Dieses Blog durchsuchen

Samstag, 1. Oktober 2016

Worum es bei Wahlen geht

Dieses Gespräch mit dem Karikaturisten Scott Adams aus einem amerikanischen TV-Programm ist deshalb interessant, weil es die Mechanik, die Technik hinter dem derzeitigen Wahlkampf in den USA zeigt, die deutlich die Handschrift der phänomenologischen Philosophie trägt. Die die Dinge der Welt nicht nach ihrem Kostüm im Spiel der Theaterstücke zu sehen versucht, sondern sucht, was sich WIRKLICH an Seinsbewegung, was sich im ontologischen Bewegen da überhaupt abspielt.  

Denn die eigentlichen Entscheidungen fallen genau auf dieser Ebene. Keineswegs geht es um "Argumente". Daran ist auch überhaupt nichts Verwerliches, sondern SO IST EINFACH DER MENSCH. Und die guten Wahlfachleute wissen das längst. Denen sind die herausgebellten Wortnebel, in denen wir uns ständig bewegen, völlig gleichgültig. Hier geht es um die Wirklichkeit, nicht ums Schaulaufen.

Keineswegs ist nämlich das, was uns die meisten Medien naiverweise servieren, das worum es überhaupt geht. Es geht um die Herstellung eines Grundüberzeugung, eine blitzschell von jedem getroffene Entscheidung, der alles andere dann nachfolgt. Denn diese Grundüberzegung ist kein Ergebnis einer Argumentation oder einer rationalen Diskurslogik - sie ist irrational. Eine Grundentscheidung, die die Ratio aber überhaupt erst formiert, die dann hergeht, um die Überzeugung mit "Gründen" zu untermauern.

Trump hat das von Anfang an kapiert, man erkennt es an seiner Art der Wahlkampfführung. Und Clinton hat es ihm mittlerweile nachzumachen versucht, weil ihr erster Versuch, an die Sache heranzugehen, völlig danebengegangen ist. Sie schien am Anfang der Kampagne nicht den Funken einer Chance zu haben. Aber eigentlich muß man sich fragen, ob sie nicht ohne es zu wollen nur einem in die Hände spielt: Donald Trump. Indem sie ihn nämlich direkt angreift.

Die Überlegung ist dabei die: Wer einmal eine Überzeugung hat, sucht sich auch die Details, die "Fakten" dazu aus. Er sieht und hört das Spektrum der Argumente gar nicht mehr, der Gegner arbeitet sich umsonst ab. Trump hat von Anfang an darauf gesetzt, ein "Überzeugungstäter" zu sein, der nur aus Überzeugungen heraus dieses Amt anstrebt. Und das hat ihm einen enormen Vorsprung verschafft, denn mit einem mal haben sich die Amerikaner für eine Überzeugung entscheiden können, nach all den letzten Präsidenten, die wie wesenlose Schlafsocken wirken.

Clinton schien und scheint bis heute auch gar keine Überzeugung zu haben! Nach wie vor nimmt man Hillary Clinton eine solche nicht ab, und Scott Adams bezweifelt, ob ihr das je gelingen wird. Dazu ist zuviel über sie bereits ruchbar geworden, zu viele Skandale AUS DEM AMT HERAUS hängen ihr bereits an, und weitere sind angekündigt (Wiki-Leaks), ja auch ihre vergangenen Ämter hängen ihr damit nach, in denen sie das bewiesen hat: Sie hat keine Überzeugung. Sie ist nur ein durchtriebenes Karriereluder, Paradetypus des Establishments.

Bei ihrem Konkurrenten aber ist noch alles möglich und man kann sich fragen, ob er nicht Clinton an der Nase herumführt, ob sie ihm nicht genau mit ihrer geänderten Taktik der direkten Angriffe auf den Leim gegangen ist. Trump verkörpert zudem schon rein physisch einen Typ, dem man glaubt, und es ist reine Taktik, daß er sich ständig mit Aussagen exponiert, die ihn scheinbar angreifbar machen, die er aber zu vertreten vorgibt - sodaß genau daraus (selbst wenn man es ablehnt) diese zentrale Botschaft selbst bei seinen Gegnern felstenfest wird: TRUMP HAT EINE ÜBERZEUGUNG. Und einem Menschen mit Überzeugung vertraut man einfach mehr. Selbst die hartgesottensten Trump-Gegner (und Clinton-Befürworter) bekommen regelrechte Zitteranfälle, kommt das Thema auf Trump. Denn der IST ... Rassist, etc. etc. Er polarisiert, aber die Botschaft dahinter ist selbst für seine Gegner: Es geht nur um ihn, WEIL MAN IHM GLAUBT. 

Und das hebt sich endlich von dem ab, was die Amerikaner (und nicht nur sie) schon so satt haben: Sie glauben den Politikern nicht mehr, und sie glauben auch den Medien nicht mehr. Umgeben von Lügen, suchen sie nach jemandem, der GLAUBWÜRDIG ist. Das ist das moderne Kriterium bei Wahlen, das ist der entscheidende Punkt in den USA des Jahres 2016. Auch Trump lügt, darüber machen sich die Amerikaner keine Illusion. Aber er tut es in einer sehr persönlichen Art, die ihn immer noch als Person glaubwürdig macht. Das ist Trumps große Stärke - die Stärke Überzeugung darzustellen. So nebenbei hat er persönlichen Charme und Humor, was ihn ebenfalls von Hillary Clinton ziemlich unterscheidet.

Im übrigen schätzen die Europäer die Art, wie Trump spricht, falsch ein. Für Europäer mag das "offensive", provokant sein - für viele Amerikaner ist es aber ganz einfach die Art, wie sie täglich selbst sprechen! Wo sie sich nie so ganz ernst nehmen, ständig zu Ironie bereit sind, und deshalb prinzipiell übertreiben und nichts dagegen haben, selbst "schlecht" dazustehen - nehme man doch Woody Allens "Masche", die so typisch amerikanisch ist. (Wir haben hier schon darüber gehandelt.) Was hierzulande als "hate speech" so unfaßbar lächerlich ernstgenommen wird ist die ganz alltägliche Art der Amerikaner zu reden - sie nehmen ihr Reden selbst nicht halb so ernst, wie es der Europäer tut. Die Amerikaner haben dafür eine ausgeprägte Kultur der Ignoranz entwickelt, die mit Akzeptanz nichts zu tun hat, sie ist einfach Ignoranz. Sonst könnten sie auch gar nicht "friedlich" nebeneinander leben.

Man irrt sich deshalb völlig in der Bewertung seines Engagements gegen (illegale) Immigration (was er mittlerweile auch kräftig wieder zurücknimmt, und auch das hat strategische Gründe). Trump hat nur am Anfang dafür gesorgt, daß sich die Republikaner vollständig hinter ihm sammeln. Das hat er erreicht. 

Auch wenn die offiizielle Sprachregelung ihn verurteilt hat, weil er sich gegen Mexikaner, Italiener etc. etc. ausspricht. Nur - die Menschen, die Migranten sehen sich bzw. die Zuwanderungswilligen SELBST so. Sobald sie nämlich hier sind, sind sie Amerikaner, weil sie Amerikaner sein wollen. Das hebt sie. Und das ist jenes Phänomen, das schon Alexis de Tocqueville in seiner Auseinandersetzung mit dem Rassenproblem beschreibt: Die Zukömmlinge, die Eingebürgerten, die Mischlinge distanzieren sich selbst (!) von jenen, die zwar aus derselben Herkunftsgruppe stammen, aber KEINE Amerikaner sind oder sein wollen - wie sie. Sie wollen selbst keine Mexikaner (etc.) sein. Das würde zwar kaum eine Meinungsumfrage oder "psychologische Untersuchung" bestätigen, weil es jeder zu verbergen trachten würde, aber - es IST so. Mitnichten also hat Trump diese Schichten verprellt oder verloren, eher sogar zum Gegenteil. Er bietet ihnen die Chance, sich als Amerikaner zu definieren und zu fühlen, indem sie ihn wählen. 

Daß Trump zuletzt seine anfangs so scharfen Angriffe mittlerweile zurücknimmt, sogar für die LBGT spricht, sehen nun viele einfach als "strategisches Einlenken". Sogar die wirklichen Konservativen akzeptieren das, ja er hat damit sogar wieder die Ränder zu den Linken aufgemacht, für die ja Clinton aus persönlichen Gründen - ihrer Nähe zum Großkapital - ohnehin fragwürdig ist.

Und wenn nicht, wenn sie sich nach wie vor gegen ihn stellen, hat dennoch Trump gewonnen: Weil sie ihn als Überzeugungstäter sehen. Er hat damit ständig ihre Aufmerksamkeit, und das ist die eigentliche Macht. Er hat es sogar geschafft, die Republikaner an sich zu reißen, die Partei ist geeint wie noch nie. Und jedes Volk WILL einen Präsidenten, der persönlich stark ist! 

Trump spielt sogar gezielt mit seiner eigenen Herkunftsgruppe, den Schotten, hat es geschafft, sogar diese zu emotionalisieren und zu bewegen, Stellung zu ihm zu nehmen. Und das wird eher für ihn ausgehen, denn die, die ihn ablehnen, haben weit weniger Animo, eine fragwürdige, überzeugungslose Clinton (die ja innerhalb der Demokraten alles andere als breite Unterstützung fand) zu wählen.

Nein nein, der Eindruck, daß Trump wild um sich schlägt ist völlig falsch. Trump weiß ganz genau, was er tut, und er hat sich zur wirklichen Führungsgestalt der Konservativen gemacht. Wir erleben hier also eine außerordentlich durchdachte Stufe des "Engineering" einer demokratischen Wahl, in der mit Ideologie das gemacht wird, was sie verdient: es wird mit ihr gespielt.

SELBST SEINE GEGNER ALSO GLAUBEN IHM, und wenn sie ihn angreifen, stellen sie IHN in den Vordergrund. Das ist die perfekte Gegenstrategie gegen die Präsidenten der letzten Jahre und Jahrzehnte. Die Amerikaner wollen jemanden als Präsidenten, der Überzeugungen hat und der persönliche Macht hat. Deshalb ist Adams überzeugt, daß Trump die Wahl mit sicherem Stimmenpolster gewinnen wird.

Im Endeffekt wird von Trumps provozierenden Aussagen kaum etwas bleiben, glaubt der Karikaturist. Das glauben auch die Amerikaner nicht (außer seine fanatischesten Gegner), daß er so heiß ißt wie er kocht. Das Amt selbst wird außerdem seinen Innehaber schon von dem Moment an formen (und mäßigen), in dem er das Oval Office im Weißen Haus betritt. Das war bisher auch nie anders. Und auch die Welt weiß das. Kein chinesischer Premier glaubt, daß Trump genau so sein wird, wie er sich im Wahlkampf gibt, sobald er im Amt ist. Es gehört aber zu seiner Wahltaktik, daß die Amerikaner DAS VORGEBEN können. 

Wie hier immer schon nachzulesen war: Man wählt immer Gestalten, und in ihnen Dynamiken. Diese werden beurteilt. Sodaß Details so gut wie keine Rolle spielen, so lange sie nicht zu schwer widersprechen. Das ist der Kern jener sittlichen Entscheidung, die jeder trifft, und der alles Denken erst folgt,. sodaß es lächerlich ist sich in der Beurteilung von Menschen auf einzelne Worte zu kaprizieren. Denn jeder, auch die Kandidaten, handeln nach einer Grundrichtung, die alle Teile nach sich ausrichtet und hervorbringt, selbst wenn sie sich nominell widersprechen oder etwas behaupten, das die Grunddynamik gar nicht deckt.

Sodaß am Ende nur noch eine Frage bleibt, und sie wird immer drängender, je länger man das Schauspiel jenseits des Atlantik betrachtet: Was wäre, wenn dieses ganze Wahltheater zwar zwei Theaterspieler hat, die einander an die Kehle springen - aber EINEN Veranstalter, der diese Dichotomie nur als Schein aufbaut, um die Illusion einer "Wahl" zu bieten? Wenn Wahlen, wenn Wähler, wenn Demokratie nur noch als Mittel zur Macht betrachtet werden - was soll solche Menschen noch ethisch reglementieren? WAS regieren dann solche Menschen noch? Menschen? Oder ... manipuliertes Material?








*020916*