Man bezeichnet den Barock gerne als letzte gesamteuropäische Kulturepoche. Nun, das stimmt auch wohl.
Aber betrachtet man seine Formensprache genau, so könnte einen der Verdacht beschleichen, daß der Barock - in seinem Explizitmachen, seiner Verbalisierung alles dessen, was zuvor immanent war, in seiner Liebe zu Allegorien - erschreckend deutlicher gesamteuropäischer Ausdruck der Entfesselung alles zuvor Gebundenen, in "intaktem" Zustand also Schweigenden ist.
Aufgestachelt durch die Reformation, in einem Atemzug mit der Gegenreformation ausgeblüht, ließ sich das allem Ganzen innewohnende Immanente plötzlich in seiner Vereinzelung - als Ding, das auch außerhalb seines Sinnbezuges wirken könne - erfassen, begann (und vermutlich, wie nämlich immer, das bereits Fehlende oder Bedrohte) plötzlich zu sprechen. Als Hauch der heraufziehenden Pest, zum tödlichen Keuchhusten gesteigert, wie ihn die Aufklärung sinngemäß bedeutet, die den Hammer der Zertrümmerung darstellt.
Unbedingt dafür spricht, daß nicht nur nach dem Barock Europa definitiv zerfiel, daß mit ihm die Europa noch einen sollende Reichsidee endgültig zerbrochen war (zu Tode gekommen durch ... französische Politik, die nur dadurch Frankreichs Bedeutung erhöhen konnte, daß Europa als Reich unter einer Reichskrone verhindert wurde, fixiert im Westfälischen Frieden 1648) sondern - betrachtet man den französischen Barock als Übersteigerung des Barock, so deutet sich darin sogar bereits die Französische Revolution an: die Explosion des Gefüges.
Und die Entwicklung des Theaters - losgetrennt von allem Kult - als Verbalisierung reiht ihn in kulturelle Gesamtentwicklungen ein, die die Literatur als Ausdünstung geistigen Todes entlarvt.
*120110*