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Samstag, 13. Juni 2015

Die Frage nach dem Warum (1)

Ohne die Frage nach dem Warum würde der Mensch auf die Stufe des Tieres herabsinken, und sinkt in Wahrheit unter diese, weil ihm die Instinktsicherheit der Tiere fehlt, die diese Frage eben nicht stellen können - und nur aus ihrer Beantwortung heraus handeln können. Es wäre die ultimative Tragödie, wenn der Mensch sich wirklich einreden würde, diese Frage nach dem Warum nicht mehr zu stellen. Umgekehrt ist die Frage nach dem Sinn nicht vortäuschbar, man kann Sinn nicht willkürlich definieren, um, so man es halt braucht, Halt im Leben zu gewinnen. Nur aus dem Glauben daran, daß es objektiven, ihm vorauseilenden, ihn umfassenden Sinn gibt, kann der Mensch überhaupt leben.

Die Frage nach Glück und dem guten Leben, nach Moral, ist mit materialen Zwecken nicht beantwortbar. Das Böse und das Gute sind Kategorien, die sich innerweltlich nicht beantworten lassen, und mit physischer Wohlfahrt nicht identisch sind. Wer das glaubt, hört nur zu früh zu fragen auf. Denn die Struktur der Welt ist Vernunft, diese Feststellung ist die Basis jedes Lebens und jedes Menschen. Also muß das Sprechen darüber logisch kohärent bleiben, will man über Welt und Gott sprechen. Und die Verfaßtheit jedes Menschen beweist, daß kein Mensch ohne logische Kohärenz auskommen kann - der Mensch zerfällt, wenn er keine logischen Antworten findet (die im letzten in einem Glauben an ein Absolutes aufruhen). Außerhalb von ihr über die Welt sprechen zu wollen ist ga rnicht möglich: Kein Gespräch könnte geführt werden, wenn es nicht eine über die Gesprächspartner hinausgehende, nein, diesen vorausgehende Sphäre der Vernunft gäbe. Gespräch, Disput ist also nur ein Disput über den Zugang zu dieser Vernunft.

Und dieser Zugang ist nur in der Liebe möglich: das heißt, in einem personalen Verhalten zur Vernunft ALS persönliche Reaktion, an der man dann teilhaben kann (die man aber nicht zwingen kann), die also in sich steht - Person IST. 

Jeder Mensch sieht sich dieser allem zugrunde liegenden Vernunft somit als DU gegenüber. Nur über ein persönliches Verhältnis läßt sich zur Vernunft überhaupt ein Zugang aufbauen - jeder Mensch kennt die Erfahrung, daß sich Vernünftigkeit durch persönliche Haltung verhindern oder verweigern läßt. Und das heißt selbst schon: Bezug zu einer rationalen, logischen Weltstruktur, das Ausspannen jedes weltlichen Vorgangs und jeder Tatsächlichkeit auf diese außerhalb eines selbst stehende Vernunft hin - man kann Vernunft also nur "annehmen", wie es die Sprache auch richtig kennt.

Ja, dieses Du geht dem Ich sogar voraus, das Ich empfängt sich daraus, und aktualisiert sich in der Bereitschaft zur Vernunft aus der Vernunft heraus. Das zuerst nämlich ein "ich bin es" ist, als Aufruf von einem Du her. Dem freilich damit auch ein bereits bestehendes Ich vorausgehen muß, sonst könnte sich der Mensch ja gar nicht angesprochen fühlen - der Anruf konstituiert, schafft also nicht das Ich, er aktuiert es nur, wie Guardini sagt. Die Entwicklung der Vernunftfähigkeit bei Kindern demonstriert dies beeindruckend.*

Könnte das aber dann nicht ein Computer auch erfüllen? Ein Computer, der diese Eigenschaften hätte, die wir als Grundlage der Welt erfahren, wäre nur ein anderes Wort für - Gott. Wissenschaft kann keine Moral definieren, denn sie ist relativ, historisch relativ, und deshalb wandert ihre Moral mit dem Zeitempfinden. Selbst die KZs waren wissenschaftlich in "objektiver Notwendigkeit" fundiert, genauso wie es die Sklaverei war - gerade jene Verbrechen, die im Namen der Wissenschaft, der je historischen "objektiven Notwendigkeit" durchgeführt wurden, sind die schlimmsten gewesen. Rationalität (und eine Wissenschaft hat nur Rationalität, ja das ist ihr Prinzip) reicht eben nicht aus, und sie ist auch nicht Vernunft, die diese persönliche Dimension hat, wenn sie auch in sich rational ist.

Was wir heute als unethisch empfinden (und damit absolut setzen), war vor 200 Jahren oder ist sogar heute noch auf anderen Kontinenten oft keineswegs als unethisch definiert. Eine wirkliche Verankerung von Ethik läßt sich nur darauf gründen, daß die menschliche Würde gleichermaßen ins Absolute verlängert wird,. also selbst absolut wird. Was dann die absoluten Kriterien dieser Würde sind - läßt sich nur aus Gott definieren. 

Nur aus diesem Verhältnis zur Vernunft, zur Wahrheit, läßt sich auch das Böse, das Leid verstehen. Das NICHT aus dem Mangel an absoluter Vernunft entstammt, sondern nur in eine Sinnfrage eingebettet werden kann, die selbst wiederum mit dem Verhältnis zur absoluten Vernunft direkt zu tun hat. Leid setzt im Letzten nämlich in der verweigerten Vernunfthaltung des Menschen an, in welche auch die gesamte übrige Welt mit hineingezogen wurde, und die von Generation zu Generation weitergegeben wird - weil der Mensch eben frei ist, aber sich zur Vernunft immer neu, in jedem neugeborenen Menschen neu aufrichten muß, ohne aber der Welt entfliehen zu können.




Morgen Teil 2) Die Frage nach der Wahrheit der Religion




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