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Samstag, 30. April 2011

Am Anfang ist das Wort

Ferdinand Ebner spricht den Gedanken aus, und er hat recht, die Psychologie irrt: das "Ich" ist nicht das erste, aus dem sich dann das "Du" ergibt. Es ist umgekehrt. Erst ist das "Du", und daraus wird das "Ich" begreifbar, das von dort auch als Name - der mich enthält - gesprochen wird. Gesprochen. Das Ich kommt aus der Sprache, dem Wort.

So ist auch Gott keine "Personalisierung" des Ich, keine Projektion, sondern umgekehrt: ich bin eine Projektion der ersten Begegnung des Menschen, und die ist - Gott, das Sein.


*300411*

Falsche Einblicke

Schon die Nähe alleine ändert die Sichtweise darüber, was etwas ist, schreibt Barthes. Die Kamera agiert deshalb meist viel zu nahe, und damit wie ein Operateur. Sie greift in die Eingeweide der Welt und vermittelt dem Betrachter den Eindruck, als wäre ihre "Authenzität" - denn was auf einem Photo abgebildet ist, ist der Beweis, daß etwas sich so verhalten hat - unbestechliche Aussage über das Wesen der Welt. Mitnichten.



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Das Drama


Gefunden bei thisisnthappiness



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Freitag, 29. April 2011

Leicht genommen

Ich habe mich köstlich amüsiert: so läßt man sich "Lüge" gefallen. Leicht, frech, ein Springbrunnen der Phantasie. Was lohnt denn in diesem Leben, wirklich ernst genommen zu werden? Ist Mut nicht oft, oder gar ausschließlich, eine Sache der Unbekümmertheit, ein Mut zur Unbekümmertheit, der mit der Sache jongliert?



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Weniger brauchen

Rainhard Fendrich in einem Fernsehgespräch: "Man geht mit Drogen eine Euphorieschuld ein. Hört man mit den Drogen auf, befindet man sich nur noch im Tief. Man ist eben nie wirklich nach oben geklettert, man hat gemeint, eine Abkürzung durch künstliche Mittel nehmen zu können, und hat irrtümlich gemeint, Drogen würden die Kreativität steigern. 

Das stimmt aber nicht, man braucht die Droge bald nur noch deshalb, weil man sonst so tief unten ist. Ich war regelrecht froh, als eines Tages die Polizei da stand, ich in der Unterhose ... da, habe ich gesagt, da ist alles, es ist zu Ende.

Heute hat sich mein Zugang zum Leben und zum Glück völlig verändert. Und ich glaube, daß uns allen das noch blüht - die Energiefrage zeigt es an: Reich wird nicht der sein, der viel hat, sondern der, der weniger braucht."

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Koinzidenz aus gleichem Irrtum

Wie eine Bestätigung der hier zuletzt entwickelten Gedanken kam mir nun "Der westliche und der östlich Weg - Essays über östliche und westliche Mystik" von Daisetz Daitaro Suzuki in die Hände. Der Japaner zeigt darin sein Erstaunen, erst, und dann seine Zufriedenheit, daß die "Mystik" des Zen-Buddhismus sich in fast allen Zügen mit einer Mystik deckt, wie sie sich bei Meister Eckhart wiederfindet, also "offensichtlich" die abendländische, christliche Mystik mit dem Zen auf eine Weise ident ist, dasselbe will, dieselben Wege beschreitet.

Da sei es gestattet, was hier an zwei Stellen (u. a.) ausgearbeitet wurde: auf die Problematik der Mystik des Meister Eckhart, der in seiner Mystik exakt in den Pantheismus hinein sich auflöst, der ja zugleich ein Nihilismus ist. Kein Wunder also, daß er sich mit dem Zen-Buddhismus* scheinbar "nahtlos" deckt!

Und es sei die jüngere Replik angeführt, in der Alois Mager in seiner großartigen Psychologie der Mystik diese Stufe so klar identifiziert: beschreibt, seziert, klar auf den Tisch legt. Als jene Stufe, ab (bzw. nach) der christliche Mystik erst beginnt, und die die christliche Tradition als vormystisches "Gebet der Ruhe" kennt. Bis dorthin kann auch der Nichtchrist kommen (wobei auch darüber die Meinungen auseinandergehen, weil sie auf gewisse Unterschiede in der Art, nicht nur dem Grade nach hinweisen, s. u. a. A. Stolz in seinem Standardwerk "Theologie der Mystik"), bis dorthin kommen auch Anschauungen, die in ebenfalls sehr klar identifizierbaren gedanklichen Weichenstellungen (und Irrtümern) im Pantheismus oder, noch eine Stufe weiter, im Nihilismus - dem Auflösen in einen Allgeist, einerseits, folgt logisch ein Nichten der Person, anderseits - enden.**

Tatsache ist also, daß die Schriften der Hl. Theresia von Avila, des Hl. Johannes vom Kreuz, als Spitze einer gewaltigen mystischen Literatur und Entwicklung ihrer "psychologischen Theorie", Dinge und Stufen beschreiben und anzielen, die weit über alles hinausgehen, was in der Mystik aller nichtchristlichen Religionen vorkommt, dabei deren Erfahrungen klar erfaßt, beinhaltet, und einzuschätzen vermag.***

Sie alle kennen keine Erlösung des Fleisches, sie ist ihnen unerhört. Und in der Tat: diese ist unerhört! (Aber sie ist der Kern des Christentums, das nicht die Welt "flieht", auf daß sie eben dadurch entschwinde, sondern in sie hinein, ins Konkrete, über dieses sich wirkt! Incarnation! Gott ist also auch der Konkreteste.) Und auch diese Konsequenz ist logisch, und macht auch die leibseelischen Gründe, ja die kulturellen Spannungen, aus denen herausdiese Geisteshaltungen erwachsen, sehr gut nachvollzieh- und verstehbar. Aber umso klarer auch als begrenzt klassifizierbar, als nicht der Heiligung dienlich, sondern in scharfer Konsequenz sogar dem Gegenteil.



* Den der Verfasser dieser Zeilen aus sehr handfesten Erfahrungen kennt, in deren Rahmen er vor über dreißig Jahren sogar mit einem höchst bemerkenswerten Erleuchtungserlebnis beglückt wurde; darüber vielleicht an anderer Stelle, es ist fast vergessen, und war dabei so wichtig für des Verfassers dieser Zeilen weitere Zukunft.

** Dabei ist Mager dem Meister Eckhart noch sehr freundlich gesonnen, meint, daß dieser nur mißverstanden würde oder worden war, welcher Meinung sich der Verfasser dieser Zeilen nicht anschließen kann, bei aller Wonne, mit der er seine Schriften - in ihrem Rahmen - liest und schätzt.

*** Da muß man sich halt wirklich die Mühe machen, so manche umfangreiche Originalliteratur durchzuarbeiten, das läßt sich nicht mehr mit ein wenig Sekundärliteratur abhandeln, denn hier geht es um metaphysische und anthropologische Grundsatzüberlegungen, an denen sich diese Dinge explizieren, und an denen sie plötzlich so manchem gefühlichten Dunkel entrissen und verständlich werden - während sie das Geheimnis erst recht erstehen lassen. Aber der Verstand kommt - und kam bereits - hier viel weiter, als sich so viele, gerade heute, wo dieser ganze Bereich, u. a. in die Esoterik, so gerne abgetäuftwird, träumen lassen.


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Zwei Arten zu leben

Die Lehre? Ehe und Vertrautheit sind nicht gleichzusetzen mit Formverzicht. Vielmehr sollte das kulturelle Niveau eher gleich sein. Wo fühlen Sie sich eher beheimatet?


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Wie es in einer Revolution ist

Baschar al-Assad
Syrien, April 2011. "Sniper", Scharfschützen auf Dächern, der Regierung schießen auf die demonstrierende Bevölkerung. Bislang soll es 350 Tote durch solch heimtückische Morde - das sind sie, wie immer man das Recht oder gar die Pflicht einer Regierung sehen will, die Ordnung aufrechtzuhalten - geben. An sich sind solche Videos aber sicher nicht geeignet, die Lage in Syrien generell zu beurteilen. Dazu sollte man sogar verweigern, solche erschütternden Bilder anzusehen, sie tragen nichts zu einer besseren Einschätzung der Geschehnisse bei, solande man nicht eine sichere Kernthese hat.

Und die kann es wohl kaum geben, denn war bis vor wenigen Monaten der syrische Präsident al-Assad noch ein "hochgeschätzter Gesprächspartner" der europäischen Länder, soll er nun ein gemeiner "Diktator" sein? Da stimmt ja wohl manches nicht, und schon gar nicht kann man Medien trauen, die bislang keinerlei Notiz von etwas genommen haben, das nun angeblich brennendes Anliegen ist.

Die Bilder sollen an dieser Stelle nur verbildlichen, wie es ist, mitten in einer Revolution dieser Tage. Die wie hier wohl scheitern wird. Dann wird wohl jeder auch al-Assad wieder hoch schätzen.




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Donnerstag, 28. April 2011

Talent und Tätigsein

Jung Lin (Taiwan) - Ungarische Rhapsodie Nr. 2 (F. Liszt)




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Der Umbruch einer Welt

Große Trauer ergreift einen, wenn man bei Lafcacio Hearn - diesem Iro-Griechen, der zum Japaner wurde - liest, wie die Japaner den (gewaltsamen) Einbruch der westlichen Welt, in Gestalt der Amerikaner zur Mitte des 19. Jhds., erlebt haben. Aus ihrer Kultur heraus zutiefst zurückhaltend, defensiv, selbstvergessen weil selbsttranszendierend, waren sie zu Anfang nicht einmal sicher, ob es sich bei den ersten Weißen, die das Land betraten, überhaupt um Menschen handelte. Ihre Kleidung schien vielmehr den Verdacht zu bestätigen, daß es sich um Wesen aus ihren Sagen und Mythen handelte, an denen diese seltsamen Hosen und Hemden menschliche Gliedmaßen nur vortäuschen sollten.

Lafcadio Hearn (1850-1904)
Aber dann gelang es dieser alten Kultur nicht, dieses eine angelandete Schiff zu vernichten. Und obwohl das Land, seine Bewohner, der Kaiser betete, die Priester ihre Riten vollzogen, kam er nicht, der Kami-Kaze, der Götterwind, wie damals, als er das Land vor der Invasion der Tataren bewahrt hatte, deren Landungsflotte im Sturm unterging.

Also mußte es der Wille der Götter sein. Und der Kaiser ordnete an, daß von den Fremden zu lernen sei, was immer es zu lernen gebe. Was er seinem Volk erst noch verheimlichte.

Mit Todesverachtung aber lernte die Jugend - immer aber in strengster Wahrung der Sitte und Höflichkeit - die neue Sprache, besuchte die Universitäten in den USA, und sah mit Schrecken, was für eine abstoßende, sittenlose, unethische Welt, in einer gigantischen Zerspaltenheit, sich da der ihren so überlegen zeigte, daß die Japaner sich militärisch völlig chancenlos wußten, und die Amerikaner in einer technischen Überlegenheit, in einer Überlegenheit ihres Rationalismus, ihrer Art zu denken erfuhren, die sie nicht begreifen konnten.

Aber die Alten, die Weisen, die Priester, sie begriffen, daß damit Dämonen "unbeschwichtigt" freigesetzt wurden, die alles, wirklich alles umbrechen würden. Und die die Menschen um ihren Seelenfrieden bringen würde. Gewohnt, Religion zu teilen in eine Art Volksreligion, Gefühlsreligion, voller Aberglauben und Geheimnis, und Philosophie, die im Buddhismus Religiosität lediglich als Ethik begriff, konnten sie mit einem Christentum nichts anfangen, das offensichtlich so wenig ethische Durchdringungskraft hatte. Nur wenige begriffen die Art der Selbsttranszendenz, in der sich das Christentum verstand, Missionare waren meist nicht in der Lage, den japanischen Fragestellungen und Anforderungen schon rein intellektuell zu begegnen. Nur in Ausnahmecharakteren konnten sie jene Sittlichkeit finden, die sie dann sogar höher, wenn auch anders, einschätzten als ihre eigene.

Noch bis in den 2. Weltkrieg hinein verachteten die Japaner deshalb die Amerikaner, ja überhaupt den Westen, ob seiner Verweichlichung, seiner Dekadenz, seiner mangelnden Ethik. Ja, noch 1977 oder 1978 konfrontierte der Verfasser dieser Zeilen im Rahmen eines Referats an der Handelsakademie den (empört antwortenden) Botschafter Japans mit der damals alles beherrschenden Thematik, daß  diese auf Kosten europäischer und amerikanischer Ideen billigst produzierte japanische Ware, als schamlose Plagiate, den Westen ruinierte.
Ein Westen, dessen technisch-rationalistische Überlegenheit die Japaner offenbar aus einer alten Grundhaltung her einfach nur auszunützen versuchten, wo immer sie konnten, wozu sonst sollte er da sein. Dem sie aber ihre alte Kultur geopfert hatten. Konnte da anderes als Verachtung und eigentlich: Haß entstehen?

Hearn hatte übrigens davor gewarnt, vor 100 Jahren! Er schrieb, daß in dem Augenblick, wo die Japaner (und Chinesen!) besser mit dem westlichen Denken - das ihnen dezitiert fremd bleibt - zurechtkommen, sie in großem Ausmaß billige Produkte herstellen werden, die die westlichen Märkte überschwemmen, und ruinieren dürften. Aber vielleicht war er das, der Kami-Kaze, der Götterwind, der vor wenigen Wochen weite Teile des Landes verwüstete, und wo die Erde sich aufbäumte, um die fremde Last abzuschütteln.



*Für den Japaner ist das Christentum aus kulturell "verfleischlichten" Gründen schon prinzipiell kaum verstehbar, ist ihm bestenfalls eine Ethik, weil es tatsächlich den Leitideen - und solche sind es hier - seiner Kultur, die in hohem Maß verhaltenszentriert ist, widerspricht. Übrigens eine Erfahrung, die der Verfasser dieser Zeilen auch mit Muslimen gemacht hat, die sich ähnlich wie Hearn es beschreibt nicht vorstellen können, daß es eine Religion gibt, die nicht ZUERST Verhalten und Moral ist. Ihnen fehlt eine Metaphysik, dem Muslimen ist, wie dem Japaner s.o. die Natur der Dinge nur in Dogma, in Offenbarung zugänglich, die aber die Vernunft nicht erhellt - weshalb sie ausgeklammert, lediglich instrumentalisiert bleibt. Einen ähnlichen Weg hat ja der Protestantismus beschritten. Ihnen allen ist Vernunft und Offenbarung, Glaube und "irdisches" Wissen, nicht als EINES, als zwei einander aber nie widersprechenden Aspekte ein und derselben Medaille, vorstellbar. Für sie, und nicht nur für sie, ist ein Wissen vorstellbar, das Glausbensinhalten widerspricht. Und genau so beschreibt auch Hearn den japanischen Zugang: wo die "Volksreligion", als Religion fürs Gemüt quasi, ihren Wert und ihre Notwendigkeit und sogar ihre Wirklichkeit hat, und DESHALB hoch zu schätzen ist. Ganz ähnlich übrigens dem heutigen Selbstverständnis der Psychologie, wie sie der Autor dieser Zeilen an der Universität hörte: die ihren Gegenstand, die Psyche, als das definiert, was rein faktisch an Psyche vorhanden ist ... Psyche ist, was Psyche ist, also. Auf die Religion bezogen: Religion ist, was Religion ist. Der Rest ist Ethik, der Rest ist Utilitarismus.


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No acting required

Die FAZ bringt ein Interview mit Christoph Waltz, ein weiters mit so mancher gescheiter Aussage von ihm. Es lohnt die Lektüre, ein paar Aussagen seien hier gebracht, sie sollen Rückenwind geben, klaren Kurs zu halten, denn die Mißverständnisse und mißverständlichen Anforderungen im Schauspiel und im Film sind ohne Zahl.


Begegnet man Ihnen mit mehr Respekt? Oder ist da auch Neid? Die Frage, ob man es verdient hat, hat immer auch mit der Unsicherheit in der Beurteilung zu tun. Es gibt Sänger, die eine unglaublich schöne Stimme haben, die auch große Karrieren machen - und die tatsächlich gar nicht so schön singen. Sie klingen zwar großartig, aber ich ziehe einen Sänger mit einer etwas weniger schönen Stimme vor, der dafür schöner oder mit mehr Ausdruck singt und mich damit erreicht oder berührt. Bei Schauspielern ist es so, dass zwischen der Person und der Materie, die sie behandeln, der Unterschied nicht mehr so deutlich wahrnehmbar ist. Das ist bei guten Musikern genauso. Wenn man zum Beispiel Barenboim Klavier spielen hört, hört man gar nicht so sehr Noten, man hört, wie ein Mensch sich mitteilt. Das ist ein Kriterium, wobei in einer Beethoven-Sonate nur Barenboim und Beethoven existieren - und eigentlich, weil Barenboim ihn so gut spielt, in erster Linie Beethoven. In einem Film dagegen existieren wahnsinnig viele Dinge, die dazwischengeraten. Deswegen ist es sehr schwierig, das Schauspielerische zu isolieren und unabhängig vom Rest zu betrachten, zumal ja die Aufgabe des Schauspielers nicht ist, zu brillieren, sondern alles beizutragen, um die Geschichte miterlebbar zu machen. [...]

Eine Rolle wie Hans Landa könnte auch ein Fluch sein und zum Typecasting führen. Jeder möchte den Landa in Ihnen entdecken. Mag sein, aber das wird mit der Zeit verblassen, und das ist auch schon so. Typecasting ist ja nicht verkehrt. Ich bin nicht davon überzeugt, dass die oft beschworene Tugend des Schauspielers darin liegt, alles machen zu können. Auch ein Pianist spielt nicht alles. Bestimmte Sachen liegen einem, man ist als Schauspieler durch seine Physiognomie und seine ganze körperliche Erscheinung sowieso prädestiniert für das eine oder andere. Es kann natürlich auch sein, dass jemand die Idee hat, einen genau für das Gegenteil zu besetzen. Aber erst einmal tut man weder der Geschichte, die man erzählen möchte, noch dem Schauspieler einen großen Gefallen, etwas von ihm einzufordern, was nicht sofort wahrnehmbar ist.
Und es gibt die Anekdote von Robert Mitchum, der bei guten Szenen im Drehbuch an den Rand "NAR" schrieb, "no acting required". Ich würde das nie hinschreiben, es könnte ja sein, dass jemand das Buch findet. Aber eine gut geschriebene Szene erklärt sich von selbst. Ich muss mich nicht von einem Löwen in den Arm beißen lassen, um eine Szene spielen zu können, in der mich ein Löwe in den Arm beißt.
Sie sprechen nicht so gern über Ihre Arbeitsweise, oder? Das stört mich auch an den Bonusmaterialien, den Kommentaren auf einer DVD. Gehen Sie mal zu dem Mann, der Lokomotiven verschwinden lässt, zu David Copperfield, und fragen ihn, ob er bereit wäre, für eine DVD zu erklären, wie er die Lokomotiven verschwinden lässt. Der lacht Sie doch aus. Ich glaube, man gräbt sich damit selbst das Wasser ab. Der Zauber dessen, was wir machen, geht immer mehr verloren.
Das Kino soll also seine Geheimnisse hüten? Ich wünschte mir das. Alles auszuverkaufen, finde ich idiotisch. Natürlich ist so etwas interessant, aber je interessanter es ist, desto größer der Schatz, den man verteidigen sollte. Jeder, der zweimal im Kino war, ist mittlerweile ein Experte. Zum Teil haben die Leute viel gesehen und kennen sich auch gut aus, aber weder sind sie Kritiker noch Filmemacher, und sie geben ihr Publikumsprivileg preis.




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Was die Schweizer aus ihrem Land machen

Es ist ja durchaus amüsant. Aber es macht Angst, es ist schrecklich sogar: Ein ganzes Land stellt sich unter die Zuhandenheit, die Mechanisierung für die Tourismuswirtschaft! Ist das das Selbstverständnis der Schweiz geworden?



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Sie sind uns nur voraus

Am Beispiel Griechenland läßt sich so einiges lernen. Auch, daß ein Umbau der Strukturen der Volkswirtschaften, die menschlich-politische Dummheit und Verantwortungslosigkeit seit Jahrzehnten mit geliehenen Geldern sich selbst aus der Hand nahm, nicht so einfach, wenn überhaupt noch ohne Crash, möglich ist.

Das Defizit der Griechen betrug nämlich im Vorjahr wieder über 10 % des Bruttoinlandsprodukts (als der Summe aller auf bestimmte Art gezählten Wirtschaftsleistungen im Land, Anm.) Nun könnte man vorschnell sagen: Haben sie wieder zu wenig gespart, die Griechen, solche Schlawiner!? Vielleicht. Aber das BIP ist 2010 um 4,5 % zurückgegangen. Also stieg die Staatsschuld (bzw. das, was als solche noch ausgewiesen wird; kein Staat der Welt rechnet seine wirklichen, gesamten Verpflichtungen mit ein, wie Rentenversprechungen, "Sozialnetze", ausgelagerte "Unternehmen", die aber politische Instrumente sind, etc.) auf mittlerweile 142 % des BIP. So wird es begründet.

In Wahrheit hängt eines vom anderen ab: spart der Staat, bringt er weniger frisches Geld in Umlauf, ja entzieht er Geld dem Markt (Kreditrückzahlungen z. B. sind Geldmengenverringerungen, was nur verstanden wird, wenn man begreift, daß die Zeiten, wo Kredite durch Verleihung realer Geldvermögen vergeben werden, längst vorbei sind - schon lange vergibt man Kredite durch ZUKÜNFTIGE Geldvermögen, und nicht einmal das: durch -einnahmen, die nur die Rückzahlungen decken sollen, und nicht einmal das: die die Zinsen decken müssen, und nicht einmal das: ... etc. etc., das geht tatsächlich noch weiter), durch Sparen, fehlt es natürlich als Nachfrage.

Und damit sinkt die Wirtschaftsleistung. Und damit sinken die Steuereinnahmen. Und damit steigt das Staatsdefizit, selbst wenn gespart wird. Dazu muß Griechenland weitere Kredite aufnehmen, und wie man hört, liegt dafür der Zinssatz bereits bei 15 %! Wer soll das noch bezahlen? Eben, es rechnet ja keiner damit. Man wird "umschulden", so nennt man den Teilbankrott, den "Ausgleich", wie man das früher nannte, wo ein Teil der Schulden gestrichen wird, das Unternehmen aber weiter bestehen bleibt. Also weiß längst jeder Kreditgeber, daß er einen Teil seines Geldes verlieren wird, so gut man es durch "demonstrativen Optimismus" zu verheimlichen gedachte. (Für den ehem. Finanzminister Pröll war das ja der Grund, davon zu sprechen, daß Österreich durch seine Griechenlandhilfe "verdienen" würde! Hat er's wirklich geglaubt, hätte man ihn längst wegen Inkompetenz, hat er gelogen, wegen Betrugs absetzen müssen; wobei seine Lunge es längst wußte, die hat die weitere Produktion heißer Luft verweigert.)

Hier zeigt sich der Januskopf der EU und ihrer Gelder, mit denen beigetretene Staaten unbewußt, vielleicht aber auch bewußt, als Markterweiterung mißbraucht wurden, denen man nur ausreichend Kredite zur Verfügung stellen muß, damit sie dann jene Kunden, jene Nachfrage bedeuten, die die Volkswirtschaft des Kreditgebers (der die Kredite unter Besicherung erwarteter Gewinne aus der Kreditvergabe vergibt) "belebt". Genau mit jenen "Hilfsgeldern" aber wurden die jeweiligen Volkswirtschaften aus dem letzten Gleichgewicht gebracht, die jeweiligen Regierungen dazu regelrecht animiert, weiterhin "Politik" mit fremdem Geld zu machen, Ungarn ist ein gutes Beispiel.

Solches Schicksal blüht jedem der europäischen Staaten, der seine Prosperität im Grunde staatlichen Interventionen und staatlicher "Einkommensvermehrung" verdankt, und das sind so gut wie alle. Aber nicht nur das: nimmt der Staat seine Ausgaben zurück, um nun die Bürger aufzurufen, doch wieder selbst die Dinge in die Hand zu nehmen, stellt sich rasch heraus, daß die aufgebaute realen Strukturen gar nicht selbsterhaltungsfähig sind! Also brechen als nächstes Dinge wie soziale Einrichtungen weg, Krankenhäuser gehen pleite, und ein ganzes Wirtschaftssegment, das sich auf die große Menge der "Zuviel-Verdiener" eingestellt hat - zu viel, weil durch staatliche Umverteilung aus dem Sattel gehoben - bricht zusammen. Das sind Branchen wie Unterhaltungselektronik, KFZ-Verkauf, Freizeitindustrie, Schein-Luxus (also nicht: echter Luxus, der war nach wie vor unerschwinglich), etc. Gleichermaßen brechen Bequemlichkeitsstrukturen weg, was vor allem das Transportwesen betrifft.

Ein Rückbau auf regionale, sagen wir: organismische Strukturen, also Strukturen, die aus Elementen bestehen, die aus sich heraus auf sich eingespielt sind, ist kaum aus dem bestehenden System heraus möglich. Das erfährt nun Griechenland. Das wird Irland, das wird Portugal, Spanien etc. etc. erfahren. Denn auchdie EU-Gelder sind nicht unbegrenzt zur Verfügung. Und selbst wenn man das Spiel nun, mit dem "Rettungsschirm", noch einmal gestreckt, aber nicht nur das: begrenzt hat man auch echte Bereinigungen ermöglicht (die natürlich die Geberländer bares Geld kosten wird, stellen wir uns lieber darauf gleich ein!), auf Dauer konnten und können diese politisch durchwirkten Volkswirtschaften nicht funktionieren. Denen ihr einziger wirklicher Motor - persönliche Selbstverwirklichung, persönlicher Ehrgeiz, persönliche Schaffens- und Lebensfreude, Freude an der Weiterentwicklung (Innovation) - einfach abgestorben ist. Zugunsten einer Garantie der Versorgung mit Gütern. Als ob das schon Leben bedeuten würde.

Die westlichen Staaten stehen also vor einem Dilemma: steigen sie aus, nehmen sie sich zurück, brechen ihnen die Volkswirtschaften auf gewisse Zeit weg, verlieren sie die Handlungsfreiräume, auch wegen fehlender Steuereinnahmen, müssen sie den Traum aufgeben, direkte Gesellschaftspolitik durch direkte Eingriffe "machen" zu können. Bleiben sie im Spiel, steuern sie auf einen unausbleiblichen Totalcrash zu, den sie nur hinauszögern können, mit einer vagen Hoffnung auf ein Wunder, wie Ölfunde im Chiemsee, oder die einzigen Goldminen weltweit im Karwendelgebirge. Denn nur "Zusätzliches" könnte helfen.

Aber das wird nicht eintreten. Alle Rufe "Gold! Gold!" ("Internet! Internet!" usw.) haben sich bisher als Luftballons erwiesen. Mut zum Handeln gibt es freilich auch nicht. Also versucht man nur, die Maschine irgendwie am Laufen zu halten. Und man tut es, indem man die öffentlichen Ausgaben auf gleichem Niveau hält, ja sogar noch weiter in die realen Strukturen eingreift - wie in der "Öko-Strom-Erzeigung" in Deutschland, einem lupenreinen Frankenstein der Retorte, der direkt an der Steuergeldinfusion hängt, mit dem der Staat die entscheidenden Wirtschaftstreibstoffe immer einschneidender, immer unlösbarer von sich und der Zentralbewirtschaftung (Planwirtschaft) abhängig macht.

Dann gibt es zwar keinen Politiker mehr, der "verantwortlich" dafür ist - denn Wirtschaftscrashes werden heute behandelt wie aus dem Weltall eingeflogene Epidemien - aber es werden sich aus Chaos neue Strukturen ausschmelzen müssen, ein ganz gewiß sehr schmerzvoller Prozeß für alle Bevölkerungen.


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Paradoxien der Neuen Moraldiktate

So kann es gehen: plötzlich widersprechen sich die dringenden Gebote, plötzlich weiß man nicht mehr, was Vorrang haben sollte - alle Lösungen sind hysterisiert bis zur Verzweiflung. Die Windräder, die die eigentliche Natur zerstören, dafür Ökostrom produzieren, um die Natur zu schützen, oder - wie im Artikel in der Zeit dargestellt, erfrischend objektiv dargestellt - der Ausstieg aus der Atomkraft, um die Umwelt zu schützen, der dafür die Kohlekraft hochfahren muß, die die Umwelt wieder wie früher verpestet und mit dem Gebot des Klimaschutzes in Konflikt gerät.

Pest oder Cholera? Je nach öffentlicher Stimmung, könnte man sagen. Derzeit ist wieder der Klimaschutz dran, um ein wenig Luft aus dem Ballon zu lassen - alles halb so schlimm also? Noch vor eineinhalb Jahren (der strenge Winter hat die PR-Maschinerien der von öffentlichen Geldern lebenden Vorfeldorganisationen der Politik, die NGOs, ein wenig zurückhaltender agieren lassen) schien die Klimakatastrophe an Dramatik kaum zu überbieten.

Kohlekraftwerk Datteln - Fertigstellung mit Hochdruck
Jetzt verdrängt man das denn doch wieder eher. Auch die vollmundigen Versprechungen, ruckzuck auf alternative, "nachaltige" Energiequellen umzustellen, die die Bevölkerungen aufatmen ließ - der Glaube an den großen, tollen Staat, die Kraft der Wissenschaft und die Zauber der Technik durfte wieder so richtig aufleben! - läßt man lieber dort, wo sie immer hingehört haben: im Arsenalschrank politischer Machinationen und leerer Worthülsen.

Fakt ist: In so kurzer Zeit wie noch nie, wurden und werden in Deutschland so viele Kohlekraftwerke wie noch nie gebaut (oder: umgebaut). Warum? Weil eben die "nachhaltigen Energiequellen" auf gar nicht absehbare Zeit NICHT das liefern werden und wer weiß, ob je können, was verzweifelter Wohlstandsbauch ihnen abverlangen würde. Also schiebt man die Thematik - wie bei Atomkraft - in die nächste Blackbox: "Irgendwann werden wir das schon lösen!"

Die Logik ist seit vielen Jahren klar, daran hat sich für die wenigen Vernunftköpfe nichts geändert: Wind- und Solarenergie sind nach derzeitigem Wissens- und Technikstand nicht geeignet, einer modernen Volkswirtschaft die Grundversorgung zu sichern, ja nicht einmal dazu geeignet, einen nennenswerten Beitrag zu leisten. Das schreibt ganz beiläufig sogar Die Zeit, die ja sonst gerne Vorreiter für die neue Moral spielt. Unabhängig von allen übrigen Parametern wie Umwelt und "Nachhaltigkeit" (was für eine großartige verbale Neuschöpfung!) Dafür braucht man konstante Energielieferanten - Atomkraft, Kohle- und Gaskraftwerke. Gleichzeitig nimmt man die Fluß- und Speicherkraftwerke insoweit vom Netz, als sie notwendig sind, die Schwankungen der "alternativen Energiequellen" auszugleichen: als jederzeit lieferbereit bei Unter-, als Puffer in bestimmtem Rahmen bei Überproduktion. Puffer wodurch? Weil dann die je vernutzten Wasser von den unteren in die oberen Becken gepumpt werden.

Derzeit (und in alle absehbare Zukunft) ersetzt also nur die Wind- und Solarkraft die Speicherkraft. Mehr ist nicht dahinter. Schon ist man ja dabei, laudauf landab Möglichkeiten zum Bau weiterer Speicherbecken zu suchen, denn beschlossen ist er ja, der Ausbau der Windkraft. Und das kostet, so nebenbei, gar nicht mehr absehbare Steuermilliarden. (Ach ja, die Klugen sagen dazu: Steigerung des Bruttosozialprodukts, Ankurbelung der Wirtschaft ...) Was, so nebenbei, die ohnehin schon in Geldblasen verschillerte Fiskalpolitik und damit die Währungen, die Grundlage unseres täglichen Werkens und Tuns, mit der wir direkt verbunden sind und bleiben, weiter aushöhlt. Die doch so gerne mit wenigstens noch ein paar Jährchen klingender Atomstrommünze gefuhrwerkt hätte. Nun heißt es aber wieder: Kohle schippen, und nicht zu knapp!

Braunkohle- und Flußkraftwerke (und die Importe von Atomstrom, pardon, das mußte sein; sogar Österreich hat ja mittlerweile einen Atomstromanteil von 7 % im Netz, aber GANZ SICHER nicht aus jenen AKWs, die seinen Landesgrenzen so unsittlich nahe kommen) tragen dabei die Grundlast, sie funktionieren am besten kontinuierlich, Steinkohle (auch die wird zunehmend importiert, weil die Förderung in Südafrika oder Kolumbien billiger ist) gleicht die mittleren Schwankungen aus, und dann kommen die Speicherkraftwerke dran. Bislang haben diese Spitzenlasterzeuger nur die ohnehin üblichen Verbrauchsschwankungen nach oben (je nach Tageszeiten, Jahreszeiten etc.) ausgeglichen. Nun müssen sie auch die Schwankungen unstetiger Energieerzeuger - Wind, Solar - ausgleichen. Auch hier, übrigens, ist Deutschland in hohem Maß vom Ausland abhängig, wußten Sie das? Auf einen kleinen Punkt gebracht: die Abhängigkeit von Energieimporten wird immer größer. Aus freier "ökologischer" Entscheidung!

Menetekel technizistischer Sinnlosigkeit
Ja, könnte man nun fragen, geht denn das? Hat Deutschland nicht auch mit CO²-Zertifikaten zu tun? Ist der Gesamtausstoß in dem Land nicht begrenzt? Ha, so kann auch nur naives Rechtsdenken denken. Die internationalen deutschen Konzerne kaufen doch schon lange mit Umweltprojekten in Indonesien (oder weiß der Deibel wo es sonst noch gilt einen Regenwald zu schützen) jene CO²-Kontingente, die sie dann in Dülmen oder Buxtehude in die Luft blasen dürfen! Bleibt doch in der Familie - sind wir nicht eine Welt, eine Menschheit, eine Klimakatastrophe!?

Und weil die Schimäre vom "Öko-Strom" ohnehin nur funktioniert, wenn ein "freies" (und, auch das nur so nebenbei, gigantisch ausgebautes und auszubauendes, längst kontinentales) Liefernetz existiert, bei dem das unbeherrschbare Lieferrisiko geographisch so weit wie möglich gestreut ist, betreibt der Atomkraftgegner aus Wolfenbüttel sein Handy, mit dem er die neueste Klimakatastrophenmeldung bequatscht und Windräder fordert, ruhigen Gewissens mit Atomstrom aus Novosibirsk. Längst hat ohnehin kein Staat mehr die Hoheit über seine Energieproduktion, auch bei Öko-Strom reden wir nur noch von statistischen Erscheinungen, und die übermoralisierte Hysterie des Themas hat lange schon bewirkt, daß Atomstrom ein Export-Geschäft wie noch nie ist - für Frankreich, für Rußland, etc. Und keiner hätte etwas gemerkt, wäre nicht Fukushima so häßlich aufgefallen. Der Ausbau der Wind- und Solarkraft macht diese Abhängigkeit einerseits, diesen Hoheitsverlust (durch Verwendungseinschränkung, z. B. für Speicherkraft aus Österreich) anderseits jedenfalls noch deutlich größer, auch wenn man das nur "zentrale europäische Energiekoordination" nennt. Und bewirkt vorderhand eine Renaissance der schon überwunden geglaubten Kohlekraft.

Aber die, die war ohnehin längst angesagt. Fukushima hat ja nur bewirkt, daß es nun bekannt und "toleriert" wird! Man hätte sonst eher geschwiegen, denn das tolle grüne Mäntelchen der darunter nackten "Öko-Regierung", die nicht vorhandenes Geld in Lastwagen in neu errichtete Windkraftwerke fährt, die nichts bringen, war politisch äußerstgut verwertbar. Wußte jemand, daß so viele in Bau waren, daß man sie wegen des rascher als geplant versprochenen Atomausstiegs so rasch "fertigstellen muß" - weil nun kann? Und warum?

Die Zeit im Zitat:


Die Industrie hat das schon immer gesagt; nun, da es mit dem Ausstieg ernst wird, sagen es auch die Vordenker der Anti-Atom-Bewegung. Das Ökoinstitut in Darmstadt, das Umweltbundesamt in Dessau, der atomkritisch geprägte Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung, sie alle sind jetzt plötzlich zu demselben Ergebnis gekommen: Wind und Sonne mögen die ferne Zukunft der Stromversorgung sein. Zu einem schnellen Ausstieg aus der Atomkraft tragen sie wenig oder nichts bei. Dafür wird aber jedes einzelne der neuen Kraftwerke, unter denen einige von Grünen und Umweltschützern erbittert bekämpft wurden, nun dringend gebraucht. Kohle statt Atom – nicht schön, diese Klimakiller, aber unentbehrlich, leider.
Bei Greenpeace versuchen sie, das peinliche Eingeständnis zu vermeiden, und haben darum Karten gezeichnet, auf denen neue Gaskraftwerke wie Pilze aus dem Boden schießen. Es reicht immer noch nicht. Stillschweigend rechnet Greenpeace in seinem jüngsten Konzept für einen schnellen Atomausstieg vier der neuen Kohlekraftwerke ein.[...]

Neun oder zehn neue Kohlekraftwerke ersetzen demnächst ebenso viele AKWs. Noch einmal so viele sind noch geplant, und wenig spricht dafür, dass der zweite Teil des Atomausstiegs weniger klimaschädlich ausfallen wird als der erste. Erst vorige Woche ist wieder ein neues Kohlekraftwerk genehmigt worden: 1800 Megawatt in Brunsbüttel. Deutschland steigt nicht nur aus der Atomkraft aus, sondern auch aus dem Klimaschutz. Unfassbar aber ist, dass es das unter dem Jubel von »Umweltschützern« tut, denen es damit nicht schnell genug gehen kann.


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Mittwoch, 27. April 2011

Was eine Handlung macht

Es ist dieser eine Augenblick, in dem sich so viel erzählt! Nur wegen solcher Augenblicke lohnt sich so vieles oft doch noch. Eine Botschaft - doch an welchen Adressat? Was meint sie wirklich? Beeindruckend, und vermutlich sogar bewußt so gestaltet. Ein Moment, der auch viel über das Schauspiel erzählt.



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Gesichter der Karibik

Gesichter aus Westindien.


Gesehen bei Glaserei

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Formentwicklung

Henry Moore (1898-1986)
Der britische Maler und Bildhauer Henry Moore schreibt einmal, daß er sich natürlich für die menschliche Gestalt als Form, als ganze Form, am meisten interessiert. Aber darüber hinaus haben ihn Teilformen stets gefangen, und zwar im besonderen Knochen, Muscheln, und Kieselsteine. Besonders letzere hatten es ihm angetan, und wenn er ans Meer fuhr, setzte er sich an den Strand, und griff sich eine Handvoll.

Dann nahm er Stück für Stück, erfühlte, betrachtete sie. Er stellte fest, daß sich daran sein Formgefühl, das was ihm die Konturen innerlich vorgab, am meisten entwickelte: von Zeit zu Zeit war es ihm dann, als drängte sich ihm neue Form auf.

"There are universal shapes to which everybody is subconsciously conditioned and to which they can respond if their conscious control doesn't shut them off."

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Sprechgewohnheiten

Der Grund zu sprechen ist die Teilhabe am Sein: in der Darstellung, indem es aus mir dringt, schaffe ich Objektives, und damit Sein - an dem ich teilhabe, und an dem auch der andere teilhaben kann, denn erst dann, im Allgemeinen, wird es zum Sein an sich. Denn das Sein birgt alles in sich - Gott. Also wird das Wort, das Wahrheit ist, zur Seinsstiftung, weil es allen (nur Wahres kann von allen erkannt werden) Teilhabemöglichkeit bietet. Gehört, aufgenommen, beginnt es im Hörenden zu wirken - und wirkt so die "eine" Welt.


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Dienstag, 26. April 2011

Heiteres Bezirksgericht

Das findet man selten - eine komplette Geschichte in der Tageszeitung "Die Presse". Es ist die Geschichte einer österreichischen Ehe, die von Anfang an auf eine Scheidung zusteuerte, wie man nun weiß. Sie spielt in Adelskreisen, in deren Zerreißprobe in der Ständeauflösung der Gegenwart, wobei es Mesalliancen ja immer wieder mal gab. Und sie wirft interessante Schlaglichter auf das österreichische Eherecht, zum Beispiel, daß die Wegweisung, die die Frau ohne Pflicht irgendwelcher Nachweisung durch bloße Behauptung und Anruf bei der Polizei (die sofort zu handeln hat) "verfügen" kann, und die dann als Beweis für die "Schuld" des Ehemannes (sic!) bei einer Scheidung gewertet werden kann. Sie wurde es diesmal, mit guter Begründung, in letzter Instanz nicht, auch wenn die Frau es versucht und in zweiter Instanz Recht bekommen hat.

Aber die Geschichte ist im Grunde ein Roman in Schlagworten, mit Charakterbildern und Milhieueinblicken, mit Eindrücken zu Sozialgeschichte und Kulturdiskrepanzen.

„Die Ehe verlief von Anfang an nicht harmonisch“, sollten später die Gerichte lapidar feststellen. Tatsächlich roch schon die Hochzeit nach Erpressung. Die schwangere Frau hatte dem zögerlichen Bräutigam gedroht abzutreiben, falls er sie nicht heiratet. Überdies legte die Frau laut den Gerichtsakten „großen Wert auf sozialen Stand und adelige Herkunft“, geriet aber wegen ihrer „egozentrischen Art leicht in Konflikt mit ihrem Umfeld“. Während der Schwangerschaft klagte die Frau öfters über Beschwerden, für die keine organischen Ursachen gefunden werden konnten. Sie habe einfach im Mittelpunkt stehen wollen, meinte ihr Umfeld.

Auch nach der Geburt des Sohnes wurde die Ehe nicht besser. Bei der Taufe wurde eifrig gestritten: über die zu teure Torte, die gewählte Dekoration und die Sitzordnung. Immerhin durfte die Frau nun aber im Schloss ihres Ehemannes wohnen. Dort klagte sie aber über die mangelnde Privatsphäre: Schließlich wohnten in den Gemäuern auch die Schwiegermutter, und selbst die Geschwister des Ehemannes hielten sich mit ihren Familien häufig im Schloss auf. Dass man nur eine 150 Quadratmeter große Wohnung im Schloss zur Verfügung hatte, stieß der Frau sauer auf. Sie forderte (vergeblich) mehr Räume. Noch schlimmer fand sie, dass übrige Familienmitglieder das Badezimmer in der Ehewohnung benützen wollten. Die Frau entfernte deren Sachen aus dem Badezimmer und legte sie ihnen vor die Tür. Auch verbot die Frau den Cousins und Cousinen ihres Kindes, das für den Sohn bestimmte Spielzeug auch nur anzurühren.

Wer im Schloss wohnt, muss deswegen noch lange nicht reich sein: Der Mann hatte der Frau bereits vor der Eheschließung gestanden, dass er ihren finanziellen Vorstellungen nicht gerecht werden könne. Er stellte der Frau ein Haushaltsgeld von 400 Euro zur Verfügung. Als die Frau zwei Putzfrauen ins Schloss holte, schickte sie der Mann, der in der Landwirtschaft und als Gemeinderat tätig war, wieder weg: Man habe schließlich vereinbart, dass die Frau, die sonst keinen Job hatte, sich um den Haushalt kümmere. Gegenseitige Beschimpfungen der Eheleute standen an der Tagesordnung. Mal vor der versammelten Familie, mal im Schlafzimmer: Einmal trat die Frau den Mann sogar aus dem Bett.

Rund zwei Jahre nach der Eheschließung flog die Gattin mit ihrer Mutter nach London. Der Mann war nicht dabei: Er brachte sie zwar zum Flughafen, zog aber sodann ein Abendessen mit einem Freund klar der Gesellschaft seiner Schwiegermutter vor. Die Frau sollte von dieser Reise erst Monate später zurückkommen: Denn sie flog von London gleich in die USA weiter, um ihren kranken Vater zu treffen. Den kleinen Sohn hatte die Frau bei sich. Der Ehemann, der das nicht guthieß, brach den telefonischen Kontakt zur Frau ab. 

Nach der Rückkehr gab es noch mehr Ärger: Einmal warf der Mann sogar das Buch, das seine Gattin im Bett lesen wollte, aus dem Fenster. Die Frau holte das Buch. Der Mann warf es wieder beim Fenster hinaus. Als die Frau einmal an der Tür der Schwiegermutter so lange rüttelte, bis der Riegel abbrach und die Tür aufging, zuckte der Mann aus: Er beutelte die Frau an der Kleidung, schüttelte sie und schob sie zur Seite, wodurch sie zur Wand fiel. Der Mann zog darauf aus dem gemeinsamen Schlafzimmer aus. Bei einem weiteren Streit drückte der Mann die Frau mit dem ganzen Körper ein paar Mal gegen den Türrahmen und sagte, dass er sie hasse. Der Mann wollte sich zwar kurz darauf entschuldigen, doch die Ehegattin ging nun zu Gericht: Der Mann wurde mittels einstweiliger Verfügung für drei Monate aus der Ehewohnung verwiesen. Und die Frau forderte die Scheidung.

Doch wer war schuld an der Scheidung? Die beiden Ehepartner schoben die Last vor Gericht auf den jeweils anderen. Die Frage, wer verantwortlich ist, spielt bei den scheidungsrechtlichen Folgen (etwa dem Unterhalt) eine große Rolle. Das Bezirksgericht Laa an der Thaya entschied, dass beide das Ende der Ehe verursacht hätten. Das Landesgericht Korneuburg in zweiter Instanz aber stellte eine überwiegende Schuld des Mannes fest. Nun war der Oberste Gerichtshof am Zug. Er betonte, dass die Frau den Anfang des „ehezerstörenden Verhaltens“ gesetzt hatte, weil sie sich egozentrisch und fordernd verhalten habe. Tätliche Übergriffe hätten beide Eheleute gesetzt, die Frau aber nur einmal und der Mann gleich dreimal. Andererseits führe die Wegweisung des Mannes nach dem letzten Übergriff nicht automatisch dazu, dass er am Ende der Ehe schuld ist.

Überhaupt sei ein überwiegendes Verschulden „anders als im allgemeinen Sprachgebrauch“ nicht schon anzunehmen, wenn jemand mehr als 50 Prozent Schuld in sich trage. Sondern nur dann, wenn das Verhalten des anderen Ehegatten „fast völlig in den Hintergrund tritt“. Davon könne hier aber keine Rede sein, meinte der OGH. Er schied die Ehe daher aus beiderseitigem Verschulden 

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Vorzimmer der Mystik

Selbstverständlich, meint auch Alois Mager in "Mystik als seelische Wirklichkeit - Psychologie der Mystik", kann auch der Nicht-Christ, der Nicht-Getaufte, bis zu den vormystischen Zuständen (wie Theresia von Avila u. a. sie bezeichnet) gelangen, bis zum "Gebet der Ruhe" also. Sämtliche Berichte und Schilderungen, auch aus anderen Religionen, sind also ausreichend glaubwürdig, und ihre Psychologie deckt sich logischerweise mit der der christlichen Mystik.

Auch der Nicht-Christ begegnet und erfährt Gott in seiner Seele, aber er erfährt ihn - geistig und direkt, vorausgesetzt er hat den Weg zu dieser Geistigkeit wirklich beschritten - auf jene "allgemeine" Art, in der Gott in seiner Schöpfung eben gegenwärtig ist. Auch hier ist die Geistseele bereits "passiv", wird vom reinen Geist bewegt. Aber die Berichte dieser Mystik enden auch genau hier. Man könnte es mit dem Übergang 4./5. seelischer Hof - nach Theresia - bezeichnen. Was ab da folgt, fehlt der nicht-christlichen Mystik völlig.

Der Nicht-Christ gelangt eben nicht mehr darüber hinaus, weil ab diesem Zeitpunkt die Gnade, das Übernatürliche fehlt, das artverschieden, nicht einfach graduell verschieden ist, und sich im Leben der Geistseele natürlich auch nicht entfalten kann. Der gesamte Bereich eigentlicher bzw. katholischer Mystik, der ab hier erst einsetzt, von der Verlobung bis hin zur Vermählung mit Christus, dem was z. B. Theresia mit 7. innerer Burg bezeichnet, bleibt ihm versperrt. Gnade bedeutet eben, daß eine Bewegtheit durch Gott selbst notwendig ist (siehe: Passivität der Mystik!), die zu bewirken eben das Sakrament besteht.

Anselm Stolz freilich sieht die Mystik genau damit an ihrem Beginn, nein, noch davor erst definiert, und er bestreitet in seinem (nach wie vor:) Standardwerk "Theologie der Mystik", daß es außerhalb des Gnadenlebens überhaupt Mystik im eigentlichen Sinn gibt. Mit der Begründung, daß außerhalb dieses Gnadenlebens ein Verhältnis zu Gott, über Christus, gar nicht "normal" gestaltet sein kann: der Nicht-Christ bleibt aus diesem Innenverhältnis ausgeschlossen. Stolz meint, daß diese Dimension des Seelischen nicht "psychologistisch" aufgelöst werden könne, sondern mit geistigen Realitäten zu tun habe: seelisches, objektives Geschehen, schon gar wenn es um die Geistseele gehe, könne nicht in der Erlebensdimension aufgelöst werden, und diese Gefahr bestehe bei der "spanischen Mystik" (in deren Tradition ja Mager argumentiert).

Die nicht-christliche Mystik (ohne daß man davon sprechen könne) erschöpfe sich letztlich im Ahnen und im Mittelbaren. Weil aber das Mittelbare Konkretion (im Dinglichen, Anschaulichen) braucht, bleibt sie auch geistig weltimmanent, es fehlt ihr das worauf sich die der Welt entnehmbare Transzendenz (als Streben alles Geschöpflichen) bezieht.

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Kunst und Mäzenatentum

Der französische Filmemacher und Regisseur Bertrand Tavernier im Interview in der Presse:

Sie arbeiten an einem neuen Projekt?

Hoffentlich! Eine Art Reise durch das französische Kino, so wie Martin Scorseses „Journey Through the American Cinema“. Es ist bei Studio Canal eingereicht, seit letztem September warte ich auf die Antwort: Heute stehen wir als Regisseure vor sehr mächtigen Gruppen wie Bettler vor einer Kirche. Erst wenn uns die reichen Lehensherren von Pathé oder Studio Canal ein Stückchen Fleisch zuwerfen, können wir weitermachen!


Das ließ mich an die Situation des Films in Ländern mit Filmförderung denken. Und an die Auswirkungen, die die Geldbeschaffung genrell, wie aber erst bei kapitalintensiven Projekten wie Filmen auf deren Art und Inhalte hat. Es war kein Zufall, daß bis in die Renaissance der Geld- und Auftraggeber auch als Schöpfer eines Werkes galt. Wie wichtig ist deshalb ein Geldgeber, der keine politischen und keine kommerziellen Interessen hat!

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Worüber England lacht

Trocken. Very british. Köstlich.


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Montag, 25. April 2011

Ersatzhandlung als Hinweis

"Das Bedürfnis des Menschen, historisch zu werden, weist auf die Wertbedürftigkeit seines Wesens hin, die aus dessen leiblicher Bedürftigkeit nicht zu erklären ist. Diese ist etwas "Physisches", die Wertbedürftigkeit aber etwas Geistiges, geistige Bedürftigkeit und Bedürftigkeit im Geiste. 

Der wahre Wert der menschlichen Existenz liegt nicht in ihrem Historischwerden - wenn er auch oft gerade dort vom Menschen gesucht wird."

Ferdinand Ebner, aus "Tagebücher 1916/17"

 
 *250411*

Stoa der Geringschätzung

Den Hinweis habe ich Hugo von Hofmannsthals Aufzeichnungen entnommen, und ich bin selten so froh gewesen, einer Literaturempfehlung gefolgt zu sein, denn die Japan-Bücher von Lafcadio Hearn sind nicht nur ein Genuß zu lesen, sondern - wobei das wohl zusammenhängt - sie geben binnen kurzem das Gefühl, dieses Volk, ja ein Volk überhaupt verstehen zu können. Gerade sogar in dieser Rätselhaftigkeit, wie es beim japanischen Volk der Fall ist.  Dabei ist Hearn ganz gewiß kein Psychologist! Er versteht einfach, er deutet, er versucht zu begreifen. Und aus diesem Begreifen heraus schreibt er. Weshalb es verwunderlich ist, daß seine Bücher nicht mehr verlegt werden, gerade jetzt. Ich habe keinen einzigen Fernsehkommentar gehört, oder einen Kommentar in Zeitungen gelesen, der auch nur annähernd dieses Land und sein Volk so begreifen hat lassen, wie es Hearn mühlos gelingt.

Der gebürtige Iro-Grieche, der im 19. Jhd., zur Wende des 20., so lange nach einem Platz auf dieser Welt gesucht hat, bis er ihn in Japan fand, zeigt in seinen Büchern verblüffende geistes- und kulturgeschichtliche Zusammenhänge, zeigt ihre Evidenz aus Verhaltensweisen und Sitten, und zuweilen spekuliert er, und alles tut er inspirierend. Zum Beispiel, wenn er die Bauweise japanischer Häuser - im besonderen den durchhängenden Giebel - als unbewußten Anklang an ihre vermutlichen Ursprünge als Steppen- und Nomadenvolk deutet.

Sicher recht hat er in der Zurückführung des fehlenden Begriffs für Dauerhaftigkeit auf die Überlagerung des Buddhismus, der zumindest eine Anlange (die mit der Nomadenherkunft zusammenhängen sollte) verstärkt hat. Was sich überall ablesen läßt, wo der Buddhismus dominiert.

Denn in ihm zählt das Irdische nichts, im Gegenteil ist es zu überwinden, letztlich aufzulösen. Auch wenn das die breiten Volksmassen (und das ist nicht verwunderlich) nicht nachvollziehen können - der Buddhismus ist nie wirklich eine Volksreligion geworden, sondern überlagert immer mehr oder weniger urtümliche Naturreligionen.

Aus dieser Disposition heraus ist der Japaner notorisch "flüchtig". Er reist enorm viel - und das dürfte sich bis heute nicht geändert haben -  und alles, was er tut, ist nicht auf Dauerhaftigkeit ausgelegt. Er ist gewöhnt, Dinge zu verlieren, er ist gewöhnt, sie nicht hoch zu bewerten, er ist gewöhnt, sie flüchtig und aus nicht dauerhaften Materialien anzufertigen. Viele seiner Dinge des Alltags waren seit je Wegwerfprodukte, sei es Kleidung, oder seien es simple Eßstäbchen.

Das einzige, das ihm Dauer hat, sind die Gräber, die Geister der Ahnen, und die Götter (die unter der Schichte aus Buddhismus ruhen). Obwohl er auch die Tempel immer wieder abreißt und erneuert. Aber in diesem Land, schreibt Hearn, ändert sich ohnehin alles - selbst die Berge durch Vulkanismus, die Meeresküsten durch Wellen und Erdbeben, die Täler, Flüsse und Seen durch Erdrutsche und Erosion.

So aber lassen sich die aktuellen Fernsehbilder verstehen, die die Japaner inmitten dieser gewaltigen Katastrophen als sehr gefaßt übermitteln. Es ist weniger Disziplin, es ist diese buddhistische Gleichgültigkeit, die tief in ihren Seelen steckt, und die zuweilen mit ihrem einfach menschlichen (das gebliebenen) Fühlen streitet. Diese 100, 150 Jahre Zivilisation nach westlichem Muster haben das ganz sicher nicht ändern können.

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Worüber Thailand lacht

Ich mußte es bringen, weil das Filmchen zeigt, wie unterschiedlich der Humor der Völker der Welt von dem unseren ist. Schon gar, wenn sie im Südosten Asiens beheimatet sind.



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Samstag, 23. April 2011

Nur in der Heiligen Scheu

Es ist etwas ganz Besonderes um die Haltung der Ehrfurcht den Dingen, und wie erst den Menschen - als der höchsten "Dingheit" - gegenüber. Nur in der Ehrfurcht, in der heiligen Scheu, lassen sich jene Beziehungskonturen ahnen und erfassen, die bei der Begegnung von zwei "Seienden" aufeinanderstoßen, sich ineinander verhaken.

Vertrautheit bedeutet nun nicht, diese Grenzen allmählich zu verwischen oder gar zu vergessen! Das wäre zwar Nähe, aber keine Vertrautheit, die es verdiente, die sein sollte. Sie bedeutet, daß diese Grenzen sich mehr und mehr ineinander schieben, OHNE daß ihre äußeren Konturen in Vergessenheit geraten, in den Hintergrund verdrängt werden.

Wieviele Beziehungen sind solcherart durch zu große - weil nicht der Zeit gemäße, zu frühe! - Nähe zerstört worden. Wo sich Nähe plötzlich als Griff in die Eingeweide des Gegenüber erweist, der sich im Detail auflöst, und plötzlich - als Innensicht einer nicht mehr sichtbaren Außensicht - in seinem "Funktionieren" sichtbar wird.

Aha, sagt der Operateur dann: er IST gar nicht die äußere Kontur! Er ist Mechanismus! Er ist Leberfunktion! Er ist Gallenfett!

Als wäre es einem Menschen möglich, auf Erden ganz heilig zu werden, ja, als wäre mit dieser Heiligkeit sogar paradiesische Unversehrtheit gegeben! Keinen Heiligen gab es, auf den es je zutraf. Und die Unwilligkeit zur Sünde, aus der Vermähltheit mit Gott, war und ist nur den Höchsten gegeben - ohne daß sie ihre Vergangenheit verlassen könnten. Die sie nur auf ihr Ziel ausrichten, mit oft viel Anstrengung besitzen, so schwer manche Leber, manche Galle wiegt.

Wir aber wissen, daß solch eine Sicht und solch ein Anspruch nur dem möglich ist, der sich selbst dafür hält. Wir wissen auch, was dem geschah. Der das Sein nicht mehr als es selbst gelten lassen wollte, sondern es aller Ehrfurcht entblößt in sich hinein aufgelöst fand - sodaß er meinte, sich darüber erheben zu können, um zu sein wie Gott.

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Mit Herz und Mund und Tat und Leben





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Nicht gelesene Lebenspost

Es ist ein schrecklicher Irrtum zu meinen, es wäre auch nur möglich, mit Photographie und Film die Welt "an sich" darzustellen, wie sie sei. In Wahrheit ist jedes Bild ein Interpretat, und ist jede noch so "gute" Dokumentation ein aus der normalen, ganzheitlichen Begegnung herausgenommenes, gefiltertes, geordnetes Bild eines Menschen, der damit etwas sagt, ob er es weiß oder nicht. Wobei die bewußte Absicht noch die harmlosere ist, denn sie ist meist leicht zu bemerken, sodaß man darauf reagieren kann.

Die Konsequenzen aus dem Gedanken, daß wir seit Jahrzehnten, und zunehmend, zunehmend in fast unerträglichem Ausmaß, nur noch mit Bildern von der Welt konfrontiert werden, die nicht menschengerecht sind, einer Welt die uns auf eine niemals nachvollziehbare Weise ganz anders begegnen würde - man denke nur an Einsichten, an chirurgische Blicke durch Zoom, durch Einstellungen, durch technische Raffinessen, durch Nachbearbeitungen, etc. - raubt einem fast den Atem.

Goethe hat sich geweigert, ein Fernrohr zu benutzen, ja nicht einmal eine Brille wollte er. Alles, was keinen menschengerechten Blick auf die Welt ermöglicht, war ihm zu gefährlich, um eine inadäquate Sicht aufzubauen. Er wollte nicht daß die Gestalten des Lebens ihn verfehlen bzw. er sie verfehlt.

Heute ist das Leben für die meisten Menschen Europas zu einem riesigen Berg am Postamt wartender, nicht abgeholter, nie gelesener, und deshalb nicht beantworteter Briefe geworden, während sie zuhause vor ihren Bildschirmen sitzen und warten, daß es sich per E-Mail meldet. Denn "dann", dann geht es los.

Unsere Weltanschauungen sind zu einem Konglomerat irrelevanter Informationen aus unzulässigen, nicht menschengerechten, nicht uns gerechten Ein- und Ansichten geworden. Während wir die Fähigkeit, die Gestalten des Lebens zu lesen, das, woraus es eigentlich besteht, ja, das woraus die Welt an sich besteht - aus Gestalten, nicht aus Teilinformationen, es sind die ganzen Einheiten, zwischen denen sich alles abspielt! - verloren haben.


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Von der Vorläufigkeit

Menschengerechtheit ist sehr wohl ein maßgebliches Kriterium der Haltung dem Leben gegenüber - zu sagen, daß die heutige Zeit eben nur viele "Herausforderungen" bedeute, die es zu bewältigen gelte, reduziert diese Frage auf eine Frage technischer Ablaufbewältigung, während aber die Grundsatzfragen ungeklärt bleiben müssen.

Weil diese nur vom Einzelnen zu beantworten bleiben, und dazu braucht es Muße, Rückzug, Nachdenken, um Stellungnahme und Urteil entwickeln zu können. Heutiges Leben bedeute oft nicht mehr als Bereitschaft, sich überrumpeln zu lassen. Das positiv darzustellen ist blanker Zynismus jener, die stumpf (oder kalt) genug sind, nicht mehr auf die Welt antworten zu wollen.

Die leeren Gesichter der Menschen auf den Straßen sind Notwehr. Würden sie mit offenen Sinnen durch die Welt gehen, würden sie entweder durchdrehen, oder sich völlig zurückziehen, um die Eindrucksfülle zu bewältigen. So aber schieben wie, wie Schneepflüge, die unbewältigten, ungeordneten, auf ihre Eigentlichkeiten zurückgeführten, begriffenen Erfahrungen auf einen immer größeren Haufen, den aufzuarbeiten sie aufschieben (man siehe die Bedeutung der Pension!) müssen. Stattdessen wird das Unbehagen immer größer, weil sie täglich neue Verknüpfungen bewerkstelligen müssen, deren Sinn und Ziel immer spezifischer wird, während der große, eigene Lebenssinn, auf den hin alles zu ordnen wäre, immer weiter im Dunkel verschwindet. Damit wird selbstverständlich alles Alltägliche immer vorläufiger.

Das Tempo und die Fülle der Gegenwart ist nicht menschengerecht. Sie ist eine bloße Forderung der Technik, die unser Leben niederzwingt, und der wir uns aus Angst ausgeliefert haben - weil wir uns des großen Ganzen nicht mehr gewiß sind.

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In Memoriam

Wie hier nun doch berichtet sein soll, ist vor einer Woche, am 12. April, Gerd-Klaus Kaltenbrunner in seinem Haus in Lörrach, im Alter von 72 Jahren verstorben. Gebürtig Wiener, wo er auch Philosophie studiert hat, ist Kaltenbrunner vor allem in den 1970er Jahren durch umfangreiche Publikationstätigkeit hervorgetreten, und war für viele einer der "Väter der Neuen Konservativen" des deutschsprachigen Raumes.

Gerd-Klaus Kaltenbrunner (1939-2011)
Er schient in seinen Büchern vor allem von einer tiefen Sorge getrieben zu sein, daß die geistigen Güter des Abendlandes verloren gehen könnten. Entsprechend hat er in vielen Bänden mit fast enzyklopädischer Genauigkeit viele Autoren und Bücher wieder ans Licht gehoben, die in Vergessenheit zu fallen drohten, oder längst vergessen waren. Autoren, Gedanken, die aber unsere Gegenwart nicht einfach nur geprägt, sondern gegründet haben.

Kaltenbrunner war nicht einfach ein Traditionalist, das wäre völlige Verkennung, und schon gar kein Konservativer, der einfach bewahren wollte, was wertvoll sei. Auch wenn man ihn so bezeichnet, ihn als einen der Väter der "Neuen Rechten" sieht. Seine Entwicklung zeigt, daß das für ihn alles keine angestrebten Ziele oder Stadien waren, gar Kategorien, in die eingeordnet zu finden ihm wichtig gewesen wäre.

Zum Gegenteil. Es waren alles nur Durchgangsstadien, Momentaufnahmen, Schnappschüsse der anderen, in denen sie ihn in ihr Familienalbum einordneten. Denn er war stets und einfach ein Sucher des gegenwärtig Wirklichen, das aber für ihn (und nicht nur für ihn) unter einer tiefen Schichte von historischem Schutt und Filz, der den heutigen Menschen bedeckt, zunehmend schwerer zu finden ist. Er ahnte wohl, was in der beginnenden zweiten Hälfte des 20. Jhds. regelrecht diffundierte, sich verflüchtigte, sich zu verabschieden drohte, um eine ungeheure Wüste zurückzulassen. In der wir uns selbst immer fremder, unverständlicher werden.

Insbesonders seine 76bändige Reihe "Initiative" zeigt sein Bemühen, die gesellschaftlichen, geistigen, lebensartlichen Phänomene der Gegenwart konsequent neu der Wirklichkeit zu öffnen, zu hinterfragen, neu zu durchdenken. Um einen überzeitlichen geistigen Standpunkt zu gewinnen, in dem der Mensch sich geistig-sittlich wieder verankern kann, weil ohnehin verankert ist. Diese Bändchen sind damit zugleich zu einem Kompendium des geistigen Europa der Gegenwart geworden.

Insofern ist sein Einfluß auf unseren geistigen Raum kaum zu überschätzen, und noch gar nicht absehbar - ohne daß man ihn als Urheber vielleicht je wird groß feiern. Denn er war Katalysator, im Grunde Diener des Wortes, das er freilegte und weiterreichte. Das merkt man gerade in jenen insgesamt 6 Essay-Bänden, in denen er nichts anderes tat als Denker und Geister des Abendlandes zu bestaunen - nie hat man den Eindruck, daß er selbst Stellung bezieht, sich in den Vordergrund drängt, im Gegenteil: immer erfährt man, wie er voller Ehrfurcht versucht, das Gute desjenigen, dem er sich zuwendet, zu bergen, neu zu entdecken, selbst wenn so manches Problematische gerade von dem Besprochenen ausging - das Gemeinsame aller ist unübersehbar, und wertvoll, und braucht gerade deshalb seinen richtigen Platz im Gesamtkosmos unseres Denkens. Immer hat man also den Eindruck, daß er im Hintergrund sagt: hier, nimm, lies, entdecke, staune, wie klein sind wir doch dagegen!

Deshalb sind seine eigentlichen, seine wirklich eigenen Arbeiten, in die hinein er allerdings die ungeheure Menge seiner  Gedankenarbeit destillierte, in den späten Jahren entstanden, in seinen Büchern über Dionysius Aeropagita, in seinem Buch über den Priesterkönig Johannes, mit deren Abschluß er auch mehr oder weniger verstummt ist, mit denen er an die Grenze des von ihm Sagbaren gelangte. Nur mit einem Büchlein über die Heilig Philomena, die Heilige des Humors, ist er noch an die Öffentlichkeit getreten. Kaltenbrunner hat seit 1996 nichts mehr publiziert, sondern sich nur noch in sein Haus, das in Lörrach in Schwaben steht, zurückgezogen - und gelesen. Gedacht, gebetet, und gelesen. Und damals war es auch, als ich zum ersten mal ein Buch von ihm gekauft - und noch lange nicht gelesen (sein Dionysius hat über 1300 Seiten!) - habe. Und erst in den letzten paar Jahren - viel zu spät? - habe ich dann seine übrigen Bücher entdeckt, aber vermutlich nur, weil eben ich nicht früher war.

Aber da war von ihm nichts mehr zu hören. Seine Bücher - vor allem die aus seiner "enzyklopädischen" Phase - gibt es zum größeren Teil nur noch antiquarisch. Zurückgezogen, weil er, wie er in einem seiner letzten Interviews, einem Gespräch mit einem Priester, der ihn besucht hatte, meinte, ihm eines Tages klar geworden sei, daß Gott von ihm persönliche Antwort verlange. Seither lebte er völlig zurückgezogen, ohne Telephon und neuzeitlichen Komfort, ohne jeden Kontakt zur Außenwelt, soweit er über den Horizont seiner Wahlheimat hinausging. Kein Fernsehen, kein Radio, kein Auto, kein Computer, ja nicht einmal eine Türklingel. Täglich ging er zum Postamt, um seine Briefe abzuholen.

Man muß nicht in allem seiner Ansichten sein, man muß nicht in allem für gut heißen, was Kaltenbrunner schrieb und dachte. Aber die Haltung, die Leistung dieses Mannes, dem auch der Verfasser dieser Zeilen viele viele Hinweise verdankt, unter denen so manche Schlüssel sind, die ganze Türfluchten eröffneten, dessen Werke eine fast unerschöpfliche Fundgrube, ein Bergwerk unseres heutigen Denkens sind, kann einen nur respektvoll schweigen, und den Hut ziehen lassen.

R. i. p


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Freitag, 22. April 2011

Soviel zu: Genderisierung der Sprache

Die Entstehung des Wortes manus: als der Mensch sich seiner Geburt als Mensch in der Welt bewußt geworden war, preßte er die Lippen zusammen.

Manus ist ein Sanskritwort und bedeutet: Mensch; es ist urverwandt mit Mann, Mensch - (althochdeutsch) mannisco: eigentlich der Männische - auch mit meinen, Minne, mahnen - dessen Sanskritwurzel ist man = denken; dazu mimnesko = ich erinnere; menos = Mut; moneo = ich erinnere; memini = erinnern; mens = Sinn; munan (gotisch) = meinen, wollen; muns = Gedanke

Frau, frouwe - kommt ebenfalls von fron = Herr, also Herrin

Ein Beispiel von vielen, schreibt Ferdinand Ebner, angesichts dieser Auseinanderfaltung, in seinem Tagebuch, daß man ein Wort nur "beim Wort zu nehmen" braucht, um zu seinem tiefsten Sinn zu gelangen.

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Es überläuft einen kalt, wird man sich der Dummheit, Niedrigkeit, primitiven Geistlosigkeit bewußt, die uns politischer Wille zumutet. (Kierkegaard: Der Mensch ist entweder dichterisch oder religiös. Oder er ist dumm.)

Das Poetische ist nicht ein Hinzukommendes, das nach utilitaristischem Durchhecheln des Sockels des Notwendigen auch noch dazukommen kann. Es durchdringt das Leben selbst, und ist eine beständige Möglichkeit wie Aufforderung, ungestillter Drang - jedes Menschen, zu einer Fülle und Geistigkeit. 

"Dichterisch wohnet der Mensch!" (Hölderlin)


*220411*

Nationale Ästhetik

Auf dem Filmfestival in Ljutomir (Slowenien), zu dem ich seinerzeit eingeladen worden war, hatte mich ein in Serbien sehr bekannter Filmkritiker, Fernsehmoderator und Literat angesprochen. Ihm falle auf, daß der österreichische Film, und die österreichische Literatur, eine eigentümliche nationale Färbung aufweise: sich auffallend mit schmutzigen, tiefseelischen, hintergründigen, dunklen Seiten des Menschen befasse.

Das führe zu einer freudlosen, deprimierenden "Begräbnispoesie", der jede Befreiung und Hoffnung fehle, und zu einer morbiden Ästhetik der Häßlichkeit. Als wäre das wirkliche Österreichertum ident mit dem Niedrigsten im Menschen, das wieder und wieder aus den tiefsten Eingeweiden geholt werde. Er finde das abstoßend, und freiwillig würde er sich solche Werke, die ihn an Besudelung erinnerten, nie ansehen. Als fehlte es diesem Land an Hoffnung, als fehlte es Österreich an positiven Gestalten, als seien die Österreicher regelrecht in ihr eigenes Inneres verbissen. Was sei das für eine Aussage über dieses Land?

Könne man, meinte er dann, in einem Land überhaupt leben, das solche seelische Verkrümmung erzeuge, wo nichts hebe, wo selbst Humor nur noch als Bitterkeit, Sarkasmus und Ironie vorkomme, wo jeder Kunstschaffende nur noch Bosheit als Ausweg sieht? Wo Lust und Lebensfreude in so breitem Ausmaß zu Morbidität, Vulgarität und Verzweiflung geworden ist?

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Kunst kommt von Kult

Der Film, der als hintereinandergestellte Photographie die Betrachtungsebene (als Ort des Erkennens durch Teilnahme am Eigentum des Objekts) kaum noch erreicht - weil Photographie lediglich "Erinnerung" an bereits Bekanntes beinhaltet - ist als Erkenntnismedium sohin untauglich, weil er vom Ganzheitlichen des Erkennens weggeht.

Sein Erkenntniswert als Schönheitserfahrung wäre nur in einer Gleichzeitigkeit des Ereignisses zu suchen: der Film müßte also "wirklich werden", was nur im Objekt selbst liegen kann, weil der Film (als Photographie) nur über das Objekt funktioniert: seine Realität ist die Realität des Objekts. Der Film müßte Teil einer kultischen Handlung sein - wie es die Kunst ist und sein muß. (Es braucht also den Filmtempel.)


Deshalb "überlebt" derzeit der Film nur dort, wo er eine intellektualistische Aussage - auch in der technizistischen Auffassung der Dramaturgie - schafft: im Politisieren, im Moralisieren, im Philosophieren.) Und so ist es im Internet, das in seiner Technik - Bildschirm (Leinwand, TV-Aparatur), Bildaufbau, Graphik etc. - filmisch (photograpisch) ist.


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Eine Stufe nach der anderen

Durch die leibseelische Betätigung wird die Wirklichkeit der Geistseele erschlossen und (im Willensakt, der sittlichen Stellungnahme) ausgebaut. Um von dort her das Gegenständliche, das Konkrete der Erkenntnisgegenstände - die über die Leibseele (weil sinnlich) notwendig kommen müssen - zu durchwirken: mehr und mehr beginnt dann das Geistseelische ins Leibseelische einzuströmen.

Es bedingt noch keine geistseelische Betätigung im eigentlichen Sinn. Von einer solchen könnte erst die Rede sein, wenn der Gegenstand der seelischen Tätigkeit rein geistig ist. Denn erst der Gegenstand prägt die Art der Tätigkeit. Zu dem vermag sich der Geist aber erst zu entfalten, zu erheben, wenn die leibseelischen Vorgänge gereinigt genug sind, um über sich hinauszustreben, nicht in sich zu bleiben.

Heißt das, daß Gott - reiner Geist - direkt erfahrbar wird? Im leibseelischen Bereich kann das nicht sein, kann Gott nicht unmittelbar tätig sein, sondern nur mittelbar, über Sinneszeichen (siehe die Sakramente), in der Leibseele kann Gott nur über Wirkung erfahren werden. Gottes Gegenwart kann also nur begrifflich erfaßt werden.

Mager dazu: Die übernatürliche Gegenwart Gottes durch die heiligmachende Gnade kann nur in der Geistseele, nicht aber in der Leibseele gegeben sein. Es ist aber nur folgerichtig, daß in dem Grad und Umfang, als die Wirklichkeit der Geistseele durch leibseelische Tätigkeit erschlossen wird, die göttliche Wirksamkeit durch die heiligmachende Gnade bewußt werden kann. 

Denn auch hier und gerade hier gilt, daß die Übernatur überall die Natur zur Voraussetzung hat. Wenn in der Mystik von der Gegenwart und dem Wirken Gottes die Rede ist, so ist es immer übernatürlich, nämlich durch die heiligmachende Gnade gemeint.


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Typus des Revolutionärs

Brinton Crane schreibt, daß sich von der Charakterfärbung her betrachtet kein wirklicher "Typus" eines Revolutionärs - in der Führungsschichte - ausmachen läßt. Sie stammen eher aus gehobenen, gebildeten Schichten, so gut wie nie aus der Unterschicht, gar nicht selten aus der früheren Führungsschicht, derselben, die sie nun bekämpfen. In der sie sich häufig - ja, das kann man als Häufung betrachten - kaum oder nicht durchgesetzt haben. Auffallend ist der Praktiker, der gehäuft zu finden ist. Aber es sind nicht die Versager, die Nieten, die eine Revolution durchziehen. Auch nicht die brutalen Schlächter und Sadisten, die Verbrecher, auch wenn sie immer vorgekommen sind.

Durch die speziellen Anforderungen kommen immer auch zahlreiche Männer nach oben, von denen man sonst nichts gehört hätte - aber das läßt nicht auf ihr Versagen schließen, auch wenn gewisse Undurchlässigkeit der obersten Schichte als Zeichen des Verfalls zu den gestürzten Gesellschaften dazugehört. Es hat einfach mit den besonderen Anforderungen zu tun, mit denen sie wuchsen und Fähigkeiten bewiesen, die sonst vielleicht nie - auch von ihnen nicht - beachtet worden wären.

Ein Typus freilich, eine Charaktereigenschaft eher, ist häufig zu beobachten - es ist der Zug zum Idealisten, der den meisten Revolutionären anhaftet. Er ist derjenige, der um einer Idee willen alles fahren läßt, der für sie stirbt, der von einer besseren Welt träumt, und eine solche schaffen will. In gesunden, stabilen Gesellschaften ist er unerläßlich als ruhiger Grundfaktor, ja als Fundament und ruhender Pol. Mit der Revolution bricht für ihn aber die Zeit an, endlich seine Träume zu verwirklichen.

Mit bemerkenswerten Färbungen:

Robespierre zum Beispiel. Er war als Landrichter ein strikter Gegner der Todesstrafe. Eher hätte er sein Richteramt zurückgelegt, als ein Todesurteil zu verhängen. Das vertrug sich nicht mit seinem Humanitätsideal, für das er zweifellos gestorben wäre. Einer seiner berühmtesten Wahlsprüche war: "Lieber geben wir die Kolonien auf, als einen unserer Grundsätze!" Das meinte er ernst. Jahre später verhängte er ohne mit der Wimper zu zucken Todesstrafen, wenn sich dieser zukünftigen besseren Welt, die auf den diesen Humanitätsidealen aufgebaut war, jemand in den Weg stellte.

In der Form des Fanatikers ist er notwendig für die zweite Phase einer Revolution - der wo sie zum Sieg durchgezogen wird. Hier ist er unerläßlich. Bis er vom Pragmatiker abgelöst wird, der einen angepaßteren Weg einschlägt, mit meist tragischem Ausgang für seinen Vorgänger: Robespierre oder Trotzky sind Beispiele. Tragisch waren sie aber schon zuvor, auch das eine Gemeinsamkeit vieler Revolutionäre in Führungsposition: sie waren alle gescheiterte Intellektuelle. Philosophen, Maler oder Schriftsteller, Priester, Denker, die manchmal sehr unglücklicherweise in Machtpositionen kamen.

Dennoch, und zusammengefaßt: um eine Revolution zu schaffen, braucht es dieselbe Vielfalt an Menschen, wie es braucht, um die Welt zu schaffen. Ja, es kommen in manchen Phasen der Umbrüche die einen oder anderen Kräfte nach oben, die in ruhigen Zeiten nicht nach oben gekommen wären. Aber das ist vernachlässigenswert, und viele der Revolutionsführer hatten Fähigkeiten, mit denen sie sich auch zweifellos in stabilen Zeiten durchgesetzt hätten.

Tatsache ist - und das ist ein bemerkenswertes Fazit, das Brinton Crane in seiner Untersuchtung der Revolutionen zieht - daß nach einer Revolution im Prinzip DIESELBEN Menschen und Menschengruppen und sozialen Schichten oben sind, wie vorher. Sodaß man fast zu dem Schluß kommen könnte, daß es völlig gleichgültig ist, ob jemand in stabilen oder in revolutionären Gesellschaften lebt. Allerdings trifft das nicht auf die einzelnen Phasen einer Revolution zu, denn in ihnen ist eine Revolution ein einzigartiger Zustand, in den sich eine Gesellschaft, ein Staat begibt, und wo sich auch die Revolutionäre auf eine Art zeigen, die man von so manchem nie erwartet hätte. Das aber hat vor allem mit dem revolutionären Umfeld, den speziellen Lebensbedingungen zu tun, in denen sie sich bewegen.


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Donnerstag, 21. April 2011

Was wirklich ist

"Was bedeutet es, wenn in der Zeit der Reproduzierbarkeit des Kunstwerks, wo das Original von der Simulation immer weniger unterscheidbar ist, die Authentizität des Originals eine geradezu magische Bedeutung gewinnt, eine Bedeutung, die nur mit der der "Gültigkeit" von Sakramenten vergleichbar ist? Diese Gültigkeit beruht ja auf der sinnlichen Realität einer Berührung, die auf der lückenlosen Folge von Handauflegen bis hin zum Stifter beruht. Die Authentizität dieses Stückes Leinwand beruht auf der originalen Berührung durch diesen Künstler. 

Bei der zu Osterhasen umgeschmolzenen Kaiserkrone von Beuys hängt alles daran, daß sich diese Geschichte wirklich zugetragen hat. Denn ansehen kann man sie dem Hasen nicht. In einer immer mehr den Schein kultivierenden Welt übernimmt die Kunst die Umkehrung des traditionellen Verhältnisses die Rolle der Repräsentation der Wirklichkeit, des Seins, das sich in die Unsichtbarkeit zurückgezogen hat.

Bei dem verchromten Stab von ca. 1000 m Länge, den Walter de Maria anläßlich einer Kasseler Documenta in die Erde versenkt hat, sieht man die Schnittfläche des Stabes, eine kleine silberne Scheibe auf dem Boden. Das andere sieht man nicht, wie in dem Claudius-Gedicht: "Seht ihr den Mond dort stehen? -/Er ist nur halb zu sehen/und ist doch rund und schön./So sind wohl manche Sachen,/die wir getrost belachen,/weil uns're Augen sie nicht sehn." 

Nicht was man sieht, ist das Wesentliche, sondern worauf es ankommt, ist, von der Wirklichkeit des versenkten Stabes zu WISSEN, die durch diese kleine Scheibe repräsentiert wird. [...] Die Kunst macht etwas unsichtbar, damit es als wirklich erinnert wird. In einer virtuellen Welt, einer Fassadenwelt, übernimmt sie es, die verlorene Wirklichkeit als unsichtbare zu vergegenwärtigen. Denn nur als unsichtbare ist die Wirklichkeit unzerstörbar."

Robert Spaemann, in "Wirklichkeit als Anthropomorphismus"

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Knackpunkt

Lehrer in Gablitz/NÖ: F. Ebner (1882-1931)
"Was dem Menschen am meisten im Weg steht [...] ist die gute Meinung, die er von sich selbst hat - tatsächlich jener "Glaube an sich selbst", der am Ende nichts anderes ist als die wahre Pervertierung des Glaubens [als höchstmögliche Haltung der Wirklichkeitsöffnung, Anm.] 

Wenn Rousseau meinte, der Mensch sei von Natur aus gut, so ist das einfach falsch. Die Natur ist weder gut noch böse und sie gibt auch in keiner Weise einen Maßstab für das Gute oder Böse ab, nur für das Nützliche und Schädliche, Angenehme und Unangenehme. Darum kann sich auch keine Ethik nach ihr richten. 

Aber das ist richtig: Jeder hat "von Natur aus" eine gute Meinung von sich, von der er um keinen Preis lassen will und die auch die Ursache ist, daß er das keinem Menschen unbekannt bleibende Gefühl, daß das Leben, das er lebe, doch nicht das rechte sei - es ist dieses Gefühl bereits ein Indizium des Geistes im Menschen -, in verkehrtem Sinne, ästhetisch statt ethisch, versteht und darum sich selbst in diesem Gefühl nicht versteht."

Ferdinand Ebner, in "Fragment 17"

 
*210411*

Unter die Kindheit herab

Der "Gefällt mir"-Button ist vorläufige Zwischenstufe einer logischen Entwicklung des Internets, das in "Internet 2.0" (der Beteiligung der jeweiligen Konsumenten) seinen eigenen Untergang vollzieht: Als Medium der Mitteilung löst es sich in den Konsumenten hinein auf. Der Betrachter wird zum Beurteiler, und damit sinkt das Objekt unter ihn hinab: Autorität, Qualität wird zur bloßen Massenmanifestation, und damit verächtlich. Der Betrachter wird (im Unmittelbaren) erkenntnisresistent, er kann nur noch prüfen, ob das Objekt seinen bereits vorhandenen Kriterien entspricht, womit Identifikation stattfindet: seine Stellung in der Welt hängt von ihm ab. Seine Stellungnahme ist eine Stellungnahme seiner eigenen Vergangenheit und Ist-Verfaßtheit gegenüber, die es gewaltsam durchzusetzen gilt, weil eine neutrale, abstrakte Ordnung, die einem den Rang der einem gebührt zuteilt, fehlt.

Erkennen aber ist ein Aufnehmen eines Objekts, an dem ich mich zu einer mich jeweils übersteigenden, erweiternden, auch "neuen" Reaktion aufrichte. Sie braucht also die Haltung der Demut, der Ehrfurcht. Es verlangt umgekehrt die Position der Autorität im Erkenntnisobjekt. Selbst Autorität verteilen zu sollen oder - diese Bewertungen lösen ja auch Druck aus - meinen behaupten zu müssen verhindert diese Erkenntnis genau des Objekts, um das es in der Bewertung geht, weil es sein Objektsein verliert.

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Eine Gesellschaft, die aber bereits dem Kind Herrschaft über "das zu Lernende" gibt, in der Wahlmöglichkeit, bleibt im Kindheitsstadium, ja sinkt sogar unaufhaltsam darunter hinab.


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Zukunft Selbstauflösung

Die Reduktion der Dinge auf Zustände (seiner selbst) und Eigenschaften (Fähigkeiten) läßt die Dinge - die ja die Träger von Zuständen und Eigenschaften sind - als Ganzes verschwinden. Eine Welt, die sich also darauf reduziert, schafft sich ab, löst sich in Nichts auf. Sie fällt aus jeder Zukunft, weil subjektive Zuständlichkeit keine Zukunft planen läßt, weil es nicht möglich ist, Zustände der Zukunft vorauszusagen, und verliert damit auch ihre Gegenwart.

Passiert nicht genau das, mit Facebook etc.? Ist nicht das das Persönlichkeitsbild der Gegenwart? Weil nichts mehr "etwas" ist, auf dieses Sein hin sich selbst transzendiert, sondern sich (egalitaristisch in der Form) auflöst, löst es sich völlig in Bereitschaft auf ein Sein hin auf, das aber nicht mehr zum Sein wird sondern möglich bleibt. Der Einzelne kann (und will, auch weil weil meint zu sollen) keinen Zustand mehr halten (das ist sozial längst verpönt, als "konventionell" oder "arrogant" etc.), also nicht einmal mehr erleben.

Ist es nicht auch genau das, was als Idealbild sozialen Verhaltens längst gebräuchlich ist? Es ist nicht mehr wichtig, WER etwas macht - wichtig ist nur noch, WAS jemand macht, als Erfüllung einer (definierten) Funktion. Somit gibt es niemanden mehr, der etwas macht, dem es zubehört - es gibt nur noch irgendjemanden, dem es gerade so paßt, oder dem es irgendwie zugesprochen obliegt. Was jemand ist, welches SEIN jemand hat, ist nicht mehr wichtig. (Dabei ringen doch die Menschen gerade darum, sucht sich dieser unbedingte Wille, etwas zu sein, definiert zu sein, unzählige geheime Wege, meist indem er "Sein" auf Verhalten legt, als Ausweis von Sein - und das erzählt alles, das erklärt auch die Verbissenheit, mit der heute Weltanschauungen, Weltsichten als Teil der Identität betrachtet werden: kontroverse Meinungen erzeugen heute längst Todfeindschaften. Oder sie sind gleichgültig, weil es den anderen gar nicht mehr gibt - für mich, und damit überhaupt nicht.)

"[Wer so denkt] verzichtet auf seine Wirklichkeit als Person," schreibt Spaemann dazu. "Er will nichts sein als sein gegenwärtiger angenehmer Zustand. Wir kennen das von Drogensüchtigen."

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Mittwoch, 20. April 2011

Filzpatschenspione

Früher traf man sich in Regenmänteln und breitkrempigen Stetsons in schummerigen Bars und nachts in Parks, tauschte Aktentaschen aus, und heuerte Mata Haris an, um in intimster Entspannung den Redefluß eines Klienten zu befördern. Heute genügt es, zuhause am Schreibtisch zu sitzen, bei Tee und in Filzpatschen, und "soziale Netzwerke" auszuwerten. Die FAZ bringt in einem Artikel die Meldung, daß sich im Netz regelrechte Cyber-Kriege abspielen, mit eindeutigen Angriffszentren: Rußland und China.

Milliarden, so die FAZ unter Berufung auf deutsche Verfassungsschutzeinrichtungen, gehen so der hiesigen Wirtschaft durch Informationsabfluß verloren. Einbrüche in firmeninterne Datenbänke gehören ebenso dazu, wie Aneignung von privaten Daten über Schulden und Kontostände, mit denen tatsächlich Mitarbieter zum Geheimnisverrat erpreßt werden sollen.

Längst schon wurden auch Facebook- und Twitter-Konten als immer ergiebigere und dabei leicht zugängige Quellen von Unternehmensinterna und Entwicklungsgeheimnissen entdeckt und ausgewertet. Viel zu sorglos, so die FAZ, würden die Menschen mit ihren Informationen umgehen, viele sensible Informationen liegen regelrecht blank. Geheimdienste hätten schon eigene Abteilungen eingerichtet, die diese Daten analysierten.

Eine der besonderen Gefahrenquellen sei, daß Mitarbeiter oft von zu hause aus Firmendaten - manchmal nur per normalem E-Mail oder simplem Datenstick transferiert - bearbeiteten, wo sie noch angreifbarer wären. Das gäbe ein Eldorado für Geheimdienste. Zunehmend würde aber nicht nur Datendiebstahl auffallen, sondern gezielt würden Fehlinformationen in Umlauf gebracht mit dem Ziel, Schaden anzurichten.

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