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Freitag, 21. April 2017

In der Flut einer Anti-Kultur

Die Popkultur, die die "Volkskultur" verdrängt hat, ist zu einem Kult des Häßlichen und Niedrigen geworden, die uns tagtäglich überschwemmt. Pathologie wird zum Selektionsmerkmal, ja zum Karrieremoment. Und der Irrsinn hat vor allem die Jugend bereits tief durchtränkt, wo er auf den durch Auflösung der kulturellen Institutionalisiertheiten kollektiv verbreiteten Narzißmus trifft und diesem entgegenkommt. Umfragen haben ergeben, daß 54 % der jungen Menschen "Celebrity", also "Berühmtheit" werden wollen, wovon 70 %  nicht einmal eine Ahnung haben, wodurch bzw. mit welcher Leistung, mit welchem Talent sie das erreichen sollten oder lächerlichste Anwandlungen, alltäglichste Fähigkeiten zur "Begabung" stilisieren. Was sich derzeit abspielt, sobald wir Fernsehen oder Radio aufdrehen, ist aber nur noch eine Überschwemmung mit Pathologie, die zum Fetisch erklärt wird.

Hier ergänzt sich diese Psychopathologie mit der absurden Weltanschauung, jeder könne alles erreichen, die noch tiefer in der Anschauung gründet, daß das Kriterium der Welt ein in sich neutrale "Funktion" wäre.  Darauf wurde ja in der Pädagogik auch der "Begabungs-"Begriff als Merkmal des Orts-Findungsprozesses aufgesetzt, der eine Kehrtwende des Menschenbildes bedeutet, die dem Fundament dese Abendlandes um 180 Grad entgegengerichtet ist: Nicht mehr durch Selbsttranszendierung AUS EINEN ORT (Stand, Aufgabe etc.) hin wird der Mensch und entfaltet sich nach der Aufgabe bzw. durch und in diese, sondern durch einen Findungsprozeß der "Fähigkeiten" soll sich dann ein Ort (irgendwie) herausbilden. Weltordnung also nicht aus einer allem vorausliegenden Ordnung heraus ("Der Mensch ist utopisch, oder er ist nicht." Y Gasset), sondern als völlig weiche, jederzeit veränderbare Zufallsordnung menschlicher "Selbstentfaltung", die im allerbesten Fall Ablaufoptimierung (Konvention) ist. Jede schöpferische Entwicklung aber wird damit verhindert.

Es bleibt die immer hysterischere Anklammerung an Eigenschaftsbehauptungen, an denen die STelle, die man einzunehmen glaubt, ergreift und zu behaupten versucht. Das aber raubt jede Kraft, überhaupt jemals zu einer wirklichen Leistung zu kommen. Mit der verhängnisvollen Rolle der Sexualität dabei, die als "Eros zur Welt" die erste und tiefste Lebenswirklichkeit des Menschen ist. Findet diese Kraft nicht zur Form, ist jede weitere Entwicklung zur Geschichtlichkeit bereits definitiv verhindert. "Neues" wird so nur noch durch Zerstörung, durch Auflösung von Geordnetem erfahrbar, wird zum Synonym für Chaos und Häßlichkeit. Oder technizistische "Ästhetik" als konstruierte "Gelungenheit". Und äußert sich in political correctness.

In der legendärgen Untersuchung über Zusammenhänge zwischen sexuellem Verhalten, zwischen der Art, wie mit Sexualität umgegangen wird, und Kultur hat J. D. Unwin in einer Untersuchung der Kulturen fast der ganzen Welt und unter Beiziehung historischer Beispiele versucht, Grundzüge aus vermuteten Zusammenhängen zwischen Kulturstand, Zivilisation und dem Umgang mit Sexualität zu finden. Das heißt, eigentlich ist er darauf gestoßen, er hat es nicht gesucht. Das Ergebnis seiner 1934 nach jahrzehntelanger Forschung erstmals veröffentlichten Studie "Sex and Culture" ist eindeutiger, als er es je gedacht hatte, und widerspricht direkt dem, was sich spätestens mit den 1950er/1960er Jahren als "sexuelle Befreiung" wie ein Orkan über unsere Kultur ergoß: Hoher Kulturstand hat direkt mit dem "energetischen Zustand" (das hat nichts mit esoterischen Theorien zu tun, sondern ist eine Ableitung aus Handlungsbefähigungen; Anm.) der Menschen zu tun. 

Dieser Zustand ist aber nur gegeben, wenn Sexualität kulturell in Form gebracht und geregelt ist (nicht einfach: unterdrückt, wie es später dann zum Totschlagargument umgedeutet und behauptet wurde). Interessant dabei auch seine Beobachtung, daß der "Rationalismus", also die Rationalisierung nur eine Übergangsstufe ist. Wird diese nicht in konkrete, reale und die Natur bergende kulturelle Form übergeführt, fällt sie nach eineinhalb Generationen in sich zusammen, fällt diese Kultur wieder auf den ent-kräfteten Zustand des "ungeregelten Umgangs" mit der Sexualität zurück. Aber KEINE Zivilisation, die einen solchen Umgang hat, schafft es, sich höher zu entwickeln, sie degenerieren ausnahmslos. Diese tief menschliche, tief natürliche und tief bedeutungsvolle Kraft muß vielmehr in eine höhere, "homologe" Verhaltensform - eine Moral - über- und eingeleitet werden (wobei auch Repressionsmechanismen eine Rolle spielen, keine Frage; aber: ist es schlecht, wenn der Impuls, jemanden spontan zu töten, "unterdrückt" wird?) - das ist es erst, was uns von Kultur sprechen läßt und eine Höherentwicklung ermöglicht.

Deshalb ist es auch eine contradictio in adjectio, bei der derzeitigen "Popkultur" überhaupt von Kultur zu sprechen. Es ist sogar eine "Anti-Kultur". In dieser Entropie zerfällt das Menschsein, es löst sich auf. Aber es gibt keine "Räume der Kulturlosigkeit" auf der Erde, denn nur in Kultur hat der Mensch Anteil am Sein. Seinsleere (nur noch aktualistische) Räume werden unweigerlich von stärkeren Kulturen gefüllt, weil es Raum nur aus Beziehung, aus Sinn, und damit dauerhaften kulturellen Raum - die Bedingung wie Frucht des Menschseins - nur im Maß der Gradualität der Realisierung von logos und Wahrheit gibt.

Die Gegenwehr gegen die Massenzuwanderung hat sein Recht, keine Frage, aber sie hat im selben Atemzug die Pflicht, sich dagegen zu wehren, daß unsere Anti-Kultur - die "sexuell befreite, grenzenlose Popkultur" - als jener Zustand gesehen wird, der uns repräsentiert. Was sich im Westen heute aber abspielt ist nicht verteidigungswürdig! Der sogar genau das bekämpft und zerstört, was verteidigungswürdig wäre, aber nur noch in Rudimenten und in einem vagen Gefühl aus verdunstenden Erinnerungen besteht. Vielfach hat deshalb die Gegenwehr gegen die Zuwanderung den Charakter des Abschützens eines (fast schon) leeren Raumes, von dem man hofft, den man also nur nicht verbauen will, daß er sich doch noch mit Kultur und Menschsein füllen könnte. Ohne Katholizismus, ohne in Heiliger Liturgie und Moral institutionalisierten Katholizismus kann es deshalb kein Europa, kann es keinen Westen mehr geben.









*070417*