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Dienstag, 14. Juli 2015

Der Vater ist verzichtbar

Der Vater ist vergeßbar. Man kann ihn verdrängen. Und zwar deshalb, weil die obere Persönlichkeitsschicht - mit dem Geist, dem oberen personalen Ich an der Spitze, der alle unteren Schichten dann umgreift und durch die Vernunft in Besitz bringt - durchaus "verzichtbar" erscheinen kann. Dort kommt die Wahrheitsfrage zum Tragen, zu der man sich aber bereits aus den unteren vitalen Schichten erheben muß. So kann man sein Leben durchaus suhlend dahinfurzen, das geht, wie die meisten Menschen beweisen. Dann spielt der Vater keine Rolle, selbst wenn er leiblich als zum Zombie entleerte, entgeistete Hülle präsent sein sollte. 

Denn der ist Wort, ist Geist. Also kann man ihn nur aufgreifen, integrieren, wenn man in dieser Persönlichkeitsschichte agiert, sich dorthin wirklich ausstreckt, bzw. diese in der Wahrheit fürs Leben im Geist öffnet. 

Damit ist auch dargestellt, daß die Mutter in allen unteren Schichten - von der puren Vegetabilität über die Animalität - die entscheidende Rolle spielt. Sie muß die unteren Schichten immer "offen" lassen, auf den Geist hin.² Werden diese Schichten aber geschlossen, "gesättigt", als "alles" gelebt, weil sie das scheinbar "sind", erscheint auch der Vater plötzlich verzichtbar, es sei denn, er wird zur "zweiten Mutter" degeneriert (was natürlich nie wirklich geht).

Vater wird erst bedeutend, wenn der Geist erwacht. Und zwar wirklich als "Vater", als Herr der Ideen, die Welt füglich gestalten (weil Welt ein ordo der Ideen ist), die dann in Gottes Vorsehung (die im absoluten ordo atmet) seine größte, erste wie letzte Anbindung wie Erfüllung findet.

Während die unteren Schichten diesen Geist durch das Kleinbürgertum imitieren bzw. im virtuellen, die Originalphänomene, die Resultate des geistigen Lebens imitierenden, simulierenden Schein ersetzen. In Rationalismus, in Moralismus, in Lebensführungen, die umso mehr "Freiheit" behaupten, als sie nur subtile Wege sind, am Mutterschooß festgeklammert bleiben zu können. Die vor allem vorgaukeln, daß man sich die Mühe, sich zur geistigen Gestalt zu erheben, ersparen könnte. Am deutlichsten wird das in der daraus erstehenden Unwilligkeit zur Bindung, die ein geistiger Akt ist, das Leben also vom Geist her bestimmen, den unteren Schichten von oben her die Gewalt der Hemmung und Prägung widerfahren läßt. 

Eine vaterlose Zeit - als Zeit der Vaterverdrängung, als Abschwächen des Väterlichen, womöglich sogar zur den unteren Schichten füglich gemachten Funktion - ist deshalb auch eine Zeit des Kleinbürgertums, der Schaffung von abgezirkelten Bereichen, von Wohlfühlgehegen, in denen sich Scheinleben entfalten soll. In der jedes echte Gefühl zur Sentimentalität regrediert, die iin ihrer Erwartungserfüllung verstandesgeprägte Ganzheit vortäuschen soll. In der der Vater bestenfalls dann noch einen Platz hat, wenn er diesen niedrigen Schichten und Erwartungen eingefügt werden kann. Die nur eine Schwäche haben: sie leeren sich progressiv. Umso aggressiver werden alle jene bekämpft, die scheinbar Ursache dieser Ausdünnung sind, und das sind ... die Väter als Stellvertreter der Idee.

Je abgeschlossener diese unteren vitalen Schichten sind, damit also in gewisser Weise materialer, innerweltanhaftender, desto brutaler, unbeirrbarer können sie in ihrer Auswirkung werden. Solche Menschen werden zu Dampfwalzen, an denen jedes Wort abprallt, keine (tiefere) Wirkung mehr erzielen KANN.  Sprechen wird zum Geplapper, das wie zu weites Kleid diesen Menschen nachschlackert. Während ihre physische Existenz, ihr motiver Kern (der außerhalb der eigentlichen menschlichen Mitte liegt, die im geistigen, oberen Ich läge), wie ein D-Zug rücksichtslos seinen Weg geht. Sie sind wie Wasser, das nicht in einer Form gehalten werden kann (weil nur Teil-Denken da ist, das bestenfalls Teil-Barrieren bilden kann), sondern immer und unausgesetzt Wege sucht. Hier hat Sprechen keinen Sinn mehr, die Tiefe ist bestenfalls noch über schockartige Erlebnisse anrührbar und trifft doch auf keine Kraft zur Ausrichtung an der Wahrheit (die aus dem Oben erfließt, als Gefäß wie Macht des Geistes).

Geistigkeit ist äußerst weitgehend verdrängbar, das ist das Dilemma solcherart aufgewachsener und geprägter Menschen.* Kommen sie nicht zum Wort, weil Wort ungehört, unaufgenommen bleibt (gewissermaßen kontrazeptiv behandelt, wenn nicht abgetrieben wird), fällt jedes Denken, und damit jede Persönlichkeitsstruktur, auf die Ebene der Getriebenheit und Geistlosigkeit zurück.** In der Denken (in dem sich Intelligenz sogar als Gefahr entpuppt) zum bloßen matrialen Scheinvollzug von "Richtigkeiten" wird. Die sich nur nach rückwärts, nach unten, nach dem Vorhandenen orientieren können.

Die Geistigkeit eines Menschen zeigt sich, daran kann kein Zweifel bestehen, an seinem Verhältnis zum Vater. Und zwar dem leiblichen, als - in jedem Fall! - Stellvertreter der ewigen Idee in Gott. Dieses Geheimnis erschließt sich nämlich gleichfalls über die Gestalt.





²Was bis zum Extrem geht, daß die fortwährende physische Anwesenheit des Vaters gar nicht nötig ist. Denn seine Existenz, seine Präsenz ergibt sich prinzipiell nur aus der verweisenden Offenheit der Mutter auf ihn hin. Der Schaden, den schwache Väter ausrichten können, ist riesig. Denn er kann sogar die Idee des Vaters gezielt desavouieren, ja nichten, und die stumme Erwartung des Kindes (die aus seiner ontologischen Verfaßtheit kommt, und nie wirklich ruht) zur existentiellen Verzweiflung frustrieren, oder (was äußerst häufig ist) sich (natürlich nie vollwertig sein könnende) Ersatzfiguren suchen, die den ordo bestimmen, in den man sich fügen möchte. Denn ohne diesen (identitätsbestimmenden weil -zusprechenden) ordo fällt der Mensch überhaupt ins Nichts. Das erklärt zu großen Teilen bereits das Paradox, das sich aus vielen Erhebungen bei jungen Menschen ergibt, die den heutigen jungen Generationen einerseits starken Autonomismus, anderseits aber extreme Neigung zum Duckmäusertum, zur Einordnung bescheinigen. Die entordnete, entstaltete, nur noch Funktionen bedienende Familie ist heute über weite Strecken bereits zur regelrechten "unvollkommenen" Matrixfalle geworden, wo die Menschen gar nicht mehr finden, was sie aber in der Familie zu ihrer eigenen Lebenstauglichkeit finden müßten.

*Dazu gehört also auch der Psychologismus, der eine Erscheinung auf scheinbar rationale Funktionen und Mechanismen zerlegt - also auf die untere Ebene drückt, einer Gestalt damit die Ganzheit raubt. Welteffektiv gemacht durch die verleumderische Wirkung, ihr das Lebensgeheimnis abzusprechen, die ihr den Wert nimmt, ihr im Staunen eines Ordnungsgefüges zu begegnen.

**Hinter der Umwelthype der Gegenwart steht also zumindest AUCH ein abschwaender, auswehender Mut, überhaupt noch Welt im Geist zu gestalten (was immer heißen würde, daß man das Ergebnis, die Zukunft nicht mehr bestimmen kann), sondern sich lieber an vergangene, "gewußte", erinnernd gekannte Bilder von "Natur" zu halten, die natürlich je nur Teilbilder sei können, niemals (!) das Ganze ansprechen können. Denn der pure Verstand kann nur im Teil, in Quanteln arbeiten.




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