Dieses Blog durchsuchen

Anmerkungen zu Von Schriftprache und Diebstahl (1)

Anmerkung* - Wenn wir in der Schrift diese beiden Worte nunmehr nebeneinander sehen - Privat und Kult - so zeigt sich darin auch ein wirkliches Moment. Nämlich eben das der GLEICHSETZUNG dieser beiden Sphären. die aber doch in ihrem Wesen aufeinnder zugeordnet sind, und zwr hierarchisch: Der Kult gibt die Kultur vor. Die Grammatik des Ersten formt die Grammatik des Zweiten. Die nun in jedermanns Hand liegende, konkrete, aus Papier und Druckerschwärze bestehende Bibel, in ihrer Bedeutung als Quelle des Geistigen, in der sie sogar den Kult ablöst (wäre da nicht noch das 3. Gebot der Pflicht zur Heiligung des Sonntags), erhält damit einen Rang,in der das Subjektive durch die konkrete Gestalt und Ordnung - Stapel Papier, der in meiner Macht steht - Übergewicht erhält.

Anmerkung² - Nun wurden die Niederlande endgültig zum finanziellen Zentrum Europas. Auch wenn sie das schon zuvor gewesen waren, aber lange nur als eines von mehreren. Weil die Rheinmündung - schon seit den Vikingern - die ersten Plätze waren, wo das Geld wieder eine Rolle spielte, ja wo es überhaupt Geld gab. Denn im Rest Europas herrschte Tausch- und Naturalwirtschaft. Wobei ein Umstand dabei die entscheidende Rolle spielte, der überhaupt für die Verbreitung von Geld die Hauptrolle spielte: Als die Form, wie Abgaben an die Obrigkeit zu bezahlen waren.
Und dazu haben sich Städte hervorragend geeignet: Sie hatten ein klar umrissenes, absperrbares Territorium, waren also komplett kontrollierbar, sie waren militärisch stark, sie waren Zentren des Handels als Orte des überregionalen Austauschs, sie waren durch klare Rechtssysteme orden- und regulierbar, denn sie waren territorial, nicht der Abstammung nach bestimmt, und sie waren perfekt geeignet, um Steuern von Fremden (Zölle) - und Geld spielt in Wahrheit stets nur im Fernhandel eine Rolle - einzuheben.
Und nicht zuletzt hatten die Städte die "ideale" Bevölkerung: Entwurzelte, der im Zuge dieser Gesantentwicklung immer strenger gehandhabten und vorgeschriebenen Zugehörigkeit zur Scholle Entkommene ("Stadtluft macht frei"), Überzählige (Söhne aus Landwirtschaften), Fremde aus anderen Ländern und sogar Kontinenten, somit auch als Informations- und Austauschbörse für Kenntnisse, jede Form von sonst nicht Gebrauchten (oder einfach aus der Bahn Geworfenen), Spezialisten (Handwerker), Händler und vor allem: Industrie, die zu allererst durch die Klöster (wer eine Stadt gründete hat immer auch versucht, ein Kloster zu etablieren) entstand, die arbeitsteilig organisiert waren und das theoretische Wissen archivieren und weitergeben konnten, weil sie auch Schulen hatten, damit die Schriftsprache beherrschten, die Voraussetzung für Verwaltung.
Natürlich waren die Städte auch Anziehungspunkt für alle Arten von Profiteuren menschlicher Schwächen und nicht immer tugendhaften Neigungen. Und auch hier steht allem voran das Geschäft der Geldleiher, noch vor dem der Unterhalter. Das meist aus dem Geschäft der Gold- und Silberschmiede hervorgegangen ist, wo aus Bestehendem (aus dem Schmelzen, also aus dem Ent-stalten) Neue Gestalt hervorgebracht wird. Und das sich natürlicherweise sofort mit dem Geschäft des Pfandleihers verquickt bzw. dieses "war", und dessen zweites Bein der Fernhandel war.
In jedem Fall waren es Geschäfte, die nicht besonders ehrbar oder Christen sogar verboten waren. Nicht aber Fremden, Identitätslosen, nicht aber Juden, und nicht wie eben alle Entwurzelten. Die wie alle Bürger zweiter Klasse als "zufällig am selben Territorium Lebende" am politischen Leben nicht teilnehmen durften, und denen ehrbare Berufe, die (etwa in Zünften) geregelt waren und Verwurzeltheit voraussetzen, versagt blieben.
Juden gehörten aber genau deshalb nicht nur - neben Klöstern - zur zweiten Bedingung, damit eine MODERNE (sic!) Stadtgründung gedeihen konnte, sondern sie waren in jeder Stadt - auf der ganzen Welt! - ein höchst fragiler Stand, dessen Wohl und Wehe engstens mit der obersten Obrigkeit zusammenhing. Denn ihr Aufkommen hatte überall mit einem sozialen Gefüge zu tun, das jene Dynamik aufwies, die einerseits vielfachen menschlichen Schwächen zuzuschreiben waren, aber anderseits von Fürsten und Königen und Kaisern höchst begehrt waren. Weil die GELD brauchten. Um ein Heer zu erhalten, um repräsentativen Prunk, vor allem aber persönlichen Luxus zu finanzieren.
Die Geschichte lehrt, daß diese Geldquellen vielfachen Begehrlichkeiten und deshalb der Versuchung der Enteignung ausgesetzt waren. Aber das betrifft nicht nur Juden, bei weitem nicht. Noch gebräuchlicher war es - und es verwundert, daß darüber keiner zu sprechen, ja daß das kaum jemand zu wissen scheint! - die KIRCHE zu enteignen! Denn die konnte sich auch nicht wehren. Und war aber durch die Opferbereitschaft der Menschen, die ihr (auch ihr marktfähiges) Vermögen ansteigen ließ, bis zum Ende des Mittelalters in gewisse Sinn "sehr reich" geworden.
In England schätzt man, daß das Vermögen der Kirche zu Beginn der Regentschaft Heinrichs VIII. etwa die Hälfte des gesamten Vermögens des Königsreiches ausmachte. Aber genau dort - es liegen viele schriftliche Aufzeichnungen vor - zeigt sich das Wesen dieser Gegebenheiten: Das Vermögen der Kirche war Allgemein-Eigentum. Vor allem in Form von Allmenden, also Land, das jedem Bürger zur Verfügung stand, und auf dem JEDER JEDERZEIT (!) genug Resource hatte, um sich AUF JEDEN FALL am Leben zu erhalten. Selbst Pacht- und Mietverhltnisse waren immer so geregelt, daß die Kirche am Schicksal des Pächters oder Mieters TEILHATTE. Das heißt, daß die Rückzahlungen oder Abgaben immer mit der Ertragskraft zusammenhingen. Fiel etwa eine Ernte wegen schlechten Wetters ("Klimawandel" ...) aus, dann hatte auch die Kirche keine Einnahmen.
Die sogenannte Reformation in England, die jahrzehntelang keineswegs und auch nur irgendwie theologische Gründe hatte, die kamen erst später "dazu" und wurden für eine Veränderung des Glaubens benützt, war deshalb auch ausschließlich von der königlichen Begehrlichkeit motiviert. Denn Heinrich VIII. brauchte viel Geld, und er hoffte, es aus dem Kircheneigentum generieren zu können. Eine Rechnung die (aber bei weitem nicht nur bei ihm) nicht aufging, aber auf die Lebenslage und den Wohlstand der Bevölkerung dramatische Auswirkungen hatte. Keine hundert Jahre später war England, das noch im 14. Jahrhundert dafür gerühmt wurde, daß dort JEDER gut leben konnte, wo es Armut und Elend nicht gab, das Land der städtischen Slums und des ungezählten Elends. 90 Prozent der Engländer waren dabei nichr nur arm, sondern gezwungen, ihre Haut zu Markte zu tragen. Arbeit wurde zur Ware, der Mensch zur nutzbaren Leistungsmaschine.
Wie die Geschichte weiterging? Die Begehrlichkeit der englischen Könige wurde unermeßlich, ihr Vorgehen völlig skrupellos. Raub und Diebstahl wurden zur Methode, mit der sie sich finanzierten, die eigene Bevölkerung sank zu weiten Teilen auf das Niveau von Sklaven herab. Als all das nicht reichte, fiel der gierige Blick über den Kanal - nach den Niederlanden. Und ein einziger Krieg genügte, um den Niederländern, die wie alle "Habenden" die Vorsorge vernachlässigt hatten, ihren Reichtum abzunehmen.
Das Finanzzentrum Europas wanderte nun fünfzig Kilometer weiter westlich - nach London. Und mit ihm die Weltanschauungsindustrie. Fortan wurde Europas Geisteswelt von englischen Ideen unterspült und revolutioniert. Und das heißt: Von der Art, wie man das Funktionieren der Welt verstand. Die englische Philosphie (und mit ihr die gesamte moderne Philosophie Zentraleuropas) wurde zu einem Akt der gewaltsamen Aneignung der Welt, der sich dann - nach der militärischen Überwindung - in Frankreichs Aufklärungswelt so katastrophal ausgewirkt hat.

Anmerkung** - Und das ist es ja dann, was man mit Schöpfung bezeichnet: Einmal ist Welt nur Welt weil und wenn sie leiblich ist (und Leiblichkeit ist das Streben alles Lebendigen; niemand würde sagen, daß ein Hund, dessen Körper verwest ist, noch "real da ist"; vielmehr ist er eben eine Symbiose von Idee und Fleisch, und immer erst im konkreten "Dieses da", in dieser Synthese; den Menschen unterscheidet also vom Tier nicht diese Struktur des Seienden, sondern die Art seiner Seele als das Prinzip alles Lebendigen, als Vernunftseele, die auch mehr ist als bloß "rational" - selbst ein Tier kann in gewissem Umfang denken), und dann ist sie nur Schöpfung und also "da", weil sie Gestalt wurde und im Aktiv-sein, das das Seiend-sein ist, laufend neu "isset", also "im Seiend-werden ist"

Anmerkung*** - Es ist keineswegs weit hergeholt, wenn an dieser Stelle der Hinweis erfolgt, daß sogar lebendige Vorgänge mittlerweile dem Verschriftlichungssiegel unterliegen - in Form der Patentierung von Lebendigem, von genetischen Gestalten, von Saatgut (das genetisch in bestimmtes Verhalten gedrängt wird) oder von tierischen Samen. Wer den besseren Schriftsatz hat, also den clevereren Anwalt, der das Rechtssystem, dessen Gültigkeit sich auch immer mehr auf den Stand seiner Verschriftlichung reduziert, der gewinnt - so könnte man das ausdrücken.