Sopron/Ödenburg, St. Michaly |
Wie bei den alten Liedern - sie tragen dieselbe Stimmung, wie die die wenige dutzend Kilometer weiter westlich gesungen wurden und werden. Dieses bittere, traurige, und doch so erhabene Klagen und Mitleiden mit dem Leiden Jesu, das im Kreuzweg nacherlebt, im Betrachten gegenwärtig und in der inneren Reaktion der Menschen wirksam, fruchtbar gemacht wird.
Vom Zentrum ausgehend, zieht die Prozession die alte Römerstraße entlang, die Richtung Bratislava führt, durch all die Gassen, über den großen Platz mit der Mariensäule, die anstelle der aus Angst vor den schon bei Güns/Köszeg angerückten Türken, zur besseren Wehrbereitschaft im Glacis geschliffenen Kirche errichtet wurde, wobei sie in Wahrheit den Pranger ersetzt hat, über die Ikva, den steilen Anstieg hinan, hinauf bis zur gotischen Kirche, oben am Hügel, dem eigentlich ältesten Teil der Stadt, am Rande der Weingärten, i Poncichter-Viertel, mit einer der größten gotischen Kirchen Ungarns, St. Michaly. Dort endet er, bei den verwitterten Kreuzwegstationen aus dem 15. oder 16. Jahrhundert.
Hier, am westlichen Rand eines geographischen, völkischen Raumes, der durch seltsame Wendungen der Geschichte gezwungen wurde, sich selbst mißzuverstehen: als "deutsch", als "schwobisch", einem schon fremdgewordenen Ursprung nationell zugerechnet. Ein Raum, der, geht man nach der Definition von Nadler, und sie scheint schlüssig, nach allen Regeln der Kunst gerade dabei war, sich (ähnlich dem Nordsächsischen im Friesischen und Englischen) zu einer eigenen Sprache, zu einer eigenen Kultur, zu einem eigenen Volk zu entwickeln, dem "Hoanzischen", den "Hoanzen". Das all diese Siedlungsräume ab der Leitha umfaßte, hinein in die Batschka, in den Banat, die Walachei, ins Siebenbürgische, in die Bukowina. Man konnte dort nicht begreifen, was nach 1918 passierte.
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