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Mittwoch, 1. November 2017

Nie von seinem Volk trennbar

Die Wahrheit in die Welt zu holen heißt, das Denken des Denkens selbst (also das Denken Gottes, der das Sein ist) in die Welt zu holen, ihm in der menschlichen Sprache ein passendes Kleid anzuschneidern, wenigstens mit der Zeit. Niemand erträgt aber auf Dauer, die Wahrheit zu denken (das ein Offensein für die Wahrheit, also Gott ist, um im Gehorsam Mensch und Gott anzugleichen; das ist es, was man Sittlichkeit nennen kann) und falsch, also nicht der Wahrheit gemäß, zu leben.

Denn wahr zu denken aber falsch zu leben heißt, ständig das Gericht ganz konkret mit sich herumzutragen. Also muß man sich entscheiden. Die Entscheidung der allermeisten Menschen fällt eindeutig zugunsten des faktischen So-Seins ihrer Fleischlichkeit aus, und seiner Tendenz, sich in der Welt zu verbergen, sich ihr anzugleichen (nicht: Gott). Zu viel wäre zu tun, zu schmerzhaft wäre das Leben als Prozeß selbst, denn dann würde es das, was es ja eigentlich ist: Fegefeuer. Sie schieben dieses Fegefeuer in vager Hoffnung, daß es dafür reicht (und nicht in völliger Abwendung vom Sein, also in der Hölle endet), auf. 

Das ermöglicht zwar noch Stücke "richtigen" Denkens, also auch richtigen Sprechens, aber nie darf man sich dabei zurücklehnen. So zu leben, so zu denken ist also auch anstrengend, man kommt nie zur Ruhe. (Das erklärt auch die Vielzahl von "Methoden", mit denen man zur Ruhe zu kommen versucht, auch ohne Wahrheit. Man überläßt die Anstrengung einer Technik, einer Maschine, die tun soll, was man selbst nicht vermag. Gleichzeitig muß man das Denken, die Sprache verwischen.)

Das ist der Grund, warum die Menschen nicht wahr denken wollen, und ihre Sprache, ihr Denkgebäude dem Fleisch anpassen, nicht dem Sein selbst. Das ist der Grund, warum sie mit der Zeit auch ihre Sprache entgründen, die Begriffe verwischen, im Unklaren lassen. Denn die Last des Gerichts (also des Gewissens) ist auf Dauer zu groß.

Wahr zu denken, als das einzige wirkliche Denken ist aber nicht so sehr die Frage, ob man bereits alle Tugenden besitzt. Es ist vielmehr eine Frage der Bereitschaft, sich dem Gericht - der Wahrheit - zu stellen und immer auf sein Urteil zu hören. Aber wehe dem Denken des Menschen, der diesem Urteil nicht letztlich folgt. Es wird trübe.


Nach K-apisehimuh (Ottawa-Indianer), Der große Geist



*041017*