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Mittwoch, 30. November 2016

Die Reformation brachte Armut

Es ist nur auf den ersten Blick seltsam, nur auf den ersten, daß niemand davon spricht und seit hunderten Jahren davon sprach - sieht man von einzelnen wenigen Buchautoren, Ökonomen ab, die aber nie die Massen erreichten, auch das seit hunderten Jahren - daß die Reformation sowohl in Deutschland als auch in England und Irland (nur über diese Länder verfügt der VdZ über spezifische Literatur, es wird woanders nicht anders gewesen sein) eine ganz bestimmte Folge hatte. Noch im 20. Jhd. greift es Max Weber, ein Protestant, in seiner berühmten Untersuchung der Zusammenhänge zwischen "Protestantismus und Kapitalismus" auf, ohne freilich diesen speziellen Aspekt besonders herauszustreichen. Welchen Aspekt?

Daß die Reformation ÜBERALL bewirkte, daß binnen weniger Jahre und Jahrzehnte der Großteil der Bevölkerung in Armut und sogar tiefstes Elend stürzte. Und zwar durch die Reformation. Denn mit der Zertrümmerung der Kirche hatte man die einzige Instanz zertrümmert, die mächtig genug gewesen war, der bloßen Kapitalakkumulation aus Eigenzwecken, der "vertraglich fixierten Aneigung des durch Arbeit hergestellten Mehrwerts", wie manche Wirtschaftstheoretiker "Kapitalismus" definieren, dem Wucher also, Einhalt geboten hatte. Der zweite Grund war, daß die Enteignung der Kirchengüter, die ja der Hauptgrund dafür war, daß die Reformatoren überall so "großmütige" Unterstützung durch die Herrschenden und Reichen gefunden hatte, die Konzentration von Kapital schubartig beförderte. Die die alten Lehensverhältnisse, die zur Kirche bestanden, natürlich übernahmen und nun aber deutlich "geldorientierter" arbeiteten. Die Einkommen der einfachen Bauern (und das waren damals 90 % der Bevölkerung) sanken von Jahr zu Jahr.

Schlagartig galten andere Kriterien für die Bemessung von Preisen und Löhnen. Fortan hatte ein gerechter Lohn nicht mehr sämtliche sozialen und individuellen Kosten des Arbeitenden zu umfassen, sondern schlagartig war er ein zufälliges Ergebnis aus Angebot und Nachfrage. Was bei Arbeitern, Handwerkern, die nicht die Produktionsmittel besaßen, um durch eigene Produktion zu bestehen, natürlich vom Gesetz der Not diktiert war. Denn selbstverständlich ist es ein fauler Mythos zu behaupten, gerechte Preise wären immer ein Ergebnis von Angebot und Nachfrage. Sind sie nicht, und waren sie niemals, diese Aussage ist dem Zynismus des Liberalismus entsprungen.

Nun setzte noch etwas ein, und das ist eines der Schlüsselmomente, warum Kapitalismus (wie schon so oft: Damit ist NICHT prinzipiell ein Freier Markt gemeint!) nicht in einem Staat funktionieren kann, der auf Gemeinwohl achtet, also ist, was er zu sein hat: INTERNATIONALISIERUNG als einer der massivsten Armutsgründe. Denn damit wird das Geld, das der Wucher einnimmt, nicht merh unter jenen Menschen wieder ausgegeben, die es erarbeitet hatten (denn ohne Arbeit gibt es kein Geld, weil nur Arbeit Wert schafft.) 

Der Besitzerwechsel, von Kirche auf Privateigentümer, die nur auf ihre Interessen achteten, brachte binnen zweier Generationen sämtliche klienen Landbesitzer in eine unhaltbare Situation: Sie konnten vom Ertrag ihres Bodeneigentums nicht mehr leben. Sie waren abhängig geworden, und gezwungen, ihre Arbeitskraft zu den Bedingungen des Kapitaleigners zu verkaufen.²

Die Beseitigung der Kirche durch die Reformation hatte das größte Bollwerk gegen die unmenschliche Handhabung von Kapital beseitigt. Nun gab es niemanden mehr, der die Interessenverfolgung Einzelner (Kapitaleigner) beschränken und regulieren konnte. Die Regierungen, meint der Leser? England hat es vorgezeigt: Binnen weniger Jahrzehnte war die Krone Englands vollständig überschuldet und in der Hand der Geldverleiher. Die auch politisch ihre Interessen verankerten, denn ohne sie wäre die Krone pleite gewesen.

DAS ist der Beginn des neuzeitlichen Kapitalismus - die Preisgabe der Kirchengüter durch die Reformation, deren Raub es war, der dem Kapitalismus Tür und Tor geöffnet hatte und binnen weniger Jahrzehnte die gesamte Wirtschaftslandschaft Europas umbaute. Und Armut und Elend brachte, wie historische Untersuchungen belegen. 

Raub und Diebstahl steht am Anfang des Kapitalismus, und seine gesamte Geschichte ist ein Geschichte des Raubes geblieben. Bis 2008, dem nächsten gigantischen Raubzug der Banken und des Großkapitals. Traditionell. Denn es war nichts anderes, als historisch alle 30 Jahre spätestens wieder und wieder und wieder passiert ist.

Warum darüber so gut wie nie geschrieben und gesprochen wird? Weil der Protestantismus von allem Anfang an die modernen Massenmedien besaß, benützte und bestimmte! Ja, ohne diese neuen (abstraktiven) Massenmedien, ohne den damals entstehenden gewerblichen Buchdruck, und vor allem durch die von außerhalb jeder Regierungsgewalt eingerichteten Druckereien (die von England und Belgien her den Rhein hinauf geliefert wurden) ausgehende subversive Kraft hätte es gar keine Reformation - zumindest nicht in diesem Ausmaß - geben können. Denn der Verlust des Realen, ja der Realität aller Dinge, mußte durch einen ständig frisch genährten Vorhang der Virtualität, der nur noch im Bewußtsein als Gedankenkonstrukt existierte, ausgeglichen werden: Die Wahrnehmung mußte entwertet werden. Dazu braucht es hautnahe, hermetische Wortwelten. Eine neue Form von Herrschaft begann. Auch wirtschaftlich.








²Man kann die Geschichte sogar umdrehen, auch da wird ein Schuh draus: Die Kirche traf in der auslaufenden römischen Antike auf ein zutiefst brutales Wirtschaftssystem des Raubtierkapitalismus und der Kapitalkonzentration. Gegen den persönlichen Reichtum eines Kaiser Augustus wäre Bill Gates überhaupt ein armer Schlucker gewesen. UNTER DER MORALISCHEN ÄGIDE DER AUFSTEIGENDEN KIRCHE ist es dann passiert, daß sich das Wirtschaften allmählich wieder mit Ethik durchtränkte, und allmählich hat sich wieder ein gerechteres Wirtschaften aufbauen können - das dann Europa zu jener kulturellen Höhe und jenem allgemeinen Wohlstand führte, der das Mittelalter war (auch wenn es aus naheliegenden Gründen in regelrechten Geschichtsfälschungskreuzzügen ganz anders dargestellt wurde und bis heute wird - die Fälschung der Vergangenheit ist heute ja nicht gerade unüblicher geworden.) Nur zur Erinnerung: Im 13. Jhd. arbeitete der normale Mensch selten mehr als 3 bis 4 Tage in der Woche. Der Rest waren Feiertage.

*Der VdZ hat selbst in einem Zisterzienserstift jene Bücher gesehen, in denen die klösterlichen Zehentenverwaltungen bis ins Mittelalter dokumentiert waren. Und festgestellt, daß auch hier immer eine soziale Gemeinschaft bestanden hatte, wo das Kloster auch in seinen "Kapitalerträgen" unmittelbar mit dem Schicksal der Pächter und Menschen verbunden war. Gab es schlechte Ernten, trug das Kloster selbstverständlich die Lage mit, ohne die guten Zeiten umgekehrt auszunützen. Ein völlig anderer Wirtschaftsethos, als er dann in Ländern der Reformation einsetzte.

Ja, auch die Kirche hatte Kapital akkumuliert, Betriebsmittel, sie war sogar durch die Arbeitsteiligkeit in den Klöstern, durch kluges und umsichtiges Wirtschaften, jene Kraft, die ganz maßgeblich unsere Länder auch wirtschaftlich in die Höhe brachte. Ohne Klöster, ohne Mönchswissen wäre alleine die Landwirtschaft niemals auf jenen Hochstand gekommen, den sie mit den Jahrhunderten annahm, und nur in den Klöstern hat das Wissen der Antike überlebt, das bewirkt hat, daß selbst der Kahlschlag des Endes der Antike, der Frühzeit des Mittelalters, mit den katastrophalen Folgen der Völkerwanderungen, den Hunnenstürmen, usw. usf., relativ rasch wieder überwunden werden konnte. 

Aber immer hatte sie dieses Kapital sozial nützlich eingesetzt, ein erstes Netz der Sozialfürsorge aufgebaut, mit Alten- und Krankenhäusern und Armenfürsorge, und Kulturgüter errichtet, die der Allgemeinheit nützten, ja von denen ganze Landstriche lebten (man denke an die oft kaum zu glaubende Wirtschaftskraft von Wallfahrten; im 18. Jhd. etwa hatte der "Sonntagberg" im Mostviertel/NÖ jährlich bis zu 1 Million Pilger verzeichnet, die ein gewaltiger Wirtschaftsfaktor für das ganze Ybbstal waren; es gibt sogar die These, daß der Wirtschaftsaufschwung, der etwa ab 1100 in Europa einsetzte, nur der allgemeinen Pilgerfreudigkeit zuzuschreiben war - ganz Europa war damals "unterwegs"; nun, für einzelne Landstriche mag das tatsächlich zutreffen, allgemein ist es eher fraglich, denn bei aller Liebe: Der Pilger selbst ist unproduktiv, und Wohlstand kann NUR durch Arbeit entstehen, die seinem Herkunftsort aber damit entzogen ist, sodaß die viele Pilgerei sogar zunehmend als Gefahr für das Gemeinwohl angesehen wurde) und sie geistig zu jener Höhe aufbauten, die die abendländische Kultur zu jener Höhe führten, die sie einst hatte. Und immer war "unter dem Krummstab gut leben". 





*061016*