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Dienstag, 20. Dezember 2016

Sieg des Augenzwinkerns

Das Wohltuende an den Ideen von Hans Hermann Hoppe, der als Prediger einer "Vertragsgesellschaft ohne Staat" durch die Lande zieht, ist, daß man den Eindruck haben kann, daß er sie immer mit einem gewissen Augenzwinkern vorträgt. In jedem Fall aber kann man sie als Gegenwurf gegen den zentralistischen Staat sehen, den er ein wenig wie ein Hofkasper bekämpft. Und das sollte man auch mitnehmen. Wenn diese unsere Länder reformierbar sein wollen dann ist der strikte Rückgang auf das Subsidiaritätsprinzip - und vieles von Hoppe läßt sich darauf eindicken - alternativlos. Hoppe ist außerdem sicher gebildet genug zu wissen, daß das meiste was er vorschlägt vor 500 Jahren und mehr alltägliche Gegebenheit war.

Von besonderem Charme ist deshalb sein Liebäugeln mit der Monarchie, die bei allen möglichen Schwächen die wesentlich höhere Wahrscheinlichkeit auf eine gerechte Gesellschaftsorganisation hat. Rückkehr zum Personalitätsprinzip, Rückkehr zum Regionalitätsprinzip,  Rückkehr vor allem zur Integrität der Familie, des Dorfes ist absolutes Notwendigkeit. Fast alles, womit wir heute zu tun haben, geht auf die Zerstörung der Selbstregulierungskraft und Integrität dieser "unteren" Ebenen einer Gesellschaft zurück.

Es gibt außerdem das Naturrecht, in dem ein Österreicher, Johannes Messner, so Bedeutendes geleistet hat und das vile oder die meisten der Ideen Hoppes längst kennt und durchgedacht hat. Man muß das Rad also keineswegs neu erfinden, und es gäbe da viele Schätze zu heben, die es in eine historische Ordnung umzusetzen gälte. Zu guten Teilen hat das die katholische Soziallehre ja tatsächlich bereits gemacht, wenn sie sauber betrieben wurde und ausreichend gekannt wird. Daß sie heute meist nur noch als Feigenblatt für letztich sozialistisches und sentimentalisches Geschwabbere herhalten muß liegt nicht an der Soziallehre, sondern an den Mißbrauchern. 

Gerade nach dem 1. Weltkrieg sah man in ganz Europa die Notwendigkeit, die Grundlagen menschlicher Ordnung neu zu denken, denn alles Vorhandene war zerstört, und aus dem Marxismus erstand ein mächtiger Entwurf (im Bolschewismus), der in seinem Entwurf aus irrtümlicher, revolutionärer Anthropologie (und mißinterpretierten Folgen der Zerstörungen der Umbrüche des Krieges) heraus die Totalzerstörung der menschlichen Natur zum Ziel erklärt hat. Was immer man gegen die Faschismen in Europa auch mit Recht vorbringen kann, so sind sie nicht zuletzt als Versuche zu sehen, dem gegenüber eine natürliche, gerechte Ordnung der Freiheit zu installieren. Sie haben aber auch die Grenzen einer Umsetzbarkeit gezeigt, wenn diese nicht selbst wieder Unrecht bewirken will. 

Dabei muß man den österreichischen Versuch unter Engelbert Dollfuß (leider nur noch in Resten unter Kurt Schuschnig) mit ganz besonderem Interesse betrachten, der genau deshalb ja so verleumdet wurde und wird (!), weil er viele sehr tragfähige Elemente (die heute sehr aktuell wirken würden) enthielt und von den Sozialisten schon deshalb so bekämpft wurde und wird, weil er dessen echter historischer Gegenentwurf war. Und vor allem Hitler ein Dorn im Auge war, weil er auch ein Gegenwurf gegen den Nationalsozialismus war. Mit Ideen, die in Hoppes Vortrag zur Genüge anklingen, dem die "Praktizierbarkeit" als ganz sicher notwendiges Eingehen auf die heutige historische Situation fehlt. 

Ideen, die einen totalen Neuentwurf unserer Gesellschaften bedeuten würden, muß man nämlich ablehnen. Sie würden mehr Schaden anrichten als Gutes bewirken, weil man mit dem Unkraut auch den Weizen ausreißen würde. Selbst wenn ein radikaler Richtungswechsel notwendig ist - und das ist er - muß der Weg moderat und im Rahmen einer breiten Akzeptanz bleiben, will man nicht das eine Zwangssystem durch ein anderes ersetzen. Dazu würde oft sogar schon genügen, viele Neuregelungen wieder zu sistieren (hier aber durchaus konsequent), vorsichtig manch altes Gesetz sogar wieder restaurieren (speziell im Ehe- und Familienrecht), um der Natur der Menschen wieder jene Ruhe zu verschaffen, in der sie sich regenerieren kann. Im Praktischen sieht das deshalb wie "viel viel Kleinmist" aus.

Und doch ist genau das der Weg. Es ist eine große Gefahr, die oft zu wenig beachtet scheint, auch und gerade in an sich berechtigter Kritik, zu meinen, man müsse radikal alles auf den Kopf stellen, sodaß kein Stein auf dem anderen bliebe. Die Radikalität muß eine des Denkens sein, gewiß. Aber die Praxis, die aus tausend Kleinigkeiten besteht, braucht ... Sittlichkeit, Treue im Kleinen, und Liebe. Auch die größten Änderungen sind immer eine Angelegenheit kleinster praktischer Schritte.

Von der Sache her muß man in diesem Vortrag kritisieren, daß Hoppe dem Prinzip des Wettbewerbs die typisch liberalen Idealisierungen umhängt, als würde sich damit alles von alleine regeln. Wenn man diese Romantisierung wegnimmt, bleibt von der Hoffnung, daß sich auch ohne Staat alles von selbst regeln wird, wenn man die Menschen nur läßt, aber nur eine Gewaltgesellschaft übrig, weil mit der Anfälligkeit des Menschen für Böses nicht gerechnet wird. Auch dieser "moderate" Liberalismus, den Hoppe vertritt, ist also eine gefährliche Utopie. Wieweit Hoppes Ideen zur "Vertragsnatur" in einer Gesellschaft auf dem irrigen Ansatz der Aufklärung beruhen, daß Staat generell eine reine und formelle und nutzenorientierte Vertragsangelegenheit des bewußten Denkens wäre, kann man nur mutmaßen, sie gehen hier nicht genug hervor, könnten aber am Ziel der hier angelegten Tangenten zu finden sein, die nur Hoppes Augenzwinkern versiegen läßt.

Als Gegenwehr gegen die seit der Neuzeit fehlgelaufenen Entwicklungen zum Zentralstaat freilich ist Hoppes Ansatz verständlich und in vielem berechtigt. Und man hat von diesem sympathischen Mann auch gar nicht den Eindruck daß er meint, den Stein der Weisen zu besitzen, der nun allen um den Schädel zu dreschen wäre. Hat den Eindruck, daß er tatsächlich nur Anregungen bieten will, und seine Stärke liegt sicher in der Kritik.

Aber es ist heute so, daß viele viele Ideen im Raum herumschwirren. Viele davon haben gute Kerne oder sind einfach gut, viele sind aber blanker Unsinn oder würden das Gegenteil von dem bewirken, was sie vorgeben zu erreichen oder stammen (ohne daß die Kritiker das zu wissen scheinen) gar aus derselben Küche, in der das gegenwärtige Dilemma ausgekocht wurde.

Weil sie eben meist nur Reaktionen auf Mißstände an sich oder ursprünglich nicht so schlechter Institutionalisierungen. Nur aus dem "Anti-" läßt sich aber so gut wie nie etwas Gutes konstruieren, ja eigentlich ist sie die große Versuchung, der wir ständig unterliegen, weil wir dann sehr rasch aus jenem Kairos heraustreten, der der alleinige Garant für schöpferisches Voranschreiten ist: Diesem schmalen, ganz schmalen Grat, den nicht zu verlassen tägliches, stündliches, minütliches Bemühen erfordert. Weshalb wir froh sein sollten, daß ein Tag nicht länger ist als er ist. Denn er ist in seinem Aufgehen wie in seinem Abschwellen ins Nachdenken hinein das so überaus barmherzige Maß des Menschen.

Ohne soliden metaphysischen, anthropologischen Kern aber wird sich niemals ein Gegenwurf finden, der beides - Kritik wie Alternativvorschlag - in ein harmonisches Ganzes und damit tragfähige Zukunft zusammenfindet. Leider liegt aber genau dort der große Schwachpunkt, mit dem wir zu tun haben. Genau das Denken, genau das Sehen, das sich aus solchem Geist ergäbe, wird auch von den vielen vielen Kritikern meist explizit oder immanent abgelehnt, und das ist durchaus eine doppelte Ironie. (Ein bedauerliches Beispiel ist die hier in mancher Detailkritik öfter zitierte Seite Danisch.de, in der die Gesamtrichtung nur als "bedauerlich" bewertet werden kann. Auch "Ktitiker" sind fast immer zutiefst korrumpiert, die Richtigkeit mancher Detailkritik verschleiert ihnen selbst ihre fatalen Grundirrtümer. Hartmut Danisch etwa baut auf einen sehr simplen Materialismus, aus dem eine völlige Fehlbewertung der "Naturwissenschaften" folgt. Genau das Problem - das der geistigen Entwurzelung - hat unsere Kultur aber!) Denn die Krankheit ist nicht zu kurieren, wenn man ihre Ursachen ausschließt, weil dann auch bei den Kranken, den Leidenden selbst doch wieder nicht sein kann, was nicht sein darf. Man kann aber nicht glauben zu einem Ergebnis zu kommen, wenn man meint, es gäbe doch das Denken, das auf halbem Weg stehen bleibt.











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