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Freitag, 22. April 2011

Typus des Revolutionärs

Brinton Crane schreibt, daß sich von der Charakterfärbung her betrachtet kein wirklicher "Typus" eines Revolutionärs - in der Führungsschichte - ausmachen läßt. Sie stammen eher aus gehobenen, gebildeten Schichten, so gut wie nie aus der Unterschicht, gar nicht selten aus der früheren Führungsschicht, derselben, die sie nun bekämpfen. In der sie sich häufig - ja, das kann man als Häufung betrachten - kaum oder nicht durchgesetzt haben. Auffallend ist der Praktiker, der gehäuft zu finden ist. Aber es sind nicht die Versager, die Nieten, die eine Revolution durchziehen. Auch nicht die brutalen Schlächter und Sadisten, die Verbrecher, auch wenn sie immer vorgekommen sind.

Durch die speziellen Anforderungen kommen immer auch zahlreiche Männer nach oben, von denen man sonst nichts gehört hätte - aber das läßt nicht auf ihr Versagen schließen, auch wenn gewisse Undurchlässigkeit der obersten Schichte als Zeichen des Verfalls zu den gestürzten Gesellschaften dazugehört. Es hat einfach mit den besonderen Anforderungen zu tun, mit denen sie wuchsen und Fähigkeiten bewiesen, die sonst vielleicht nie - auch von ihnen nicht - beachtet worden wären.

Ein Typus freilich, eine Charaktereigenschaft eher, ist häufig zu beobachten - es ist der Zug zum Idealisten, der den meisten Revolutionären anhaftet. Er ist derjenige, der um einer Idee willen alles fahren läßt, der für sie stirbt, der von einer besseren Welt träumt, und eine solche schaffen will. In gesunden, stabilen Gesellschaften ist er unerläßlich als ruhiger Grundfaktor, ja als Fundament und ruhender Pol. Mit der Revolution bricht für ihn aber die Zeit an, endlich seine Träume zu verwirklichen.

Mit bemerkenswerten Färbungen:

Robespierre zum Beispiel. Er war als Landrichter ein strikter Gegner der Todesstrafe. Eher hätte er sein Richteramt zurückgelegt, als ein Todesurteil zu verhängen. Das vertrug sich nicht mit seinem Humanitätsideal, für das er zweifellos gestorben wäre. Einer seiner berühmtesten Wahlsprüche war: "Lieber geben wir die Kolonien auf, als einen unserer Grundsätze!" Das meinte er ernst. Jahre später verhängte er ohne mit der Wimper zu zucken Todesstrafen, wenn sich dieser zukünftigen besseren Welt, die auf den diesen Humanitätsidealen aufgebaut war, jemand in den Weg stellte.

In der Form des Fanatikers ist er notwendig für die zweite Phase einer Revolution - der wo sie zum Sieg durchgezogen wird. Hier ist er unerläßlich. Bis er vom Pragmatiker abgelöst wird, der einen angepaßteren Weg einschlägt, mit meist tragischem Ausgang für seinen Vorgänger: Robespierre oder Trotzky sind Beispiele. Tragisch waren sie aber schon zuvor, auch das eine Gemeinsamkeit vieler Revolutionäre in Führungsposition: sie waren alle gescheiterte Intellektuelle. Philosophen, Maler oder Schriftsteller, Priester, Denker, die manchmal sehr unglücklicherweise in Machtpositionen kamen.

Dennoch, und zusammengefaßt: um eine Revolution zu schaffen, braucht es dieselbe Vielfalt an Menschen, wie es braucht, um die Welt zu schaffen. Ja, es kommen in manchen Phasen der Umbrüche die einen oder anderen Kräfte nach oben, die in ruhigen Zeiten nicht nach oben gekommen wären. Aber das ist vernachlässigenswert, und viele der Revolutionsführer hatten Fähigkeiten, mit denen sie sich auch zweifellos in stabilen Zeiten durchgesetzt hätten.

Tatsache ist - und das ist ein bemerkenswertes Fazit, das Brinton Crane in seiner Untersuchtung der Revolutionen zieht - daß nach einer Revolution im Prinzip DIESELBEN Menschen und Menschengruppen und sozialen Schichten oben sind, wie vorher. Sodaß man fast zu dem Schluß kommen könnte, daß es völlig gleichgültig ist, ob jemand in stabilen oder in revolutionären Gesellschaften lebt. Allerdings trifft das nicht auf die einzelnen Phasen einer Revolution zu, denn in ihnen ist eine Revolution ein einzigartiger Zustand, in den sich eine Gesellschaft, ein Staat begibt, und wo sich auch die Revolutionäre auf eine Art zeigen, die man von so manchem nie erwartet hätte. Das aber hat vor allem mit dem revolutionären Umfeld, den speziellen Lebensbedingungen zu tun, in denen sie sich bewegen.


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