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Sonntag, 15. Februar 2015

Man denkt sich, weil man gedacht wurde

Wenn es Leute gibt, schreibt Franz von Baader einmal, die behaupten, sie wüßten vom Absoluten nichts, so ist die Frage, ob man ihnen trauen und glauben darf, sei es daß sie bewußt die Unwahrheit reden, sei es daß sie ihre eigenen Gedanken nicht verstehen, sei es daß sie bis zum Zustande der Verwilderung entartet sind. Denn die Grade der Klarheit des Beuwßtseins sind unendlich und es kann in einem Ich ein so geringer Grad vorhanden sein, daß der Gedanke des Unendlichen nur noch als dumpfe Ahnung vorhanden ist. 

In irgendeiner Form aber ist der Gedanke des Unendlichen im Ich immer vorhanden, und verschwände der letzte Rest  der Ahnung desselben, so müßte das Bewußtsein selbst verschwinden.

Denn das Ich kann sich seiner selbst nur bewußt werden, wenn es sich als begrenzt erfährt. Es kann sich aber nur als begrenzt erfahren, wenn es (in logischer Folge, in der die Weltdinge wie eine Rampe vorzustellen sind) zuvor das Unbegrenzte erfährt. So, wie es aber auch das Unbegrenzte nur weiß, weil es das Begrenzte weiß. Zeitlich gleichzeitig, logisch aber in Hierarchie, weil ein sich selbst erfassendes Ich nur in der Struktur eines überhaupt sich damit absoluten selbsterfassenden Ich möglich ist.

Deckungsgleich ist dieser Gedanke mit jenem, daß jemand, der Gott leugnet, erst recht sein Wissen um ihn zugibt. Denn es läßt sich nicht leugnen, was zuvor gewußt wird.  (Dem Agnostiker fehlt also "lediglich" der Wille, sein Denken in strenger Logik fortzuführen.)

Das Schwinden der Identitäten, das heute zweifellos zu beobachten ist (begleitet von einer Gegenbewegung: dem  willentlichen Konstruieren einer Identität), verläuft (auf einer anderen, bereits konkreteren, ausgefleischlichteren Ebene) in Korelation zum Ausdämmern des Bewußtseins des Unendlichen. 

Wo das Bewußtsein des Unendlichen aber wirklich schwinden sollte, löste sich auch das eigene Bewußtsein, das Selbst auf. Der Mensch fiele in den Irrsinn, er könnte sich nicht mehr festigen und würde zerfließen. 

Und er vermöchte es auch dort nicht mehr, wo er sich nicht im Glauben - dessen Wortdeckung mit "Ge-loben", sich also anverloben, sich zueignen, auf die Wurzel des Glaubens im Willen, also als Akt, hinweist - an das Unendliche, Gott, zu verankern vermag. Dieser Akt selbst allerdings ist nicht eigene Setzung! ("Gott gibt das Wollen und das Vollbringen") sondern ist nur dann möglich, wenn das Ich sich als gewollt begreift, der Willensakt also seiner Natur folgt. In der er das Einfügen in einen vorausliegenden Willensakt ist. So, wie ja das Befolgen eines Gesetzes (und darauf beruht jedes Erkennen der Welt) nur das Einfügen in ein vorausliegendes Sein (und Wesen) ist. Wo das Denken nicht gehorsam und welt-/dingkonform sein wollte, bliebe die Welt vollkommen unverständlich, und der Mensch könnte rein gar nichts mehr tun. 

Im selben Sinne ist auch das Sich-selbst-Denken, das Bewußtsein seiner, nur möglich, weil diesem Akt ein bereits Gedacht-werden (im Unendlichen) vorausliegt. Ohne den Gehorsam diesem göttlichen Denken gegenüber, wäre dieser Akt des Sich-selbst-Denken gar nicht möglich.

Im "cogito ergo sum" des Descartes weiß also zwar der Mensch von sich und seiner Existenz, aber er weiß von sich nur, weil er (in logischer, nicht zeitlicher Folge) bereits vom Unendlichen weiß. Und er weiß dies nur wenn er davon ausgeht, daß er geschaffen wurde, also ihm selbst vorausliegenden, zu erfüllenden Sinn hat. Und das ist nur möglich, wo es einem absoluten, unendlichen Sinn (=Vernunft) gleicht - also gott-ebenbildlich sein will. Damit wird es Analogie zu Gott, freilich aber nicht zu Gott selbst. Und er weiß auch um diese Differenz, sonst wüßte er nicht von sich. 

Wüßte somit der Mensch nicht um seine prinzipielle Vernünftigkeit (als Sinnhaftigkeit, das heißt als Ausgerichtetheit auf ein zu Erfüllendes, das FÜR IHN in der Welt ist, soll heißen: der Welt hinzuzufügen ist), könnte er auch die Welt nicht in Sinnverhältnissen stehend wissen, also denkend zur Vernunft ordnen, also erkennen. Sein Denken würde sich auflösen. (Wessen Ich sich also in obigem Sinn auflöst, kann auch nicht vernünftig denken - etwas, das bei Geisteskranken ja zu beobachten ist.)

Deshalb ist der allergewisseste Gedanke der Gedanke von Gott. In dem Sinn muß er gar nicht gefaßt werden, weil er der Denkbewegung ohnehin bereits vorausliegt. 

Von dem zwar (vom Menschen aus betrachtet) kein direkter Beweis zu führen ist. Denn wenn ein Gott ist (und wie gesagt, davon geht jeder Mensch und also DIE MENSCHHEIT, das Wesen des Menschseins immanent aus), dann übersteigt er selbst alles, was das nur geschöpflich denkbare Menschsein ist, unendlich. Weil aber alles nur auf eine Art gedacht werden kann, die seinem Wesen entspricht, müßte sohin der Mensch tatsächlich selbst Gott sein. Nur Gott kann sich selbst denken. Wohl aber kann er das "unter ihm" denken, also den Menschen. Wo dieser Gott direkt zu denken wähnt, steht er im Widersinn, und damit in einer Aporie. Schon der Begriff Gott ist ja das Denken von etwas, das des Menschen denken übersteigt. Sich für Gott zu halten ist deshalb nie mehr als ein Wahn, der auf einem Nicht-gewahr-Sein seiner selbst beruht.

Aber sehr wohl ist ein indirekte Beweisführung möglich, als ein "notwendiges Schließen auf". Oder, wie Viktor Frankl es einmal sagt: Durst ist der Beweis dafür, daß es Wasser gibt.  Selbst wenn es nicht da bzw. sichtbar da ist müßten wir deshalb davon ausgehen, daß es Wasser GIBT.

Auf diesem jedem Menschen gewissesten aller Gedanken ruht jede weitere Gewißheit, nur so kann er überhaupt leben, und sein Leben entfalten.* Dies alles nun betrachtend können wir nun verstehen wenn davon gesprochen wird, daß Gott selbst das Licht der Welt(erkenntnis) ist. So wie die Wahrheit dieses Licht in seiner Weltrealität ist, ohne das bzw. ohne die alles zerfallen würde. Alles was ist ist in sie eingebettet. Und im selben Maß ist das Licht das, in dem alles ist, und aus dem alles ist.²

Im selben Sinn ENTSPRINGT die Erkenntnis bzw. Gewißheit Gottes nicht aus der in sich verbleibenden Natur- oder Weltbetrachtung, also quasi "von unten heraus", sondern diese kann eine in jedem Menschen bereits vorhandene Gewißheit nur ERWECKEN, zum Gedanken anstoßen, und so zur Welt führen, ja in gewisser Weise "gebären" - in (weil aus) der Gestalt der Wahrheit.** Genau so, wie umgekehrt eine Lüge, ein Irrtum (der somit - fast - immer aus einer Unsittlichkeit stammt³), diese Gewißheit verdecken, verdrängen, und schließlich sogar final erwürgen. Und damit entweder zum Irrsinn führen, oder zur entselbsteten Scheme, zum Handschuh gewissermaßen, den ein anderer, fremder Wille ausfüllt und bewegt als wäre es ein für sich stehender, integerer Mensch.***



*Wird im weiteren, konkreteren Denken deshalb die Gewißheit von Gott aufgelöst, so muß nicht nur ein logischer Fehler vorliegen, sondern es lösen sich auch, je spezifischer die Gedanken werden progressiv mehr, alle weiteren Gewißheiten auf. Etwas, das sich im Relativismus bestens beobachten läßt.

²Man beachte dabei die Analogie, die die Quantenphysik kennt: alles ist im letzten ... Licht, heißt es da. Ein Gleichnis (bereits in Gestalthaftigkeit, wobei: aus Wirkungen erschlossen) für die geistige Wirklichkeit, die sich im Denken erschließen kann, weil das Denken selbst ja aus dieser Wirklichkeit stammt, wenn es denn Nach-Denken ist. "Denn im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort WAR Gott." (Beginn des Johannesevangeliums)

**Grundwirklichkeiten, denen der Rationalist durch (die Welterfahrung ausgrenzen sollende) Konstruktion eines Ich - und der Welt als Folge - zu entgehen sucht. Er ist also auf der Flucht zum einen vor sich selbst, zum anderen vor dem Unendlichen, um das er weiß, weshalb er ja darauf reagiert, und zugleich vor der Welt ALS Wirklichkeit, in der er zweifellos das ihm selbst Bewußte vorfände.

³Wir verweisen damit auf die Diskussion, ob es eine "in sich schlechte Tat" gibt, die auszuführen also immer Sünde ist. Von jenen, die dies bestreiten, wird meist angeführt, daß es den Irrtum gäbe, und daß somit der irrende Mensch gar nicht zu sündigen vermöge. Aber das übersieht diesen Zusammenhang, wie Josef Seifert in seiner Untersuchunt über "Die Wahrheit" auseinanderlegt: Weil der Irrtum eben immer (bis auf einige wenige Fälle eines "gewaltsam implementierten Irrtums", der aber im speziellen für die Leibessünden, um die es hier meist geht, nicht gelten kann, denn der Leib bleibt dem Menschen quasi immer) auf einer Unsittlichkeit, also auf einer vorauliegenden moralisch qualifizierten Entscheidung beruht. Wer "irrt" (sagen wir in Bezug auf Sexualität, auf den Ehebruch) hat sich bereits zuvor FÜR DIE ABWEICHUNG VOM WISSEN GOTTES (wie wir es hier auseinandergelegt haben) entschieden. 

***Hier ist die Rede von jener Erfülltheit mit dem Geist des Bösen, die in der Erfahrung zeigt, daß der "wirklich Böse" eiskalt, nüchtern und scheinbar emotions- und bewegungslos das Gute zerstört.



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Leicht überarbeitet *140322*