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Donnerstag, 28. April 2011

No acting required

Die FAZ bringt ein Interview mit Christoph Waltz, ein weiters mit so mancher gescheiter Aussage von ihm. Es lohnt die Lektüre, ein paar Aussagen seien hier gebracht, sie sollen Rückenwind geben, klaren Kurs zu halten, denn die Mißverständnisse und mißverständlichen Anforderungen im Schauspiel und im Film sind ohne Zahl.


Begegnet man Ihnen mit mehr Respekt? Oder ist da auch Neid? Die Frage, ob man es verdient hat, hat immer auch mit der Unsicherheit in der Beurteilung zu tun. Es gibt Sänger, die eine unglaublich schöne Stimme haben, die auch große Karrieren machen - und die tatsächlich gar nicht so schön singen. Sie klingen zwar großartig, aber ich ziehe einen Sänger mit einer etwas weniger schönen Stimme vor, der dafür schöner oder mit mehr Ausdruck singt und mich damit erreicht oder berührt. Bei Schauspielern ist es so, dass zwischen der Person und der Materie, die sie behandeln, der Unterschied nicht mehr so deutlich wahrnehmbar ist. Das ist bei guten Musikern genauso. Wenn man zum Beispiel Barenboim Klavier spielen hört, hört man gar nicht so sehr Noten, man hört, wie ein Mensch sich mitteilt. Das ist ein Kriterium, wobei in einer Beethoven-Sonate nur Barenboim und Beethoven existieren - und eigentlich, weil Barenboim ihn so gut spielt, in erster Linie Beethoven. In einem Film dagegen existieren wahnsinnig viele Dinge, die dazwischengeraten. Deswegen ist es sehr schwierig, das Schauspielerische zu isolieren und unabhängig vom Rest zu betrachten, zumal ja die Aufgabe des Schauspielers nicht ist, zu brillieren, sondern alles beizutragen, um die Geschichte miterlebbar zu machen. [...]

Eine Rolle wie Hans Landa könnte auch ein Fluch sein und zum Typecasting führen. Jeder möchte den Landa in Ihnen entdecken. Mag sein, aber das wird mit der Zeit verblassen, und das ist auch schon so. Typecasting ist ja nicht verkehrt. Ich bin nicht davon überzeugt, dass die oft beschworene Tugend des Schauspielers darin liegt, alles machen zu können. Auch ein Pianist spielt nicht alles. Bestimmte Sachen liegen einem, man ist als Schauspieler durch seine Physiognomie und seine ganze körperliche Erscheinung sowieso prädestiniert für das eine oder andere. Es kann natürlich auch sein, dass jemand die Idee hat, einen genau für das Gegenteil zu besetzen. Aber erst einmal tut man weder der Geschichte, die man erzählen möchte, noch dem Schauspieler einen großen Gefallen, etwas von ihm einzufordern, was nicht sofort wahrnehmbar ist.
Und es gibt die Anekdote von Robert Mitchum, der bei guten Szenen im Drehbuch an den Rand "NAR" schrieb, "no acting required". Ich würde das nie hinschreiben, es könnte ja sein, dass jemand das Buch findet. Aber eine gut geschriebene Szene erklärt sich von selbst. Ich muss mich nicht von einem Löwen in den Arm beißen lassen, um eine Szene spielen zu können, in der mich ein Löwe in den Arm beißt.
Sie sprechen nicht so gern über Ihre Arbeitsweise, oder? Das stört mich auch an den Bonusmaterialien, den Kommentaren auf einer DVD. Gehen Sie mal zu dem Mann, der Lokomotiven verschwinden lässt, zu David Copperfield, und fragen ihn, ob er bereit wäre, für eine DVD zu erklären, wie er die Lokomotiven verschwinden lässt. Der lacht Sie doch aus. Ich glaube, man gräbt sich damit selbst das Wasser ab. Der Zauber dessen, was wir machen, geht immer mehr verloren.
Das Kino soll also seine Geheimnisse hüten? Ich wünschte mir das. Alles auszuverkaufen, finde ich idiotisch. Natürlich ist so etwas interessant, aber je interessanter es ist, desto größer der Schatz, den man verteidigen sollte. Jeder, der zweimal im Kino war, ist mittlerweile ein Experte. Zum Teil haben die Leute viel gesehen und kennen sich auch gut aus, aber weder sind sie Kritiker noch Filmemacher, und sie geben ihr Publikumsprivileg preis.




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