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Sonntag, 31. Januar 2010

Nur wo es schön ist ...

Der Agrarökonom und Landwirt Prinz zu Löwenstein, im Deutschlandradio über die Lage in Haiti, wo er sich im Rahmen der kirchlichen Aufbauhilfe befindet:

Die jahrzehnte-, wenn nicht jahrhundertlange Situation von Rechtsunsicherheit (vor allem natürlich von Eigentum) hat bewirkt, daß Landwirtschaft ausschließlich auf rücksichtslose, egoistische Exploitation des Vorhandenen aufgebaut war. Dadurch sind in den wenigen und nur intensiv und sorgfältig zu nützenden landwirtschaftlichen Anbauflächen - eine Topographie vergleichbar der Schweiz, bei einer Bevölkerungsdichte wie jener Belgiens - die Böden entweder ausgelaugt, oder gar nicht mehr vorhanden, vom Regen in die Flüsse ins Meer geschwemmt.

Speziell Modelle von Gemeinschaftseigentum bzw. Eigentumslosigkeit, in Wahrheit: Modelle individueller Verantwortungslosigkeit, oder Selbstverwaltung hätten einen völlig falschen Umgang mit den natürlichen Ressourcen bewirkt, hätten es aber bei der topographischen Situation Haitis immer bedurft.

Kirchliche (sozial-technische) Strukturen seien da in Haiti die stabilsten Strukturen gewesen.

Weil derzeit, durch Hilfsorganisationen, so umfangreiche - kostenlose - Lebensmittellieferungen ins Land stattfinden drohe kurzfristig der endgültige Kollaps der Landwirtschaft Haitis, wenn man nicht auch im selben Zug die dortigen Ernten aufkauft, weil die Bauern sonst pleite gehen werden.

Zudem sei unbedingt darauf zu achten, daß zum Beispiel beim Neubau der zerstörten Siedlungen auch "schön" gebaut werde - bereits jetzt sei die Abwanderung vor allem der Eliten der Bevölkerung (unter ihnen der Blutzoll beim Erdbeben besonders hoch, denn um 17.00 Uhr nachmittags waren in hohem Maß Büroarbeiter, Führungskräfte von einstürzenden Häusern in Port au Prince betroffen) bedrohlich hoch. Es müsse also auch dafür gesorgt werden, daß die Hilfe ein Land wiederaufbaue, in dem die Menschen auch leben wollten.

Das Ausmaß der wirklich notwendigen Hilfe, um Haiti - seine materiale, vor allem aber eine funktionierende immateriale Infrastruktur - wieder aufzubauen, sei enorm hoch und würde an sich viele Milliarden an Geldern verlangen, die über "Katastrophenhilfe-Portokassen" nicht zu begleichen sind.

Sie waren "frei von", 1806, als sie die (zahlenmäßig wenigen) Bedrücker, vorwiegend Franzosen, aus dem Land warfen (vgl. dazu den Roman "Schwarze Trommeln auf Haiti", von K. Roberts, dessen Schilderungsqualität, auch in seinen anderen Romanen, die einer wissenschaftlichen historischen Quelle hat) - aber waren sie auch "frei zu"? Das Joch der Sklaverei war abgeschüttelt - aber die aufbauende Neuorganisation einer Gesellschaft, eines Landes, ist ein völlig anderes Paar Schuh, die eine individuelle Sittlichkeit und Kulturtauglichkeit verlangt, die kein Aufklärungsideal je herstellen konnte.




*310110*

Wahres ist schön

"Als den einzigen gangbaren Weg zur Schönheit erwählte ich für mich - die Wahrheit." 

(Fedor Schaljapin)




Der russische Bassbariton Fjodor Iwanowitsch Schaljapin (auch Fedor Chaljapin) wurde am 1. (oder 13.) Februar 1873 als Sohn eines Tagelöhners und, wie berichtet wird, Trunkenboldes in Ometewa nahe der Tatarenstadt Kasan geboren; Er verbrachte eine recht unglückliche Kindheit in mehr als ärmlichen Verhältnissen, machte erste sängerische Erfahrungen als Chorknabe und arbeitete bereits mit zwölf Jahren an verschiedensten Theatern als Statist; zum Lebensunterhalt seiner Familie musste er mit Gelegenheitsarbeiten beitragen. Mit sechzehn Jahren verließ er sein Zuhause und zog mit dem Chor einer Operettentruppe über Land, als 17jähriger bekam er – ohne je eine entsprechende Ausbildung erhalten zu haben – ein Engagement am Panajew-Theater, wo er die Bekanntschaft des Tenors Dmitri A. Ussatow machte, der ihm unentgeltlich Gesangsunterricht gab und ihm ein Engagement bei einer Operntruppe in Tiflis verschaffte. Dort sang Schaljapin zunächst kleinere Rollen, kam dann 1895 an das Mariinski-Theater nach Sankt Petersburg, wo er als "Méphistophélès" in Gounods Welterfolg "Faust" erstes Aufsehen erregte und das Publikum mit seiner schönen Stimme, aber auch seinem intensiven, den Rahmen des Gewöhnlichen sprengenden, Spiel begeisterte. Ein Jahr später wechselte er an die Oper von Nischnij Nowgorod, kam dann nach Moskau, wo seine triumphale Karriere als Opernsänger begann. 




*310110*

Samstag, 30. Januar 2010

Zur Strecke gebracht

Der Tag, an dem Generalissimo Franco 4601 Rebhühner erschoß. (Bild: Der ehemalige spanische Diktator inmitten seiner Strecke)






*300110*

Freitag, 29. Januar 2010

Geldvermehrung

Eine zu früheren Zeiten gerne verwendete Art der Geldvermehrung - die aber von der heutigen Art, über nur durch Zukunft gedeckte Kredite, nicht wirklich unterschieden ist - war die "Münzverschlechterung", wie sie z. B. per am 18. Januar 1622 gegründeten "Münzkonsortium" des Habsburgerreiches durchzuführen beschlossen wurde:

Der Kaiser verpachtete (gegen jährliches Fixgeld von sechs Millionen Gulden) die Münzprägung an Wallenstein, Karl von Liechtenstein, den Finanzmann Hans de Witte (einem Calviner!), Graf von Weitzenhofen, und, neben einigen weiteren, dem jüdischen Prager Finanzfachmann Bassevi (an dem der Ruf hängenblieb).

Damit war das Recht erkauft, auf 46 Gulden, durch Reduktion des Gold- u Silbergehalts, 70 zu schlagen.

So war mit einem Schlag sogar der Krieg (halbwegs, und scheinbar) finanziert: durch eine (stille) Inflation von 30 Prozent, hervorgerufen - durch eine Geldvermehrung um eben diesen Betrag, den man an zusätzlichem Geld in die Wirtschaft steckte.

Natürlich war es nur eine Frage der Zeit, bis die Realwirtschaft darauf - durch Preiserhöhung - reagierte. Was, wie im Falle Wallenstein, nur den Kaiser in nächste Bredouillen brachte: denn Wallenstein war zugleich auch der Ausrüster der von ihm aufgestellten Heere.

Wie wurde solch ein marodes Finanzsystem wieder saniert? Durch Roßkuren. Leibniz hat es in Braunschweig-Hannover vorexerziert: Durch "Münzbesserung" wurde dem Markt nach und nach wieder Geld, und damit: Nachfrage, entzogen, wobei Leibniz dafür sogar noch zusätzlich gewonnenes Edelmetall verwendete, was ja riskant war - weil den inneren Kaufwert der Währung erhöhte. Was hinwiederum, vor allem durch selektiven Import, aber auch durch staatliche Unternehmungen, wie den Bergbau, die Salpetergewinnung, die Wirtschaft denn doch ankurbelte! Denn nach der Hannoveranischen Währung bestand nun hohe Nachfrage: man wollte mit dem Land ins Geschäft kommen. Dadurch ... senkten sich die Preise wiederum.


*290110*

Donnerstag, 28. Januar 2010

Einer zahlt schließlich

China hat, ähnlich England in den Jahrzehnten vor der Weltwirtschaftskrise 1930-33, in den letzten beiden Jahren zunehmend den Puffer "gespielt. (Wenn auch nicht ganz uneigennützig! Was nützt es China, wenn ihm seine Märkte wegbrechen?) Es war der einzige Staat der Welt, der die Produktion aufrechthalten, ja steigern konnte. Und hatte ausreichend Reserven, um manche Belastung, die ihm von den Staaten der Welt auferlegt wurden, auszustehen.

Wie geht so etwas? China hat, obwohl es das auf eine Weise nicht nötig gehabt hätte, zusätzliches Geld geschaffen (also mehr Geld als Waren entspricht, um zusätzliche Nachfrage zu schaffen - China hatte Nachfrage genug), und toleriert, daß es über die Exporte und stabile Preise "wertloseres" zusätzliches Geld ins Land holen mußte. Es hat also das Spiel (noch einmal: nicht uneigennützig, keine Frage, sondern fast notgedrungen, wollte es eine eigene, aber sicher kleinere Krise, vor allem aber völlige Änderung der Zukunftsrouten vermeiden) mitgespielt. Und China ist ohnehin der weltweit, mit Indien, stärkste Binnenmarkt. Beide sind immer noch starke Nachfragemärkte (wo also die Nachfrage nach Gütern das Angebot immer noch überwiegt), etwas das es im Westen ja schon lange nicht mehr gibt. (Und das man im übrigen in der EU mit der "Osterweiterung" zu schaffen versuchte.)
Damit hat China akzeptiert, daß über diese zusätzlichen Geldmengen seine Zukunft belastet wurde (Immobilienpreise, die steigen, zeigen das an) Entweder aber fürchtet man nun, daß die "Geldinhaber" auch die "Warenwerte dafür" einzulösen versuchen (wie England bis 1929, das Gold der Fremdländer vertragsgemäß - wie es am Geldschein stand - zu halbwegs versprochenen Preisen gegen Gold einlöste), oder es passiert tatsächlich, über Wareneinkäufe, die mit "ungedecktem Geld" bezahlt werden, und so die Produktion in China weiter anheizen: nun meint man, etwas dagegen tun zu müssen. Ob präventiv, oder weil wirklich der Hut brennt, ist im Moment kaum zu sagen.

Aber auch in China zeigen sich offenbar jetzt Anzeichen von Überhitzung, von Überforderung - Zeichen von zuviel Geld am Markt. Das wird nun versucht durch Drosselung der Geldneuschöpfung, ja überhaupt durch Drosselung der Geldmenge (über Krediteinschränkungen), in den Griff zu bekommen. Aber der Anstieg der Immobilienpreise, in dessen Gefolge das Kreditvolumen steigt (Kredite sind meist mit Immobilienwerten besichert), läßt Sorgen laut werden, daß man einer nächsten Blase zusteuert, was heißt: daß die Blase schneller platzt, als Geld dem Markt entzogen werden könnte. Weil das von China zusätzlich geschöpfte (und, nicht zu vergessen, das ins Land geflossene) Geld der letzten Jahre von seinen Besitzern - aus Angst, aus Kalkül, was auch immer - effektuiert wird, das heißt: auf reale Werte zurückgeschrumpft wird. Denn ins Ausland zu investieren, das Geld (noch mehr, übrigens, denn China ist bereits gigantischer Auslandsinvestor) also zurückzuschieben, wo es herkommt, scheint für China ja ebenfalls zu wenig vielversprechend - und hätte die Probleme in diesen Ländern wiederum verschärft.

Es ist eben einmal so: Geldvermehrung im Netz internationaler Wirtschaft verlangt immer irgendeinen am Markt, der die Versprechen auf Leistung glaubwürdig hält oder am Ende sogar zumindest weitgehend(er) erfüllt, vereinfacht ausgedrückt. Zumindest so lange, bis auch andere wieder beispringen können.

1929 hat England diese Rolle, die es jahrzehntelang hatte, aufgekündigt. Die Belastungen aus dem Ersten Weltkrieg waren zu hoch, man wollte einen Neuanfang starten. Nur haben nicht alle mitgespielt, und vor allem aber ist niemand ersatzweise eingesprungen. Die USA taten das erst während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie KÖNNEN seit Jahren zunehmend diese Rolle aber ebenfalls nicht mehr übernehmen. Nun war quasi die Rolle an China.

Was also versucht man in China, das regelrecht "zuviel Geld" hat, um an diesen Brocken nicht zu ersticken? Wohl nicht das, was Obama verspricht - noch mehr Geld am Markt, denn er spricht schon wieder vom Kampf gegen Arbeitslosigkeit, und das verheißt nie Gutes, wenn das Regierungen tun. Wobei Obama populistisch die Quadratur des Kreises verspricht: weniger Arbeitslose, und gleichzeitig Sparprogramme ...


Lesen Sie, was der Kurier schreibt:

Nicht nur das mehr als fünf Quadratkilometer große Gelände für die Weltausstellung in Schanghai ist eine riesige Baustelle. Alle chinesischen Großstädte werden von Kränen und Baustellen beherrscht. Und die Immobilienpreise wachsen schneller als die Wohnblocks in den Himmel.

Laut offiziellen Meldungen aus China verteuerten sich Eigenheime im Vorjahr im nationalen Durchschnitt um fünf bis zehn Prozent. Insider gehen aber von weit höheren Werten aus. In Shenzhen etwa, einer Industriestadt in der Nähe von Hongkong, sollen sich Immobilien binnen eines Jahres um fast 17 Prozent verteuert haben. Bei Luxusapartments in Großstädten gab es eine regelrechte Preisexplosion mit Teuerungen von 40 Prozent.


Angst geht um

Nun geht weltweit die Angst um, der Boom könnte sich als riesige Immobilienpreisblase herausstellen. Platzt diese - wie vor der aktuellen Krise in den USA oder in den frühen 1990er-Jahren in Japan -, könnte das das Wirtschaftswachstum Chinas über Jahre hinaus abbremsen. Und dadurch die Entwicklung der Weltwirtschaft dämpfen.

Beim Platzen einer Blase könnte die Weltwirtschaft in eine neue Rezession stürzen, warnte der Internationale Währungsfonds (IWF) diese Woche. "Es gibt schon konkrete Gefahren von Blasenbildung in vielen Schwellenländern", sagte Österreichs Notenbank-Chef Ewald Nowotny zuletzt. Die Notenbanker beobachten daher auch spekulative Geldströme in Ländern wie China und Brasilien mit Argusaugen.


Bremse

China versucht nun, die richtigen Rezepte gegen die Überhitzung der Immobilienpreise und der gesamten Konjunktur zu finden. Wohnungsbesitzer müssen ihre eigenen vier Wände nun fünf Jahre behalten, um von Steuerbegünstigungen zu profitieren. Damit soll das sogenannte Flipping eingedämmt werden, bei dem Wohnungen innerhalb kurzer Zeit ge- und wieder verkauft werden, bevor sie überhaupt fertiggebaut sind, um rasche Profite zu erzielen. Sozialer Wohnbau mit billigeren Wohnungen soll stärker gefördert werden.

Auch bei der Kreditvergabe steigt China auf die Bremse. Die Banken sind angewiesen, heuer umgerechnet höchstens 800 Milliarden Euro zu verborgen (nach mehr als 1000 Milliarden im Vorjahr). Weil sie in den ersten 19 Jänner-Tagen bereits 150 Milliarden an Krediten vergeben hatten, bekamen die großen chinesischen Institute die Order, bis Monatsende überhaupt kein Geld mehr herzugeben.




*280110*

Die Terrorkeule

Seltsam, diese innere Sperre, die man allmählich zu fühlen beginnt, beobachtet man Entwicklungen, die ein Leben in diesem Land mehr und mehr abschnüren. Schon vor Wochen war in den Medien zu lesen, daß ein neues Mediengesetz von den Grünen gefordert sei, in welchem - unter dem Titel der "Terrorbekämpfung" (!) - ein "Diskriminierungsverbot" vorkommt, das ohne viel Phantasie zur Unterdrückung von Meinungen ideal ist, die nicht dem linken und totalitären Mainstream nützlich sind.

Andreas Unterberger berichtet nun in seinem Blog, daß tatsächlich ein solches Gesetz (und wieder: durch Justizminister Dr. Claudia Bandion-Ortner ... es ist, wie hier schon mehrfach hingewiesen, die ÖVP, die gesellschaftspolitisch Handlanger der Linken geworden ist!) in Beratung sei.

Der Gesetzestext lautet:

§283
‘(1) Wer öffentlich zu Gewalt oder Haß oder auf eine Weise, die geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu gefährden, zu einer sonstigen Handlung gegen eine nach den Kriterien der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, der Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft, des Geschlechtes, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung definierte Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe wegen dessen Zugehörigkeit zu dieser Gruppe auffordert oder aufreizt, ist mit Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren zu bestrafen. 

(2) Ebenso ist zu bestrafen, wer öffentlich eine der in Abs. (1) bezeichneten Gruppen in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft oder verächtlich zu machen versucht.’

Darunter also "Reizthemen", gesellschaftspolitische Streitpunkte und Bezüge auf "Normalität" und "sens ratio" (Ausländerthemen), die hier per Diktat im Sinne eines ideologischen Lenkungsstaates (man nennt das: Totalitarismus) "entschieden" werden - dabei sind manche dieser Themen für einen Katholiken nicht einmal diskutierbar! Ist es also zukünftig "Aufruf zu Haß", wenn man die wissenschaftlich absolut untermauerte (nur von den Grünen beziehungsweise Linken aufgrund eines völlig anderen Menschen- und Weltbildes nicht verstandene) These vertritt, daß Homosexualität eine Charakterneurose ist?

Der ehemalige Chefredakteur der PRESSE sowie der WIENER ZEITUNG verweist solche Ansinnen in den Bereich subjektiven Anstandsbegriffs, die nicht der Regelung des Staates unterliegen dürfen. (Der kann solche Anstandsbildung lediglich indirekt fördern oder bekämpfen - durch Änderung der entsprechenden Umstände.) Und Unterberger hat ebenfalls und vor allem Recht (auch wenn es keinen Schaden tut, in den kontroversiellen Postings unter dem Artikel ein wenig zu schmökern), wenn er davor warnt, daß dieses Gesetz aufgrund der Relativität des Begriffes "Haßaufruf" eine beliebig und vor allem politisch leicht mißbrauchbare Keule zur Unterdrückung von Meinungen und deren Wirksamkeit ist, die nicht nur unnötig (wo wären plausible Zusammenhänge mit "Terrorbekämpfung"? wird Terror nicht gerade durch solche Gesetze provoziert?) sondern ein nächster, aber wichtiger Schritt zur Manipulation zur Unfreiheit ideologischer Verhaltenszwänge der - und zwar genau der - ohnehin bereits über alles Maß gequälten Menschen Österreichs ist.

Dazu noch ein kommentierender Artikel im Standard - auch er befaßt sich mit der Problematik, daß "verwerflich" (ein moralischer Begriff) mit "strafbar" verschwimmt. Vorgeblich ist dieses Gesetz gegen islamische Haßprediger gerichtet, gegen die man nun eine Handhabe schafft. Aber schon die Reaktionen von Vertretern von Homosexuellenverbänden lassen Schlimmes befürchten: denn schon die Nicht-Akzeptanz von "Normalität der Homosexualität" ist in ihren Augen untragbare Diskriminierung.

Die wahre Brisanz des Gesetzes kommt zum Vorschein, wenn man liest, was das Innenministerium sogar noch an Verschärfung vorschlägt: Auch wer "gegen die Wertvorstellungen eines europäischen, demokratischen Staates und seiner Gesellschaft eingestellt ist" und aus diesen Gründen zu feindseligen Handlungen aufruft, solle bestraft werden.

Und wenn den Kollegen des Autors dieser Zeilen, K mit Namen, den geneigten Lesern längst bekannt, jemand fragt, so gibt es seiner Ansicht nach in den Reihen der Grünen selbst einen eindeutigen Haßprediger - K meinte gar, man müsse lange nachdenken, bis einem ein Politiker derart klar ideologisch-totalitären Zuschnitts einfiele, wie der Wiener Grünen-Gemeinderat Marco Schreuder:

... grüner Gemeinderat in Wien und Homosexuellen-Aktivist, zeigt sich gegenüber derStandard.at "erschrocken" von den Äußerungen Benn-Iblers (des Rechtsanwaltskammerpräsidenten, der vor Meinungsäußerungseinschränkung durch das neue Gesetz warnt, Anm.). "Zwischen freier Meinungsäußerung und Verhetzung liegen Welten", so Schreuder. (Dieser Meinung sind wir nicht, weil seine Definitionsbezugspunkte vom Standpunkt in vielen in Wahrheit unvereinbaren Weltanschauungsdifferenzen zum Beispiel zwischen K und Marcus Schreuder abhängt, Anm.). "Es ist nicht akzeptabel, daß mit diesem Argument diskriminierte Gruppen gegeneinander ausgespielt werden". Er sieht eine "Hierarchisierung" der von Diskriminierung Betroffenen. "Wir brauchen diese Erweiterung des Verhetzungsparagraphen", meint Schreuder.

Nicht freilich ausgelassen sollen hier, zurückkehrend, einige originelle Einschübe Unterbergers werden - als Bonmots zum Schluß:

Was in diesem Gesetz steht, engt den Kern der Freiheit viel mehr ein als ein Ganzkörperscanner (anstelle der Ganzkörperbetastung) oder die Rufdatenerfassung (solange wie geplant nur die Telefonnummern, nicht aber die Gesprächsinhalte aufgezeichnet werden).

In China wehren sich wenigstens immer mehr Menschen gegen die Gedankenpolizei. Bei uns wird der herrschende Linksliberalismus erst erwachen, wenn man merkt, dass auch einige seiner Lieblings-Stereotypen nun mit zwei Jahren Haft bedroht sind, wie etwa “Die Kirche ist die größte Verbrecherorganisation der Welt”.

Und: ein Posting eines Lesers des Blog Unterbergers, das da lautet:

Zitat E. Strasser: “Die ÖVP muss deshalb gerade jetzt dafür kämpfen, dass die christlich-soziale Ausrichtung erhalten bleibt, die wir 50 Jahre aufgebaut haben.”
http://www.oevp.at/europa/index.aspx?pageid=40457
Die ÖVP macht eben keine christliche Politik und sollte ehrlicherweise damit nicht hausieren gehen.
 
Zitat Andre Heller: Die SPÖ manifestiert “eine beschämende Geistlosigkeit, ein radikales Fehlen an Einsichten und Würde”.
http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/535736/index.do?_vl_backlink=/home/index.do
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Die abgrundtiefe Unfähigkeit von SPÖVP ist der Nährboden für dasjenige, was dann angeblich keiner haben will.

Oder: 

In Wien werden „Zeichen gegen die heutige Diskriminierung der Homosexuellen“ gesetzt. „Political correctness“ verpflichtet scheinbar, nicht nur die Rechte der Homosexuellen zu respektieren, sondern zu denken, Homosexualität sei in sich ethisch positiv.
Riskiert man künftig eine Gefängnisstrafe wenn man einerseits deutlich sagt, daß man dies für falsch hält und es auch falsch sei, daß negative Urteile über Ehe und Familie von Journalisten in den Massenmedien problemlos gebracht werden?
Von Seiten der Linken werden Patchwork-Familien und Singles gefördert, statt funktionierende Familien zu unterstützen.
Reizt man öffentlich mit dieser Aussage gegen eine Gruppe von Personen, wie konkret die „Linken“ zum Haß auf?
 

Oder:

Es ist ja heute schon so, wenn zu mir (Ethno-Deutscher, mütterlicherseits Vorfahren Tiroler) ein Türke sagt: “Scheiß Deutscher” und ich antworte “Scheiß Türke”, werde ich als Deutscher verurteilt wegen Volksverhetzung, der Türke darf das zu mir sagen…!!

Man kann nur noch in Australien, Canada oder den USA um Asyl bitten, in Österreich lohnt sich das Asyl nur noch für Moslems und Balkanesen, denn die dürfen alles was sie wollen, auch sagen!!

Derzeit findet in den Niederlanden ein solcher Volksverhetzungsprozess statt. Der Beklagte beruft sich auf die Wahrheit seiner Behauptungen und hat die entsprechenden Zeugen aus dem islamistischen Kreis laden lassen, unter anderem den linkslastigen islamorientierten Mörder von Van Gogh, der auf grausamste Weise auf offener Straße umgebracht wurde….




*280110*

Krieg der Biersäufer

So ganz wohl war da niemandem, als Friedrich V. von der Pfalz den Antrag der böhmischen Stände zum König in Prag annahm und sich am 4. November 1619 krönen ließ. Zweifellos ein Akt gegen den wenige Wochen zuvor in Frankfurt zum Kaiser gekrönten Ferdinand II., dem Habsburger. Selbst sein Schwiegervater, der englische König Jakob I., riet ihm dringend ab. Aber Friedrich entschied sich anders, und verbrachte mit seiner schönen und lebenslustigen Frau vorerst gleich einmal einen Winter in einem wahren Rausch der Sinne in Prag.

Johann Georg I. von Sachsen
Selbst protestantische Landesherren stellten sich hinter den katholischen Kaiser. Allen voran der sächsische Kurfürst Johann Georg I. Ein legendärer Biertrinker im übrigen: angeblich betrug sein täglicher Konsum ca. zwanzig Liter. Im Durchschnitt. Bei manchen Anlässen stieg sein Verbrauch noch erheblich. Gegen welchen sich denn doch Unmut erhob, trotz seiner erklärbar leutseligen Stimmung und unstillbaren Jagdlaune. Nicht nur, weil er stets etwas betrunken war (der Volksmund nannte ihn "Bierjörge"), sondern seine Hofhaltung war vielen einfach zu verschwenderisch. Aber so nüchtern blieb er denn doch, daß er die Calvinisten in Prag noch mehr als die Katholiken zu hassen nicht vergaß. Wie alle Lutheraner im übrigen.

Zupaß kam dieser Konfliktherd lediglich einer Reihe von Feinden des Reiches. Allen voran den Türken, sowie den Siebenbürgern unter Bethlen Gabor. Nebst vielen protestantischen Ungarn, die die türkische Schreckensherrschaft vorzogen, auch wenn sie letztendlich 90 Prozent der Ungarn das Leben kostete.

Weshalb neuerlich Deutsche in einer zweiten Welle ins Land geholt wurden. Womit man gleichzeitig das Protestantenproblem per 1648er Frieden - "eius regio - cuius religio" - elegant zu lösen meinte.

Aber die Böhmen selbst hatten ein schlechtes Gewissen erster Güte. Ein böhmischer Adeliger, wird überliefert, schrieb dazu (und hier soll es gebracht werden, zum Schlaglicht auf das Thema, welche Motive denn hinter diesem 30jährigen Kriege gestanden hätten):

"Bethlen Gábor [der bekannt hinterlistige, ja verschlagene Fürst von Siebenbürgen, als Vasall von Istanbul recht fest im Sattel; Bild: die 2010 aktuelle Ungarische Banknote mit seinem Konterfei; Anm.] sagt: er suche nicht Gerechtigkeit, sondern Herrschaft. [Der Herzog von; Anm.] Anhalt sagt: er suche Geld; ebenso die anderen Obersten und Hauptleute. Darin liegt eine gewisse Ehrlichkeit. Aber auch das Gewissen will befriedigt werden, und deshalb schiebt man die Religion vor. In Wahrheit war das Bekenntnis unter den Habsburgern zehnmal freier als unter den Calvinisten. Darum haben der Kurfürst von Sachsen und die anderen Lutheraner mit weisem Bedacht die Partei des Kaisers ergriffen. Was hat denn auch unser König [Friedrich V. von der Pfalz, Anm.] getan? Er hat Bilder zerstört, das Wohl der Generalstaaten in böhmischem Bier getrunken und mit böhmischen Damen getanzt.

Mögen wir Sieger sein oder Besiegte: unser Los ist schwer. Siegen wir, so steht die lange Reihe derer da, die Friedrich geholfen haben, gierig nach Besitztum und Geld auf unser Kosten. Werden wir besiegt, so kommt über uns der Zorn des schwer beleidigten Kaisers. Was ist auch anderes zu erwarten? Wir haben dem Kaiser genommen, was des Kaisers ist, und was Gottes ist, haben wir dem Türken angeboten."

Entsprechend sah dann 1620 zur entscheidenden Schlacht am Weißen Berg auch die Streitmacht Friedrichs d. V., des "Winterkönigs" - weil er nicht länger regierte - aus, mit der er sein äußerst wohlhabendes Königreich Böhmen verteidigen wollte: fast keine Tschechen fanden sich da, sondern nur Deutsche, Ungarn und Engländer.



*280110*

Mittwoch, 27. Januar 2010

Eine Probebohrung: Wer ist Künstler?

Wenn eine Ölgesellschaft das Risiko auf sich nimmt, Ölförderanlagen aufzustellen, so setzt sie immer eine Probebohrung. Um zu sehen, ob das voll gültige Projekt auch ergiebig genug ist, um auf diesen Ort auch fest zu bauen.

So gibt es auch zum Thema "Was, und wer ist ein Künstler?" viele Gedanken, und gerade heute: viele widersprüchliche Aussagen, aber kaum Gültiges. Denn nicht zuletzt ist der Künstler sogar sich selbst ein Geheimnis, und so zeichnet sich auch ein Kunstwerk als Geheimnis aus - oder es ist nur ein Machwerk, eine technische Funktionsleistung.

Und die simple Gleichsetzung des faktischen Soseins mit Kunst (wie es Marcel Duchamp vor 100 Jahren meinte, als er die berühmte Kloschüssel aufstellte - weil nichts umfassender Wirklichkeit sei als die faktische Wirklichkeit selber, alle "künstliche" Formensprache sei Konvention, Kunst, Technik, Ästhetik und Wirklichkeit nur Vereinbarung) - die ersparen wir uns. Denn wenn alles Kunst ist - dann ist nichts mehr Kunst. Dann sind Kunst und Alltag lediglich austauschbare Begriffe. Ein Begriff aber, der nichts spezifiziert, ist sinnlos.

Versuchen wir es von einer anderen Seite. Denn die Diskussion um die Einführung um eine "Ärzte-GesmbH" macht bewußt, daß der Arztberuf (und man spricht hier von der "Kunst der Ärzte") in höchstem Ausmaß persönlich ist. Er kann an keine Technik abgetreten werden. Dies wird zwar - aufbauend auf dem mechanistischen Menschenbild der vergangenen Jahrzehnte - versucht, und möglicherweise auch in der Ausbildung so gesehen, aber jeder, der bereits Patient war, erkennt sofort (und: oft genug unerklärbar) den Unterschied zwischen einem Arzt, der ihn mit offenem Herzen ansieht, und jemandem, der eine Untersuchung nach der anderen anordnet, bis die Daten einem Terminus seiner Gebrauchsanweisung entspricht.

Ich selbst habe solche Ärzte noch erlebt - in meiner Kindheit vor allem: die einen ansahen, und sofort wußten, was man hatte. Die nur horchten, abklopften, den Bauch tasteten ... wie der Wein wurden sie je älter desto besser. Sie haben den Menschen noch ganzheitlich gesehen, und sind ihm auch so begegnet: als Geheimnis.

Dem man nur ihm entsprechen begegnen kann: mit dem Ohr am eigenen Herzen.

Viele Beispiele gibt es für solche Ärzte, und Sauerbruch (dessen Biographie gerade deshalb jedem ans Herz gelegt werden kann) liefert, neben so vielen anderen Vorbildern, ein Beispiel dafür ab, wie sich solche Haltung mit einer sachlich-technischen Höchstleistung nicht nur nicht widerspricht, sondern sich zum Gegenteil befördert. Auch Sauerbruch spricht von der Kunst ...

... die nur zerstörbar ist, zu der man sich durch Sittlichkeit (vielleicht gelingt es später einmal noch mehr, diesen Begriff von "Moralismus" zu scheiden) befreien muß. Denn eine Kunst hat eben mit der Lebensführung zu tun. Die sich direkt auf das Instrument auswirkt, das diese Kunst als Klangmöglichkeit in sich birgt, die in der Person ihren Herren und Meister braucht, um eben klingen (und nicht nur scheppern) zu können. (Die Musik zeigt es am augenscheinlichsten.)

Wenn man also vom Künstler spricht, so stimmt die Behauptung, daß "jeder zum Künstler werden könne", wie sie heute so gerne angewandt wird - häufig einfach, um die Unfähigkeit so vieler zu vertuschen, die häufig einfach die Mühsal der Sittlichung ersparen wollen - auf eine Weise sehr wohl.

Es gibt sie, die Ärzte, die einen ansehen, und in sich das Maß einer Form fühlen, dessen Herkunft geheimnisvoll bleibt, in diesem seltsamen Konglomerat von Vernunft, Verstand, Logik, Gefühl, und noch einmal Gefühl - das ihnen "intuitiv" sagt, was diesem Maß nicht entspricht, ohne daß sie diesen Archetyp zuvor benennen könnten, auch heute noch. Es gibt sie auch, immer noch, die Tischler, die den Raum sprechen hören, dem sie ihre Formen "entschnitzen". Es gibt sie, die Mechaniker, die ein Auto nur hören müssen, um sofort zu wissen, wo das Problem liegt (oder nicht). Das alles hat zu tun mit dem Sichtbarwerden der absoluten Idee (alles Vollkommene, wie begrenzt immer es sein mag, ist in allem Ausdenkbaren - aber bei weitem nicht nur in diesem - präsent) eines konkreten Gegenstandes, in seiner Individuation also, das dem liebenden Herzen (um es pathetisch zu formulieren) zugängig wird. (Was gerne zum Mißverständnis führt, daß alle technische Perfektion auch gleichzeitig Kunst wäre: Kunst IST (im Grad seiner Gelungenheit) auch technisch perfekt, aber nicht umgekehrt. In keinem Fall aber ist es Unbeherrschtheit.)

Es gibt diese Künstler des Alltags, die die gleiche innere Reifung erleben, wie sie der Musiker, der Bildhauer, der Maler, der Dichter zu erleben haben, die nicht neurotische Exaltiertheit mit Gefühl verwechseln, die überhaupt noch in der Lage sind, diese echten Gefühle zu kultivieren - denn das braucht es! Weshalb es niemals Kunst, ja überhaupt menschliche Spitzenleistung in der Unfreiheit geben kann, versteht man Freiheit richtig: als Selbstbesitz, der sich auch und nicht unwesentlich aus Technik, Können, Beherrschung der Materie, ... bestimmt. Und auf Gehorsam beruht - denn künstlerisches Formen heißt: einem geheimnisvollen Geschauten treu sein. Und das kann man in jeder positiven, etwas hervorbringenden Tätigkeit.

Unter diesen Bedingungen stimmt die Behauptung tatsächlich, daß die Kunst jedem offen steht. Und daß sich in bestimmtem Rahmen wahrscheinlich jeder zu einer solchen Kunst entwickeln kann, die immer eben ein gewisses geheimnisvolles "Extra" hat - einen ... Festcharakter, vielleicht kann man es so beschreiben.

Aber sie stimmt nicht, wenn sie von einer simplen Vergöttlichung, nein: Vergötzung des faktischen So-seins des Menschen spricht. Wenn Kindergartenkindern Pinsel in die Hand gedrückt werden, um sie "künstlerisch" tätig werden zu lassen - und man das dann doch ernst nimmt. Es sollte ja aus dem Gesagten längst klar sein, daß ein Kind niemals Künstler sein kann. Es kann sich bestenfalls auf manche Talente bezogen dazu entwickeln. Und da ist nicht einmal Mozart eine Ausnahme. Denn klarerweise heißt Künstlertum Freiheit von Konvention - aber nicht einfach nur: Ablehnung, sondern: Ungetriebenheit, um im Hinhören nicht zu Ungenauigkeit verführt zu werden, aus Angst lieber Vertrautem zu gehorchen - als der aktuellen Form.

Und sie stimmt dann nicht, wenn man sie auf einen Gegenstand bezieht, der nicht auf eine notwendige Funktionalität des Lebens beschränkt werden kann, weil er das Leben selbst zum Inhalt hat: einen Roman zu verfassen hat mit einem normalen Lebensalltag kaum noch Berührungspunkte, sieht man - und hier nimmt jeder Romanverfasser automatisch Rücksicht: der Schriftsteller braucht sein Publikum vor Augen! - von seiner Verwendung ab. Aber seine Entstehung verlangt einen Stoffreifungsprozeß, dessen Totalität und Universalität den ganzen Menschen braucht. (Ein Hochzeitsg'stanzel aber zu verfassen - sogar ein wirklich poetisches - das ist tatsächlich wiederum vielen offen. Und so begann ja die Literatur im Abendland!). Nicht jeder ist dazu aber berufen!

Noch deutlicher wird es beim Dichter in seinem Vollsinn, dem Propheten, dem sohin als Liturgiker des letzten, universalsten Lebensgeheimnisses Anzusehenden, der außerhalb aller Vorgänge stehen muß, um ihre Qualität in sich bestimmen zu können (beziehungsweise noch mehr: von dieser Qualität bestimmt zu werden), um von etwas bewegt zu werden (wobei es zur Entstehung immer wieder den "weltlichen" Impuls braucht, den Auftrag, die Gebrauchtheit), das zur Gesamtheit des Weltlichen Aussage trifft, und den Alltag so der Dämonie entreißt, sich ihrer Tendenz nach auf die ganze Welt und Schöpfung erstreckt. Der also ganz Instrument wird und bleibt, der Kunst sein Leben weiht, die ihn aber aus aller Nützlichkeit heraushebt.

Diese Reifungsprozesse sind nur noch mit dem Mönchischen, dem Wüstenbruder vergleichbar (Doderer verglich sich mit einem solchen, und Hofmannsthal ließ sich im Habit der Franziskaner begraben), dem Opfer des ganzen Lebens in seiner lebendigen Fülle des Alltags - weil nur noch dort möglich. Nur wer den Antrieb zuinnerst verspürt, etwas zu tun, das ihm aber versagt bleibt - nur aus diesem Sterbeprozeß löst sich jener Duft ab, der zum Werk kondensiert. Ihr Gegenstand hängt dann nur noch vom Talent ab.

Wenn also ein Streit darüber zu herrschen scheint, ob Kunst jedem möglich ist oder nicht, so kann diese Frage eindeutig mit "ja" beantwortet werden. Aber es kommt nur dann zu Kunstausübung, wenn auch der Weg der Reinigung der Sinne von Getriebenheiten und Schwächen, die Sittlichung also, begangen wird. Nur dann können die jeweiligen Talente jene geheimnisvolle Ganzheit herstellen, die jede Tätigkeit zur Kunst adeln.

Und eine solche Welt auch, eine solche Welt könnte - fast - paradiesisch werden. Denn hier offenbart sich das Künstlertum als höchste Möglichkeit des Menschseins überhaupt: Hier zerbrechlich, brüchig - einmal aber: unvergänglich.




*270110*

Blindenbrillen für alle

Der Nachrichtendienst Zenit berichtet über einen heuer erschienen Report der UNO zum Problem der Überalterung der Weltpopulation, und dieser spricht von dramatischen und unumkehrbaren Entwicklungen:

Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass es zu der derzeitigen Entwicklung keine historische Parallele gibt. Im Jahr 2045 wird die Zahl der Menschen, die über 60 Jahre alt sind, weltweit die Zahl der unter 15-Jährigen übersteigen.  In den entwickelten Regionen wurde diese Marke schon im Jahr 1998 erreicht. Das derzeit bei 28 Jahre liegende Weltdurchschnittsalter wird bereits Mitte dieses Jahrhunderts schon um zehn Jahre heraufgeklettert sein, und damit bei 38 Jahren liegen.

Der Report legt zudem offen, dass dieser Trend sich grundsätzlich in allen Ländern der Erde zeigt und in einer Senkung der Geburtenrate begründet liegt. Die Alterung wirke sich vehement auf das wirtschaftliche Wachstum, Ersparnisse, Investitionen, Arbeitsmärkte und Steuereinnahmen aus. Dem Bericht zufolge ist die Entwicklung unumkehrbar, junge Bevölkerungen werden im 21. Jahrhundert selten.

In weiteren Berichten wird diese Entwicklung, aufgezeigt am Beispiel einzelner Länder, bestätigt. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, UNDP, veröffentlichte jüngst einen Report mit dem Titel „Russland angesichts demographischer Herausforderungen". Einer Meldung von Associated Press zufolge wird darin vorausberechnet, dass die Bevölkerung dort weiter schrumpfe.


Obwohl Millionen von Einwanderern ins Land gekommen seien, habe die Einwohnerzahl Russlands um 6,6 Millionen seit 1993 abgenommen. Die Autoren befürchten, dass dort bis 2025 noch einmal 11 Millionen Menschen weniger lebten. Die Folgen seien eine Knappheit an Arbeitskräften, eine alternde Bevölkerung und langsameres Wirtschaftswachstum. Russland falle auf der Liste der bevölkerungsreichsten Länder von Platz neun im Jahr 2007 auf Platz 15 im Jahr 2050.

Einem Bericht von Agence France Press zufolge warnte die russische Gesundheitsministerin Tatyana Golikova vor der Bevölkerungsschrumpfung und empfahl, die hohe Abtreibungsrate zu senken. Im Jahr 2008 standen in Russland 1,23 Millionen Abtreibungen 1,71 Millionen Geburten gegenüber. Im vorigen Jahr stieg die russische Bevölkerungszahl leicht an, der Trend hin zur Schrumpfung setzt sich aber künftig wieder fort.

In asiatischen Ländern stellt die jeweilige Abtreibungspolitik erst recht ein Problem dar, wie der UN-Bevölkerungsfond in einem Bericht aus dem vorigen Jahr einräumen musste. Es ergibt sich nicht erst dadurch, dass dort die Geburtenrate insgesamt stark zurückgeht. Der Anteil der Jungen übersteigt inzwischen deutlich den Anteil der Mädchen an der jungen Bevölkerung, da gezielt weibliche Ungeborene abgetrieben werden. Die Einzelentscheidung der jeweiligen Eltern hängt mit dem niedrigeren Stellenwert der Frau in der Gesellschaft zusammen.


In Vietnam könnte in ein paar Jahren das Verhältnis Jungen zu Mädchen bei 115 zu 100 liegen. In China könnte das sogenannte „Fehlende-Mädchen-Phänomen" dazu führen, dass am Ende dieses Jahrzehnts, so schätzt es zumindest die Chinesische Akademie für Sozialwissenschaften, 24 Millionen Männer vergeblich eine Frau suchen. In einem Bericht der Akademie heißt es: „Das Problem ist in den ländlichen Gebieten gravierender aufgrund der fehlenden sozialen Absicherung. Alternde Bauern müssen sich auf ihren Nachwuchs verlassen."

Trotz dieser Fakten verstärkt die Obama-Administration in den USA derzeit ihre Bemühungen zur weltweiten Bevölkerungskontrolle. In einer Ansprache anlässlich des 15. Jahrestags der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo im Jahr 1994 verwies US-Außenministerin Hillary Clinton darauf, dass Präsident Barack Obama Bundesmittel an Organisationen fließen läßt, die Abtreibung in Entwicklungsländern finanzieren. 

Zudem bewilligte der Kongress unlängst eine Summe von 648 Millionen US-Dollar für internationale Unterstützung von Verhütungs- und Abtreibungsprogrammen. Clinton kündigte an, künftig sogar noch mehr Geld für den weltweiten Zugang zu Kontrazeptiva zur Verfügung zu stellen.




*270110*

Selig sind, die Verfolgung leiden


[familie_reimers.jpg] Meinen Sie, es wäre verrückt, was der KURIER oder News.de da schreibt? Daß ein deutsches Ehepaar, samt ihren fünf Kindern (Bild), um politisches Asyl in den USA angesucht hat - und dieser Antrag nun auch angenommen wurde? Schauen Sie auf das Bild: sehen so Verrückte aus?
 
Asyl? Verfolgt, in Deutschland?

Sie würden ihres Glaubens willen verfolgt, argumentierten die Deutschen. Denn zum Beispiel würde der Lehrplan verpflichtend und zunehmend Dinge vorschreiben, die mit ihrer christlichen Haltung nicht übereinstimmten.

Soll ich dem geneigten Leser ein Geheimnis verraten? Selten habe ich die USA so geschätzt wie in diesem Augenblick, wo mir deren wirkliche Liberalität (wo nichts ist, muß natürlich auch nichts geschützt werden, außer daß nichts alles Bestimmende werden darf - Liberalismus ist immer eine Erscheinung des Zerfalls) so bewußt wurde. Und diese Nachricht regt gleichermaßen dazu an, Freikirchen positiver einzuschätzen, als man sonst tun sollte. Immerhin haben die noch "einen Arsch in der Hose." Und schon gar nicht ist so etwas verrückt. Eher: naheliegend. Denn es fragt sich, ob man nicht, um zu diesem praktischen Schluß zu kommen - angesichts des Zustands der Schulen (und der Pädagogik generell) hierzulande - noch auf eine Art normal sein muß, die jene Natur bedeutet, auf der Gnade überhaupt erst aufsetzen kann.

Wo wäre aber eine solche Natürlichkeit hierzulande noch zu finden? Da hat die deutsche Familie also die Unbestimmtheit des Nichts gesucht ... fand das besser, als die Diktatur des Falschen. Das klassische Auswanderungsmotiv für die USA, Kanada, Australien übrigens: es waren fast immer Systemflüchtlinge, die nicht "etwas", sondern "das bisherige nicht mehr" wählten, weil es unerträglich wurde.

Nachtrag vom 28. Januar 2010: Das Gesetz, das Hausunterricht im Grunde verbieten soll, stammt ... von den Nationalsozialisten, wohl nicht zufällig. Während das Recht auf Bildung in den USA dahingehend völlig frei ist, woher diese Bildung stammt.

Die Bemerkung hinsichtlich "Natürlichkeit" erhält nun sogar neue Nahrung - Vater Romeike ist, wie man lesen kann, Pianist. Wer als ein Künstler also sollte diese Natürlichkeit per Geburt zum Auftrag erhalten? Er sah, wie man ebenfalls erfuhr, sich zu diesem Schritt deshalb gezwungen, weil das Jugendamt 2007 nach jahrelangem Streit um das Recht auf Heimschulung (das in Österreich übrigens noch liberaler ist, wobei hier im Gegensatz zu Deutschland sogar das Recht auf freie Schulwahl garantiert ist - immerhin) mit dem Entzug der Erziehungsberechtigung drohte.

Ein ungewöhnlicher Asylantrag wurde in den USA positiv angenommen. Ein deutsches Paar, das mit seinen Kindern wegen der allgemeinen Schulpflicht in Deutschland in die USA geflohen ist, hat politisches Asyl erhalten. Die Entscheidung eines Einwanderungsrichters wurde am Dienstag in Memphis bekanntgegeben. Damit können Uwe und Hannelore Romeike und ihre fünf Kinder in Tennessee bleiben, wo sie seit 2008 leben.

Sie unterrichten ihre Kinder zu Hause. Die Romeikes, die sich als evangelikale Christen verstehen, vertreten die Ansicht, daß das deutsche Curriculum gegen christliche Werte verstößt. Ihren Asylantrag begründen sie damit, dass sie wegen ihres christlichen Glaubens verfolgt würden.

Und News.de schreibt noch:

Die Familie wurde in ihrem Asylverfahren von der Organisation Home School Defense Association unterstützt, die sich für das Recht auf Heimunterricht stark macht. Deren Vorsitzender Mike Donelly erklärte, man hoffe, daß das Urteil nun die öffentliche Meinung in Deutschland beeinflusse. Das sei auch ein Teil der Gründe dafür gewesen, der deutschen Familie Rechtsbeistand anzubieten.




*270110*

Schauspiel - Stimme der lebenden Toten

Nietzsche ("Die Geburt der Tragödie") erklärt aus religiösem, kultischem Enthusiasmus heraus das Enstehen der Tragödie, und Rohde ("Psyche - Seelenkult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen") - im Verwandeln des eigenen Wesens, das Entstehen des Schauspiels.

Das genügt Alfred Bäumler nicht. Der, wohl richtig, dahin interpretiert, daß die Darstellung ja, aus dem religiösen Verständnis der Griechen heraus (siehe unter anderem Kerényi) dem Toten selbst galt, der immer als vom Jenseits her noch wirksam vorgestellt war, der sich nun daran erfreute - und der, als Schatten, im aktualisierten Mythos, aus dem Grabe heraus (man trug Masken!), zu den Menschen sprach. Fern von plumper Empirik (aber auch von einfach ästhetischem Denken) wurden diese Toten überhöht, der Erde entrückt - wie sonst?

"Jeder Gedanke an die Erscheinungen des täglichen Lebens muß versunken sein, wenn man Agamemnon, Orest, Oedipus, Aisa, Antigone wirklich verstehen will" meint Bäumler.

Als, im Schauspieler, aus dem Grabe beschworene Helden.

Als, im sakramental geweihten Priester, lebendigen Jesus Christus, Gott und Mensch.

Da vertrug es keinen empirischen Menschen des Alltags (als Schauspieler), um die objektivierte, gereinigte Idealität des Helden darzustellen. Dieser Realismus hatte höchstens in der Posse Platz.

In der Tragödie wird die Dichtung in ihrer letzten, und dabei: ersten, tiefsten Möglichkeit genommen: Dichten heißt Tote beschwören. Durch den Schauspieler. Weshalb der Schauspieler ein Beruf mit ungeheurem Ernst war, denn gleich war seine Darbietung Schändung des Toten, statt heiliger Dienst. Lästerung, anstatt Gebet.

Die Darstellung eines Lebenden, einer lebenden Geste des Alltags, erregt zwangsläufig Lächeln, und ist auf eine Weise immer deshalb Nachahmung.

In der Tragödie aber kam es zur Verkörperung, zur Incarnation des Heros.




*270110*

Mythen - und nicht Ratio

Es wirkt wie das Lüften eines Schleiers, vergleicht man die heutigen Ideologien und Moralismen mit uralten Menschheitsmythen und -vorstellungen, auch in allen historischen Formen und Entwicklungen.

Von Genderproblematik und Feminismus über Homosexualität, Transvestitentum, und es lohnte wohl genau zu suchen, man fände wohl alle heutigen Themen, von denen wir überzeugt sind, daß sie Ausfluß wissenschaftlichen Denkens sind, also: rationale Handlungsnotwendigkeiten, nicht ... Weltvorstellungen entsprungen.

Waren es nicht Hilfsmythen, wie im Matriarchat: die Erklärung der (unnatürlichen, nachträglichen) Entmännlichung (die im übrigen ethnologisch nachweisbar überall Männlichkeits- und Machismo-Riten evoziert, ja diese sind nachgerade Merkmal des Mutterrechts) durch ungeschlechtliche Vermehrung einerseits, durch Ur- und Selbstzeugung aus Materie.

So waren es Riten, die Urzustände (Gänsefüßchen) - die die Vorstellungen von der Androgynie (ebenfalls mutterrechtlich) wiederherstellen sollten. Wie transvestitische Kulthandlungen belegen. Oder Päderastie - auch sie war ursprünglich eine Kulthandlung.

Speziell die Vorstellungen der Androgynie (beide Geschlechter in einem Menschen vereint) sind bemerkenswert, weil sie jenes Geschlecht mit der Erbschuld beladen, welches das "ganze" Menschsein durch Sünde (in den Menschheitsmythen sind es fast immer geschlechtliche Akte! - in manchen afrikanischen Sprachen ist zum Beispiel das Wort für Vagina und Frucht ... gleich) zerrissen zu haben, und hierin den Manichäismus - die Leibfeindlichkeit - in reinster Form aufbereiten. Noch die Quietismus-, Schwärmer-, Erweckungsbewegungen (die historisch, übrigens, aus dem bulgarischen Raum nach Europa kommen) sehen die Erbsündenvorstellungen in direktem Zusammenhang mit Sexualität. Die Wiederherstellung der Unsterblichkeit durch Heilung und Wiederherstellung der Ganzheit erfolgt durch Betonen der gegengeschlechtlichen Züge, oder durch Abtöten des Sexualität überhaupt.

Der Philosoph Martin Heidegger meint einmal, daß nur die allerwenigsten Menschen überhaupt ... sprächen, dächten, sich in der Kommunikation Sein enthüllten. Fast alle Menschen hielten sich nur auf der Ebene von ... Gewäsch, Geschwätz ... auf.

Befaßt man sich mit den alten Menschheitsmythen, so muß man unwillkürlich schmunzeln: als lebten sie heute mehr denn je, als wären alle diese widersprüchlichsten Thesen und Theorien nur Ausfaltungen uralter Vorstellungen von der Natur der Welt und Schöpfung.

Josef L. Seifert meint übrigens, sicher zu Recht, daß es auffällig ist, und mit den evolutionistischen Vorstellungen (von einem vorbewußten Zustand) zusammenhängt, wie sehr frühere Menschen geistig unterschätzt werden. Tatsache aber ist, daß aus der Beobachtung alleine hohe Geistigkeit (und, im übrigen, eine Uroffenbarung) veranschlagt werden muß, um solche Mythen - die wie alle Thesen nicht deduktiv "irgendwie" entstehen, sondern apriorisch - zu schaffen.

Tatsache ist, daß wir es heute mit einer Unmenge an Vorstellungsbildern und Mythen zu tun haben - nicht mit wissenschaftlichen Thesen, die Wissenschaft wird immer uneigentlicher und geschwätzhafter. Und in diesem Rahmen mit Dämonien ungeahnten Ausmaßes.

Aber es scheint evident, daß sämtliche der heutigen Thesen, Weltanschauungen, Weltverbesserungsideen und Zukunftshoffnungen nicht rationalen Notwendigkeiten folgen, wie behauptet, sondern lediglich andere Gesichter der immer gleichen menschlichen Gestimmtheiten darüber sind, wie die Wirklichkeit aussieht, welche inneren Strukturen sie hat, und zugleich: wie der Mensch, in seinen weltlichen Unfreiheiten, diese Einsichten und Wahrheiten verändert, verbiegt und verfälscht.

Nicht die heutigen "Wissenschaftserkenntnisse" sind harte Fakten - und nicht sie erklären die Mythen, sondern die Mythen als Erzählungen über die wirklichen Fakten der Wirklichkeit beleuchten und ernähren sie.




*270110*

Dienstag, 26. Januar 2010

Wenn keiner mehr zu denken vermag

Professor Reimer Gronemeyer aus Stuttgart erzählte auf SWR2, daß ein Problem auf uns zukommt, das bisher viel zuwenig berücksichtigt wird: weil die Gesellschaften in Europa völlig überaltert - im Jahre 2050 werden in Europa 70 Millionen Menschen über 80 Jahre alt sein - sind, zum einen, kommen enorme Kosten auf die Sozialsysteme zu. Zum anderen aber sieht er das größte Problem ... in der riesigen Anzahl Demenzkranker, die zu versorgen sein wird. Es wäre naheliegend, daß wenn man die Ökonomie als Letztentscheidungskriterium gelten läßt, "Entsorgung" zu einer gefährlichen Versuchung wird.

Bereits heute ist jeder Vierte in Deutschland über 60 Jahre. In wenigen Jahren werden in Deutschland allein zwei Millionen Menschen über 80 sein, die an Altersdemenz leiden. Für ganz Europa spricht man derzeit schon von 24 Millionen.

"Man könnte meinen, daß die großen Herausforderungen Europas in naher Zukunft nicht ökonomischer, sondern sozialer Natur sind."

Viel, meint Gronemeyer, wird davon abhängen, wie wir mit dieser Frage umgehen - noch hat niemand ökonomisch dafür Lösungen parat.

"Die Demenz ist die Rückseite der Medaille der ungeheuren Beschleunigung, mit der wir leben. Eine Gesellschaft in diesem Tempo, in dieser Informationsgeschwindigkeit, braucht sich nicht zu wundern, daß es mehr und mehr Menschen gibt, die den Verstand gewissermaßen bei der Garderobe abgeben. Demenzkranke, in ihrer Verwirrtheit, in ihrer Unfähigkeit zu erinnern, mit dem heutigen Leben umzugehen, sind das genaue Gegenteil dessen, was heute als so wichtig verlangt wird, das kann kein Zufall sein: sie sind die Opfer, die nicht mehr mithalten können. Sie sind vielleicht sogar die Heilligen der Zukunft, auf ihren Schultern ruht das Leid unserer Zeit und der Zustände der Gesellschaft.

Es liegt nahe, daß die Furcht vor dem Umgang mit Demenz mit der Kälte unserer Alltagsbeziehung zu tun hat. Denn wenn eine Verhäuslichung der Pflege der Demenzkranken erfolgt, wird das Familienumfeld häufig überfordert - der Umgang mit Demenz braucht offene, wohlwollende soziale Umfelder. Denn es ist derzeit nicht vorstellbar, wie die so enorm zeitaufwendige und zuwendungsintensive Pflege durch öffentliche Institutionen finanziert werden soll. Wir werden zwar eine immer ältere Gesellschaft, aber die Bereitschaft dafür auch mehr Geld auszugeben wird möglicherweise nicht im selben Maß wachsen."

Ob nicht eine völlig andere Aufgabe auf die ältere Generation selbst zukommt - nicht die Reise nach den Malediven und Afrika als Ruhestand, sondern die solidarische Pflege der Demenzkranken durch Alte selbst? Sodaß die Frage nach dem Sinn des Lebens, der wir vielleicht das ganze Leben ausgewichen sind, der Hingabe an den Nächsten - uns im Alter einholt.


*260110*

Bereits ein Fünftel

Immerhin ein Fünftel der deutschen Bevölkerung besteht mittlerweile aus Bürgern - wobei nur etwa die Hälfte auch deutscher Staatsbürger ist - die in den letzten fünfzig Jahren eingewandert sind, oder Nachkommen von in den letzten fünfzig Jahren Eingewanderten hier geboren sind.

Die WELT bringt die genauen Zahlen:

Von den Menschen mit Migrationshintergrund waren 2008 etwa 7,3 Millionen Ausländer. Das sind 8,9 Prozent. Rund 8,3 Millionen, 10,1 Prozent, hatten einen deutschen Pass. Europa ist für die Zuwanderung nach Deutschland besonders bedeutend: Aus europäischen Ländern stammen 78 Prozent der 14,3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, gefolgt von Asien/Ozeanien mit 15,1 Prozent.
(…)
Der Unterschied zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund ist laut Statistischem Bundesamt hinsichtlich einiger sozialer Merkmale deutlich. So seien Menschen mit Migrationshintergrund im Durchschnitt deutlich jünger als jene ohne Migrationshintergrund, 34,4 gegenüber 45,3 Jahre.

Sie leben den Angaben nach häufiger im früheren Bundesgebiet oder in Berlin, 96 Prozent gegenüber 81,3 Prozent. 14,2 Prozent von ihnen hätten keinen allgemeinen Schulabschluss, in der übrigen Bevölkerung betrage der Anteil gerade einmal 1,8 Prozent.
(…)
Außerdem sind Menschen mit Migrationshintergrund im Alter von 25 bis 65 Jahren nahezu doppelt so häufig erwerbslos wie jene ohne. 12,4 Prozent gegenüber 6,6 Prozent aller Erwerbspersonen aber gehen ausschließlich einer geringfügigen Beschäftigung nach, zum Beispiel einem Minijob. In Zahlen sind das 13,7 Prozent gegenüber 9,0 Prozent aller Erwerbstätigen.

Der Migrantenanteil an der Bevölkerung steigt weiterhin, und zwar vermutlich bloß durch die demographische Entwicklung:

Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden hatten im Jahr 2008 rund 19 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund. 2007 lag dieser Anteil noch bei 18,7 Prozent, 2005 sogar nur bei 18,3 Prozent. 

Für den Anstieg nennen die Statistiker zwei Gründe: Gegenüber 2007 sei die Bevölkerung mit Migrationshintergrund durch Zuzug und Geburten um 155.000 Menschen angewachsen. Gleichzeitig sei die übrige Bevölkerung um 277.000 Menschen auf 66,6 Millionen zurückgegangen.

Nichts Neues also.




*260110*
 

Epos, Drama, Tragödie

"Nur eine formale Ästhetik konnte dem Irrtum verfallen, ein allgemeines Drama an sich werde durch einen tragischen Helden oder durch eine tragische Handlung gleichsam zur Tragödie determiniert. Solchen leeren Konstruktionen gegenüber kann nicht oft genug wiederholt werden, daß das Drama als Tragödie auf die Welt gekommen ist, daß die Tragödie aber einem Verhältnis des Dichters zu den Sagenhelden seines Volkes entsprungen ist. Nicht von ästhetischem Räsonnement, sondern von dem ernsten Gehalt der ersten Tragödie haben wir auszugehen, wenn wir dem Wesen und der Entstehung des tragischen Phänomens näherkommen wollen.

[...]

Nun zeigt uns das epische Gedicht den Heros handelnd und leidend verflochten in die Breite der Wirklichkeit und des Lebens, als ob er nicht gestorben wäre. Wohl liegt im Ton des Erzählers ein Hauch, der uns fühlen läßt, hier sei von Vergangenem die Rede. Aber durch einen Zauber ist die Vergangenheit wieder lebendig geworden. Die Sonne Achills leuchtet Homer, und die Sonne Homers, siehe, sie leuchtet auch uns.

Das Epos macht nicht "gegenwärtig". Das Geheimnis des Epos besteht darin, die Zeit vergessen zu machen. Es geschieht etwas - wir wissen nicht, wann. Wir wissen nur, daß wir es mit unendlicher Lust schauen.

Ganz anders die Tragödie! Sie ist kein Geschehen irgendwann; sie ereignet sich jetzt und hier. Die epische Handlung schwebt in idealer Ferne vorüber. Insofern gleichen ihre Helden den Göttern des Olymp. Die Tragödie aber ist ein lokales Ereignis, gebunden an diese Zeit, dieses Theater, diese Schauspieler und diesen Ort."

Alfred Bäumler beschreibt hier in "Das mythische Weltalter" nicht nur zwei gültige dichterische Formen, sondern, indem er ihre Funktionsweisen, ihre Aufgaben schildert, beschreibt er die Nähe der Tragödie zur Liturgie, zum Kult, zum Gottesdienst - aus dem sie ja entsprungen ist. Und er deutet an, wohin sich das Theater - unbeholfen, weil diese Nähe oft gar nicht bewußt - im Aktualismus (und sogar: Aktionismus) zu bewegen versucht hat. Und man kann nicht anders, als auch Hermann Nitsch hier zu erwähnen, der genau diese Tiefgründigkeit gesucht, wenn auch mangels Form nur Blasphemie und Selbstvergötterung gefunden hat.

Wann aber nun was? Unterliegt die Formenwahl des Dichters Tageslaune? Der Nachfrage der Produzenten?

Also darf der Hinweis noch einmal erwähnt werden: Es geht um das Verhältnis des Dichters zum Transzendenten, zur jenseitigen Macht der Weltgestaltung. Im Gehalt der Tragödie wird ein Gott beschworen, wird das seelische Erleben des Volkes - die Tragödie entstammt (darüber besteht mittlerweile Einigkeit in der Forschung, noch mehr aber: Folgerichtigkeit in den Rückschlüssen, so erst beleuchtet sich alles) dem Klagen des Volkes am Grabe ihrer Helden. Dadurch werden sie gegenwärtig, in ihrem Grundverhältnis zum Allumschaffer, zu Zeus - zu Deos, Gott (Vater)!

Was findet, im Prinzip, denn im katholischen Gottesdienst statt? Der ... am Grabe ihrer Helden (der Altarplatz muß als Mindestvorschrift immer eine Reliquie enthalten, also ein Grab sein), der Märtyrer und Heiligen, die Tragödie des größten Weltschmerzes, des Leidens und Sterbens ihres, des Gottes, vollzieht, aufführt, darstellt - gegenwärtig macht? Jenen Gott verehrt, der in die Unterwelt hinabsteigt? (Hatten wir das nicht schon? Das Opfer als Botschafter, ja als Erlöser, ins Jenseits durch seinen Tod gesandt?)

Und was findet, im Prinzip, im Drama der Bühne, des Films, statt? In der Hingabe des Publikums, seinen Gefühlen, seinen Reaktionen?

"Die Tragödie [Anm.: Das Drama] ist somit ein sich gerade ereignender Vorgang, eine heilige Handlung, die sich auf dem Boden der Wirklichkeit vollzieht" (Bäumler). Sie steht damit im Gegensatz zur Erzählung des Epos, und in ihrer Innigkeit ist sie Totenkult. (Daß zu ihrer Blüte "Antigone" erstand - wen wundert es also?) Vergangenes wird hier gegenwärtig. Getragen vom Glauben, daß die Seele des Verstorbenen nach wie vor wirkmächtig sein kann. Mit einem Male wird gesehen, was vorher nur dumpf gefühlt wurde - Katharsis, Befreiung, Fortwerfen ist das Erlebnis. Nicht auf ästhetische Weise - sondern ganz real.

Und das macht sie im Verhältnis zur Tiefe anders, als das Epos. Nur von dieser Warte aus ist auch die Forderung nach "Einheit der Zeit, des Ortes, der Handlung" überhaupt verstehbar, und bleibt nicht simple Regieanweisung, nur so erhält die Forderung nach Publikumswirkung Sinn. Einem Publikum gegenüber, das im Chor die Ganzheit, Allgemeinheit eines ganz dem Heiligen zugewandten Gemüts erlebt, von diesem erfaßt wird, und als Zwischenglied zwischen Held und abergläubischer Seele - denn nicht Spuk ist es, sondern heilige Handlung.

Im Epos hingegen schauen wir die Sonne, schreibt Bäumler, ohne an die Tiefe zu denken. Im Drama, in der Tragödie aber braucht es Blut - das des Dichters! Er hat hier seine Geschöpfe, seine gezeugten Figuren, und sie werden erst durch sein Blut lebendig.

Aber es ist ein Bedürfnis des Volkes, das die Tragödie herausgefordert hat - als Ort der Katharsis, der Reinigung, der Entdämonisierung durch Darstellung. Jede rein ästhetische Überlegung - auch heute - welche Form der Darstellung zu wählen sei, Epos, Drama/Tragödie, geht deshalb am Wesen des Kunstwerks vorbei.




*260110*

Der Fisch

Warum der Fisch als Symbol für Christus verwendet wurde?

Nein, nicht aufgrund des "ICHTHYS" - Fisch - der Griechen. Wer hätte das verstanden, meint Josef Seifert?

Verstanden aber hat jeder ... den Fisch als Symbol für Reinheit: denn der Fisch galt im gesamten Altertum als eingeschlechtlich, und deshalb aus der Urzeugung stammend. Damit war er: jungfräulich.

[Ein ähnliches Motiv, wie man bei der Tatsache als Grundlage annehmen kann, daß Pflanzen immer eher weiblich gesehen wurden und werden (fehlende Penetration bzw. Eingeschlechtlichkeit), Tiere (wie vor allem im Totemismus - Dinge beziehungsweise Lebewesen als Träger bestimmter (göttlicher Hypostasen, über Empathie im Kult ablösbarer im Sinne von: teilhabbarer) Eigenschaften - der Jägergesellschaften ablesbar) eher männlich.]

Das war allgemein verständlich. Noch dazu, wo (nachgewiesen von Isidor Scheftelowitz) schon bei den Juden der Fisch Symbol für den erwarteten Messias war!

Fischamulette sind, aus der alten Mythologie her, bis zum heutigen Tag Erlösungszeichen in China und Japan. Und er war es (neben vielen anderen Mythologien) in Indien (Vishnu) und vor allem in Südamerika, wo er badende Jungfrauen schwängern konnte ... und sei es, daß er zu diesem Zweck gegessen wurde. Wiewohl es in vielen Kulturen (Briten!) einem Sakrileg, zumindest einer lebensfeindlichen Banalisierung gleichkam, Fisch (oder bestimmte Fische) zu essen.

Das gab es nur woanders, und zu anderen Zeiten? Weit gefehlt - die Indizien reichen bis zum heutigen Tag: Wer kennte nicht den "Backfisch" - als Bezeichnung für jungfräuliche (junge) Mädchen? Wer nicht den "Frosch" (ein Begriff, der zum Beispiel im Tschechischen dafür verwendet wird)?

Die Reduktion zum Fruchtbarkeitssymbol ist, so Seifert, längst eine (historische) Degeneration.




*260110*

Montag, 25. Januar 2010

Prominenzerschaffung

Die Kriterien des Berichteten haften mit der Zeit dem ursprünglich unbestimmten, nur von seinen Entstehungsbedingungen und seiner Tradition gekennzeichneten Medium selbst an. Das Medium wird wie sein Berichtetes, das Berichtete selbst gleicht sich im Gegenzug dem Medium an. - Ioan Hollender, Direktor der Wiener Staatsoper, im KURIER-Interview:

Sie haben oft die Kulturberichterstattung im ORF kritisiert. Dass das neue Society-Magazin "Chili'" so viel Aufmerksamkeit bekommt, kann ja nicht in Ihrem Sinn sein.
Es ist jedoch erstaunlich, dass der ORF dies nötig hat. Zum Thema Aufmerksamkeit im Fernsehen möchte ich noch einen Spruch des Philosophen Liessmann zitieren: 
Früher war im Fernsehen, wer prominent war; heute ist prominent, wer im Fernsehen ist.

Man könnte Opern ja auch in Kinos oder Stadien übertragen?
Der Marxismus hat das anfangs propagiert: Wir bringen die Kunst zum Volk, spielen Oper in den Fabriken und Theater bei den Bauern. Das ist der falsche Weg - und eine verachtende Sichtweise der Menschen, denen man nicht zubilligt, dort hinzukommen, wo andere hinkommen, um Kunst zu besten Bedingungen zu erleben. Immerhin war das noch eine unmittelbare Darbietung, während Oper im Kino Konserve ist. 

Sie wurden von vier Koalitionen bestellt bzw. verlängert. Ihr Geheimnis?
Die Politik jeder Farbkombination ist froh, wenn sie keine Probleme mit der Staatsoper hat, wenn es keinen medialen Wirbel gibt und man wirtschaftlich gut auskommt. Mehr braucht man nicht, weil Interesse für das, was hier passiert, hat keiner der Politiker. Derartiges Desinteresse gegenüber allem, was Kunst ist, wie es bei der derzeitigen Regierung vorhanden ist, habe ich allerdings noch nie erlebt. 




*250110*

Lampen am Weg zur Hölle

Josef Seifert kommt aufgrund des ethnologischen Befunds der Weltvölker in "Sinndeutung des Mythos" zu klaren Schlüssen:

"Aber auch soziologisch läßt sich der Dualismus [=die einfache Auflösung der Welt in jeweils zwei widersächliche Prinzipien, wie Geist/Körper, Mann/Frau etc.; Anm.] nicht durchführen. Der Kampf der Geschlechter, den die unnatürliche Vorherrschaft des Weibes im Mutterrecht entfesselt, geht entweder auf Kosten des Mannes aus und dann kommt es in der Kulturentwicklung zu einem Stillstand, oder auf Kosten des Weibes, das dann erst recht zur Sklavin des Mannes wird, der sogar die Menschenwürde abgesprochen wurde.

Die vereinzelt immer noch auftauchende Behauptung Bachofens [die im 19. Jahrhundert so bemerkenswerten, poetisch hochstehenden, in ihrem wissenschaftlich-ethnologischen Anspruch damals revolutionären, aber ganz einfach gescheiterten weil irrtumsvollen Arbeiten J. J. Bachofens, haben bis zum heutigen Tag Geburtshelferfunktion für viele feministische Ansprüche; Anm.], daß das Mutterrecht ewigen Frieden und brüderliche Eintracht bringe, wird durch die Tatsachen grausam widerlegt. Wohl gibt es in rein mutterrechtlichen Gebieten, wie in Indonesien, Hinterindien und einigen Stellen Afrikas 'demokratische' Dorfverbände, die keine Eroberungslust zeigen. Sie leben aber dafür in ständiger Fehde untereinander, wie [Tauxier] anschaulich über solche Völker im Nigerbogen berichtet. In Indonesien und Hinterindien kommt noch die Institution der Kopfjagd hinzu, und schließlich haben im Mutterrecht auch die blutigen Opfer, ja die Menschenopfer, ihren Ursprung. Der Frau gelingt es überhaupt nur dort den Primat zu erringen, wo ihr ein schwächlicher Mann gegenübersteht, der sich höchstens durch seine überlegene Körperkraft gegenüber dem Weibe behaupten kann.

Wo aber, wie im indischen Shiva-Shakti-Kult, die natürliche Ordnung völlig verkehrt wird, versumpft alles.

Wie weit andererseits die Entwertung des Weibes gehen kann, möge die Auffassung der Jaina verdeutlichen: Die Digambara-Sekte stimmt mit den Buddhisten überein, daß die Frau das Nirwana oder den Himmel nicht erreichen könne, während die Swetambara es zugeben und sogar Frauen als Nonnen in asketische Orden aufnehmen. Aber die Heilige Schrift der Jaina, der Yogashatra, bezeichnet die Frauen als 'Lampen, die an den Straßen zu den Toren der Hölle brennen.'
 
 
 
 
*250110*

Spät

Im Hinterland des Appenzells feiert man Neujahr am 13. Januar - nach dem alten, Julianischen Kalender eben.





Dabei ziehen die "Wüeschte", die "Schönwueschte" und "Schönen" von Haus zu Haus, und werden dort bewirtet.


(Photos: NZZ)







*250110*

Sonntag, 24. Januar 2010

Gott unterbreitet

Ein erschütternd schöner Gedanke - er stand hinter Menschenopferriten (aber auch, wo, manchmal später, anstatt Menschen Tiere, oder immer schon Tiere geopfert wurden) verschiedenster Völker:

Der Sterbende nimmt Botschaften, mit denen er (manchmal auch durch Quälen) beladen wird, ins Jenseits mit, um sie dem Gotte unter die Augen zu bringen.

Noch mehr aber schließt dieser Gedanke an den hier vor einigen Tagen entwickelten Gedanken der Stellvertreterschaft (eines sich selbst Opfernden) an.

Als von dieser Grundaufgabe - dem Opfertod des Heilsbringers - abgelöste, oft an Schrecklichkeit (man denke an die Frauenopfer der Briten und Gallier, von denen die Römer berichten, wo - nur die schönsten - Frauen langsamst zu Tode gefoltert wurden, ehe ihnen, noch lebend, ein Pfahl in den Leib gerammt wurde) dann kaum noch zu überbietende Vegetations- und Fruchtbarkeitsriten, treten solche Oper erst später auf.

Ohne jeden Hintergedanken, nur der Vollständigkeit halber sei es erwähnt: Menschenopfer treten religionshistorisch belegbar und religionsanalytisch verständlich ausnahmslos in Verbindung mit mutterrechtlich geregelten Gesellschaften auf! Sie sind also eindeutig KEINE Erscheinung des Patriarchats! Nur im Mutterrecht hat sich der diesen (bzw. den Menschenopfer-)Riten grundliegende Gedanke der Auferstehung ausgebildet.




*240110*

Samstag, 23. Januar 2010

Impotente Sozialtheorie

Es gibt weltweit KEINE Religion, die synkretistisch ist. Synkretismus - also jene Form von Toleranz, die alle übrigen Religionen als gleich und gleichberechtigt anzuerkennen vorgibt, gar integriert - ist immer eine Erscheinung "post mortem" einer Kultur, immer auch (historisch belegbar) in der Phase eines unaufhaltsamen Niedergangs, die immer eine Epoche der Unfruchtbarkeit ist, wo Innovation nur noch Anwendungsmaximierung bedeutet, in welcher wirkliche Religion (als Eintritt in das Mysterium der Weltentstehung und -schaffung) zu einer pragmatischen Sozialtheorie verkommen ist, religiöse Relikte nur noch der Regelung des Sozialverkehrs dienen. Neues gibt es eben nur dort, wo Schöpfung vorliegt.

(Und in einem solchen Stadium - siehe das alte Ägypten, siehe China, siehe Buddhismus - vermag sich solche Lehre lange halten!)




*230110*

Freitag, 22. Januar 2010

Erlösertum als Grundschema

Es gibt wohl keine Erzählung, die nicht die Überwindung des Übels, des Bösen, durch den Heilsbringer, den Helden, zum Inhalt hat. Selbst wenn man die simpelsten privaten Berichtenswertigkeiten durchdenkt. Und sei es, daß man sich selbst diese "göttliche Kraft" der Weltüberwindung attestiert, sich als Teilhaber an dieser Macht ausweist.

Wenn also schon, so muß der Mythos "Gottes Sohn" (als Mythos abstrahiert, auch wenn es eben KEIN Mythos ist) als DAS Grundschema des - guten - Menschen in der Welt überhaupt gesehen werden.

Deshalb gibt es auch keine (funktionierende) Dramaturgie, die nicht von einem solchen Schema - der gestellten Aufgabe, der, über mehr oder weniger gelöster innere Kämpfe, über äußere Kämpfe ein Erlöser erwächst - ausgeht, und die im Paradies, dem Himmel endet.

Beziehungsweise dort endet, wie eben der Himmel für den Dramaturgen aussieht.

Jedes Drama - und die Natur der Kunst ist Drama - ist eine Vergegenwärtigung der Erlösung: als sichtbar und damit erlebbar gewordene Quelle der Erscheinung.

Und jeder Kult tut nichts sonst (Gänsefüßchen) als den Ursprung dieser göttlichen Kraft darzustellen, damit sich die Gemeinde der Teilhabenden an dieser weltüberwindenden, erlösenden Kraft satttrinken, heiligen kann. Er tut es auf eine Weise, die das Geheimnis der Incarnation verstehbar macht: durch (versuchte) Darstellung des Erlösers, in der er, im Einbruch des Ewigen ins Jetzt, im Sakralen also, gegenwärtig wird.

Als aktuelles Drama des Erlösungssieges des Heilsbringers.

"Hoc EST enim corpus meus ..."

[Diese metaphysischen, göttlichen Erlösermythen sind weltweit nachweisbar als weit vor allen Heldensagen und -mythen liegend: die Säkularisierung durch Verirdischung in Helden (der Urzeit etc.) ist überall nachgefolgt, ist überall Späterscheinung des Zerfalls, des Rationalismus und des Vergessens.]

Hier ist auch der Ort um anzudeuten, in welchem Verortungszusammenhang Künstler - Priester - Prophet - Dichter ... stehen.



*220110*

Donnerstag, 21. Januar 2010

Schöpfung als Selbsterzählung

Es gibt in den Mythen weltweit - VOR aller Bekanntschaft mit dem Christentum - eine derartige Fülle von Erzählungen über einen "Sohn Gottes", daß es Bibliotheken füllt. Nichts sonst als Hinweise davon, daß ein Geschaffenes vom Schöpfer erzählt, seine Merkmale verkündet. Hier nur als Beleg, ein Zitat des britischen Ethnologen Manning, etwa aus dem Jahre 1840, der über westaustralische (!) Ureinwohner niederschreibt:

"Sie glauben an die Existenz eines Sohnes Gottes, der ihm gleich ist an Allwissenheit und nur um ein weniges geringer an anderen Attributen. Sie nennen ihn Grogoragally. Seine göttliche Aufgabe ist es, zu wachen über die Handlungen der Menschen und die Toten zum Leben zu erwecken, daß sie vor dem Richterstuhl seines Vaters erscheinen, der allein das schreckensvolle Urteil fällen kann über die ewige Glückseligkeit im Himmel oder ewiges Vergehen in uruma (Hölle) ... Boyma (Baiame) fühlt sich nach seiner Schöpfung einsam und verlangte nach einem Sohn, seinem Ebenbild. Er beobachtete am Firmament eine Flüssigkeit, die Blut glich, die er, mit der Hand darnach reichend, in einen Kristallofen setzte, und in kurzer Zeit war der Sohn Gottes geboren, ein Wesen, das Gott und Mensch glich."

Zwar wird der erste Mensch in den Mythen der Eingeborenen als Geschöpf gesehen, zugleich aber wird Grogoragally eine Doppelnatur zuerkannt - Mensch und Gott - und er als Heilbringer und Stammvater aller Menschen gedacht.

Gedacht? Weil eben diese Vorstellung dem Denken der Ureinwohner (und nicht nur deren Denken) große Schwierigkeiten macht. Ähnliches berichtet zum Beispiel Codrington von den Melanesiern: "It is difficult for the story-tellers to keep him distinct from ordinary men, though they always insist that he was a "vui" (Geist) and though he certainly never was a man, the people of the place where he was born in Vanna Lava, also Spere claim him as their ancestor." Einerseits Geist - anderseits also: Mensch, menschlicher Vorfahre, Ahnherr.

So wird je nach Aspekt, über den erzählt wird, die menschliche oder die göttliche Seite überbetont.

Wer übrigens die Geschichte der Häresien (="Das Ausgewählte") und Abspaltungen des Christentums ansieht, wird exakt dasselbe entdecken. Entsprechend schwankt dann auch die Einschätzung seiner Herkunft, seiner Mutter.

Derzeit überwiegt weltweit wohl eine mehr oder weniger pure Haltung des Arianismus, dergestalt Jesus rein historische Figur und Mensch war. Entsprechend diesem Materialismus, wird eine Jungfrauengeburt, wird eine Erbschuld etc., von den meisten Menschen als völlig aberwitzig angesehen. Die historische Dimension Jesu wird bestenfalls als Weiterwirken seiner "Lehre" und seines "Vorbilds" gesehen.




*210110*

Mittwoch, 20. Januar 2010

Aber dafür schneller dort ...

Wir wissen zwar nicht, was wir tun, aber dafür tun wir es gründlicher ... Die Erhöhung der Lebensmittelpreise weltweit war nur eine erste Geschmacksprobe der negativen Auswirkungen, mit der die "erneuerbare Energiequelle Biosprit" die Welt überzieht. Eine schwedische Expertengruppe kommt nun zu einem vernichtenden Gesamturteil:

"[...] die Ergebnisse des Ethanolberichts stünden im Einklang mit zahlreichen anderen Forschungsstudien, wonach der Umstieg von fossilen Brennstoffen auf erneuerbaren Biosprit langfristig und global keine Lösung sei.

Die verschiedenen Biotreibstoff-Programme in Ländern der westlichen Welt würden demnach in den kommenden 50 bis 60 Jahren weltweit zu höheren Lebensmittelpreisen, niedrigeren Spritpreisen, stärkerer Rodung bisher unberührter Regenwälder und letztlich erhöhtem Ausstoß von Treibhausgasen führen. Kritiker sehen in der Forcierung von biologischen Treibstoffen durch die Errichtung entsprechender Monokulturen auch eine Gefahr für die Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt."

Vor allem aber die berühmte "CO2-Bilanz" der Biotreibstoffe sei, so die Schweden weiter, katastrophal: so habe der Einsatz von Biosprit seit der Jahrtausendwende in Schweden alleine für eine Erhöhung der jährlichen Ausstoßmengen gegenüber fossilen Treibstoffen um 20 Millionen Tonnen gesorgt.

Österreich wird freilich schon bald den Vollzug der EU-Beschlüsse vermelden können, wonach der Anteil der biogenen Treibstoffe bis 2020 - 10 Prozent erreichen soll.

Und wer rettet nun das Klima?

Vielleicht liegen eben die Probleme der Welt ... ganz woanders. Zuerst einmal schon beim völlig realitätsfernen Denken - aufgrund einer längst völlig verfehlten, im wahrsten Sinne pervertierten Wirklichkeitsvorstellung.




*200110*

Am Anfang stand die Trinität

Während im gemeinen Volksmunde sich eine eher gegenteilige Ansicht - Ansicht? Hat wirklich jemand eine Ansicht darüber? - wirksam zeigt, zeigt sich bei genauem Studium der Völker der Erde, daß der Glaube an einen Gott und Schöpfer bei allen am Beginn (nicht: als Ergebnis einer Entwicklung, ausgehend von einem - weil im Evolutionismus notwendig anzunehmenden - angeblichen humanen "praebewußten" Zustand) stand!

Die verschiedensten historischen und menschlichen Entwicklungen erst bringen Vielgötterei einerseits, und Ablösung zu einem abstrakten Unpersönlichen, gar zu einer Kraft (vor allem bei Jägervölkern) anderseits.

Aber der Vergleich sämtlicher Völker der Erde zeigt eine verblüffende Ähnlichkeit der ursprünglichen religiösen Vorstellungen, die - als Schlüssellicht dazu ist der Österreicher Josef Seifert unter anderem in "Sinndeutung des Mythos" fast unübertrefflich, weil prägnant-knapp, viele Arbeiten zusammenfassend - sich noch dazu als Vorformen eines trinitarischen Verständnisses der Gottheit - Vater, Sohn und Heiliger Geist - samt Jungfrauenmythos präsentieren.




*200110*