt sich selbst auf solche Art zu erfahren, daß man darunter leidet, das zu sein, was man (im Wesen) ist, nämlich was sich selber erfährt, genauer gesagt: die Tatsache, sich selbst zu erfahren, ein Lebender, das Leben zu sein." Es ist die wahnsinnige Idee im Wissenschaftler verwurzelt, nicht mehr zu erfahren, was sein Wesen erfährt, und so die eigenen Bedingung zu verabschieden, das Leben zu sein. Die lebendige Sinnlichkeit muß verworfen werden. Wesenhafte Wahrheit wird aber nur als Fleisch des Individuums und als dessen Leben ankünftig.

Die Wissenschaft aber, so Henry, die auf dieser Idee beruht, beruht ... auf einem Pathos. Sie ist selbst das Pathos, und als solches kann und muß sie letztendlich verstanden werden.

Als Intentionalität ist diese Haltung an ein Pathos gebunden, das ist eine innere Notwendigkeit. Und diese Notwendigkeit besteht darin, daß ein solches Pathos nichts anderes und nichts weniger als das Sein selbst einer jeden, für die Wissenschaft konstitutiven Intentionalität ist.

Es gibt darauf erfolgend ein Pathos der zwingenden Evidenz! Und daraus folgt wiederum für den Wissenschaftler das Gefühl der Apodiktizität. Denn die einzige Gewißheit, die der Evidenz, offenbart sich nur in der Ekstase des Sehens. Genau die aber ist ihm abgesperrt. Es bleibt dem Wissenschaftler nur die mathematische Gewißheit - die aber ist eine Idealität, keine erkenntnismäßige Evidenz. Diese Form der Gewißheit ruht nicht in sich, sondern als ein Hervorgebrachtes. Es entzieht sich, als Selbstaffiziertes, also der Wahrheit, und zwar grundsätzlich. Es ist damit nicht "ständig da", im Außen, sinnlich evident - sondern bleibt der unendlichen Wiederholung eines intentionalen Meinens dargeboten.

Was Henry hier anspricht, habe ich an anderer Stelle längst beschrieben: es ist die Identität "als Wissenschaftler" (Akademiker), die denselben Wissenschaftler im Grunde erkenntnisresistent macht: er bleibt innerhalb seines bereits bestehenden, mit dem Tag des Beginns seines Wissenschaftlerlebens vollendeten Denkkreises, der immer ein sich selbst rechtfertigender, selbst tragender Denkkreis ist, gefangen. Gefangen in diesem Pathos, den Henry so grandios begründet - so, wie sein ganzes Denken eben zum Pathos wird.


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Eine einzige Aussage

"Der Künstler sagt durch sein Werk etwas über die Wirklichkeit aus, doch damit die Möglichkeit besteht, etwas über sie auszusagen, muß sie selbst einen gewissen Sinn enthalten, sich in einer gewissen Aussage über sich selbst mitteilen. Somit vereinen sich im Werk zwei Aussagen, die der Wirklichkeit und die des Künstlers, zu einem Ganzen.

Die Konstruktion ist die Art des Wechselverhältnisses zwischen den Elementen der Wirklichkeit selbst, gleich ob der physischen oder der abstrakten, sie ist die Struktur der Wirklichkeit selbst; die Komposition aber ist die Art des Wechselverhältnisses jener Elemente, durch die die Wirklichkeit ausgebildet wird, d. h. die Struktur des Werks. 

Die Konstruktion ist, was die Wirklichkeit selbst von einem Werk will. Die Komposition dagegen das, was der Künstler von seinem Werk will. Selbstverständlich kann der Künstler nicht sich selbst aus einem Werk entfernen, auf jede Aussage verzichten. Denn dann wäre ja das Vorhandensein der Wirklichkeit selbst schon ausreichend. Es gibt auch keinen Grund zur Annahme, die Wirklichkeit werde sich aus irgendeinem Grund so ausrichten und umformen, wie es dem Künstler genehm ist. Wie Kette und Schuß durchdringen einander Konstruktion (Kette) und Komposition (Schuß), Wirklichkeit und Aussage.

Konstruktion und Komposition aber haben nichts miteinander gemeinsam. Charakterisiert doch die Konstruktion die Wirklichkeit an sich, in ihren inneren Zusammenhängen und Wechselbeziehungen, im Widerstreit und im Zusammenwirken ihrer Kräfte und Energien. Durch die Komposition aber ist die innere Welt des Künstlers charakterisiert, die Struktur seines Innenlebens. 

Aus eben diesem Grund neigt der Künstler dazu, was auch immer sein Sujet und - allgemeiner - sein Gegenstand ist, wenn er nur selbst stark und innerlich standhaft ist, jeden Gegenstand und jedes Sujet durch ein und dieselbe Komposition auszudrücken. Die verschiedensten Konstruktionen der Wirklichkeit werden durch Werke von fast identischer Komposition ausgedrückt; für die Feststellung der Urheberschaft spielt die Komposition bekanntlich keine geringere Rolle als die direkte namentliche Signatur des Künstlers."

Pawel Florenski

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Was ein Wunder ist

Scharf grenzt Ferdinand Ebner ab: Glaube an Christus kann nur Glaube ans Wort sein, Glaube an seine Menschwerdung. NICHT Glaube an die Vergöttlichung des Menschen - die Gegenposition! Auch nicht: Glaube an Jesus DURCH seine Wunder.

Wunder ist nicht, was wir uns eben nicht vorstellen können, es ist schon gar nicht "noch nicht entdecktes Naturgesetz", auch nicht das was zu den Naturgesetzen in Widerspruch steht, es ist auch nie das "Mögliche". Wunder ist das überhaupt Unmögliche, nur in Gott wirklich Mögliche. Möglichkeit ist ein Entwurf im Gedanken des Menschen.

Das Wunder hebt das Denken auf, setzt die Denkgesetze außer Geltung. Ihm kann nur aufgrund des Wortes geglaubt werden.

 
*260611*

Samstag, 25. Juni 2011

Entwürdigung des Landes

Ein interessantes Argument kam dieser Tage von dem deutschen Staatsrechtler Schachtschneider, Nürnberg. Dabei betrachtete er es nicht von der verfassungsrechtlichen Unvereinbarkeit, wonach der Rettungsschirm der EU/Eurozone die Bundesregierung plötzlich ermächtige, bis zu 2/3 des deutschen Budgets zur Rettung anderer Staaten zu verwenden, OHNE das Parlament befragen zu müssen, oder daß  plötzlich Zentralbanken Anleihen anderer Länder aufkaufen dürften, was ebenfalls eine außerparlamentarisch entstandene Belastung des eigenen Landes sei.

Vielmehr betrachte er vom christlichen Standpunkt her die "Rettung"Griechenlands als groben Verstoß gegen die Nächstenliebe! Denn es werde nicht versucht, ob das Land nicht seine Probleme aus eigener Kraft zu retten vermöge, indem es eigene Reserven angreife, Staatseigentum verkaufe, und vor allem die Bürger des eigenen Landes - Schachtschneider spricht von den Vermögenden und Profiteuren der bisherigen Politik - heranziehe. Damit würde die Selbstachtung des Landes erhalten. Immerhin hätte das Land doch auch beträchtliche Vermögen und Güter.

Nunmehr aber würde das Land vollständig entmündigt, und vor allem aber: würden im wesentlichen die bestehenden Strukturen, die ja bereits versagt hätten, und damit auch die bestehenden Strukturen der Profiteure konserviert. Es bleibe abzuwarten, was daraus für die Leistungsfähigkeit des Landes, sein Vertrauen in die eigene Problemlösungskraft, für schädigende Folgen erwachsen würden. Ob also am Peloponnes nicht ein Dauerpatient herangezogen würde, dem mangels eigener Würde auch die Kraft fehle, die Zukunft tatkräftig wieder in die Hand zu nehmen. Beispiele für solche Auswirkungen gebe es in der Geschichte ja genug.


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Überwindung des Traum(a)s

Man begeht, schreibt Ferdinand Ebner, den fatalen Fehler, "Geist" mit "Traum vom Geist" gleichzusetzen. Ein Fehler, der sich vor allem seit der Romantik zur fatalen Kulturhaltung entwickelt hat. Die entscheidende menschliche Haltung, als Geburtsstunde des Geistes, ist aber die, das direkte "Du" des Seins, des Logos zu erfassen und zu bejahen, frei zu werden von Vorstellungsbildern von Geglücktheit und Freiheit!

Gerade die Geschlechtlichkeit des Menschen aber macht ihm hier dramatische Striche durch die Rechnung. Denn die Mann-Frau-Polarität ist figuraler Natur, Welt- und Kulturgestalt. Als solche zwar unverzichtbar polar, unverzichtbar auch im Vorentwurf, aber sie ist nicht die eigentliche Haltung des Geistes!

Anti-Feminismus - als geschlechtliche Reaktion des Mannes, häufig nicht mehr als nach außen verlagerter innerer Kampf um Geist - ist deshalb genauso falsch wie der Feminismus, dessen Betätigungsfeld ebenfalls der Traum vom Geist, die Idee ist. Gerne wird nämlich übersehen, daß auch die männliche Daseinsform einer Idealisierung unterlag. Und in diesem Punkt ... (mancher könnte staunen, es an dieser Stelle zu lesen, aber auch die herbe Schelte, die es für den Feminismus hier schon oft gab, war nie anders zu verstehen) ... hat der Feminismus inhaltlich sogar recht, wenn auch nicht praktisch.

Das 19. Jahrhundert war generell, als Jahrhundert unaufhaltsamen, alles durchmorschenden Verfalls, ein Zeitalter, das genuin immanente, vitale Werte explizit machte, zur Ideologie erhob. (Selbst die Kirche blieb nicht frei davon.) Was aber niemals zur Ideologie werden darf, weil die gefährdeten Phänomene, deretwegen die Ideologie aufsteht, nicht direkt und für sich, technisch also, gemacht, ansteuerbar sind. Eine gesunde Kultur ist nicht machbar. Sie ist nur Folge gesunden Wirklichkeitsmuts einer Menschengruppe, eines Volkes, einer kulturellen Gesamtheit. Das Geschlechterverhältnis aber wurde dramatisch traumatisiert, und die Erschütterungen, die das 20. Jahrhundert brachte, sind eine direkte Folge und Reaktion darauf. So erwuchsen sich die Geschlechter als Gegenpole, statt zur Ergänzung in der Unterschiedlichkeit.

Weil aus der französischen Revolution heraus, aus all den Umbrüchen der Zeit des 18./19. Jahrhunderts heraus, Identität überhaupt zerfiel und sich der Mensch dieser Zeit in Behauptungen, der Idealisierung eben, zu retten suchte. So wurden die menschlichen Beziehungen zunehmend reine Auseinandersetzungen der Ideen, was die ohnehin bereits zerfallende kulturelle Struktur - einzige Identitätsquelle - noch weiter und immer schneller auseinandertrieb. Wer die Beziehungen der Menschen gerade im Internet-Zeitalter ansieht, könnte den Eindruck gewinnen, daß Zwischenmenschlichkeit überhaupt nur noch auf Ideen aufgebaut wird. Jeder lächerliche "like-"Button zielt darauf ab und verfestigt prinzipiell weil (notgedrungen) positivistisch mißdeutete "falsche" Identitäten.

Nur, wenn beide Haltungen überwunden werden, als Aufgabe an jedes Geschlecht in spezifischer Weise gestellt, OHNE aber zugleich den Irrtum zu begehen, kulturelle Gestalt "aufzuheben" (wie es die Gender-Ideologie betreibt), denn der Weg zum Geist ist nur INNERHALB DER WELT möglich, durch Weltüberwindung, nicht Welteliminierung, kann sich der Mensch zur eigentlichen Geistigkeit erheben.


*250611*

Grundgesetz der Volkswirtschaft

Was Mises an einer Stelle schreibt, läßt sich zum allgemeinen Gesetz einer Volkswirtschaft abstrahieren:

Es ist mit Gewißheit auszuschließen, daß die Vermehrung von Geld zur Steigerung des allgemeine Wohlstands beitragen kann, genauso wie mit Sicherheit gesagt werden kann, daß die Verminderung der Geldmenge den allgemeinen Wohlstand senkt. Der Wohlstand eines Landes ist von seiner umlaufenden Geldmenge unabhängig.

Volkswirtschaften haben höchst komplexe und vielschichtige Systeme und Methoden der Wert- und Güterabwägung. Geldmengenveränderungen, Eingriffe in diese Wertsuche (über staatliche Regelungen, z. B. bei Mindestlöhnen oder Höchstpreisen) haben darauf bestenfalls über gewisse Frist verzerrende, immer aber irritierende Wirkung.

Geld an sich aber ist kein von der Wirtschaft geschaffener Wert. Es ist ein reines Tauschmedium. Wertschaffende Faktoren einer Volkswirtschaft sind Produktionsmitteln einerseits, und Konsumgüternachfrage anderseits. 

Geld zu sparen, weil es "überschüssig" (also: aus vermehrtem Geld in obigem Sinn entstammend) ist, ist deshalb (volkswirtschaftlich, was nicht unbedingt heißt, in jedem Einzelfall und in jeder Situation) sinnlos! Geld zu horten (=sparen) hat nur Sinn, wenn es von Konsumverzicht begleitet ist. Nur dann steht ein Potential einem anderen Potential gegenüber. Nur aus Konsumverzicht (bzw. vorgezogenem Konsum beim Kreditnehmer) auch rechtfertigen  bzw. begründen sich Zinsen.

Das hat Bedeutung, wenn man das Wesen der Sozialstaaten betrachtet, und wird schlagend in dem Moment, wo solche Regierungen Geld aus Erhöhung der Geldmenge in Umlauf setzen, das dann im Nebeneffekt auch die Sparquote erhöht. (Wie es in Österreich seit den 1970er Jahren der Fall ist.)

Solches zusätzliches Geld ist also keine "Konsumreserve", kein "Privatkapital das dem Konsum dienen könnte".

Es ist aber auch NICHT Kapital (für Produktionsanlagen etc., wie Böhm-Bawerk herausgearbeitet hat)! Kapital (Geld) ist "akkumulierte Tauschware", und d.h. es unterliegt dem bereits angedeuteten Wertbezug. Hierauf läßt sich auch die uralte Ansicht anwenden, daß Geld selbst unfruchtbar ist, "sich selbst nicht vermehren kann." Geld, das deshalb nicht zirkuliert, dem Konsumverzicht auf der einen Seite vorgezogenen Konsum auf der anderen gegenüberstehen hat, also Geld, das nicht im Konsum (wertmäßig) aufgeht, ist deshalb auch kein Kapital!

Das wird am deutlichsten, wenn man sich eine Hyperinflation (durch Geldentwertung = -vermehrung, -wertminderung) vorstellt: die Geldbündel, die Oma unter der Matratze hortete, sind dann wertlos. Weil die Menge an Gütern sowie die Nachfrage danach entscheidend ist - die Geldmenge ist lediglich das adäquate Medium des Tauschens.


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Von objektiven Kräften

Fast nebenher folgern manchmal bei Florenski Schlüsselgedanken, die nicht selten deshalb befreiend wirken, weil sie in ihrer Allgemeinheit und Schlüssigkeit Geahntes, innerst Gewußtes "erlösen", in Worte fassen, damit "wahr" machen (als "im Allgemeinen, Universalen des Wortes verankert", und dazu braucht es das Gesprochene in der Zeitlichkeit).

Indem er sich gegen das mechanistische Bild der Gegenwart wendet, schreibt der russische Priester 1924 Folgendes: Er hätte den Eindruck, daß es an der Zeit wäre, daß sich die Physik eines Grundsatzes wieder bewußt werde, der ihr offenbar in Vergessenheit geriet, wenn sie von der Allgemeingültigkeit von Kräften wie "Gravitation" oder "Magnetismus" spreche.
Und dieser Gedanke ist, daß zwischen Kraft und Objekt der Einwirkung eine Entsprechung herrschen müsse. Florenski demonstriert das an einem simplen Beispiel: Wenn ich ein elektromagnetisches Feld vor mir habe, so ist es für den Menschen oder seine Stein in der Hosentasche völlig gleichgültig, ja: es ist keine Kraft vorhanden. In dem Moment aber, wo ich ein Stück Eisen in der Hand halte, sagen wir: einen Nagel, existiert diese Kraft.

Nichts ist in der Lage eine entsprechende Kraft auszuüben, wenn im einzuwirkenden Objekt nicht eine Bereitschaft dazu vorhanden ist, also Aufnahmebedingungen, die mit der wirkenden Kraft korrespondieren. Die Antike, meint er, hätte das noch gewußt.

Kraft verursacht Veränderung, aber nicht durch blinde Gewalt. Und was ihr fremd ist und keine Voraussetzungen zu ihrer Assimilation enthält, bleibt davon unberührt. Aus der Wirkungslosigkeit aber läßt sich nicht schließen, daß eine Kraft nicht existiere.

Aber Florenski geht es von mehreren Seiten an, und er erzählt zwei Beispiele: Menschen gehen am Trottoir, er beobachtet sie wie sie in einer Linie entlang einer Mauer gehen. Plötzlich gehen die einen einen Bogen auf die Straße, die anderen nicht. Als er hingeht sieht er, daß da ein Tor war, mit dem Schild: Vorsicht, Ausfahrt! Dann wieder sieht er einen Straßenkünstler. Erst gehen die Menschen an ihm vorbei, indem sie einen Bogen um ihn machen. Aber dann bleibt einer stehen, dann mehrere, und je mehr Leute da stehen, desto mehr gehen selbst wenn sie vorbeigehen und nicht gleich zum Künstler hingehen, einen Bogen der HIN zum Künstler weist, als würden sie abgelenkt ...

Es sei ihm nicht möglich, schreibt er, einen Unterschied zwischen magnetischen (o.ä.) Kräften und jenen Kräften festzustellen, von denen man hier sprechen müsse. Spricht man also von "Kraft des Eindrucks, so sehe er keinen Grund, dieser Kraft weniger physikalische Relevanz beizumessen, als magnetischen Kräften.

Natürlich wirkt das Schild Vorsicht! Ausfahrt! nicht auf Eisen. Aber auf Menschen. Eindrücke sind Kräfte! Während Eisen sich auch nicht vom Schauspiel des Künstlers anziehen ließe. Weder das Wort noch das Schauspiel sind also in bezug auf Eisen scheinbar "Kräfte". ABER das können wir so gar nicht sagen: wir können nur sagen, daß sie diese bestimmte Wirkung nciht haben. So, wie man beim Menschen gewisse Wirkungen der elektromagnetischen Felder feststellt, so kann man im zweiten Fall nur sagen, daß im Eisen keine entsprechende Wechselwirkung sich zeigt.

Es gibt also Kräfte, die keineswegs rein mechanische Wirkungen erzeugen, und nicht einmal physikalischer Natur sind, d. h. wenn die Wahrnehmungsorgane nur auf mechanische und physikalische Einwirkung reagieren.

Aber mit absoluter Sicherheit läßt sich sagen, daß SCHÖNHEIT eine Kraft ist, und zwar um nichts weniger als die des Magneten, oder die Schwerkraft.

Denn wir wissen rein gar nichts von den Prozessen und Wegen, durch die die Wirkung einer beliebigen mechanischen oder physikalischen Kraft zutagetritt. Wir beobachten immer nur die ferige, auf unerfindliche Weise zustande gekommene Wirkung. Da wären also sogar Wirkungen, die über unser Bewußtsein laufen, noch viel verständlicher, als jene in der "rein" materiellen Welt. Jeder Versuch, solche physikalischen Wirkungen zu erklären, bringt nichts als neue Mittlersubstanzen hervor. Wieweit in den Dingen, auf die eingewirkt wird, Reaktionen vorherrschen, entzieht sich VÖLLIG unserer Fähigkeit, es festzustellen.

Deshalb ist es sogar notwendig und richtig sich darauf zu bescheiden, einen Zusammenhang Anfang und Ende zu konstatieren: Kraft, und Wirkung. Zwischen den verschiedenen Kräften gibt es keine trennende Grenze, auf deren einer Seite das Objektive und auf deren anderer das Subjektive läge. Alles Objektive hat seine innere Seite, wie auch alles Subjektive nach außen tritt. Es gibt nicht Geheimes, das nicht offenbar würde, so wie umgekehrt auch alles Offensichtliche etwas Geheimnis in sich hat.


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Freitag, 24. Juni 2011

Wannen kein Kunstwerk ist

"Ein Ur-Sujet (ein Mythos im naturphilosophischen Sinn, Anm.), d. h. ein gewisser erster Schritt über den Bereich der Darstellungsmittel hinaus ist eine unabdingbare Voraussetzung der Kunst selber. Linien, Punkte, Tupfen etc., die in nichts über ihre eigene sinnliche Gegebenheit hinausweisen, sind in jedem Fall keine Kunst Doch dieses Hinausführen über die eigenen Grenzen ist zwar eine notwendige, aber noch keine hinreichende Voraussetzung für Kunst: das Gebiet, in das dieser Schritt hinausführt, muß gegenständlich, d. h. in sich zusammenhängend sein, und nicht eine zufällige Anhäufung disparater, uneinheitlicher Elemente. Nur in diesem Fall, wenn es eine Einheit ist, kann es als Sinn des jeweiligen Werks bezeichnet werden. Anders gesagt, dieses Gebiet muß konstruktiv sein. 

Ein Werk ohne Konstruktion ist kein Kunstwerk. Doch diese Konstruktion führt keineswegs zwangsläufig zu der Vorstellung einer physischen Wirklichkeit und muß daher erst recht keineswegs sujethaft sein. Das übliche Mißverständnis hier ist eine Verwechslung von Gegenständlichkeit mit Körperlichkeit und von Sinn mit Sujet. 

Indessen ist das Kunstwerk zwar notwendig gegenständlich und sinnvoll, muß aber keineswegs unbedingt körperlich und sujethaft sein. Man kann sogar sagen, daß eine zu starke physische Verdichtung und ein zu eindeutiges, zusammenhängendes Sujet das Kunstwerk zerstören können, indem sie seine harmonische Zwei-Einheit schwächen und die Komposition zugunsten einer unverhältnismäßig starken Konstruktion benachteiligen."



Pawel Florenski, "Analyse der Räumlichkeit 
und der Zeit in der Bildenden Kunst"


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Donnerstag, 23. Juni 2011

Neulich, in Vancouver

Nach einem Eishockeyspiel kam es in Vancouver zu Zusammenstößen enttäuschter Fangruppen, die randaliert hatten, mit der Polizei. In dem Trubel wurde eine am Radau unbeteiligte Studentin niedergestoßen. Sie geriet in Panik. Da kniete ihr Freund neben sie hin, und küßte sie.




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Von Schiff zu Schiff steigen

Das wissenschaftliche Wirklichkeitsmodell gleicht einem riesigen Flickwerk aneinandergenähter Flecken. Und das ist keine Schwäche, sondern das kann gar nicht anders sein, wollen wir uns nicht einer reinen Theorie und Scholastik unterwerfen, und die Erfahrung begrenzen.

Reine Denkprozesse laufen immer innerhalb bestimmter Bezüge ab. Und wir können uns diese Bezüge jeweils nur in bestimmten begrenzten Rahmen vorstellen. Es gibt nicht "den Raum" einer Sache, sondern jedes Ding hat seine Bezüge, die wir wiederum in Subjektivität erfassen und bemerken. Erkenntnisse sind also immer nur innerhalb eines bestimmten Denkstils möglich. (Wobei der Hinweis auf Ludwik Fleck erlaubt sei: es gibt keine wissenschaftlichen stringenten Denkprozeß; es gibt Denkstile, innerhalb deren bestimmte Hypothesenstrukturen unter bestimmten Bedingungen errichtet werden.)

Wichtig für uns ist, daß wir jeweils ein Schiff wirklich besteigen, schreibt Florenski. Sobald wir an neue Erfahrungen stoßen, können wir wechseln. So lange aber müssen und sollen wir analytisch richtig vorgehen. Dann gibt es keine Willkür mehr, dann müssen wir der Logik und den gewählten Bedingungen treu bleiben. Und genauso logisch und analytisch kann (und muß) dann das Umsteigen auf ein anderes Schiff erfolgen - nicht verschmelzend, aber analytisch von einem zum anderen. Wir können nicht springen, und wir können auch nicht alles auf einmal haben! Wir müssen wählen! Und mit dem begrenzten Schiff, mit dem wir unterwegs sind, müssen wir dann auch alle Stürme und Unbill teilen, sonst werden wir es nie verlassen können.

Es ist gleichgültig, ob wir uns z. B. eine Gerade als Lichtstrahl vorstellen, oder als Stab der ins Weltall ragt, oder als gespannten Faden ... Jedesmal aber denken wir bestimmte Bedingungen mit. OHNE solche geht es nicht. Das ist auch nicht das Problem. Das Problem wäre, es nicht zu wissen, und damit zu verabsolutieren. Diese Bedingungen müssen wir mitdenken, mitwissen, sonst laufen wir Gefahr, daß unser Denken den erfahrenen Eigenschaften (einer Geraden) widerspricht.

Wir haben KEINE Möglichkeit zu beurteilen, ob die Gerade wirklich gerade ist, denn sie ist unser Begriff von Gerader - gerader geht es nicht! Was immer an Erscheinungen auftritt, fügen wir unserem Begriff von Gerade hinzu: was immer auftritt, schreiben wir zwangsläufig den Besonderheiten des Raumes zu. Indem wir uns auf diese Gerade festlegen, sind wir gezwungen, dem umgebenden Raum für so beschaffen zu halten, daß Gerade in ihm die erwähnten Eigenschaften aufweisen.

Sonst kann man keine Weltvorstellung aufbauen - man muß einige Gesetze "setzen". Zumindest bis zu einem neuen gesetzgeberischen Akt (s. o.: beim Schiffwechsel). Keineswegs dürfen die Grundlagen unbewußt und stillschweigend vertauscht werden. Dann träte Verwirrung auf, aus Denken würde Chaos.

Selbst, wenn man einen Fehler entdeckt hat oder vermutet, ist es vernünftiger, bei derselben Methode zu bleiben - immerhin hat man in ihr und durch sie Zweifel bekommen - als eine neue Meßmethode anzunehmen, die in jedem Fall unbekannte Rahmenbedingungen hat.


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Wir können mehr. Aber: wovon? Wofür?

Es geht nicht um "Technikfeindlichkeit" - es geht um eine Technik, die den Menschen nciht mehr braucht. Es geht um eine Technik die das produziert, was sie an Mangel erst schafft, aber wirliches, lebendiges Leben durch abstrahierten Nutzen zu ersetzen vorgibt. Uns so aber in einen einzigen und immer  mehr nur noch sich selbst produzierenden Mechanismus einspannt, in dem das eigentliche Leben - nicht dem zu dienen es vorgab, wie man zu schreiben gewöhnt ist, sonderen DESSEN SELBSTVOLLZUG, und das heißt immer: Selbstvollzug von Menschen, es war - gar nicht mehr vorkommt. Denn aus allen Entscheidungsvorgängen ist es bereits ausgeschlossen (M. Henry), gilt als "nicht wissenschaftlich", gilt als "nicht objektiv", gilt als "nicht relevant". Leben ist zum Zusatznutzen geworden, der dann winkt, wenn die Erfordernisse des technischen Alltagsablaufs erfüllt sind. Damit aber ist es genau NICHT MEHR - denn die Technik kennt keine Einbindung in die Ästhetik des Alltags mehr, das würde ein Lebensgefühl der Ganzheit verlangen, sondern heuchelt uns bestenfalls zynisch eine Ästhetik vor, ohne je eine gewesen zu sein, weil das eine menschliche Kategorie ist. Stattdessen wird mit Autorisierung einer immer lebensferneren, realitätsfremden Wissenschaft eine Art des Existierens aufdiktiert, die nur noch Opfer kennt, keine Gewinner.

Die Menschen heute haben viel Angst vor einem Rückbau all der Apparaturen, mit denen wir umstellt sind. Sie haben Angst vor dem, was sie aber eigentlich suchen und schon lange nicht mehr finden - darum warten heute alle, vor den Mailboxen, vor den Twitter-Empfangsgeräten, vor ihrerm Facebook-Profil.  Sie warten auf das Leben, das doch irgendwo sein muß? Früher war es doch auch da?

Ja, es war da, tatsächlich. Und wenn Sie diesen (5min) Film (Aufnahmen aus England 1900-1914) ansehen, dann können Sie sagen was Sie wollen, auch, daß ich Nostalgiker bin - ich bin es nicht. Ich meine nur, und noch aus den Erinnerungen meiner Kindheit in den 1960er Jahren, wo neuerlich so viel umbrach, daß es einmal ein Leben gab vor dem Tod. Als die Menschen gerade noch nicht in einer Welt lebten, die nicht mehr gestaltet lebensvoll war, sondern in der die Technik ihren "Fortschritt" aus sich selbst heraus gnadenlos gefordert hat. Der Mensch ist nur noch zwangsverpflichteter Erfüllungsgehilfe, der voller Angst ist weil er vergessen hat, wie man lebt, wie man leben könnte. Vielleicht lernt er wieder nach außen zu blicken, den verkrampften Griff ans Gegebene zu lösen, wenn man ihm zeigt, daß es einmal eine Zeit gab, in der es ging. In der man lebte. Daß Probleme nie das Problem des Lebens waren. Das glauben wir nur heute.


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Das lustige Spiel mit dem Warenkorb

Es ist immer wieder amüsant, Leserreaktionen unter Zeitungsartikeln zu lesen, die von Inflation handeln. Weil die Menschen offenbar ein völlig anderes Erleben der Geldentwertung haben, als offizielle Zahlen ihnen weißmachen wollen. Und: sie haben recht. Denn die offiziellen Inflationszahlen haben so gut wie keine Aussage, wieviel Produkte wirklich im Preis gestiegen sind.

Das hat mehrere Gründe. Die einen liegen auf Seiten der Verbraucher, die anderen auf Seiten der Lieferanten, und zum dritten: ändern sich Lebensgewohnheiten im Zusammenspiel mit deren Handeln.

Wenn Sie Ihren Warenkauf von heute mit dem von vor zwanzig Jahren vergleichen, dann würde mich wundern, wenn nicht auch Ihnen auffiele, daß Sie heute viele Produkte kaufen (bei Kleidung z. B. ist es ganz deutlich), die qualitativ deutlich unter den damaligen Produkten liegen.

Es ist ein Unterschied, ob ich nun irgendein Massenprodukt aus China kaufe, oder ein Produkt derselben Warenkategorie aus heimischer Produktion (die es nimmer gibt)

Außerdem sagt der Warenkorb auch nichts über die Gründe für Sortimentsverschiebungen aus, selbst wenn es Verschlechterungen der Lebensqualität sind: Wenn der Greißler zusperrt, weil er preislich nimmer mitkommt, brauche ich mehr Sprit, Auto etc. um "billiger"
im Supermarkt zu kaufen. Folge? Evtl. sogar niedrigere Inflation ... die Wahrheit ist aber ganz anders.

Oder: ich muß deutlich mehr arbeiten, weil der Grundgeldbedarf fürs primitive Existieren so gestiegen ist. Nicht weil alles "teurer" wurde, sondern weil ich mehr brauche: PC daheim, Handy, Kinderbetreuung, etc. Folge? Das Sortiment ändert sich (Tiefkühlprodukte - billiger als Gemüse vom Händler), Verschiebung zu Fastfood ("Verbesserung der Lebensqualität", sagt der Warenkorb: Freizeit und Spaß), usw. usf.

Sind nur Beispiele. Der Warenkorb ist nur sehr begrenzt aussagefähig.




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Anstrengung als Bedingung für Raum

Wenn die Wirklichkeit der Überwindung von Entfernungen uns keine Hindernisse in den Weg stellt, und Anstrengungen erfordert, und seien es innerliche, um von einem Ort zum anderen zu kommen, so kämen wir gar nicht auf den Gedanken einer Entfernung. Die Orte würden in uns verschmelzen. Es gäbe dann kein Maß mehr für Entfernung. Ohne Aufwand und Anstrengung könnten wir keine Einschätzung von Entfernung vornehmen, und ein Bewußtsein von Raum wäre unmöglich. Das kann sogar das Bezahlen eines Fahrpreises sein! Aber die Anstrengung bewegt sich in einem Rahmen, der mit uns und dem Raum zu tun hat.

Im Tagtraum kommen Entfernungen deshalb kaum vor, weil zu ihrer Überwindung keine Arbeit notwendig ist.


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Mittwoch, 22. Juni 2011

Kein Objekt der Welt

Wenn jede Kultur wesenhaft praktisch ist, erscheint die Möglichkeit selbst einer theoretischen Kultur problematisch und stellt sich von Anfang an als eine Aporie dar. Das unsichtbare Leben hat weder Gestalt noch Antlitz, weder Innen- noch Außenseite, weder vorn noch Hinten, weder Ecke noch Seite noch Oberfläche, keinen äußeren Aspekt, kein Gesicht seines Seins, das einem Außen zugekehrt wäre und sich einem Blick darböte. Wie könnte ein solches Leben eines Tages von diesem Blick erreicht werden, ihm begegnen, von ihm untersucht und erkannt werden?

Kunst kann deshalb nur ästhetisch sein. Der Künstler kann nur aus dem Gefühl für Form in  Ästhetik schaffen. Es gibt folglich auch keine Objektivität des Werkes. 

In sich ist ein Kunstwerk zudem nichts "Materielles", das als Materie objektivierbar wäre. Es wird, ist es hergestellt, nicht mehr als Objekt der Welt wahrgenommen oder gesetzt, sondern als eine Wesenheit, die keine andere Aufgabe hat, als die "Im Bild" dargestellte Realiät abzubilden.

Wir sind im Kunstwerk nicht dem Kupferblatt oder den in schwarzen Linien erscheinenden Figürchen zugewandt, schreibt Michel Henry zudem. Sondern den abgebildeten Realitäten - "Ritter, Tod und Teufel", oder "Die Eroberung Konstantinopels" (etc.) Es geht nicht mehr um (z. B.) den Kupferstich als Realität der Welt, sondern um dessen ästhetische Realität. Und zwar: als ganzes. In einem Gemälde gewinnt jede Farbe ihre Realität ja nur durch die Zusammenstimmung mit allen übrigen Farben! Ebenso verhält es sich mit allen übrigen Formen und Volumina. Es geht um die Komposition - die eine ästhetische Komposition ist.



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Alle Hände aufgehalten

Griechenland habe etwas gründlich mißverstanden: es habe die EU als Spender reicher Gaben gesehen, wo es nur gelte, eifrig die Hand aufzuhalten, ohne etwas dafür zu tun. Die Politiker hätten alle Spendierhähne aufgedreht, ohne aber etwas fürs Land und seine Entwicklung zu investieren, wie es vorgesehen gewesen wäre. Das Land wird nun wohl zu einer Kolonie der EU werden, seiner (realen) Selbstbestimmung verlustig gehen, anders wird es aus dem Dilemma keinen Ausweg geben.

Wer das gesagt hat? Nein, kein Kapitalist und keine "rechte Sau", die den verzweifelt protestierenden Gewerkschaftsgriechen - sie verlangen, daß das Geld der Regierung, das nicht mehr da ist, weiter fließe! SEHR sinnvoll! sie meinen, daß die EU selber schuld sei am Dilemma, denn sie hat Griechenland nicht nur das Geld geliehen, sondern die EU hat auch alle die Importe geliefert, die Griechenland ruiniert haben! UND DARAN VERDIENT! - den Marsch blasen will, sondern der griechische katholische Erzbischof von Athen, Nicolas Foscolos, Oberhaupt der verschwindend kleinen katholischen Minderheit im griechisch-orthodoxen Griechenland.

Zählt das etwas, das da in kath.net zu lesen stand? Katholiken, in Athen? Ich meine: Gerade ein halbes Prozent der Bevölkerung der Hellenen sind katholisch!


Ja, wahrscheinlich genau deshalb hat das Relevanz. Eine Außenseiterrolle ist gerade für eine scharfe Sicht oft, wenn nicht immer die einzige Möglichkeit - als Blick von oben, von außen, ohne zu sehen, was man sehen will. Wer mitschwimmt, dem fällt gar nicht auf, daß sich das bergab fließende Wasser in Fluß überhaupt bewegt, dem bleibt jeder Bezugspunkt gleich, und der schaut auch aus ganz anderen Gründen auf die Ufer, die es ihm noch verraten könnten. als um die umfassendere Wahrheit zu sehen.

Auch in der FAZ war unlängst ein berührender Kommentar eines Griechen, der sich an die Brust schlug und seine Landsleute aufforderte, sich mit dem Unabänderlichen abzufinden. Immerhin - so der Grieche! - hätten doch alle nur kassiert, wo es möglich gewesen wäre. Das habe doch nicht gut gehen können?

Waren es also gar nicht die Spekulanten, oder die Reichen? Na, das ist eben in Österreich anders. Da WAREN es die Reichen und die Millionäre, die an jeder Ecke stehen und die Börsen manipulieren, damit die armen Frühpensionisten und Invalidenrentner (Rekord in Europa - wir sind ein Land der Krüppel!) im Land ihre letzten Spargroschen verlieren.

Moment, jetzt kommen mir aber die Länder durcheinander ... oder sprach der Grieche von Österreich, und war es gar kein Grieche? Nein. Griechenland, sagte der. Oder?

Ich muß die Artikel noch einmal raussuchen, wenn ich Zeit hab.

Einstweilen zitiere ich wieder einmal die FAZ, die in einem Artikel schreibt, daß die Griechen sich im Grunde weiterhin bequem zurücklehnen können, und vermutlich bei den Protesten viel Erfolg haben werden, damit das Sparen nicht ganz so wehe tut, oder den Griechen erspart bleiben kann - denn egal was passiert, die EU hat sich auf eine Linie begeben, wo sie gar nicht mehr zurück will, und bald sowieso nicht mehr kann. Die Griechen sind ja nicht dumm: sie wissen, daß es (auch) UNSER Geld ist, das bei einem Staatsbankrott verloren wird. Nicht NACH der Hilfe, nein: JETZT.

Schon wird tüchtig vorgebaut, auch wenn die Gewerkschaften nicht so viele Leute auf die Straße bringen, wie sie gerne hätten - 20.000 bei einer durchschnittlichen Demonstration sind ja doch ein bißchen wenig? Egal, die Dolchstoßlegenden und vorauseilenden Rechtfertigungen sind längst der Hellenen täglich Brot, sodaß die Zweifel immer größer werden:  WER hat da eigentlich Schulden gemacht? WER hat das Geld einfach verbraten? WER hat es sich gutgehen lassen, ohne nach morgen zu fragen, weil die Zeche ohnehin von anderen bezahlt wird? Wußten Sie, daß seit dem EU-Beitritt nach Griechenland 100 Milliarden Euro "Strukturförderung" geflossen sind? (Das ist mehr als ein Drittel des griechischen BIP!) Daß das erste Rettungspaket vor einem Jahr weitere 110 Milliarden fließen ließ? Daß es jetzt um weitere 100 Milliarden kurzfristig, langfristig um noch einmal so viel gehen wird? Daß wir mittlerweile also schon das BIP eines ganzen griechischen Sonnen-Jahres in der Ägäis versenkt haben? Ach so, zwangsweise. Deshalb reden sie wohl so scharf, die Gewerkschafter, bei den Reden vor den Demonstranten:

Die Geldgeber Griechenlands hätten, so schallt es von Rednertribünen, so heißt es auf Plakaten, das stolze Hellas versklavt und die Bevölkerung unter das Schuldenjoch gezwungen. Auch ein Kommentator der linksgerichteten Athener Zeitung „Eleftherotypia“ sieht es so: Die Forderung der europäischen Finanzminister, vor Auszahlung der zwölf Milliarden Euro umfassenden fünften Tranche des Rettungspakets müsse das griechische Parlament weitere Reformen beschließen, bezeichnete das Blatt als „Erpressung“ Griechenlands durch die EU und den IWF.

Was davon stimmt? Nun, die EU handelt gewiß nicht aus christlicher Nächstenliebe, sie handelt im wesentlichen um ihre eigene Haut zu retten. Dazu muß Griechenland seine Bonität wiedergewinnen, und dazu muß es ein positives Budget auf die Füße stellen. Und dazu muß gespart werden, sonst wird jeder Cent umsonst sein, und der ganze Euro wird weiter geschwächt, mit einem Dauerpatienten in der Intensivstation. (Und warten wir mal, was da noch kommt, der Kandidaten gibt es ja noch einige, man schweigt nur derzeit ein wenig dazu.) Wenn Griechenland aber, so die Leier der Regierenden Europas, als ein Land der Eurozone pleite geht, ist der Schaden für alle Länder enorm. Vermutlich. Wie hoch? Weiß keiner. So wie sowieso keiner weiß, wie was hier zu rechnen, wie welche Risiken noch zu bewerten sind. Die meisten Einschätzungen sind nicht nur widersprüchlich, sondern gleichen dem berühmten Kaffeesudlesen der Wiener Hinterhofdame. Aber das ist ein anderes Kapitel.


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Aus dem richtigen Leben

Also, paß auf, meinte unlängst H, und er tat es auf seine übliche Art, wo seine Hände ankündigten: Obacht, jetzt wird Großes angekündigt. Ich war auch wirklich ganz Ohr, denn H ist ein Original, eines der wenigen, die ich kenne. Und einer, der lebt, ganz einfach. Also, sagt er, jetzt schau ich mir diesen offiziellen Warenkorb einmal an, und stelle fest, daß wir - es heißt: WIR ... also bin ich auch dabei - weit mehr Geld für Transport und Freizeit ausgeben, für Spaß sozusagen, als vor zehn Jahren. Für Lebensmittel ist der offizielle Preis aber kaum gestiegen, im Gegenteil, man kriegt sein Kilo Brot fast ums selbe Geld wie vor zehn Jahren, genauso den halben Liter Bier.

Jetzt hab ich mir das einmal bei mir angeschaut, und da bin ich auf was draufgekommen, hör zu: Vor zehn Jahren bin ich zum Greißler gegenüber gegangen, und hab mir dort das meiste von meinem Zeug gekauft. War nicht sagen wir das Allerbilligste, aber auch nicht so teuer, wie man meint, ich hab mir das durchgerechnet, 10 bis 20 Prozent über diesen ganzen Supermarktangeboten. Gebraucht hab ich für mich und meine Familie 500 Euro Lebensmittel im Monat, da geht das, und außerdem hat der schon mal am Abend ein bisserl länger aufgehabt, wenn etliche Leut noch was kaufen wollten, und am Sonntag seine Milch rausgestellt, wenn sie ausgegangen ist - Anruf, und der Chef war da. Oder er hat was umgetauscht, obwohl das Packerl schon aufgerissen war, wie gesagt: ich bin mri gar nicht sicher, ob ich überhaupt mehr bezahlt hab, als im Supersupermarkt in der Inzersdorfer Straße.

Denn paß auf, was jetzt passiert ist: der Greißler hat zugesperrt. Es hat sich einfach nimmer gerechnet, seine Tochter wollt das Geschäft schon gar nicht übernehmen, denn da hätte sie sich nur Arbeit gekauft, ihm war das ja schon fast egal, er wollte nur noch zur Pension kommen. Gibt's nimmer. Nächster Nahversorger? Der Supermarkt in der Inzersdorfer. Um dort hinzukommen kann ich aber nimmer schnell mal über die Straße hüpfen, da muß ich ins Auto steigen, weil mit dem Bus ist es noch umständlicher, abgesehen davon: fahr Du mal mit einem Wochenendeinkauf für drei Personen in den Tragsackerln mit dem Bus ... aber da fängt es schon an: Es kostet mich plötzlich das Hin- und Herfahren etwas!

Aber nicht nur das: mir ist aufgefallen, daß sich in den letzten Jahren viele solcher Dinge abgespielt haben. Auf jeden Fall hat sich unser Leben so verändert, daß wir jetzt wesentlich mehr Dinge BRAUCHEN, um quasi überhaupt leben zu können, als noch vor zehn Jahren. Da ist das Handy - Du brauchst heut nicht nur eines, sondern jeder braucht eines, weil wir uns sonst nicht koordinieren können. Alles ist derartig auf Kurzfristigkeit abgestellt, daß Du flexibel sein mußt, Du hast gar keine Wahl. Dann ist da das Auto. Vor zehn Jahren bin ich im Jahr 10.000 Kilometer gefahren, heute sind es 17.000. Ständig muß irgendwer irgendwohin gebracht werden, oder -fahren. Vor zehn Jahren sind wir einkaufen GEGANGEN. Heute FAHREN wir. Aber nicht, weil wir zu faul geworden sind, sondern weil es nicht mehr anders geht. Zum Supermarkt in die Inzersdorfer zum Beispiel. Rechne alleine das zu den Einkäufen dazu! Aber so weit sind wir noch nicht.

Um die monatlichen Fixauslagen zu decken, ist es jetzt notwendig, daß auch meine Frau arbeiten geht. Du, die geht nur arbeiten, damit wir im Grunde das zahlen können, was wir zusätzlich brauchen, seit zehn Jahren! Ich hab es mir ausgerechnet: Handy, Autokostensteigerung absolut (Benzin, überall Parkgebühren etc.) und relativ (heute notwendig, vor zehn Jahren weit weniger), Internet und PC, alles was seither DAZUgekommen ist - das zahlt jetzt meine Frau, quasi.

Nächster Effekt: sie kann nimmer kochen, oder: es muß schneller gehen, wenn sie am Abend heimkommt. Was passiert? Sie kauft viel mehr Fertig- und Halbfertiggerichte, viel mehr Tiefkühlzeugs, und wir selber gehen zwischendurch, tagsüber, zu Mittag, schnell mal auf einen Imbiß, zum MacDonalds, oder einfach zum Würschtelstand. Wenn wir am Abend müd von der Arbeit kommen, hat jeder Hunger, und das Kochen soll schnell gehen, sonst ist es zehn, bis wir zum essen kommen, da schlafen wir schon.

Wirklich "essen" gehen wir nur noch sehr selten, es ist uns - ich sag es ehrlich - einfach zu teuer geworden. Wenn ich heute für ein Bier bei Wirten 3,30 Euro zahle, dann sind das 50 Schilling. Das heißt: Das Bier ist von 27 Schilling, oder weniger, fast ums Doppelte gestiegen! Net bös sein, da ist es selten geworden, daß ich ins Beisel am Eck geh, um noch drei, vier Bierlein zu zwicken, um die nötige Bettschwere zu holen. Das hab ich früher ja fast jeden zweiten Tag gemacht. Der Wirt macht eh damit nicht weniger Umsatz, sage ich mal ...

Aber wie nennt man das? Richtig! Effizienzsteigerung! Produktivitätssteigerung. Ja, mir hat unlängst sogar einer vorgerechnet, daß ich mir heut viel mehr leisten kann, als vor zehn Jahren. Ich hab geglaubt, ich derstoß den! Vor zehn Jahren hab ich beim Krobat, meinem Greißler, sowieso nur BIO-Äpfel gekriegt, und seine Wurscht war von einem Fleischer im 4. Bezirk (den gibt es nimmer, denn Fleischer gibt es überhaupt nimmer, die EU-Vorschriften sind viel zu scharf, hat mir einer erklärt, es gibt bald nur noch Fleisch- und Wurstfabriken) Rechne einmal nur, was das kostet, wenn jetzt überall die Ware zentral ausgeliefert und transportiert werden muß, das ist ja in meiner Rechnung gar nicht drin, das sind ja "gesamtvolkswirtschaftliche" Faktoren! Wenn ich zum Krobat einmal gesagt hab: Du, bei der Krakauer, probiert's doch einmal, einen Paprika reinzuschneiden? Dann war die nächste Woche eine Stange da, mit Paprika, und der Krobat hat gesagt: Da, koste einmal, ist gut geworden, die Paprika-Krakauer! Da hat der Fleischer die einfach mal ausprobiert, und dann ab und zu auch ein paar Stangen so gemacht. DAS ist Lebensqualität, sag ich! Wenn ich zum Krobat meine Schillinge getragen hab, dann hab ich mich richtig gefreut, daß DER was davon hat, und hab mir Sorgen gemacht, wenn er einmal zu billig war: Herr Krobat, da verdienen's aber nix dran, hab ich ihm dann gesagt, und er hat gesagt: Ach was, geht schon, ich verhunger nicht, aber weil die Bananen so billig sind, kommen mir vielleicht mehr Leut, hat er gesagt. War aber nicht so, wie gesagt.

Da zeigt sich was anderes: wie diese Scheiß-Supersupermärkte die kleinen Strukturen ruinieren! Die Straße bei mir ist heute TOT, regelrecht TOT. Der Bezirk überlegt nun eine "Belebungsmaßnahme", 200.000 Euro haben's schon bereitgestellt, mit ein paar Bankerl haben's angefangen, die Narren. Wer setzt sich da hin, wo doch nix mehr los ist? Früher hat man mit den Leuten getratscht, die einkaufen gegangen sind. Heute gehen alle nur noch DURCH, von irgendwo zu ihrer Wohnung, und umgekehrt. Man hat kein gemeinsames Leben mehr! Rechne aber allein das alles auf die Waren um, die ich jetzt "billiger" im Supermarkt kauf ...

Hör zu: vor ein paar Jahren haben wir uns einen neuen Kühlschrank gekauft. Nicht wegen der Energie, ja, das auch, weil die Stromkosten einfach immer höher werden, weil zwar lauter "energieeffiziente" Geräte kommen, aber VIEL MEHR! Egal, also: Vor 10 jahren haben wir mal dies, mal das eingefroren, weil wir eine größere Menge bekommen haben, und so weiter. Heute? Heute BRAUCHE ich ein größeres Gefrierfach. Einfach, weil um BILLIGER einkaufen zu können, muß ich im Supersupermarkt gleich zwei Kilo Fleisch kaufen. Davon brauchen wir pro Mahlzeit ein schwaches halbes Kilo - also? Einfrieren ... (Übrigens: Rindfleisch kannst heut ja gar nimmer bezahlen!)

Auf einmal hab ich Internet - weißt warum? Weil meine Tochter in der Schule so mit dem Internet verwickelt wird, daß die ihre Schule gar nimmer OHNE eigenen Anschluß machen kann! Alles lauft heute online, sogar die Aufgaben, und möglichst kurzfristig, gell - der Lehrer schickt die heim und sagt ihnen, daß um drei Nachmittag irgendwas abzurufen ist, das sie dann in der Hausaufgabe verwurschten müssen ... So geht das am laufenden Band! Bitte, was die dauernd auch sonst noch an Sachen zu zahlen hat, Du machst Dir keine Vorstellung: Monat für Monat im Schnitt 170 Euro, ich hab es nachgerechnet, und es wird immer mehr, wir haben schon gesagt: nein, das machst nicht mehr, und das kannst Dir auch sparen. Internet "nur für sie" nicht mitgerechnet, dabei hab ich den Eindruck, daß die nicht einmal mehr Unterlagen kopieren und verteilen, sondern das muß die alles daheim "ausdrucken" - ich brauche mittlerweile jedes Monat eine Druckerpatrone, weißt was die kostet? Das sind aber alles nur EXTRA Schulkosten. Denn der Schulbesuch ist ja angeblich GRATIS!

Und dann schau ich mir so an, was für Lebensmittel wir heute kaufen: ja, wir zahlen fürs Brot nicht mehr, stimmt. Aber das billige Brot, das nicht mehr kostet, das kannst wirklich nicht essen. Ein Brot, das drei Wochen hält, und immer noch nicht schimmelt? Ich möchte nicht wissen, was da drin ist. Dem Geschmack nach sind es ohnehin nur Sägespäne.Und so geht das in einer Tour! Das Auto nutzt sich ab, daß es eine Freud ist - nun kommen ständig die Reparaturen, also muß ich bald ein neues kaufen, das rechnet sich nimmer. Wie nennt man das, wenn man nach wie vor "Brot" kriegt, das nicht mehr kostet, aber billiger hergestellt wird? Weißt Du was? PRODUKTIVITÄTSSTEIGERUNG, nennen die das. Produktivitätssteigerung, daß ich nicht lach. Mit Mathematik hat noch nie einer Wirtschaft betrieben. Aber das glauben die heute alle!

So, heißt es, wird das Bruttoinlandsprodukt gesteigert. Nicht durch MEHR, sondern durch MEHR im SELBEN, und damit kann es MEHR werden, kapiert? Na, weil ich damit auch andere Produkte kaufen kann, kann, sagen sie, kann! stell Dir vor! nicht: MUSZ, als ich früher gekauft habe, nein: MIR LEISTEN KONNTE! Konnte, nicht: mußte.

Denn was ist nun passiert? Ich hab mir meine Einkaufsrechnung angeschaut, die ich jedes Jahr zu Sylvester mach, und was stelle ich fest? Tatsächlich, die haben recht: mein Einkommen HAT sich verlagert. Nach deren Kriterien gebe ich heute weit mehr Geld für "Unterhaltungselektronik" aus, für Fertiggerichte und und Freizeit aus, weil das, was ich seither alles auch kaufen muß notwendig geworden ist, weil wir so wie vor zehn Jahren gar nimmer leben KÖNNEN.

Unsere wirkliche Lebensqualität ist aber GESCHRUMPFT! Stell Dir vor! Wir hatten damals mehr Zeit - fürs Beisel, auch füreinander (grins net so blöd!), wir waren nicht so gestreßt, es war gemütlicher, ganz einfach. Und meine Lebensmittel? Na bitte, schwarz auf weiß: BILLIGER, viel viel BILLIGER. Und dafür ist mein Luxusleben gestiegen: mehr Fertiggerichte, mehr Autokosten, mehr Unterhaltungselektronik, mehr Freizeitspaß, weil mein MacDonalds-Besuch zu Mittag ist ja jetzt Freizeitspaß. Früher war das einfach "Nahrungsmittel" ...

Und ich will gar nicht davon reden, wie in meiner Kindheit noch ein Paradeiser (Tomate; Anm.) geschmeckt hat, oder die Erdbeeren, die im Beet vor unserm Haus gewachsen sind. Und von den Äpfel gar nicht zu reden. Und was für Sorten es gab! Ich lüg nicht: ein Dutzend oder mehr, jedes Jahr, und alle waren für was bestimmtes, und jeder hat seine Lieblingssorten gehabt. Ich will auch nicht davon reden, daß die Rechnung schon deshalb nimmer stimmt, weil ich heute vieles im Supersupermarkt nur noch in Großpackungen kaufen kann, damit sie BILLIGER werden, von denen ich dann ein Drittel wegschmeißen muß, leider, weil ich sie nicht so schnell verbrauchen kann, daß sie nicht schlecht werden, oder einfach nimmer schmecken.

Und dann kommt so ein Oberwaschel daher und erklärt mir, daß mein Leben BILLIGER geworden ist, er kann es mir beweisen, ja, daß es mir überhaupt BESSER GEHT. Nicht EINES von den Dingen, die sich geänder haben, habe ich WOLLEN - alles habe ich MÜSSEN, ich bin nur noch am Reagieren und Durchlavieren: wie geht sich alles noch aus. Das was ich angeblich als Wohlstandsvermehrung besitze - ich will das alles nicht. Ich brauch keine drei Handys, und ich hätte nicht einmal den Internetanschluß - Zeichen des Wohlstands und der Modernität! - wenn ihn meine Tochter nicht brauchert. Das, das solltest einmal schreiben! Net über irgendwelche philosophischen Probleme der Kunst.



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