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Samstag, 16. Januar 2010

Vom sinnlosen Wirtschaften

Es geht um eine Neubewertung dessen, was "Wohlfahrt" bedeutet - der seit über einem Jahrhundert nur noch als pekuniäre Leistung erfaßt wird. Als Kontrollparameter für die steuernden Maßnahmen der Politik aber sind diese Parameter zu hinterfragen. (So wie zu hinterfragen ist, ob Wohlstand - in Geld und Gütermengen berechnet - nicht viel zu kurz greift, um Erfolg - oder Mißerfolg von Wirtschaftspolitik zu bemessen.) Ökonomisches Wachstum bzw. ökonomische Leistung kann nur einen Teil von "Wohlfahrt" ausmachen.

Eine gut funktionierende soziale und ökologische Infrastruktur ist weit weniger krisenanfällig als rein ökonomische Strukturen, und leistet einen weit unterschätzten Beitrag zur Wohlfahrt. Auch wurden ökonomische Bilanzen (als Erfolgsthermometer) unzulässig durch künstliche Mittel (Geldvermehrung!) hochgehalten, um Erfolg auszuweisen - dessen Folgekosten ihn als Mißerfolg ausweisen müßten.

"Vielfach ist in unseren Zahlen von Wirtschaftswachstum und Bruttoinlandsprodukten zudem eine Leerlaufwirtschaft enthalten, die außer Zahlen eigentlich nichts produziert - und nur versucht, Schäden aus bereits vergangenen Wirtschaftsabläufen wieder auszugleichen. Zum Beispiel schlägt sich die Errichtung einer Lärmschutzwand neben einer Autobahn als positiv zur Wirtschaftsleistung eines Landes zu Buche - aber es ist die Beseitigung negativer Folgen, die es ohne das Wachstum zuvor gar nicht gegeben hätte.

Es zeigt sich, daß diese Leistungen nicht zum Aufbau einer nachhaltigen Gesellschaft ausreichen: Paradox ist derzeit auch, daß zwei Personen, die sich gegenseitig, gegen (bleiche) Bezahlung das Geschirr spülen, sich aufs Bruttoinlandsprodukt auswirken - tun sie es nur für sich, sinkt die Wirtschaftsleistung. Das hat zu einer systematischen Geringschätzung der Frauenarbeit - in Pflege, Haushalt, Ehrenamt - geführt. [Umgekehrt sind diese Leistungen von den staatlichen Haushalten - als Lohnarbeit - nicht finanzierbar; Anm.]

Jahrzehntelang aber hat man Sozialpolitik zunehmend und ausschließlich auf der Basis eines so verstandenen Wirtschaftswachstums gemacht."

Es ist vielleicht unverzichtbar zu fragen, ob nicht ein nationaler Wohlfahrtsindex einem Bruttoinlandsprodukt gegenüber als Gradmesser politischer Maßnahmen vorzuziehen ist. Sogar dort, wo man subjektive Lebenszufriedenheit von ökonomischer Leistung sogar so weit abtrennen muß, als auch unter oft einfachsten Lebensbedingungen erstaunliche Lebenszufriedenheitswerte erzielt werden. Dazu aber braucht es eine prinzipielle bzw. teilweise "Entmaterialisierung" der Maßstäbe.

Ferner braucht es die Berücksichtigung globaler Gerechtigkeitsaspekte, die Abkoppelung von Wirtschaftsleistung von Energienutzung und -verbrauch, um von einer rein ökonomisch-quantitativen Politik (ohne die Sinnhaftigkeit von Wirtschaftswachstum für viele Bereiche zu bezweifeln) zu einer qualitativen Politik zu gelangen.


(Prof. Hans Diefenbacher in "Aula")




*160110*