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Dienstag, 24. Februar 2015

Schlägt den Sack und meint den Esel (2)

Teil 2) Der Unterschied liegt wenig in Sichtweisen, sondern in der Art, 
wie Gottes Wirken gesehen und erlebt wird.




Diese Diskrepanz zum Zeitgeist, zum Geist der Welt, der faktisch das heutige Leben zu beherrschen sucht, ist eine unausweichliche Folge aus der Präsenz des Heiligen überhaupt. Denn das Heilige ist niemals ein Beiwerk zum faktischen Lebensvollzug, der ansonsten jeder Willkür unterworfen sein könne. Das Heilige ist immer antipodisch zum rein innerweltlich gesehenen Leben. Es ist damit auch radikal antiaufklärerisch, weil es die Welt nicht in menschlich-rationaler Auflösung sieht, sondern immer von ihrer Quelle her: dem leben, das da Gott ist, der alles gibt. Weil nichts dem Sein "entfliehen" kann. Genau das aber versucht ja die Gegenwart, das, was man als aufgeklärte, moderne Gesellschaft bezeichnet.

Das Heilige ist immer der Einbruch von außen her. Es kann gar nie anders bestimmt und erfahren werden (und jeder religiöse Mensch kann gar nicht anders als es so zu sehen, sonst ist er ja genau das nicht mehr: religiös) als wenn man es nicht als Ordnung jenes Willens Gottes begreift, von der her das faktische historische Geschehen immer wieder neu bestimmt, beurteilt, und auch korrigiert, verändert werden muß. Es ist der Takt, in dem die Welt laufen muß, weil sie sonst ins Nichts fällt.

Deshalb ist die Kritik des Islam aus katholischer Sicht durchaus pikant, und ihr Heuchelei vorzuwerfen ist nicht ganz unberechtigt. Gerade auch, wo es um die Kritik des Radikalen bei Muslimen geht. Denn gerade Radikalität ist einem Christen unabdingbar.

Der fundamentale Unterschied liegt in der Soteriologie, in der Art also, wie das Heil sich in die Welt eintropft, gewissermaßen. Wie sich die Welt mit Gnade tränkt. (Nur so kann sie bestehen.) Hier hat der Islam zumindest eine sehr prinzipielle Tendenz, diese Durchwirkung der Welt mit Gnade positivistisch willentlich zu sehen. Denn ihm fehlt das Sakrament zum einen, und er hat eben nicht das Kreuz als jene Schnittstelle begriffen bzw. angenommen, wo in der völligen Hingabe an die Transzendenz, im völligen Aufgehen menschlichen Willens, genau der Moment liegt, in dem die schöpferische Gestaltungskraft Gottes in die Welt einströmt. 

Das macht die christliche Liebe zu einer Liebe der Selbsthingabe, in der sie sich als Auftrag versteht, und deshalb den Wert der Freiheit des Einzelnen nicht übersehen kann. Denn Hinhabe kann es nur in der Freiheit geben. Freiheit aber ist Bedingung der Erkenntnis. Ohne Erkenntnis gibt es aber keine Liebe. Das macht sie bzw. die abendländische Anthropologie auch auf einer Ebene individualistischer. 

Während im Islam die kollektivistische Haltung überwiegt. Die Einzelpersönlichkeit muß sich positivistisch erheben, was zur Folge hat, daß es ihr an selbstverständlicher Dauer fehlt, sodaß der islamkisch geprägte Mensch nur zwei Möglichkeiten hat: Sich in jeweiligen einzelnen Willensakten zu erheben, oder in jene Sphäre dicht zu verweben, in der über das Wort auch sein Ich in der Welt gehalten wird. Was sich natürlich als Prägung der Persönlichkeit ausdrückt. Übrigens ist auch hierin schon die Nähe des Islam zu faktischen Gegebenheiten im gesamten Westen auffallend. 

Bis hin zum Wesen der social media in seiner faktischen existenzerhaltenden Bedeutung auf der Grundlage eines Zerfalls der wahren Persönlichkeitsgrundlagen: der gesellschaftlichen Ordnung, die überhaupt erst Individualität möglich machte, weil sie die Hände frei hält davon, sich selbst ständig "in Händen halten" zu müssen.

Denn - und das wird auch gerne übersehen - das Gesagte ist gar nicht islamspezifisch typisch, es ist vielmehr allgemein menschlich einordenbar. Und zwar seit je. Selbst schon die Griechen haben diesen Kollektivismus des Orients als Gegenpol zum Individualismus ihrer eigenen Kultur begriffen. Die historische Präsenz des Despotismus im Morgenland - eine Ausdrucksform dieses Kollektivismus - läßt sich ausgezeichnet aufzeigen, und ist bereits vielfach untersucht und kommentiert. 

Dieses Moment der Gnadenhochzeit Gottes mit der Welt kann im Islam, wo er "defensiv" ist, nur entweder "sopranaturalistisch", idealistisch geschehen (sodaß jedes Eingreifen der Gnade als abgesetzer Willensakt gesehen werden muß), oder es bleibt völlig menschlicher Willkür überantwortet, die Ordnung Gottes in der Welt durchzusetzen. (Was sich etwa im Sufismus nicht weniger, aber anders äußert, wo diese Willkür sich psycho-methodisch präsentiert.) Die Schnittmengen zu abendländischen Geisteshaltungen und -richtungen sind dabei enorm groß, denn solche Sichtweisen und Haltungen sind auch hier überaus verbreitet, oft genau sogar unter jenen, die sich christlich nennen. Nicht selten begegnen einem unter Katholiken exakt solche Häresien als "Weg". 

Die Nähe dieser Soteriologie auch zum Protestantismus ist nicht zu übersehen, und politisch äußert sie sich in allen möglichen Formen von Faschismen und Sozialismen. Und der amerikanische Behaviorismus, eigentlich DIE geistige Grundhaltung Amerikas, ist seine Schwester. Was die Vehemenz, mit der sich die USA gegen den Islam zuweilen wendet, gut verstehen läßt. Denn man haßt ja am anderen vor allem das, was er als Spiegelbild vor Augen stellt. Das Sendungsbewußtsein der Amerikaner, in dem sie die ganze Welt als Exerzierfeld ihres Auftrages sehen, die Welt zu "demokratisieren", worunter sie ein diffuses Verchristlichen verstehen, ist dem Islamismus ja mehr als ähnlich. Im Islamismus aber müßten sie begreifen, daß ihre Lebensweise ein Selbstwiderspruch ist.

Und das ist der Angelpunkt, auch der Kritik am Islamismus in unseren Ländern. Denn sie ist vor allem eines: Der Versuch alles totzuschlagen, zu verdrängen, zu verhindern, was die eigene Lebensweise, so viele Haltungen und Sichtweisen, in Frage stellt. Während die Kirche aber bereits aufgegeben hat, sich in ihrer Gestalt der Zeit angepaßt, und damit sich selbst - und das Heilige - graduelle weithin schon verloren hat, und damit auch ihre soteriologische Dimension, ihre Fleischlichung der Gnade in der Welt verrät, wird derselbe Schritt vom Islam verlangt. Wo er auf weit mehr Schwierigkeiten stößt, weil der Islam s. o. eben weder eine Ganzheit ist, wie die Kirche, mit einheitlicher Lehre, sondern auch noch auf die Gegenwehr der darunter verborgenen Naturordnung stößt. Die wiederum mit dem, was die Kirche als Naturrecht bezeichnet, überaus große Parallelen aufweist. 

Insofern könnte der Islam sehr wohl und nicht zuletzt als Bewegung des Anti-Modernismus zu verstehen sein, der nahezu nahtlos und nicht unbegründet in Anti-Amerikanismus mündet. Und HIERIN würde er sich in vielem mit der Kirche treffen. Wenn diese den Mut zu jenem Radikalismus aufbrächte, der ihr selbst aufgetragen wäre.

Was sind aus den bisherigen Überlegungen aber für Schlüsse zu ziehen? Ist der Islam leicht gar der  natürliche Kampfgefährt der Kirche in einer Stellung gegen den Zeitgeist, gegen die Moderne?


Morgen Teil 3) Die Ablehnung des Islam ist ein Stellvertreterschauspiel 
im Kampf gegen das Christentum. Hier kämpfen zwei Brüder gegen die Kirche.




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