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Donnerstag, 21. Januar 2010

Schöpfung als Selbsterzählung

Es gibt in den Mythen weltweit - VOR aller Bekanntschaft mit dem Christentum - eine derartige Fülle von Erzählungen über einen "Sohn Gottes", daß es Bibliotheken füllt. Nichts sonst als Hinweise davon, daß ein Geschaffenes vom Schöpfer erzählt, seine Merkmale verkündet. Hier nur als Beleg, ein Zitat des britischen Ethnologen Manning, etwa aus dem Jahre 1840, der über westaustralische (!) Ureinwohner niederschreibt:

"Sie glauben an die Existenz eines Sohnes Gottes, der ihm gleich ist an Allwissenheit und nur um ein weniges geringer an anderen Attributen. Sie nennen ihn Grogoragally. Seine göttliche Aufgabe ist es, zu wachen über die Handlungen der Menschen und die Toten zum Leben zu erwecken, daß sie vor dem Richterstuhl seines Vaters erscheinen, der allein das schreckensvolle Urteil fällen kann über die ewige Glückseligkeit im Himmel oder ewiges Vergehen in uruma (Hölle) ... Boyma (Baiame) fühlt sich nach seiner Schöpfung einsam und verlangte nach einem Sohn, seinem Ebenbild. Er beobachtete am Firmament eine Flüssigkeit, die Blut glich, die er, mit der Hand darnach reichend, in einen Kristallofen setzte, und in kurzer Zeit war der Sohn Gottes geboren, ein Wesen, das Gott und Mensch glich."

Zwar wird der erste Mensch in den Mythen der Eingeborenen als Geschöpf gesehen, zugleich aber wird Grogoragally eine Doppelnatur zuerkannt - Mensch und Gott - und er als Heilbringer und Stammvater aller Menschen gedacht.

Gedacht? Weil eben diese Vorstellung dem Denken der Ureinwohner (und nicht nur deren Denken) große Schwierigkeiten macht. Ähnliches berichtet zum Beispiel Codrington von den Melanesiern: "It is difficult for the story-tellers to keep him distinct from ordinary men, though they always insist that he was a "vui" (Geist) and though he certainly never was a man, the people of the place where he was born in Vanna Lava, also Spere claim him as their ancestor." Einerseits Geist - anderseits also: Mensch, menschlicher Vorfahre, Ahnherr.

So wird je nach Aspekt, über den erzählt wird, die menschliche oder die göttliche Seite überbetont.

Wer übrigens die Geschichte der Häresien (="Das Ausgewählte") und Abspaltungen des Christentums ansieht, wird exakt dasselbe entdecken. Entsprechend schwankt dann auch die Einschätzung seiner Herkunft, seiner Mutter.

Derzeit überwiegt weltweit wohl eine mehr oder weniger pure Haltung des Arianismus, dergestalt Jesus rein historische Figur und Mensch war. Entsprechend diesem Materialismus, wird eine Jungfrauengeburt, wird eine Erbschuld etc., von den meisten Menschen als völlig aberwitzig angesehen. Die historische Dimension Jesu wird bestenfalls als Weiterwirken seiner "Lehre" und seines "Vorbilds" gesehen.




*210110*