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Freitag, 15. April 2011

Die Revolte bricht los

Auch bei den von Crane Brinton untersuchten Revolutionen der Weltgeschichte ist der Befund eindeutig: es ist nicht so, daß besondere Armut eine Revolution auslöst. Dieses Faktum, an sich, ist fast bedeutungslos. Vielmehr ist es die relative Diskrepanz zwischen den Wünschen der Menschen, und dem was sie haben, das Faktum also, wie sehr sie unter diesem fiktiven Mangel leiden. Und das ist historisch gesehen durchaus sehr subjektiv und relativ.

Wie Eric Hoffer ja auch schreibt: historisch ist auffallend, daß Revolutionen eine Zeit des Aufschwungs vorausgeht, der nur (durch eine einzige Mißernte, zum Beispiel, einen einzigen extremen Winter) unterbrochen oder gefährdet zu werden braucht (Frankreich, England, Rußland, USA ...) - und plötzlich geht das Pulverfaß hoch. Die Menschen sahen sich schon im Besitz der nächsten Stufe, auf einmal schien diese verloren. Das ließ  sie explodieren. Die Argumente, die dann als Gründe in der Agitation herangezogen werden, sind meist überhaupt nicht relevant, und haben weit mehr mit gesellschaftlichen Akzeptanzen und Wünschen zu tun, als mit der Wirklichkeit.

Auf einmal aber wird die Regierung zum Verhinderer! Die Revolution in den USA ist in dieser Hinsicht erdrückend zu unterlegen: es waren die Besitzenden, die mit den massivsten wirtschaftlichen Interessen - darunter ... George Washington, der in Land spekuliert hatte, das von der Londoner Regierung Kanada zugeschlagen werden sollte -  die die Stimmung aufgeheizt hatten.

Im Grunde bestätigen die aktuellen Umstürze im arabischen Raum diese These. Und machen sogar verständlich, daß sich die betreffenden Regierungen unschuldig fühlen, denn es ging doch aufwärts?! Da braucht es kein "ungerechtes Regime", ein solches wird posthoc als Grund vorgeschoben, wobei jeder tatsächliche Fehler ein gefundenes Fressen darstellt. Denn jede Revolte braucht einen Gerechtigkeitsmythos, und an dem wird sofort gebastelt, wobei wesentlich ist, daß dieser Mythos zu Gefühl und Stimmung umgearbeitet wird. Kein Mensch, keine Masse kann "ungerecht" handeln, keine Masse wird ohne Gefühl bewegt. Tatsache aber ist - und eine ganze Reihe von Autoren kommt zu ähnlichem Befund - daß die eigentlichen Ursachen in der tatsächlichen oder befürchteten Einschränkung der Interessensentfaltung bestimmter (ökonomischer!) Gruppeninteressen zu suchen sind.

Der Mythos von den "verarmten, geknechteten Massen" jedenfalls, den die Marxisten später in die Welt gesetzt haben, läßt sich anhand so gut wie keiner Revolution der Geschichte bestätigen. Er war selbst ein solcher Gerechtigkeitsmythos.

Denn es waren nur bestimmte Wünsche, die schneller waren, und die Regierungen waren im Weg, oder müssen als im Weg befindlich gefühlt werden. Wobei (historisch) immer gewisse Mängel konstatiert werden müssen, keine Frage. Aber welche Regierung der Welt ist perfekt? In jedem Fall aber waren Revolutionen erfolgreich, wenn die Regierungen aufgrund einer ineffizienten Verwaltung schwerfällig oder inkompetent reagierten, häufig stand die Verwaltung schon absehbar vor dem Kollaps. Häufig waren es aber sogar die Reformversuche eben dieser Regierungen, die die Revolte begünstigten.

Hier setzt durchaus die Rolle des Internet ein, in der "Amerikanisierung" bzw. Globalisierung des Wunschhorizonts auf hohem zivilisatorischen, lebensstilzentriertem Niveau. Ein enormer Faktor der Unzufriedenheit! Und augenblicklich fällt einem ein: DDR, Ostblock, wirkten diese Revolutionen 1989 nicht fast ausnahmslos wie "Lebensstil-Revolutionen"?


*150411*