Dabei erleidet der Mensch - und alle Mystiker bestätigen dies - unsägliche Qual aufgrund einer zweifachen Strafe, der er sich nun aussetzt bzw. ausgesetzt wird: der poena damnis (Ausgeschlossenheit von Gott), und der poena sensus (Strafe der Sinne). Der erbsündlich (in seiner Neigung, denn die Erbsünde war im Prinzip eine Spaltung Leib-Vernunft) sich dem Geschöpflichen - nicht dem Geistigen, Gott - zuwendende Teil, der Leib, zieht ja "normalerweise" die menschliche Vernunft von Gott weg (aversio a Deo), zum immanentistisch Geschöpflichen hin (conversio a creatione).
Hat sich die Vernunft aber zur Blickumkehr entschlossen, zieht der Wille wieder zu Gott hin. Über die aktive Reinigung hinaus, auf dieser Gebetsstufe, dem Gebet der Ruhe eben, setzt nun die Gnadenwirkung Gottes auch im Willensbereich ein. Weil eben in der Seele als Geistseele (wenn man so will: als Frucht, als Haltung, auf die Einübung der Betrachtung hin, die das mühsame, aber unerläßliche Schritt für Schritt überwunden hat) der Geist Gottes präsent wird. Der Wille strebt nun mit größter Macht auf Gott zu.
Doch muß auch das Leibliche, in seinem geschöpflich-orientierten Habitus, der einer Sucht gleicht, wieder zum Geist des Menschen zurückgeholt, auf die Vereinigung mit Gott hin ausgerichtet werden, muß die Vernunft wieder Herrin über den ganzen Menschen, die ganze Seele werden. Denn Gottvereinigung kann nur im Geistigen stattfinden, aber auch nur mit dem ganzen Menschen, als Leib und Seele, als höchstes Ziel.
Wie kann das sein? Wie kann man sich das vorstellen? Mager findet einen großartigen Vergleich:
Wenn das Auge krank ist, schmerzt ausgerechnet das, was es sonst den Grund für seine Freude gibt - das Sonnenlicht! Erst einmal muß es dieses Licht entbehren. Und dann schmerzt es aufgrund seiner eigenen Unzulänglichkeit.
Gottes übermächtiges Gnadenwirken in der Seele verursacht nicht nur, daß sie ihn nicht schauen kann (poena damni), sondern bewirkt auch höchste Qual (poena sensus).
***