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Mittwoch, 25. Februar 2015

Schlägt den Sack und meint den Esel (3)

Teil 3) Die Ablehnung des Islam ist ein Stellvertreterschauspiel 
im Kampf gegen das Christentum. Hier kämpfen zwei Brüder gegen die Kirche.



Nehmen wir nun aber einmal an, daß das, was am Islam abgelehnt wird, allgemeine Auffassung wäre. Zumindest ist es die explizit gemachte Lebenshaltung, jene, die auch die Öffentlichkeit beherrscht. Wer es wagt, gegen diese Haltungen Stellung zu nehmen, ja wer es wagt, solche naturrechtliche Wahrheiten in sein Leben real einfließen zu lassen - und damit, mehr ist das ja nicht, zu sich selbst zu finden, der Enfremdung zu entfliehen - wird nicht nur ideell gesteinigt, sondern hat sogar vielfach schon mit strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen.  Man müßte aus christlicher Sicht sogar zum dem Schluß kommen, daß die gegenwärtige Situation der Kultur des Westens direkt dem Christentum entgegensteht. Und zwar nicht mehr nur marginal, sondern fundamental. Man könnte es sogar auf den Satz zuspitzen: Wenn das Christentum also aufhört, anti-modernistisch zu sein, so ist es zugleich unchristlich.

Hier ist aber weit mehr gemeint als bloße "Auffassungsdinge", Dinge der Weltanschauung, gedankliche Dinge. Wobei - mehr ist nicht der richtige Ausdruck. Denn - anders, anders wäre besser. Denn für das Christentum ist der leibliche Vollzug entscheidend, das ist ja sein Geheimnis, das es auch vom Islam unterscheidet. Die Soteriologie des Christentums ist definitiv eine der Inkarnation der Gnade DURCH die Liturgie, durch die Sakramente, udn das heißt: DURCH DIE LEIBLICHE PRÄGUNG, durch den leiblichen Vollzug. In der Liturgie wird nicht einfach ein verbales Hokuspokus inszeniert, ein Idealismus also, wo im Kopf sich das vollzöge, wovon man spräche. Mitnichten und -neffen! 

Hier wird auch der "gutmeinende Wille" oft kräftig mißverstanden. Denn das Sakrament bewirkt, was es vollzieht. Was in der Liturgie - als Priester wie als Beiwohnender - nicht vollzogen wird, passiert schlichtweg nicht als Gnadenwirkung. (Worin natürlich jetzt Protestanten überhaupt nicht mehr mitkönnen, die es mit Magie verwechseln.) 

Die Frage nach dem Christlichen am Christentum und am Christen ist also direkt eine Frage nach dem realen lebensvollzhug. Das Heil läuft nicht in einer Parallelwelt, sondern es ist auf den Leib angewiesen, auf das Ganze des Menschen mit Leib und Seele in seiner Wechselwirkung. Es gibt sie nicht, die Heiligkeit ind er Meditation, während der Leib halt irgendwie lebt und vollzieht. 

Liturgie ist auf eine Weise nur zu verstehen, wenn man sie als Einformung des Heiligen Rhythmus als Quelle aller Handlungen in den Leib des Menschen betrachtet. Real, sehr real. Als ganz reales Sein (einer Analogie Gottes, im Seienden), dem dann die Handlung folgt.

Daraus folgt, daß christlich nur sein kann, wer in seinem realen Lebensvollzug diese Heiligkeit in sich trägt. Nicht einfach im Kopf nachfühlt oder simuliert - sondern real im Heiligen Rhythmus IST. Zwar genau deshalb muß man sich als Christ vor nichts fürchten. Aber genau deshalb muß man als Christ sich vor allem auch in acht nehmen, was sich in der historische, faktischen Welt zeigt.

Daraus läßt sich direkt schließen, daß der Christ - wie der Muslime - sich nur als zuerst kritisch, heute aber direkt anti-modern zeigen muß. Denn die Moderne verlangt genau das Gegenteil: Sie geht von einer reinen Faktizität aus, in ihr ist alles relativ geworden, insofern das Heilige direkt ausgeschlossen, nur noch ein Gedankending geworden. (Wer darin wieder einmal Hegel durchhört, hat sehr recht. Seine Weltwirkung kam nicht von ungefähr: Er traf den Nagel der Zeitentwicklung zum Beginn der großen Umbauten Europas, die er auf eine Art vorwegnahm, auf den Kopf.)

Heißt das nun auch, daß sich Christentum und Islam in einer Koalition finden sollten, anstatt einander zu bekämpfen? Die Animositäten sind, wie wir nun gesehen haben, zum Teil unbegründet, sie sind es auf einer Fundamentalebene aber sehr wohl. Denn es gibt ihn nicht, den islamischen Weg zum Christentum. Der Unterschied in der Soteriologie ist mehr als ein Gedankenspiel eifriger Theologen. Er schließt sich aus! Aber anders, als vielfach gemeint ist.

Das Christentum ist nämlich schon längst über jener Schwelle angelangt, in der es in Europa noch auf jene natürlich-kulturellen Bedingungen träfe, die es aufnehmen könnten wie der Schuh den Fuß. Das vielfach zu hörende Gerede vom Umbau des Christentums zu einem "Bekenntnischristentum" ist deshalb dummes, ja sogar gefährliches, HÄRETISCHES Geschwafel. Und es ist eigentlich islamisches Gerede. Denn Houellebecq hat völlig recht, wenn er eine Zukunft vorwegahnt, in der sich faschistische Rekonstruktion des Natürlichen - die aus ihrem Wesen heraus nicht funktionieren kann, wie sich am Schicksal sämtlicher Versuche in Europa zeigt und gezeigt hat - durch Koalition der "Rechten" mit dem Islam abzeichnen. Das wird auch so passieren, der VdZ ist sich recht sicher. 

Weil sich in diesem Positivismus die Koinzidenz des Islam mit positivistischen, ideologischen Strömungen, in welcher Form auch immer sie auftreten, zusammenfindet. Es ist aber ein grundlegender Unterschied, ja es ist DER unterschiedliche Zugang des Katholizismus (und schon nur noch von diesem, jede Nicht-Katholizität sämtlicher "christlicher Konfessionen" weicht bereits graduell von diesem Zugang ab, als Schritt zur Unmöglichkeit, zum Positivistischen), wie das Heil in die Welt kommt. 

Während der Islam Gott dieses Heil aus der Hand nimmt, was sich natürlich in vielerlei Widersprüchen verbirgt, so wie es ja auch beim Protestantismus, in gewissem Grad auch in der Orthodoxie (die auf orientalische Gesellschaftsstrukturen zurückgeht, man möge das nicht vergessen), ist es dem Katholizismus ein im wahren Lebensvollzug immanent Gewirklichtes, Vorhandenes, und nur insofern von Heilswert, ja überhaupt wirklich, als es eben im Menschen in der Freiheit gründet, in der er sich als Analogie Gottes, der das Sein ist, will. Sein Heil liegt deshalb nicht im Moralismus, im Gegenteil, dieser Moralismus birgt die immense, ja unausweichliche Gefahr, das wirkliche Sein nicht mehr zu hören. Er drückt den Menschen auf sich selbst zurück.

Selbst also, wenn man den Katholizismus wie den Islam als Anti-Moderne begreift, unterscheidet sich der Weg zum Heil so fundamental, daß eines das andere ausschließt. Und es ist brandgefährlich weil falsch, den Islam als graduelle Annäherung an die göttliche Ordnung zu sehen, auf die hin durchlässig zu werden Sinn des christkatholischen Weges ist, der das Kreuz ist. Die Ähnlichkeiten werden schon deshalb so überschätzt, weil sie gleichzeitig eines der heutigen Symptome des Verfalls sind: die Verwendung gleicher Worte, aber mit völlig anderem Inhalt und Bezug. 

Die anti-islamische Haltung, die sich vielfach in Europa zeigt, hat mit dem Islam also überhaupt nichts zu tun. Vielmehr verbindet sich darin - in der Ablehnung! - ein und dieselbe geistige Haltung und ficht ihre Scheinkämpfe.* Beide bedienen sich derselben Mittel. Sowohl der Islam, der eigentlich auf eine kulturelle Grundhaltung reduziert werden könnte, wie die Moderne aber sind direkt anti-christlich, hier darf man sich keine Illusion des Pragmatismus machen. Sie sind pseudologisch und virtuell, sie sind voluntaristisch in ihrem Verständnis von Wirkung und Wirklichung auf der Welt. Es mag solitäre Strömungen geben, die diese Pseudologie erkennen, aber sie müssen an der prinzipiellen Soteriologie des Islam scheitern.

Von einzelnen Versuchen, den Islam quasi zu modernisieren, als "aufgeklärten Islam" neu zu konstituieren, ist nicht viel mehr zu sagen. Sie stoßen auf gar keine prinzipiellen Hindernisse. Nicht zufällig stammen sie von Personen, die bereits an der Moderne kräftig partizipieren, sich "integriert" haben, etc. Dort hat der Islam auf eine Weise lediglich erreicht, was er wollte, und somit kann er sich in seinen letzten naturrechtlichen Bezügen quasi auflösen.

So vielschichtig die Frage natürlich ist, und in unzählichen Facetten und Vermischungen, auch mit natürlicher Religiosität selbst, auftritt: Es ist überzufällig und belegt als Indiz, daß z. B. Zuwanderer aus islamischen Ländern "wie Kinder" den Lebensvollzügen der technischen westlichen Welt zufallen wie die Fliegen der Leimrute. Und das Besitzen eines iPhones, das Fahren eines tollen Wagens, und die eigene Facebookseite für Merkmale von Kultur halten, die erstrebenswert wären. Darunter lassen sich die meisten der Zuckungen des "Arabischen Frühling" zusammenfassen, soweit sie als Volkserhebungen gelten können, und nur Wüste zurückließen. Denn sie sind einfach Entsprechungen: Der Islam trägt dasselbe Gesicht wie die Moderne. Sein Haß auf den Westen ist der Haß des Neiders, des Konkurrenten um dasselbe Gut, das zu erlangen aber die Macht fehlt. Kulturbildende Kraft au sich hat er nicht, ihm fehlt die soteriologische Kraft. Weshalb die Ablehnung der Moderne als Lebensform, wo sie stattfindet, nur in Rückfall und Stagnation mündet. Kein Land, das längere Zeit islamisch geprägt war, hat sich jemals wieder zu einer Kulturnation erheben können. Selbst wenn sie aus Ölmilliarden finanzierte Wolkenkratzer und Modernitätsoasen hinstellt. Denn gerade in der Technikaffinität drückt sich das am deutlichsten aus. Aber keine Kultur wird durch Technik aufgerichtet, Technik kann Kultur nur simulieren.

Die den Islam ablehnen, finden sich deshalb genau in derselben Schichte jener wieder, die als Mittelschichte für die Verwüstungen des Abendlandes die besten Multiplikatoren und Abnehmer sind: in der gebildeten Mittelschicht, jener Schicht, die immer und überall die Trägerschichte von Revolution war. Und die Moderne ist eine Revolution in Permanenz, die diese Dauerauseinandersetzung braucht - deshalb auch den Islam lebensnotwendig braucht, nachdem das Christentum "unten durchgetaucht" ist - um sich in der Existenz zu halten. Sie trefen auf jene muslimische Schichte, die sich als Konkurrenten um Dasselbe, um denselben modernen Lebensvollzug begreift und deshalb in Untersuchungen nicht zufällig als "Modernisierungsverlierer" bezeichnet wird. Sie selbst begreifen sich nämlich tatsächlich so.

Den Islam abzulehnen ist deshalb das Schlagen eines Sackes, während man den Esel meint: Die Kirche. Sie ist es, die die Moderne nicht zur Ruhe kommen läßt, weil die Moderne an sich Fundamentlosigkeit bedeutet. Und um sie geht es, um das Zerschlagen des Seins im Seienden, das dem heutigen Lebensvollzug so widerspricht, während man "Islam" ruft. Eine Kirche, die genau nicht den Verwirrungen und Verlockungen der Zeit auf den Leim gegangen ist. Auch und nur dort wo sie nicht meint, man könnte Pseudologie mit Pseudologie - etwa durch Twittergefechte oder Konfessionsstärke - bekämpfen, und sich damit selbst den soteriologischen Ernst der Fleischlichkeit nimmt. Denn es geht um den realen Lebensvollzug, um die Zentimeter vor der Nase, nicht um ferne Wortgeflechte, in denen man sich selbst in der Welt zu halten vermeint. Wie im Islam. Und wie in der Moderne. Denn Christsein bedeutet die reale Wirklichung eines Sakraments. Nicht Virtualität.



*Als Kriterium alleine, um etwa die Pegida zu verstehen, genügt das freilich bei weitem nicht. Denn dort mischen sich nach Meinung des VdZ echter Anti-Modernismus mit Ideologie. Die Haltung der Dialogverweigerung und Schubladisierung, wie sie dümmer und instrumentalisierter kaum hätte stattfinden können, bewirkt freilich, daß es zu einer geistigen Abklärung, zu einer Entmischung weil Klärung der Motive, zu einem Verstehen des Phänomens kaum kommen kann. Auch und vor allem die Linke ist eben modern: Sie schafft sich ihre Feinde selber, weil sie nur in Antinomie bestehen kann. Instinktiv weist deshalb die Linke sehr folgerichtig die stärkste proklamierte Ablehnung des Islam auf. 

Wenn Houellebecq gleichfalls richtig von der Unmöglichkeit spricht, heute noch klare Frontlinien zu finden, weil sich ganz ungewöhnliche Koalitionen bilden, so hat er einerseits darin völlig recht. Er hat es aber anderseits nur deshalb, weil die Frontlinien ganz woanders laufen, als bisher als solche angesehene Kriterien erfassen.



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