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Sonntag, 31. Januar 2010

Nur wo es schön ist ...

Der Agrarökonom und Landwirt Prinz zu Löwenstein, im Deutschlandradio über die Lage in Haiti, wo er sich im Rahmen der kirchlichen Aufbauhilfe befindet:

Die jahrzehnte-, wenn nicht jahrhundertlange Situation von Rechtsunsicherheit (vor allem natürlich von Eigentum) hat bewirkt, daß Landwirtschaft ausschließlich auf rücksichtslose, egoistische Exploitation des Vorhandenen aufgebaut war. Dadurch sind in den wenigen und nur intensiv und sorgfältig zu nützenden landwirtschaftlichen Anbauflächen - eine Topographie vergleichbar der Schweiz, bei einer Bevölkerungsdichte wie jener Belgiens - die Böden entweder ausgelaugt, oder gar nicht mehr vorhanden, vom Regen in die Flüsse ins Meer geschwemmt.

Speziell Modelle von Gemeinschaftseigentum bzw. Eigentumslosigkeit, in Wahrheit: Modelle individueller Verantwortungslosigkeit, oder Selbstverwaltung hätten einen völlig falschen Umgang mit den natürlichen Ressourcen bewirkt, hätten es aber bei der topographischen Situation Haitis immer bedurft.

Kirchliche (sozial-technische) Strukturen seien da in Haiti die stabilsten Strukturen gewesen.

Weil derzeit, durch Hilfsorganisationen, so umfangreiche - kostenlose - Lebensmittellieferungen ins Land stattfinden drohe kurzfristig der endgültige Kollaps der Landwirtschaft Haitis, wenn man nicht auch im selben Zug die dortigen Ernten aufkauft, weil die Bauern sonst pleite gehen werden.

Zudem sei unbedingt darauf zu achten, daß zum Beispiel beim Neubau der zerstörten Siedlungen auch "schön" gebaut werde - bereits jetzt sei die Abwanderung vor allem der Eliten der Bevölkerung (unter ihnen der Blutzoll beim Erdbeben besonders hoch, denn um 17.00 Uhr nachmittags waren in hohem Maß Büroarbeiter, Führungskräfte von einstürzenden Häusern in Port au Prince betroffen) bedrohlich hoch. Es müsse also auch dafür gesorgt werden, daß die Hilfe ein Land wiederaufbaue, in dem die Menschen auch leben wollten.

Das Ausmaß der wirklich notwendigen Hilfe, um Haiti - seine materiale, vor allem aber eine funktionierende immateriale Infrastruktur - wieder aufzubauen, sei enorm hoch und würde an sich viele Milliarden an Geldern verlangen, die über "Katastrophenhilfe-Portokassen" nicht zu begleichen sind.

Sie waren "frei von", 1806, als sie die (zahlenmäßig wenigen) Bedrücker, vorwiegend Franzosen, aus dem Land warfen (vgl. dazu den Roman "Schwarze Trommeln auf Haiti", von K. Roberts, dessen Schilderungsqualität, auch in seinen anderen Romanen, die einer wissenschaftlichen historischen Quelle hat) - aber waren sie auch "frei zu"? Das Joch der Sklaverei war abgeschüttelt - aber die aufbauende Neuorganisation einer Gesellschaft, eines Landes, ist ein völlig anderes Paar Schuh, die eine individuelle Sittlichkeit und Kulturtauglichkeit verlangt, die kein Aufklärungsideal je herstellen konnte.




*310110*