Dieses Blog durchsuchen

Sonntag, 5. November 2017

Wie die USA sich zu begründen suchten

Es gibt nun konkrete Bestrebungen, auch die Filmarchive nach political correctness zu durchforsten. Und alles zu eliminieren - das heißt: zu vernichten - was den heutigen Moralvorstellungen der Linken nicht entspricht. Darunter ist auch dieser Film: "The Birth of a Nation" aus dem Jahre 1915. 

Er ist ein Identifikationsversuch der USA, und für uns insoferne besonders interessant, weil sich die globale Lage damals auf einen Wettlauf zwischen den USA und dem seit 1871 bestehenden "Deutschland" zuspitzte. Beides wirtschaftlich (kapitalistisch) durch ähnliche Entwicklungen enorm erfolgreiche Länder, die gemäß ihren gesellschaftlichen Veränderungen einer sehr analogen, ja identen ideologischen Transformation unterlagen. Als die einer entwurzelten, rein bewußt gefaßten, willentlich verfolgten Idee. Mit einem entsprechenden Menschenbild, das sich in "Deutschland" in Nietzsche und Schopenhauer (beide stehen auf den Schultern von Hegel) geistig aufbereitet findet. 

In "The Birth of a Nation", von welchem Film man nicht sicher sein kann, wie lange man ihn überhaupt noch (gar auf Youtube) ansehen "darf", denn "Rassismus" ist noch der geringste der Vorwürfe, die heutige Überlegenheitsmoral dem Film vorwirft, versucht sich das aktuelle Amerika Wurzeln und Einheit zu geben. Durch Suche, durch völkische Suche, die mangels Ethnie ... in Rasse umschlägt. Der Film ist also ein Versuch der Identitätsstiftung, und das heißt: Die Schaffung einer originären Kultur.

So nebenbei: Dieses Unterfangen mußte scheitern. Und es tat es. Als sich diese Bewegung spätestens ab 1944 in massivem "social engineering" äußerte, die den Völkern Amerikas jede Wurzel raubten, um eine neue, ideologisierte "amerikanische Identität" zu geben. Wir werden darüber an dieser Stelle noch mehr handeln, denn es ist mittlerweile ein weltweites Thema.

Der Film ist somit ein bemerkenswertes Ringen um Deutungshorizonte, was denn eine Nation ausmache. Gerade 1915, als die Herkunftswelt Amerikas, Europa, in Flammen stand, suchte man (wie im 2. Weltkrieg) nach Anhaltspunkten, die ein Eigenes, Einigendes vor allem, als Legimitationsausweis zu finden trachteten. DAS muß man sehen - ohne Legitimität, ohne Legitimität im Absoluten, ist kein Volk überlebensfähig. Und dieses Absolute ist eine absolute Idee. Den Positivismus unterscheidet vom "Willen Gottes" aber das Moment, wo er meint, eine Idee willkürlich "setzen" zu können, und nicht aus dem ewigen Wissen Gottes, seiner Vorsehung also, abholen zu können.

Die - wichtig! - nichts mit Fatalismus zu tun hat! (Deshalb der Rückgriff der nationalistischen Staaten, weltweit, auf Hegel, also auf die Seinssetzung durch den dialektischen Automatismus des Faktischen der Historie.) Auch darüber werden wir noch handeln, denn nicht jeder wird Thomas v. Aquins "Summa contra gentiles" lesen können, in der diese Unterscheidung (auch in der Auseinandersetzung mit dem Islam, vor welchem Hintergtrund dieses sein zweites großes Werk gesehen werden muß oder kann, denn das ist dessen Problem) hervorragend ausgearbeitet ist.

Vor diesem Film wurde Film generell noch von der Ostküste finanziert, dem Hort des Protestantismus (Puritanismus). Diesmal war es anders. "The Birth of a Nation" kann deshalb als der erste große Hollywood-Film bezeichnet werden.

Und er setzt die Geschichte der USA als Nation mit dem Bürgerkrieg an. Als die USA als hehre Idee des Moralischen, des Heldenhaften begann, die beide Seiten, Süd- wie Nordstaaten, umfaßt. Die Südstaaten werden entsprechend im Unterschied gezeichnet. Und zwar ... in der Kultur, und das heißt: in der Sittlichkeit, im Temperament. Dort trieb es schon mal ein Herr mit seiner Sklavin, dort herrschte überhaupt eine eher schwüle Atmosphäre, ließ man es sich gut gehen, während aber die Nordstaatler moralisch kühl, "sauber" weil natürlich  puritanisch gedeutet doch überlegen blieben.

Aber die USA werden in diesem Film bewußt als Synthese aus beiden Seiten gezeigt - das ist eben die Geburt als Nation, wo alle Seiten in diesem (im Film so bezeichneten) "sinnlosen Krieg" zusammenfanden. Er sollte also sichtlich angesichts einer neuen Weltlage die Wunden von 1861/65 heilen und eine gemeinsame, versöhnte Selbsterzählung finden. Was immer man dem Film aber vorwarf: den Vorwurf, nicht realistisch dargestellt zu haben machte man ihm nie. Im Gegenteil, das war der Grund, ihn in den letzten Jahren erneut anzufeinden. Denn die political correctness mag genau das nicht: Faktentreue.  

Gewaltige Schlachtenszenen, Filmtechniken, die bis dahin unbekannt waren und fortan maßgebend wurden, Nachtszenen ("amerikanische Nacht"), insgesamt ein beeindruckender Realismus, der auch vor Gewaltszenen nicht zurückschreckt, lassen viele diesen Film als Beginn des amerikanischen Langfilms begreifen. Er wurde später zu deutlich Vorbild.

An den Kinokassen gilt er ohnehin als eine der erfolgreichsten Produktionen aller Zeiten, obwohl seine Herstellung - teilweise finden sich Massenszenen (Schlachten) mit tausenden Stastisten, vielfach wurde vor natürlicher Landschaftskulisse gedreht, was bis dahin unbekannt war weil als zu teuer galt (man drehte alles in Studios, mit Kunstkulissen) - die für die Zeit astronomische Summe von 100.000 Dollar kostete und man als Eintrittspreis an der Kinokassa den für 1915 horrenden Betrag von 2 Dollar verlangte.

Sämtliche an der Produktion Beteiligten, die sich aus vermeintlichen Ersparnisgründen auf Gewinnbeteiligung eingelassen hatten und von denen niemand mit Gewinn gerechnet hatte, wurden so überraschend zu Millionären. Interessant ist, daß ein guter Teil der späteren Filmgrößen Hollywoods (u. a. der legendäre Westernregisseur John Ford) in diesem Film mitwirkten und dort ihr später so erfolgreiches Handwerk lernten.

Angefeindet wird "The Birth of a Nation" aber vor allem wegen seines angeblichen Rassismus. Obwohl alle Stimmen ihm absoluten Realismus bestätigen. So würden Schwarze entweder als Unholde und Vergewaltiger, ohne jede Kultur, oder als gehorsame, solidarische, glückliche Diener dargestellt. Und zum Teil übrigens durch geschminkte Weiße gespielt, weil man nicht wollte, daß weiße Schauspielerinnen von Schwarzen am Set berührt würden, wie es das Drehbuch verlangte.

Verworfen wurde er aber dann von vielen, weil er die Rolle des KluKluxKlan als das darstellt, was sie auch war: Eine Notwehr nach der "Reconstrucion", in der die siegreichen Nordstaaten nach 1865 die Weißen im nunmehr unterworfenen Süden praktisch entrechtet, ja den Schwarzen in "positiver Diskriminierung" untergeordnet hatten. Es kam zu Übergriffen, sogar zu Greueltaten durch Schwarze, die sich als offizielle "Opfer" zu Ausschreitungen ermutigt fühlten. Die im Film dargestellten Szenen sind weitgehend authentisch! Dagegen stand damals flächendeckend eine Untergrundbewegung auf, der KluKluxKlan, der aus seinen Taten keinen Hehl machte, um durch Drohung die Ordnung wieder herzustellen. Der sich aber 1870 offiziell auflöste. Der heutige KluKluxKlan ist hingegen eine politisch und rassistisch motivierte Nachfolgeorganisation, die mit diesem ersten Klan nichts zu tun hat, aber seinen Namen benutzt.

Filmgeschichtlich ist das Werk auch deshalb interessant, weil es zeigt, wie sich der Film als Kunst aus der Symbolik heraus entwickeln konnte und sein erstes Stadium als Kuriosität überwand. Vor "The Birth of a Nation" nahm ihn niemand als Kunstform ernst. Film als Kunst ist aber die Darstellung von Symbolen, der Filmplot (heute das Wichtigste am Film) also ein Beziehungsspiel der Archetypen. Es muß also darum gehen, diese Archetypen durch dargestellte Beziehung - die Bildarchitektur - erkennbar zu machen, denn als Form der Photographie ist er auch schlicht naturalistisch. Erst die Komposition der Beziehungen der abgebildeten Dinge und Personen hebt ihn somit zur Kunst.










*161017*