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Samstag, 31. Juli 2010

"Integrationsfördernde" Form der Wahrheit

Immer wieder bekam man zuletzt Einblick - und es ist nur ein kleiner Einblick, dessen dürfen wir sicher sein, der Autor dieser Zeilen hat hautnah erlebt, wie diese ideologischen Einflüsse (als "Sauerteig") bis in jeden hintersten Winkel wirken, im einzelnen höchst selten abgrenzbar sind - in welchem Ausmaß die Neue Moral-Ethik der Gegenwart, die in ihrem Wesen ein Gemengelage der Irrtümer und Verfallsursachen der Gegenwart ist, wobei sich in "politically correct" viel zusammenfaßt, in die Medienwelt eingedrungen ist und eindringen möchte.

So wird nun der Ruf laut, die Geschichtsbücher auch hinsichtlich der Darstellung des Islam weniger konfliktbezogen, sondern integrationsförderlicher zu gestalten. Mehr den Blick also auf das zu richten, was sein soll, als auf das, was ist, was hinwiederum nur verständlich ist, wenn man auch weiß, was war.

So ist die erst jüngst wieder abgeklungene Diskussion um einen "Pakt" Politik-Presse in Niedersachsen zu verstehen. Und in diese Kerbe schlägt auch, was die Junge Freiheit berichtet: Eine Religionswissenschaftlerin fordert, die Geschichtsbücher weniger konfliktbezogen zu gestalten. Warum muß man über die Türkenkriege der Vergangenheit als Kriege berichten? Warum 9/11 als Tat des Islamismus?

Man hätte die brennenden Türme auch in einen anderen Themenkomplex einordnen können, Kriege in der globalisierten Welt etwa. Aber man hat sie dem Islam zugeordnet“, sagte Jonker, die am Georg-Eckert-Institut für Internationale Schulbuchforschung in Braunschweig tätig ist. Hier sei „alles schiefgelaufen“ und man habe ein massives Schreckensbild vermittelt.
Nach Ansicht von Jonker müssen Kinder statt einer von Abgrenzung geprägte Geschichte einzelner Nationalstaaten eine „globale Erzählung“ vermittelt bekommen. Dies werde aber noch einige Zeit dauern. Bis dahin sei „eine ganze Generation muslimischer Kinder“ mit den Vorwürfen konfrontiert worden. 

*** 

Wer die Wahrheit zerstört, wer Wahrheiten aus dem Ganzen herauslöst und verzweckt, der zerstört die Freiheit.


*310710*

Seltsames Determinationsfeld

Alle lebendigen Organismen zugeschriebenen, sogar aber auch in der anorganischen Welt bereits keimhaft anzutreffenden Eigenschaften, wie Ganzheitsstreben, -erhaltung wie Werdung, Vervollkommnung, Entwicklung etc. etc., sind, so Richard Woltereck in seiner "Philosophie der Lebendigen Welt", eindeutig als Prozesse anzusehen, die von einem INNEN ausgehen, das zwar untrennbar von der Materie ist, das aber auf jeden Fall unräumlich ist.

Wie immer man - z. B. als eine Art Logos-Feld, wie der legendäre (sowjetische) Biologe Gurwitsch herausfand - dann diese Unräumlichkeit auch erklären mag. Sie aber ist es, die alles Lebendige ordnet, gliedert, und immer zu einem "Etwas" determiniert, das nur ganzheitlich aufgefaßt werden kann.


*310710*

Freitag, 30. Juli 2010

Gottes Geist finden

Friedrich Schelling sagt einmal, daß im Produzieren der Mensch nicht mit sich selbst, sondern mit etwas außer ihm beschäftigt sei. 

"Und gerade darum ist Gott der große Selige, [...] weil alle seine Gedanken immerwährend in dem sind, was außer ihm ist, in seiner Schöpfung. Er allein hat mit sich nichts zu tun, denn er ist seines Seins a priori sicher und gewiß."

***

"Der schöpferische Mensch wird von den Wundern der Welt, nach Goethes Worten, nicht bloß, wie die anderen ergriffen, sondern dringt bis in die Ursachen der Bezauberung und genießt so die Harmonien, durch die alles Wunderwürdige geworden ist und in denen es besteht. In der Selbstherrlichkeit seines Tuns bringt er hervor, was ist. Sein Selbstgefühl und Schöpfertum sind eins mit dem Dasein der Urgestalten. Er steht in einer göttlichen Welt, mit deren Leben er selbst auf wunderbare Weise verbunden ist, so daß er zu ihr spricht, und sie zu ihm, und beides nur Eine Stimme ist." 

Walter F. Otto in "Der Dichter und die Alten Götter"


*300710*

Ein anderer Sinnhorizont

Nachdem er in seinem ebenso umfangreichen wie dichten Werk "Philosophie der Lebendigen Welt" (1. Aufl. 1940) sämtlichen Lebensvorgängen naturwissenschaftlich ebenso, wie philosophisch - ontologisch nachgegangen ist, kommt Richard Woltereck zu einem Schluß, der wirkt, als habe er ihn selbst ein wenig überrascht. Und er - der sich Evolutionist nennt - kommt zu einem bemerkenswerten Paradigma des Lebens:

"Endlich erwähnen wir noch die volkstümliche Meinung, daß persönliche Fortdauer das höchste Ziel des menschlichen, und da dieses die höchste Lebensform darstellt, überhaupt des irdischen Lebens bilde.

Dieser Gedanke steht wie die vorher genannten Lehren in deutlichem Gegensatz zu der Lehre, die uns eine ontologische Prüfung des gesamten Lebens erteilt hat: nicht Fortdauer, nicht Stabilisierung, nicht Nützlichkeit ist Wertziel des Lebens, sondern Vollendung, Veredelung und unbegrenzte Eröffnung zweckfreier Werte."

Woltereck's Ansicht deckt sich übrigens mit einer Feststellung, die sich heute, siebzig Jahre später, wie ein Gerücht in Kreisen auch evolutionistischer Naturwissenschaftler, weitgehend bereits durchgesetzt hat: Selektion und Nützlichkeit sind nicht die fundamentalen Paradigmata der Natur.


*300710*

Donnerstag, 29. Juli 2010

Jung und gesund

Eine dieser Damen ist die neue Wirtschaftsministerin Georgiens, Vera Kobalia, Teil des jüngsten Regierungsteams vielleicht der Welt, das der georgische Präsident Saakaschwili aufgestellt hat, um auf jeden Fall niemanden dabei zu haben, der schon in Sowjetzeiten Bonze war. Die Aufregung um die neue Wirtschaftsministerin ist aber ein Sturm im Wasserglas, Kobalia macht das ja nie mehr wieder. Aber auf Facebook, wo das Photo herstammt, bleibt eben alles, unbarmherzig, gespeichert.

(Hinweis: es ist keine der seitlichen Damen.)



*290710*

Inmitten von Trümmern

Wir sollten uns nicht täuschen, daß die derzeitigen Entwicklungen aktive Prozesse schöpferischer Kulturentwicklung wären - was heute an Religionen, Ansichten, Haltungen wieder an den Tag kommt, das sich in der Massenidentität, wie es an den jungen Menschen vor allem so deutlich sichtbar wird (aber beileibe nicht auf sie beschränkt ist, im Gegenteil!), mit am deutlichsten ausdrückt, ist nicht das Ergebnis schöpferischer Prozesse, sondern es sind die Überbleibsel einer verduftenden Kultur.

Es ist der alte Entwicklungsprozeß, dem wir das Abendland verdanken, oder besser schon gesagt: verdankt haben. Der Konflikt zwischen dem Individualismus (der Griechen), und dem Massenmenschen des Orients. Am Bosporus, in der Ägäis, sind sich diese Welten begegnet, für Jahrtausende, und haben sich aneinander gerieben.

Es ist das Wesen dieses Individualismus, daß er siegt, wo immer er auch nur aufsteht. Es ist aber auch das Wesen des Rückfalls in die Masse, des Eingehens in die Formlosigkeit, wo Form nur noch als Gespenst existiert, daß er alles das ist, was nicht Kultur ist.

Was am 25. Mai 1453 einbrach, war mehr als nur die Mauer einer Stadt. Es fiel nicht nur Konstantinopel. In dieser Zeit begann eine Kultur einzubrechen. Lange noch ist sie gewankt. Heute, endlich fällt sie.

Nur ein paar seltsame Gestalten sind es, die da zwischen den Trümmern und Ruinen hin- und herhuschen, mal hier, mal da einen Stein, eine Inschrift, ein Pergament an sich nehmen, und es an ihren geheimen Ort tragen, vorsichtig zwischen den volltrunken herumliegenden, torkelnden, verschwitzten Barbaren lavierend.


*290710*

Was wirklich geschah

Diese Ebenen des Erkennens macht der Spot von Schweppes transparent: die subjektive Interpretation, der die objektiven Wirklichkeitsdata entgegensteht. Gut der Slogan: "Schweppes - Drink Different" - Trink Dir die Wirklichkeit anders. Eine Lektion Schopenhauer.




*290710*

Tat, nicht Täter!

Betrachtet man staatliche Systeme der Bestrafung, so wird einem meist nicht bewußt, daß es zwei prinzipiell verschiedene Ansätze dazu gibt, und die Höhe und Art der Bestrafung naturgemäß davon abhängt, von welcher Seite man es betrachtet.

Denn seit der Aufklärung hat sich auch bei uns der Gedanke der "Besserung" des Täters durchgesetzt. Das ist aber ein Paradigmenwechsel, denn bis dorthin galt (und gilt weltweit immer noch zumeist) das Prinzip, DIE TAT, und nicht den Täter zu bestrafen.

Der Mensch hat in seiner Zerbrechlichkeit eben auch die Neigung zu fehlen. Diese Würde bleibt ihm, so seltsam das für aufgeklärte Ohren klingen mag, es aber keineswegs ist. Wir maßen uns stattdessen aber an, den Menschen "zu bessern" - und DIESER Gedanke ist ernsthaft zu hinterfragen. Denn: kann man das überhaupt? Sind dies nicht völlig andere Vorgänge? DARF der Staat sich dies überhaupt zumuten, weil: KANN er es überhaupt erfüllen?

Weder nämlich bedeutet, einmal gefehlt zu haben, und auch wenn es ein schweres Vergehen war, ein schlechter(er) Mensch zu sein als andere, und als man zuvor war.  Noch steht es dem Richter, dem Staat zu, die Tat abzuwerten, und damit das Opfer, um die "geringere Schuld" des Täters zu berücksichtigen.

Strafe muß ein Übel sein und bleiben! Denn ihre Abschreckung ist nach wie vor eines der probatesten Mittel der Verbrechensprävention. Es ist lächerlich, erst durch Senkung und Fortnahme des Übels aus der Strafe zur Tat einzuladen, um dann den Täter prinzipiell "zu bessern".

Sieht man davon ab, daß es ein zutiefst im Menschen verankertes Wissen um die Zusammenhänge von Schuld und Sühne gibt, die NUR durch eine der TAT gerechte Strafe - im Dienste des Täters! - hergestellt sind. Ein Täter, der nicht angemessen sühnen durfte, und so muß man das bezeichnen, wird in seiner Tat auf sich zurückgeworfen, und somit auch NIE von seiner Schuld befreit! Stattdessen wird diese an ihn gekettet, und während die Gesellschaft ihm erklärt, er sei rehabilitiert, wächst in ihm genau das gegenteilige Bewußtsein: er weiß sich IMMER NOCH schuldig!

Welch ein Zynismus steckt also in den Bestrebungen nach "humanerem" Strafvollzug. Und welche Anmaßung zugleich.

Ein anderer Ansatz also könnte gänzlich neue Überlegungen dazu bringen, wie mit Tätern, die gesühnt haben, umzugehen sei. Denn genau aus obigen Gedanken läßt sich auch ersehen, daß es nicht wundernimmt, wenn die "Resozialisierung" von Straftätern keineswegs "funktioniert". Kann ja gar nicht sein - der Täter weiß sich schuldig, und die Gesellschaft weiß ihn nicht entsühnt ...

Den das entscheidende Moment einer Tat ist NICHT die Neigung oder der Charakter - diese Disposition haben wir nämlich alle, und das nicht mehr zu sehen, das ist der eigentliche und so gefährliche Wahn von heute: wo sich diejenigen, die gerade nicht eine Straftat begangen haben, als GUT sehen. Das entscheidende Moment einer Straftat ist die Bereitschaft und die Selbstvergessenheit, die Grenzen zur Missetat zu überschreiten! Nur daraus auch läßt sich auch eine (für die Bemessung der Strafe mit zu berücksichtigende) Motivlage abwägen. Nicht der Täter aber ist das Übel.  Potentielle Übeltäter sind wir alle. Von Verbrechern aber unterscheidet uns - die TAT.

***

Schopenhauer wendet sich strikt gegen die Sinnlosigkeit der Einzelhaft: der Sühnende hat keine Zeugen, also keine Öffentlichkeit, und das Opfer sieht seine Qual nicht, und kann sie sich auch nicht vorstellen. 

Das Pfand, so Beccaria, muß dem Wert des Eingesetzten entsprechen! Darin liegt auch die Begründung der Todesstrafe, die auch laut Katechismus der Katholischen Kirche - aus denselben Gründen - als äußerste Notwehr gerechtfertigt ist. Und ... sogar sein muß: es muß (als ultimo ratio) für einen Mord auch das Leben des Täters stehen.

Weil aber das Gesetz, die Tat zu bestrafen, und nicht den Erfolg zu rächen hat, muß deshalb auch Mordversuch gleich bestraft werden wie die vollzogene Tat. Nur der (durch Strafandrohung) zu verhütende Schaden kann den richtigen Maßstab für die Strafe geben. NICHT der moralische Unwert einer verbotenen Handlung! Einen Blumentopf vom Fenster fallen zu lassen, kann völlig belanglos - aber auch ein Mordversuch sein.

Ein Kriminalindex sollte also nichts anderes sein als eine Liste von Gegenmotiven, gerade stärker als das Motiv, eine Tat zu begehen. Bemessen nach Kriterien wie der Nachteil, der aus einer Straftat erwächst, nach dem Maß der Versuchung, sowie nach der Möglichkeit, den Täter zu überführen.

***

Vor einigen Wochen wurde in den USA eine Todesstrafe auf eine heute sehr ungewöhnliche, aber altbekannte Art vollzogen: durch Erschießen. Man darf in manchen Bundesstaaten der USA die Art des Todes, bei gefälltem Urteil, selbst wählen. Der Pönitent gab als Erklärung dafür an, daß er der Öffentlichkeit die Unmenschlichkeit der Todesstrafe demonstrieren wolle.

Also trat ein aus fünf Schützen zusammengesetztes Exekutionskommando an, wobei einer der fünf eine Platzpatrone erhält, die Gewissensabsicherung also doppelt ist: man kann davon ausgehen, daß nie EIN Schuß tödlich ist, es tötet die gemeinsame Wirkung, und man weiß nicht, ob eines Schuß nicht überhaupt wirkungslos blieb.

Der Delinquent war (ich glaube sogar: mehrfacher) Mörder. Wie hat er aber die Unmenschlichkeit seiner Tat(en) demonstriert, an der zusätzlich ein ganzes Umfeld zu leiden hatte? Zusätzlich könnte man sogar diskutieren, ob es nicht ein Maß weiterer Grausamkeit war, normale Soldaten (auch wenn sie sich freiwillig gemeldet hatten) mit der Gewissenslast der Exekution zu belasten.


*290710*

Mittwoch, 28. Juli 2010

Funktionsfaschismus

Kein Mensch darf Mittel zum Zweck werden, darf verzweckt werden. Das widerspricht grob seiner Würde, und verletzt ihn zutiefst, auch wenn der Ursache-Wirk-Zusammenhang aus zeitbedingen, kulturellen Gründen tief verborgen bleiben kann.

Wenn man also oft die Diskussion hört, man benötige in der Erziehung Männer, WEIL das diesem und jenem Element der Identität, der Persönlichkeitswerdung etc. entspräche, man benötigte Frauen als Mütter WEIL etc. etc. - und deshalb sollten Männer in die Erziehung, Frauen an den Herd ... so übersieht man leicht, daß dies tatsächlich jene Würdeverletzung darstellt, die aus diesen Erkenntnissen entsprechendem Handeln ein prinzipiell falsches Handeln macht. Das kann bestenfalls sehr begrenzte, höchst mangelhafte Notlösungen ergeben, aber kein Prinzip. Und in der Erziehung solche Notlösungen zum Prinzip zu machen, ist ein Verbrechen den Kindern gegenüber.

Und aus diesem Grund auch sah und sehe ich immer dräuender die Gefahr eines wirklichen Faschismus - der rekonstruieren möchte, als Funktionsklitterung zusammenbauen möchte, was als Ganzes nicht mehr besteht.

Wir sind Menschen, und sind ganz, ja unsere Vervollkommnung ist wesentlich Ganzwerdung. Unser Tun muß schöpferisch aus uns selbst entstehen, und DIESES Zueinander ergibt ein Gefüge, das (wären wir vollkommen) eine "Heile Welt" ergäbe - die leider nie heil ist, weil wir es nicht sind, und zwar: prinzipiell nicht sind (nicht dann und dann sein können oder gar: Könnten ...) und dies auch nicht sein werden.

Rezept eines kulturellen Neuanfangs, einer Renaissance, die ja immer Reform ist, ein Rückbesinnen auf das, was wir sein sollten weil könnten, kann also nicht das Aufstellen neuer, perfekterer Gesetze sein. Es muß heute vielmehr das Wegnehmen von Hindernissen sein, einesteils, und andernteils muß es die Auflichtung der Irrtümer sein, damit jeder in die Lage kommt, seinen wirklichen Anwegungen (und Willen) zu folgen. Denn wir kranken an einem Zuviel, das kein Ganzes mehr ergibt - nicht an einem Zuwenig, das zu einem Ganzen fehlte.


*280710*

Trendwende

Man sollte es wiederholen, es war den Medien meist nur eine Randnotiz wert - 2010 war demographisch gesehen das Jahr der Trendwende in Europa. Erstmals merkt man am Arbeitsmarkt (und in den Budgets der Staaten) das Fehlen von Jugend. Erstmals gibt es in Deutschland 50.000 Lehrstellen, die nicht mehr besetzt werden können.

Jetzt rät die Universitätsdozentin Gudrun Biffl in der Presse, für Ausländer das einzurichten, was für Inländer einzurichten nie funktioniert hat: eine Lebensumwelt, in der der heutige anspruchsvolle, wurzellose Mensch gut und glücklich leben kann. Wobei gilt: Zuwanderer zu holen, die unsere Budgetlöcher wieder stopfen, das ist nicht so einfach "steuerbar". Das "passiert". Und aus ganz anderen, indirekten Gründen.

Schlüsselkräfte sind sowieso flexibel, aber was sollten die in Österreich? Den Sozialstaat für die anderen finanzieren?

Einwürfe wie die von Sozialminister Spindelegger, daß wir Zuwanderer brauchen, um unseren Staat finanzieren zu können, sind noch ungewohnt, und regen auf. Und die Diskussionen, die daraufhin stattfinden, zeigen, daß die wahren Zusammenhänge nicht bekannt sind. Es geht nicht darum, ob Österreich 8,4 oder 8,3 Millionen Einwohner in zehn Jahren haben wird. Es geht um die Generationenverteilung. Zuwanderer einfach so holen wollen? Das, so Biffl, ist was es ist: ein Wunsch. Nicht mehr.

Nur das Argument ist keines - daß wir weniger Zuwanderung bräuchten, haben doch schon so viele Inländer keinen Arbeitsplatz. Das wird sich ändern, so gewiß wie das Amen im Gebet. Die Trendwende hat, wie gesagt, bereits stattgefunden. Sie hat sich nur ein wenig verschoben, denn diese Entwicklung war ja schon vor Jahren vorhergewußt.

Wer sich für diesen (unseren) demographischen Weg entscheidet, sagt Herwig Birg einmal sehr deutlich, muß sich dessen bewußt sein, daß er in die Armut führt. Daran führt kein Weg vorbei, und das ist auch für Europa nicht mehr zu vermeiden. Selbst massivste Gegenmaßnahmen (und die sind nicht einmal absehbar) würden in frühestens fünfzig Jahren greifen.

Wir werden uns an manches gewöhnen müssen. Die Zukunft hat schon begonnen.


*280710*

Man muß nur mittun

Frobenius spricht ein eigenartiges Wort aus, als er von der Wohlgeordnetheit der Welt vor dem 28. Juli 1914 spricht. Damals, so schreibt er in "Vom Kulturreich des Festlandes", sei es vor allem darauf angekommen, zu organisieren - alles wurde organisiert, die Welt war dabei sich "perfekt" zu vernetzen, zu einer zu werden.

Und dann schreibt er diese Sätze: Mittelmäßigkeit war Vorbedingung des Erfolges, geschickte Mittelmäßigkeit Garantie großer Karriere. Das alles aber heißt: Die Organisationen überwucherten den Organismus. 

Mit einem Male, so heißt es später dann im Text, habe der Weltkrieg die Illusion zerstört, daß die Welt der Zukunft, das Ziel, das letzte Menschheitsglück, in einer immer bequemeren internationalen, maschinellen Kultur bestehe.

Aber wenn auch das Ideal die Maschine war, die technische Machbarkeit aller kulturellen Erscheinungen - man hat die Organismen mißachtet. Kultur war als Maskerade mißverstanden.

Ich zitiere hier nicht weiter, was er über das Abendland, über Europa weiter schreibt. Ich lasse diesen Beitrag vielmehr ausklingen - in jener Stimmung, in die er mich letztlich versetzt hat: in frischem Mut, in Zuversicht. Nicht im billigen Optimismus, daß wir alles schon noch einmal hinkriegen werden.

Frobenius schreibt nämlich von der Aufgabe, die dann heißt, neu anzufangen, neu aufzubauen - inmitten von Trümmern: die alten Samen neu begießen, auf daß neues, wirklich neues Leben zu treiben beginne.


*280710*

Das Recht des Wilderers

Wenn sich, wie Schopenhauer argumentiert, Eigentum nur dadurch überhaupt begründen läßt, als es das Recht auf Nutznießung geleisteter Arbeit bedeutet, so schließt der Philosoph auch daraus, daß der Wilderer keineswegs gegen die Ehre verstoßen hat, sondern lediglich gegen bürgerliche Gesetze. Aber an sich kann Wild zu schießen, um davon zu leben, kein Diebstahl sein, denn es kann niemandem gehören (wenn es eben tatsächlich frei wächst und lebt; die Hege ist also bereits Eigentum begründend).

Aus demselben Grund ist das angebliche Recht von Ureinwohnern eines neuentdeckten Landstriches auf jenes Land fraglich, ja abzulehnen. Das betrifft sicher nicht jene Landstriche, die sie bebauen, ihre Äcker etc. Aber nur, weil ein Indianer auf der Jagd nach einem Wilde einen Wald durchstreift, ist dieser nicht sein Eigentum! Sondern dies wird durch jenen geschaffen, der ihn bearbeitet.

Direkt anwendbar ist diese Überlegung an das Verhältnis von Eltern zu ihren Kindern. Ein Staat, der sich in dieses Verhältnis einmischt, übernimmt sohin auch die Pflichten der Pflege - was gar nicht möglich ist, woraus sich das Unrecht erhellt, wenn ein Staat erzieherische Richtlinien vorschreibt, denen sich die Eltern zu unterwerfen haben. Die meisten Zweifel, die in diesem Punkt herrschen, ergeben sich lediglich aus der Definition von Eigentum. Das nämlich keineswegs freieste Verfügungsgewalt bedeutet, sondern in Rückbindung an die Pflicht zur Naturgemäßheit zu sehen ist. Der Staat hat aber keineswegs das Recht, weil darin gefehlt werden kann, das Erziehungsrecht an sich zu reißen, wie es heute geschieht.

(Und im übrigen von der Kirche als Naturrecht unantastbar gestellt ist - auch was die religiöse Erziehung anbelangt.)


*280710*

Dienstag, 27. Juli 2010

Ein wichtiger Schritt

RAI, der italienische staatliche Rundfunk, wird zukünftig bei Sportübertragungen auf die Zeitlupenwiederholung verzichten. Bislang wurde jede neuralgische Situation (und es hat auch bei uns längst überhand genommen) wieder und wieder gezeigt, und so kam es unter anderem zu ständigen Diskussionen über Schiedsrichterentscheidungen.

Das soll nun vermieden werden, denn es sei nutzlos, schaffe nur sinnlose Aufregung. Vielmehr werde die gewonnene Zeit für Analysen der Taktik etc. verwendet.

Das ist deshalb interessant, weil es ein Schritt in eine fundamental neue Richtung, ja in mancher Hinsicht eine Kehrtwendung ist. Im Bestreben, Schiedsrichterentscheidungen vollkommen zu machen, hat man ja seit vielen Jahren immer engere Wege beschritten. Längst ist der Schiedsrichter am Platz nur noch der Frontman einer hinter ihm stehenden vier-, ja fünfköpfigen Entscheidungsgremiums, das per Funk in ununterbrochenem Kontakt steht.

Und bemerkenswerterweise nahmen, wie die WM in Südafrika zeigte, die Fehlpfiffe nicht nur nicht ab, sondern sie nahmen scheinbar dramatisch zu!

Weil wir nun ja immer wußten und wissen, wann es zu einer Fehlentscheidung kam? Nein, behaupte ich, sondern weil die zurückgezogene Verantwortlichkeit des Hauptschiedsrichters am Feld (samt seiner gesteigerten Angst, Fehler zu machen) diesen zunehmend unfähiger machte, zu tun was er zu tun hatte: zu entscheiden, weil er sich aus der Spitze des Geschehens zurückzog. Was da geschah ist mit Verunsicherung längst nicht ausreichend beschrieben. Es ist ein Zurückziehen aus der Aufgabe, ein Zurückziehen aus dem ... (schon wieder das Wort?) Sein.

Je weniger Gewicht auf den aufeinanderprallenden Nadelspitzen der Dingheiten lastet, desto unrealer, un-seiender werden sie. Sie diffundieren, weil damit die Welt diffundiert, die nur Welt ist, weil sie das darstellt, wo und in welchem Maß sie mit dem Sein Kontakt hat. Womit auch angedeutet ist, warum sich heute unsere ganze Welt so dramatisch aufzulösen beginnt. Wo sich aber Welt auflöst, wuchert Lebenswille, Seinswille des Lebendigen, zum sinnlosen, ungeformten Krebsgeschwür.

Die Entscheidung von RAI  war also ein bemerkenswert richtiger Schritt - zu mehr Welt. Indem man beschließt, die Dinge wieder mehr auf sich selbst kommen zu lassen. Ein Anfang vielleicht gar, dem nun viele weitere Schritte folgen? Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne? Nein, es ist Magie. Jeder Anfang bringt eine Dingheit zur Welt, die zu wirken beginnt. Weil alles was ist, wirkt.


*270710*

Nur noch ein WIR

Das nächste Wochenende naht, die Medienwelt bereitet es gnadenlos vor (was steckt da nicht auch Geld dahinter! dort wurden und werden die nächsten Daseinskönige gemacht!), und damit naht dringend benötigter weiterer Nachschub, der den Massenbedarf an Massengefühlen decken wird, denn alleingelassen bleibt nur noch Leere - Happenings wie Beachvolleyball Klagenfurt. Einer der Altäre der Liturgie des "Communio-"Gefühls, diesem Konglomerat an Arten der Selbsterregung, der Droge der Zeit, die, ferngehalten von allem Wirklichen, allem Außen, nur noch auf sich zurückfällt.

Angepeilter wie anerzogener Tod des Individuums, der Freiheit und schöpferischen Kraft, der Liturgie der Identitätsgefühle, der Surrogate für Ich-Gestalt, des Aufgehens in der Masse.

Form, Gestalt - unnötig. Es lebe die Funktion, das gemachte Gefühl, das gemachte Erlebnis, das Produkt Leben. Wir gehen auf im Wir.

Bravo, allesamt, ob Kirche, Schulen, Kindergärten, Pädagogische Anstalten, Jugendverbände jeder Art - bravo!

Und spart Euch alle "zu habenden" Krokodilstränen aus dem Kulissenkatalog des "Richtigen", mit dem ihr Euch und alle betrügt. Live Your feeling!

Agere sequitur esse? Das Handeln folgt dem Sein? Quatsch! Wir schaffen ein Sein, welches ohne Sein auskommt, wir schaffen die höhere Welt einer beherrschbaren, planbaren, und vor allem: kaufbaren Parallelwelt in den Menschen!

Ach - damit wäre ja das Paradies erreicht; wenn alle zurücktreten, um dem "Wir" zu dienen? Weit gefehlt. Es handelt sich hier um das exakte Gegenteil: hier wird der Mensch sogar seiner selbst entkleidet (also was sollte da zurücktreten?), und die Gemeinung, die hier stattfindet, ist, wie Schopenhauer es formulieren würde, die Regression des Individuellen (im Geist) auf seinen dem Allgemeinen Menschentum eigenen Triebanteil. Wenn dem Menschen aber der Geist fehlte, wäre er Tier.


*270710*

Der Wal

Es hat auch seine Vorteile, daß die Menschen vorwegfilmen, was sie hoffen anschließend, zuhause, am Videobildschirm, zu erleben, um sich vorzustellen, was sie erlebt hätten. Der springende Wal, wir haben berichtet. So können wir erleben, was jene erlebt hätten, hätten sie nicht gefilmt.


*270710*

Nur negative Verdienste

Ein schöner Satz, den Kant über die Vernunft schreibt - daß sie nämlich "nicht, als Organon, zur Erweiterung, sondern, als Disziplin, zur Grenzbestimmung dient, und, anstatt Wahrheit zu entdecken, nur das stille Verdienst hat, Irrtümer zu verhüten."


*270710*

Montag, 26. Juli 2010

Der Papa wird's schon richten

Der deutsche Bundestagsabgeordnete und Innenexperte der CDU, Wolfgang Bosbach, meinte in einem heute veröffentlichten Interview, daß bemerkenswert sei, daß zwar viele Bürger für einen Ausbau der direkten Demokratie seien - aber praktisch jeder weise die direkte Demokratie sofort zurück, wenn es um Budget- und Geldfragen gehe. Da fühle sich keiner mehr kompetent und zuständig.

Wenn es also darum geht, die konkreten Folgen eines Tuns und Lassens zu tragen - dann sollte doch jemand da sein, der stillschweigend die Folgen trägt? Das klingt aber sehr heutig.


*260710*

Der neue Mensch

Er sei kooperativ gewesen. Außerdem saß er bereits elf Jahre in Untersuchungshaft. Der heute 67jährige Kaing Guek (Bild) war Mathematiklehrer, ehe er 1975 für die Regierung Pol Pot in Kambodscha als Verwalter eines Gefängnisses tätig wurde. Das, so wie dutzende andere solcher Stätten, in der Zeit 1975-1978 zur Erreichung des "historisch beispiellosen Experiments" (Pol Pot) eingesetzt wurde. In diesen Jahren wurden etwa 1,8 Millionen Bewohner dieses alten Kulturlandes, das starke Einflüsse von Indien her aufweist, ermordet.

Kaing Guek wird nach dem Richterspruch des internationalen Senats, der in Phnom Penh tagte, (nur) noch weitere neunzehn Jahre im Gefängnis verbringen müssen. Wer das "Schwarzbuch des Kommunismus" von Stephane Courtois und anderen aufschlägt, braucht starke Nerven, die ich nicht habe, um auch nur die Andeutungen dessen zu lesen, was sich in diesen Gefängnissen und überhaupt in diesem Land abspielte. In dem Mord so alltäglich wurde, daß man jederzeit und wegen geringster "Delikte" damit rechnete. 1979 waren 42 Prozent der Kinder Waisen, 1992 64 Prozent der Jugendlichen. Viele soziale Fehl-Erscheinungen im heutigen Kambodscha werden schon nur darauf zurückgeführt.

Folter wurde damals systematisch und ohne "Sinn und Ziel", zur bloßen Unterdrückung und subjektiver Willkür folgend eingesetzt. Anders aber als in China oder der Sowjetunion, konnte man in dem vierzehn Millionen Einwohner-Land (heute), das 2010 einen Altersschnitt von einundzwanzig Jahren aufweist, nicht damit rechnen, aus den Umerziehungslagern - bei "Erfolg" der Gehirnwäschemethoden - wieder entlassen zu werden. Die dezentralisierte Macht hatte zur Folge, daß die unfaßbaren Greueltaten vor allem auf lokaler Ebene beschlossen und durchgeführt wurden. In treuem Dienst zur zentralen Doktrine.

"Wir brauchen vielleicht eine Million Revolutionäre, um unser gesellschaftliches Ziel zu erreichen. Alle anderen brauchen wir nicht," verkündete die Doktrin des damals noch von Moskau und Peking gestützten Regimes, das aber bald die Bande mit China fester knüpfte. Mit chinesischer Hilfe sollte nach dem dortigen Vorbild eine Kulturrevolution stattfinden. Dabei hatte Pol Pot aus einer bemerkenswert schwachen Ausgangslage die Macht an sich gerissen (was den ganz besonderen Fanatismus noch mehr erklärt). Nur 4.000 (1974) bis 14.000 (1975) Parteimitglieder, und vielleicht 60.000 Kämpfer (Rote Khmer) schätzt man. Diese Kaderschwäche mit der daraus folgenden Inkompetenz und zunehmender regelrechter Verdummung war wesentlich mit verantwortlich für das organisatorische Chaos, in dem subjektiver Wahn so beispiellosen Freiraum erhielt.
Der Diktator Pol Pot selbst betrachtete sich als Genie: auf militärischem, politischem, künstlerischem Gebiet - einfach in allem. Die Führungsspitze isolierte sich zunehmend von den Kadern, die völlig uferlos wurden. Die Lage mündete in unkontrollierbaren Massentötungen, in denen alles ausgelöscht werden sollte, was als Tradition und Geschichte und Geist den neuen Menschen bedrohte.

Der ihnen allen gemeinen Angst vor einer Revolte entsprechend, waren bald alle "verdächtig", konterrevolutionär zu arbeiten. "Beim Verhaften kann man nie einen Fehler machen," hieß es. "Nur beim Freilassen." Bald hatten alle in diesem Land Angst - jeder, vor jedem. In einer Atmosphäre des Kriegszustands meinte man die Lösung auch für den Zusammenbruch der Inlandsproduktion zu sehen.

Die Invasion durch (das gleichfalls kommunistische, aber im Gegensatz zu Kambodscha an Rußland, nicht an China orientierte) Vietnam 1978 - ins Land geholt von einer in Kambodscha sich bildenden Oppositionregierung - beendete diesen unfaßbaren Schrecken.


*260710*

Bei uns in Tirol

Der ORF berichtet auf seinen Seiten vom Telfser Wirtefest. Und es klingt sehr handfest-echt, was sich in diesen Tagen dort zugetragen haben dürfte:
[...]

Anders als in den Jahren zuvor wurde das Fest am Telfer Wallnöferplatz, also mitten im Zentrum, abgehalten. Der Alkohol floß offenbar in Strömen, die Gewaltbereitschaft bei zahlreichen Besuchern stieg stetig. Die Polizei stand schon am frühen Abend im Dauereinsatz. Hier drohte ein Besucher mit zwei Promille Alkohol im Blut andere umzubringen, dort ging ein anderer auf die Polizisten los. Zwei Besucher gingen mit ihren Fäusten aufeinander los, andernorts erlitt jemand eine Platzwunde nach einem Angriff.

Schlussendlich hagelte es Anzeigen, stundenlang mussten offenbar diverse Streitereien und Auseinandersetzungen geschlichtet werden. Am Ende war so viel los, dass auch die Polizei den Überblick verloren hatte. Erfahrungsgemäß rechnet die Telfer Polizei auch am Sonntag noch mit mehreren Anzeigen wegen Körperverletzung.


*260710*

Nicht selbst im Wege zu sein

Es ist eine bemerkenswerte Beobachtung, die sich bei Wahnsinnigen machen läßt, und sie findet sich in eine Richtung blickend mit jener aus der direkten Begegnung, wo "Verrückte" über die Augen, über ihr Gesicht, Einblick in ihre Seelen geben:

Der Verrückte, Geisteskranke, Wahnsinnige lebt nicht nur gleich lang wie ein "Normaler", sondern wird oft sogar älter, und bleibt nicht selten auch gesünder.

Schopenhauer führt das Beispiel an, weil er daran erwiesen sieht, daß Bewußtsein nur Folge und Wirkung, nicht Ursache des menschlichen Lebenswillens ist.

Als würde der Irre seinen Lebenswillen "freilassen". Als würde er sich schützen. Denn wie schon festgehalten: nicht wenige Irre haben einen verschlagenen Blick, der wirkt, als hätten sie sich ganz bewußt für ihr "Irresein" entschieden, um sich der Lebensmühe zu entheben.


*260710*

Wie sich alles wiederholt

"Alles kommt jetzt ans Licht, was Griechen und Lateiner verfaßt haben, was am Nile und am Euphrat entstanden ist. Der Himmel ist erschlossen, die Erde durchforscht, und was in den vier Weltgegenden besteht, wird nun offenbar durch die deutsche Kunst, die gedruckter Buchstaben sich zu bedienen uns gelehrt hat."

So sprach der deutsche Humanist und Dichter Konrad Celtis etwa 1500, anläßlich der Erfindung der Buchdruckerkunst. Als ich das las, sah ich mich an die Hymnen zum "Anbruch des Internetzeitalters" erinnert. Jetzt wird sich alles ändern, war da zu hören, jetzt, wo jedermann Zugang zu allem Wissen der Welt und Menschheitsgeschichte hat.

JETZT wird alles anders. War das je anders?


*260710*

Und wozu das alles?

Wer hat eigentlich das Telephon gebraucht? Ja, diese, jene, ist man genau, wäre immer noch vieles besser erledigt worden, hätte es nicht die Schnelligkeit des Drahtes gegeben.

Die Randbereiche, wo diese Verfügbarkeit und Schnelligkeit notwendig waren, wirklich einen Zusatznutzen brachten, oder Schaden verminderten, verjüngten sich zusehends, als das Mobile Telephon zur Verfügung stand. Erst im Auto, dann gab es die schweren Koffer zum Mitnehmen, da gab es auch für mich dann und wann einen Messestand, wo ich erreichbar wurde, weil es scheinbar notwendig war, wobei: man es eben auch so einrichtete, weil diese Möglichkeit zur Verfügung stand.

Die technische Möglichkeit schuf also auch eine Veränderung des Ablaufs, bis der Ablauf die Technik verlangte.

Parallel kam das Fax, und auch hier bin ich nicht sicher, wo der Vorteil lag, denn es nahm eigentlich nur den Brief ab, und brachte Geschwindigkeit, bei der sich durchaus fragen läßt, ob der Verlust der Bedenkzeit einerseits, die Verlockung etwas rasch einfach mal zu erledigen anderseits, nicht längst ein Verlustgeschäft für die Menschen war.

Und dann schlug das Internet zu, bis sich mehr und mehr alles zusammenballte. Und noch mehr galt: niemand brauchte es wirklich, noch weniger konnten damit wirklich umgehen, aber es wucherte wie ein Krebsgeschwür, und wucherte das Leben schon so weit zu, daß es, zusammen mit all den Zusatzgeräten, die "der Kommunikation" dienten, wobei immer fraglicher wurde: mit WEM WAS kommunizieren?, längst zum Ersticken jeden Lebens kam, denn alles wurde immer vorläufiger, bis gar nichts mehr blieb.

Nun kam also auch das I-Pad. Das Land unbegrenzter Möglichkeiten, verspricht die Werbung. Was ergab sich nun?

Man nennt es "Sex-Pad" - denn wie noch nie (schon zuvor waren 60 Prozent der Internet-Anfragen Sexanfragen!) wird das I-Pad für ... den Konsum von Pornographie verwendet.

Da lobe einer die Technik. Sie hat der Menschheit so viel Segen gebracht! Erstaunlich. Bei einer Technik, die nicht nur niemand mehr braucht, sondern die das Leben mit Müll vollräumt, den wegzuräumen es keinen Raum mehr läßt.

Leben, Menschsein aber?

***

Einer der führenden Genetiker (weltweit), der Österreicher Penninger, gründet nun mit dem ehemaligen Wirtschaftsminister Bartenstein, Chef der Lannach-Pharmawerke, ein Unternehmen, das sich um entsprechende neue Produkte kümmern wird. Im Presse-Text stand zu lesen, daß ja auch Viagra ein Nebenprodukt ganz anderer Forschung gewesen sei - man wolle sich also um die Vermarktung so mancher Forschungsergebnisse kümmern, die bislang noch keine Verwendung gefunden haben.

Welch ein Segen! Hier das Sex-Pad, dort Viagra ... Was kommt jetzt?

Ein Hoch den hochbegabten österreichischen Eliteforschern! Nur mit Wissen kann man in dieser Welt noch bestehen.

Und DARAUF wird Wirtschaft aufgebaut? DAFÜR werden Steuergelder aus Forschungsförderung beim Fenster hinausgeschmissen? Bravo.


*260710*

Sonntag, 25. Juli 2010

Bis zum Ort der Wahrheit

Eigentlich ist die Begrenzung des Cusanus - Nicolaus von Kues - der entscheidende Punkt im Argumentieren gegen die Unbegrenztheit, die der Mystizismus sehr gerne für sich beansprucht, indem er sich jeder Nachprüfbarkeift entzieht.

Er benützt dabei ein Schlupfloch, das die Begrenztheit und Unausreichendheit des Verstandes aufreißt, in dem der Verstand selbst die Umklammerung in der Vernunft benötigt, wie Schopenhauer es formuliert: durch und im Urteil. Damit fällt einen Augenblick die Verifizierung des Erkannten bzw. Erkennens auf das erkennende Subjekt zurück, er wird sich selbst Richter.

Cusanus zeigt nun, daß die Vernunft in ihrem kreativen Akt, den diese Vernünftigkeit darstellt, sich sehr wohl des Verstandes bedient, und in einem dynamischen Zusammenspiel zu einer Verifizierung im Sinne einer höchstmöglichen Plausibilität (Wahrscheinlichkeit) gelangt. (Mehr an Gewißheit kann es ohnehin nicht geben.) Hier erst ist der Ort der Wahrheit erreicht, zuvor bewegt sich alles nur in Kategorien des richtig oder falsch. Die Vernunft selbst, zu deren Angelegenheit sie wird, gehört dem translogisch-suprarationalen Bereich an. Bis, ja bis zum Gottesgesichtspunkt.

Keinesfalls also vermag sich der Mystizismus durch Bezug auf "sinnlichen Beweis" zurückziehen und unangreifbar machen - auch in diesem Bereich (Cusanus teilt das Erkennen in Regionen ein) unterliegt er (rein "technisch-funktional") einer Verifizierung/Falsifizierung. Cusanus rettet damit die Rationalität, ohne rationalistisch zu sein.

An diesem Punkt wird die Begrifflichkeit zur Metaphorik, denn nur in der Metaphorik vermag das Erkennen die Begrenztheit der Logik zu einer höheren Dialektik hin zu erweitern, und sich analog zu Gott als "wahr" zu erweisen. Es wird katholisch: das Ganze betreffend ("kat-"= nach, gemäß, "holos" = ganz).

Gleichzeitig löst sich der Wahrheitsbegriff in seiner Relativität der bestenfalls erreichbaren Nähe (weil wahr nur intentional-wahr sein kann) nicht ins Unbestimmbare und Irrelevante auf, sondern er bleibt verhaftet mit der Wahrheit "an sich", doch wird die Erkenntnis der Wahrheit nicht zum bloßen Rechenspiel, sondern eine persönlich-sittliche Leistung. Sie verbleibt im Bereich reflektierten Nichtwissens, in dem die Philosophie selbst als Reflexion perspektivischer Standpunkthaftigkeit, als konjekturales (vermutetes) und dennoch zu setzendes Ereignis erscheint. Und sie benötigt keine "ontologische Fiktion", um zu solcher Vernünftigkeit zu kommen - der Mensch vermag sie noch aus individueller Autonomie heraus zu wahren.

Bemerkenswert, wie in diesem Punkt die hier zuletzt rezipierten Aussagen von Schopenhauer, Gödel und nun Cusanus - in eine Aussage zusammenfallen. Nur war die Rationalismuskritik des Nicolaus von Kues (neben seiner Vorwegnahme der Kantischen Kritik der Reinen Vernunft) der des 19. und 20. Jahrhunderts um fünfhundert Jahre voraus.


*250710*

Ich bin demütig geworden

Der Trainer des Fußballclubs Wiener Neustadt, Peter Schöttel, langjähriger Führungsspieler beim SK Rapid Wien, im Interview:

Sie können gut mit den Jungen? 
Ich erlebe eine Generation, die gut ausgebildet ist, der aber wegen des großen Talents vieles abgenommen wurde. Viele Junge mussten abseits des Platzes nie Verantwortung übernehmen. Diesen Fehler haben wir zum Teil auch bei Rapid gemacht.

Wie wichtig ist Erfolg?
Der Trainer des Neunten muss nicht schlechter sein als beim Ersten. Es gibt unterschiedliche Ausgangslagen.

Wären Sie sowohl für den Ersten als auch für den Neunten der Richtige?
Ja, davon bin ich überzeugt! Ich bin demütig geworden nach dem Jahr beim Sportklub und hab' mich gefragt: Kann es sein, dass niemand auf die Idee kommt, dass ich helfen könnte? Das war enttäuschend. Umso überraschter war ich über das Angebot von Stronach.


Ist Vereinstreue wichtig?
Treue schafft für den Verein Identität, genauso wie Talente, die zu den Profis aufrücken. Das wollen die Leute sehen.


*250710*

Heilige Weisheit

Als Sultan Mehmed der Eroberer, am späten Nachmittag des 29. Mai 1453 in das gefallene Konstantinopel einritt, langsam, durch die Hauptstraße, auf die Kirche der Heiligen Weisheit (Hagia Sophia) zu, stieg er, dort angekommen, vom Pferd, bückte sich, und nahm eine Handvoll Erde. Die streute er sich über den Turban. Eine uralte Demuts-Gebärde.

Alsdann betrat er die Kirche, und schwieg. Da sah er einen seiner Soldaten, der sich in dem großartigen Gotteshaus mit einer Axt zu schaffen machte, die Kirche plünderte. Da schritt der Sultan auf ihn zu und fragte ihn, warum er das tue!? Der Soldat antwortete: "Um der Rechtgläubigkeit willen!"

Da zog der Sultan seinen Säbel, und schlug auf den Soldaten ein, und vertrieb ihn. Jetzt erst bemerkte er angstvoll in Nischen verborgene Griechen. Er deutete ihnen hervorzukommen, beruhigte sie, und versicherte ihnen, daß ihnen kein Haar gekrümmt werde.

Dann trat er vor den Altar, und betete.


*250710*

Eine Übersetzung

Sein Schreiben war ein Werben, sich seiner doch zu bedienen, ein Versuch sich verständlich zu machen - Sein Denken wurde so zum Beweisen, daß er nicht verrückt - sondern auf eine Weise begabt war, die ohne Autorität nicht anerkennbar, weil völlig anders, war. 

Denn wer voraus ist, ist völlig unverstanden, weil so fern. Während der Zurückgebliebene nur deshalb verachtet wird, weil er überholt ward.

Er hatte die Bilder in sich, und aller Umgang mit seinen Nachbarn war unendliche Zeitvergeudung. Manchmal fühlte er, wie er es sogar präzise ausdrücken konnte: Zehn Jahre, meinte er dann, vielleicht zwölf. Mindestens. Zwölf Jahre, vielleicht, verbringe ich nur damit, das zu beweisen, was ich längst wußte, das aber niemand hören wollte. Ich könnte so weit voraus sein, meinte er traurig, als Peter ihn einmal besuchte. Ein andermal meinte er gar, daß es dreißig Jahre wären. Oder fünfzig. Dann, wenn er sich auf seine Kindheit bezog, wenn er meinte, im Grunde würde er SEITHER, seither, man stelle sich das vor, nichts anderes tun als um Verständnis dafür werben, daß das, was er wußte, nicht Unsinn war - sondern daß er einfach wußte, soviel wußte, woher wußte er aber nicht, wie das Leben war. 

Der ganze Alltag erschien ihm wie eine Extrarunde, die er nur lief, damit die Zuseher wußten, daß er da war - daß er längst gewonnen hatte, daß sie das wußten, davon ging er ohnehin nicht aus. Eine schreckliche Pflichtübung, eigentlich, meinte er auch Karla gegenüber hatte er das bestätigt. Es wäre noch angegangen, wäre es nicht mitten im Heiratsantrag, den er ihr an jenem Nachmittag unterbreitete, gewesen. Einer seiner Einschübe, für die er am Campus gefürchtet, bei manchen freilich beliebt, war. Karla hatte ihn gebeten, eine Nacht darüber schlafen zu dürfen. Oder zwei. Oder fünf. 

Ja, auch fünfzehn, meinte Robbie darauf. Der lebte, als wäre sein Leben eine Übersetzung dessen, was es eigentlich war. Bediene Dich doch vieler Zitate, hatte ihm einmal jemand geraten: deren Autoren haben doch Autorität, also müßtest doch auch Du sie erhalten? Das leuchtete irgendwie sein. Also tat er das fortan, häufig und voller Hoffnung.

Jutta Rabbsburg in "Gonorrhoe gratis"


*250710*

Überraschende Ehe

Ich war verblüfft: das hatte ich nicht erwartet. Nicht dort, in der häßlichsten Provinz, und nicht unter diesen Umständen. Aber der Traupfarrer schien wirklich zu wissen, wovon er sprach.

Als er nämlich die Ehe einen schöpferischen Akt zweier Menschen nannte, in welchem sie ihrer beider Leben aus den Tiefen primitiver Bedürfnisbefriedigung zum Geist erhöben. Wer heiratet, meinte er, der verlange noch mehr von sich und der Welt, der gebe sich nicht zufrieden, jemanden zu haben, an dem er seine Lüste stille, solange es ihm halt noch Spaß mache. In der Ehe sei ein Drittes im Spiel, und käme im Kind zur Frucht.

Ich verzieh ihm daraufhin die Penetranz seiner Eitelkeit, die in der Erzdiözese Wien ja Stigma nahezu des gesamten Klerus ist. Hier hatte er Mut bewiesen.

***

Es ist mehr als Gerede, wenn man allenthalben liest, daß die Kirche selbst das überzeugendste Beispiel ihrer Wahrheit sei - nämlich gerade in ihrer Bresthaftigkeit, in der manchmal unfaßbaren Unzulänglichkeit ihrer Repräsentanten.

Nach menschlichem Ermessen KANN eine derartige Organisation, ein derartiger Organismus nicht länger als höchstens einige Generationen überleben. Dann zerfällt er. Daß die Kirche nach wie vor besteht, daß sie nach wie vor - wenn man auch oft suchen muß - noch ein Ort ist, wo man Heil und Geist erfährt, hat sie nicht ihren Menschen zu verdanken, das muß Gottes Werk sein.

Wobei - und doch: es sind auch die Menschen, gerade diese Menschen, deren sich Gott bedient. Ohne sie wäre sein Wirken nicht möglich.

Unfaßbares Geheimnis!

Welch' Trost aber auch einen selbst betreffend!


*250710*

Samstag, 24. Juli 2010

Gleichschaltung (2)

Das haut den stärksten Neger um ... Deutsche Journalisten und Medien protestieren energisch gegen die Pläne der niedersächsischen Sozialministerin Özkan (wie gestern hier berichtet), die Medien in einem Pakt zu einer Berichterstattung im Sinne gelingender Integration von Zuwanderern zu verpflichten.

Mit solchem Protest war ja zu rechnen, nicht wahr? Umhauen tut es einen erst, wenn man dann liest, mit welchen Argumenten die Medien sich wehrten. Der Standard schreibt da:

Medienvertreter kritisierten die Pläne heftig. "Unverblümter hat seit langem kein Politiker mehr versucht, Zeitungen und elektronische Medien auf Kurs zu bringen", sagte der Chefredakteur der Oldenburger "Nordwest-Zeitung", Rolf Seelheim. "Wir haben im vergangenen Jahr für unsere Integrationsserie "Gut angekommen" den 1. Preis von einer deutsch-türkischen Organisation bekommen. Das machen wir, ohne dass wir von der Landesregierung irgendwelche Handreichungen, Vorgaben oder feierliche Appelle brauchen," sagte der stellvertretende Chefredakteur der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung", Matthias Koch.

NDR-Sprecher Martin Gartzke sagte: "Verantwortungsvolle Berichterstattung zum Thema Integration gehört zu unserem öffentlich-rechtlichen Auftrag und zu unserem Selbstverständnis. So gut gemeint der Vorschlag gemeint sein mag, so problematisch erscheint uns der Vorgang, daß Medienvertreter eine in einem Ministerium formulierte Verpflichtungserklärung abzeichnen sollen."

Was das heißt? Sie wehren sich nicht dagegen, daß ihre Berichterstattung interessensgesteuert zu gestalten das höchste Ziel journalistischen Ethos - Objektivität - zu verletzen verlangt, wie es jede schäbige Diktatur macht. Oder wie man es derzeit Ungarn als blanken Nazismus vorwirft, weil dort von den staatlichen Medien nationale Verantwortung eingefordert wird, nein.

Sie wehren sich, weil sie diese Interessensgebundenheit im Sinne einer "verantwortlichen Berichterstattung" (man beachte den Sprachgebrauch!) ohnehin bereits - belegbar und preisgekrönt - vollziehen! So ein Akt aber wäre eine seltsame Geschichte, denn dann könnten die Menschen ja glauben, sie würden ... ja was eigentlich? Nicht mehr verantwortlich berichten? Verantwortlich aber WEM gegenüber? Welchem gesollten Gesamtbild gegenüber?

Wir wissen es, und wir müssen nicht mehr darüber sprechen. Diese Medien brauchen nämlich keine offizielle Einflußnahme auf die Berichterstattung mehr, sie sind bereits gleichgeschaltet, wehren sich nur gegen die Art, wie es verlangt war. Denn in vorauseilendem Gehorsam - wie sich das so gehört - sind sie empört, daß man an ihrer aufrechten Gesinnung zweifelt.

Deutschland, gute Nacht! 

***

P. S. Wie immer sind die Postings der Leser im Standard fast noch interessanter, vor allem illustrativer als der Artikel selber. 

 ***

Das beste aber kommt erst: Özkan versuchte am Nachmittag, die Wogen zu glätten. Der bisherige Text sei nur ein Entwurf gewesen, betonte sie. "Die Charta war und ist als eine erste mögliche Diskussionsgrundlage gedacht. Nichts liegt mir ferner, als die Unabhängigkeit der Medien in irgendeiner Form zu berühren".

Mit dem Papier sollen sich die Pressevertreter verpflichten, über "Herausforderungen der Integration zu berichten" und eine "kultursensible Sprache" anzuwenden.

Worauf wohl jedem klar ist, was sie als "sensible Sprache" versteht. Und noch erschreckender ist der ethisch-persönliche Hintergrund, der hinter Özkals Äußerungen (gerade in dieser Naivität!) deutlich wird. 

***

Es geht immer (!) über die Sprache.

***

NDR ... war da nicht der Fall dieser Fernsehjournalistin, die man rauswarf, weil sie ... ja was eigentlich? Denn der Prozeß ging ja verloren, sie tat es also nicht. Weil sie also zuwenig "kultursensibel" war? Oder nicht gleichgeschaltet? Nach mathematischer Logik könnte man das fast so einsetzen. Da scheint es also eine ausgeprägte Tradition der kulturellen Verantwortung geben.


*240710*

Der Funke im Grotesken

An Bizarrerie kaum zu überbieten sind Schopenhauers Erklärungen zur Päderastie (=Homosexualität). Er sieht sie, vereinfacht, als List der Natur, denjenigen (und da also vor allem den Älteren), der noch den Trieb zur Artfortsetzung verspürt, aber nur in der Lage ist, schwache, untaugliche Spezies seiner Art zu schaffen, zur Befriedigung seines Antriebes zu bringen, ohne der Spezies Schaden zuzufügen.

Hier wird Schopenhauer zur wahrhaftigen Karikatur, wo er die Vorliebe der Antiken für die Päderastie zu begründen sucht. Dem männlichen Alter sei sie ja fremd und unbegreiflich, sie sei ja eine Neigung, die vorwiegend dem Jungen wie dem Alten eigne, und ihre Gefahr liege darin, sie zum Laster werden zu lassen. Als Beleg zieht Schopenhauer vorgebliche empirische Belege herbei, wonach junge wie alte Menschen vorwiegend geistig wie körperlich schwächliche Nachkommen zeugten. Immerhin meint auch Plutarch, daß die Knabenliebe "echt und düster" sei, und die wirkliche Liebe vertreibe.

Nun kann es ja für Schopenhauer in der "Natur" nichts "Sinnloses" geben! Also muß er eine naturimmanente Erklärung suchen - wenn es keine Freiheit gibt, ist alles "natürlich", wenn auch nicht alles "gut". Das Nicht-Gute auszumerzen wird dann eben auch naturgewollt. (Den Übeltäter zu erschlagen Selbstreinigung der Natur. Etc. etc.) Eigentliche "individuelle Moral" (die dem Kantianer Schopenhauer nur über Willensentscheid möglich ist) gibt es für ihn nur "contra naturam" - als Akt gegen das Leben, als wörtliche Lebensverneinung. Eine Ansicht, die ja auch heute weitest verbreitet ist, und dem Protestantismus (dem ja auch die Natur, die Schöpfung gefallen, also verderbt ist) sowie dessen Vor- wie Nachläufern (Schwärmertum, Mystizismus etc.) entstammt.

Der Funke Wahrheit freilich liegt in der von Schopenhauer indirekt angesprochenen Selbstschwäche des sich zur Homosexualität Entschließenden (die, wie hier schon mehrfach ausgeführt, keine Identität für sich darstellt, sondern eben den Mangel an einer solchen, weshalb sich auch Homosexuelle in ihrer "Zweisamkeit" Identitätsvorbilder in den normalen Geschlechtsbeziehungen suchen), man muß also zum Beispiel an obiger Aussage die Betonung auf "männlich" sehen - weil sie (als Neigung) bei jenem auftritt, dessen Persönlichkeit zu schwach (oder zu unwillig, was allenfalls aus selber Wurzel oder gar dasselbe scheint) ist, das Weib zu nehmen und zu prägen. Insofern stimmt sogar Schopenhauers Bezug auf Alte (deren Kraft nachläßt) und Jugendliche (die ihre Identitätskraft im Lebensvollzug und Ausbau ihrer Persönlichkeit erst aufbauen müssen).

***

Seit der Zwischenkriegszeit wird in einer Langzeit- und Großstudie die Zeugungskraft der Männer (USA und Westeuropa) anhand der Anzahl der Spermien in der Samenflüssigkeit untersucht. Das Ergebnis ist erschreckend: die Zahl hat sich AUF EIN DRITTEL im Durchschnitt reduziert. Wobei sie bei manchen Gruppen nahezu gleich blieb, bei den meisten aber dramatisch abnahm, und weiter abnimmt.

***

Es besteht für mich nicht der geringste Zweifel, daß die Homosexualität in der Kirche (auch fast alle Mißbrauchsfälle, über die berichtet wurde, sind ja Fälle von Homosexualität, wobei hier das Wort Päderastie, Knabenliebe, wirklich treffender wäre) in dem Maß zunahm und weiter zunehmen wird, als die Kirche ihre Männlichkeit völlig aufgab, und zu einer weibischen, gestalt-/formlosen Veranstaltung mißverstandener "Lieblichkeit" (Liebe gibt es nur durch Männlichkeit weil Treue zur Wahrheit) verkam. Die "Liturgiereform" der späten 1960er/frühen 1970er-Jahre war nichts anderes als eine Beseitigung der männlichen Gestalt, und eine Verweiblichung als durchgeführte Gestaltlosigkeit. Solange sie dies nicht behebt, wird sie nur - und zu Recht - verschwinden, sich auf die wenigen Männlichkeiten zurückziehen.

Die Kirche wird nur in Gestalt überleben.

***

Die Natur führt in der Homosexualität das Schlechte an der Nase herum, um zu verhindern, daß es sich fortzeugt - auf diese, im Rahmen seiner Denkweise aber stringenten Argumentation, reduziert sich Schopenhauers These zur Päderastie. Eigentlich stellt er also die Homosexualität moralisch "neutral", sie wird sich durch Unfruchtbarkeit ohnehin selbst ausrotten. Um dennoch vorzubeugen, daß man ihm vorwerfen könnte, er würde sie verteidigen, führt Schopenhauer an, daß ihre Verwerflichkeit darin liege, daß sich im Homosexuellen der Weltwille an sich den Weg zur Erlösung im Einzelwillen versperrt, weil sich der Wille an sich nicht (fortzeugend) fortsetzt, im Päderasten also der Lebenswille verneint.

Fast hat man den Eindruck, daß sich Schopenhauer damit nicht ohne Stolz eingereiht sieht in die lange Riege jener Philosophen, die von alters her die Päderastie als "Neigung der Weisen" sehen. Und außerdem hat er den Spagat geschafft - zwischen persönlicher Abneigung, die aus allen seinen Bemerkungen zu dem Thema spricht, und antikischem Ruf der Großen, in die er sich zweifellos eingereiht sieht.


*240710*

Freitag, 23. Juli 2010

Gleichschaltung (1)

Die Oldenburger NORDWEST-Zeitung berichtet, daß die Niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) die dortigen Medien zu einem Pakt verpflichten möchte.
Damit soll der Kurs über das Thema "Integration" koordiniert werden. 

In einer von Özkans Ministerium entworfenen „Mediencharta Integration“ soll auch die Verwendung einer „kultursensiblen Sprache“ vorgegeben werden. 
Für den 16. August habe die Ministerin Vertreter niedersächsischer Medien eingeladen, die Charta in einem „öffentlichkeitswirksamen“ Akt zu unterzeichnen und sich damit zu verpflichten, „den Integrationsprozeß in Niedersachsen nachhaltig zu unterstützen“. 

Özkan (noch einmal: CDU!) war übrigens schon einmal in diesem Jahr aufgefallen, als sie die Entfernung der Kreuze aus öffentlichen Räumen und Schulen verlangte, um den Integrationsprozeß zu fördern.

Nachbemerkung: Özkan hat es aber wohl nur etwas ungeschickt angestellt. Solche "Abstimmungen" sind auch in Österreich auf ganz andere Weise längst üblich. Auf den Seiten dieses Blog findet sich auch ein längerer Film-Bericht - Strippenzieher und Hinterzimmer - in welchem die Beherrschung der Medien durch Parteien und Interessensgruppen thematisiert wird. Insofern verblüfft an Özkan nur mehr die Freimütigkeit, mit der sie bei der Gleichschaltung der Presse bereits vorgeht.

***

Eine seltsame Tradition aber der Evangelisierung, die Niedersachsen hat: Ihrem vorherigen Ministerpräsidenten, dem jetzigen Deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff, wird vorgeworfen, einer christlich-evangelikalen Gruppe sogar als stützendes Mitglied zuzugehören. Mittlerweile wurde das Attribut "Bundespräsident" bei seinem Namen auf der Liste der Kuratoriumsmitglieder der Gruppe "Pro Christ" aus Chemnitz wieder auf Ministerpräsident reduziert. 

Wer da noch dabei ist? Würde Sie wohl interessieren ... Hier, schauen Sie selber nach.


*230710*

Es gibt ihn noch, den Humor

Schon lange nicht mehr so gelacht! Da berichtet kreuz.net in Übernahme einer Meldung des "Telegraph" (England):


"Homosexueller vergewaltigt Hund"
Ein Homosexueller (33) in Frauenkleidern ist am 10. Juli über einen Hund hergefallen. Die greuliche Tat ereignete sich nach Angaben der britischen Tageszeitung ‘Telegraph’ im trockenen Wassergraben des Schlosses Pendennis in Cornwall, einer Grafschaft im äußersten Südwesten von England.

Das Schloß ist ein beliebtes Ausflugziel für Familien. Die abscheuliche Tat ereignete sich am Samstagmorgen, dem 10. Juli, gegen 11:45 Uhr. Zwei Frauen umwanderten das alte Schloß in Begleitung zweier Hunde. Plötzlich erblickten sie im tiefen Schloßgraben den Mann in einem schwarzen Frauenkleid. Beim Anblick der Frauen rannte er davon.

In der Folge jagte einer der Hunde dem gestörten Mann nach.

Als die Frauen den Hund eingeholt hatten, sahen sie, wie der Wüstling das arme Tier vergewaltigte.

Angestellten gelang es, den homosexuellen Tierquäler festzuhalten. Er wurde der Polizei übergeben. Diese brachte den Schurken nach Hause. Er war geständig. Die Polizei gab ihm eine Verwarnung wegen seines Vergehens gegen den öffentlichen Anstand. Ein Sprecher der Polizei erklärte, daß weitere Behörden kontaktiert wurden und man den Perversen diesen inzwischen übergeben habe.


*230710*

Unterschied

Flachziegel und Feldsteine, mit viel Mörtel zu einem Mauerganzen vereint, verraten die späte römerzeitliche Art; denn während die Griechen Stein dem Steine anfugten, waren die Römer Bäcker von Mauern, da wird zusammengebracht was will und was nicht will, da wird der Stoff nicht mehr gefragt und nicht mehr der Wille des Teils; alles ist recht, wenn es dient.

Erhart Kästner schreibt das in "Kreta". Ich habe selten so präzise den Unterschied zwischen der römischen und der griechischen Welt erfaßt gefunden.

Es (= das griechische Baumaterial, Anm.) ist nicht mehr Kalkstein oder Sandstein, es ist Stoff, zum Höheren gewandelt. Atemzüge beleben den Stein, und Geist durchweht ihn, Adel fließt in ihm und Blut. Wenn man ihn begreift, so weiß man die Hand noch, die ihn gebildet, den Sinn, der ihn bedacht, den Ernst und die Ehrfurcht, die ihn, vor Höherm sich beugend, dem Tod und dem Stoffe entriß. [...] Eine Schule der maßvollen Maße und der menschlichen Grenzen in allem Gelebten und allem Gebauten.
***

Den Tempel der Athene, auf Cypern gesehen, den ich bei Kästners Sätzen vor Augen hatte, fand ich leider nicht. Luc, Clotilde und ihr entzückendes Töchterlein waren vom nachmittäglichen Mittagessen in einem sehr geheimen Restauranttip am Meer gekommen, und wir unterhielten uns angeregt über die seltsame Lage der Türkisch-Cyprioten, durchfuhren eine Kurve, da öffnete sich das Tal. Clotilde beugte sich zwischen die beiden Vordersitze, deutete uns zu schweigen: vor uns, auf der Nase eines beeindruckend ins Tal ragenden Berges, sah man die Ruinen eines alten Tempels im Abendlicht. Dort sollten wir noch hinauf, meinten wir, es kam nicht mehr soweit.

Aber dafür fand ich das.



*230710*

Meister der Haut

Rubens vermochte speziell die menschliche Haut in allen ihren Zuständen, Altern, ja im Geschlecht unglaublich wirklich darzustellen. Im Bild der "Helena Fourment" (seiner zweiten Frau, die zum Bade geht; das Bild auch genannt "Das Pelzchen") schafft er es, daß sich der Betrachter vom Gesamteindruck der Frau bezaubern läßt, von ihrer Schönheit, ihrer Erotik, ohne daß er auch nur ein Yota vom realistischen Zustand ihrer Haut abweicht.

Rubens' Nacktheit (auf seinen Bildern) wird nie zum Objekt, das man nur hinter Vorhängen hängt. Er, dessen ganzer Charakter als ungemein abgerundet, tugendhaft, liebenswürdig beschrieben wird, der in allem materiellen Erfolg sittsam und mäßig blieb (dabei konnte er leben wie ein Fürst), dessen Naturell (er malte in einer Zeit, wo ganz Europa in den Spannungen des Dreißigjährigen Krieges ächzte und krachte) ihn zum Diplomaten wie geschaffen machte, sodaß manchen Meinungen nach seine diplomatischen Erfolge noch über jene der Malerei zu stellen sind, war ganz gefangen von der Schönheit und Heiterkeit. In der er es nicht für notwendig hielt, die Welt "zu verbessern" - er fand das Schöne als alles Wirkliche durchwaltende Gesamtidee. Rubens ist nie sentimental - er ist lebensfroh und -voll. Seine Frauen zeigen übrigens seinen Umgang an, es sind Antwerpener Damen aus hohen Kreisen.


*230710*

Warum er schreibt

Ich schreibe, sagt Schopenhauer einmal, wie die Alten schrieben, um meine Gedanken zur Aufbewahrung zu übergeben, damit sie einst Denen zu Gute kommen, die ihnen nachzudenken und sie zu schätzen verstehen.

Er wiederhole sich auch deshalb nur selten, weil er voraussetze, daß sein Leser auch alle seine Schriften kenne. Sodaß das Allermeiste nur an einer Stelle zu finden sei. Wer ihn also verstehen wolle, müsse sich schon die Mühe antun, alles von ihm zu lesen.

Das Auge zwinkert einem aber spätestens dann, wenn Schopenhauer noch hinzufügt: Deshalb könne ihn auch keiner beurteilen, der nicht alles gelesen habe.


*230710*

Donnerstag, 22. Juli 2010

Wiedererkennungswert (2)

Ich bringe eine Video-Geschichte von vorgestern noch einmal, denn es ist ein zu schöner, wie inszeniert wirkender Zusammenfall - aber ehrlich: es gab keine Absprachen, zwischen mir, und dem Wal.

Die Zeitungen berichten heute nämlich, daß vor den Küsten Südafrikas ein Blauwal (Video) ein Schiff "besprungen", und nach einer Zeit wieder verlassen habe.

Das Schiff war hernach etwas ramponiert. Wer wäre das nicht? Die am Schiffe Anwesenden schätzen den Wal auf vierzig Tonnen Masse! Die Zeitungen freilich schreiben, daß man nicht wisse, warum der Wal das getan hätte.

Man wisse nicht, warum ... Sprach nicht auch der Besitzer des den erwähnten Vorfall abgesehen von Schäden an der Takelage gut überstehen habenden Schiffes davon, daß er froh sei, das Schiff aus Stahl gebaut zu haben? Wale scheinen also Stahl in gewissen Hinsichten zu schätzen?!

Leser dieses Blog sind in jedem Fall stets besser informiert. Nachstehendes Video klärt eben über die Gründe dieses Phänomens auf, das schon deutschen U-Boot-Fahrern bekannt war, wie man sieht. Die aber aus naheliegenden Gründen diskret blieben und kein Wort darüber verloren. Eines der letzten Rätsel der Weltmeere also - aufgeklärt. Der aufgeklärte Mensch darf also ein weiters Häkchen auf seiner Liste machen.

***

Die folgenden Bilder sind nicht jugendfrei, also: Kinder und Jugendliche - geht in den Garten spielen! Aber die Geschichte ist fein erzählt, und man begreift die Metaphorik erstaunlich gut. Wer hat das nicht schon einmal erlebt - und darüber geschwiegen?




*220710*

Video zum ARD-Film

Das Weblog Politically Incorrect bringt auf seiner Seite das Video jenes TV-Beitrages, der gestern auf ARD gesendet hätte werden sollen, aber erneut - wie vorgestern - wohl verschoben wurde, auf heute, 22.07.2010, 00:15 Uhr.

Wie auch immer: Hier können Sie den Beitrag (angeblich) auch ohne Fernsehanstalten sehen, der offenbar vielen zu brisant ist. Denn er zeigt eine Realität rund um die Zuwanderung aus islamischen Kulturkreisen, die eine schallende Ohrfeige für die Politik bedeutet. Denn die Wirklichkeit um Migration und Integration gibt den schlimmsten Befürchtungen recht, ja übertrifft diese noch.

Ein Filmbeitrag, der übrigens sogar einen deutschen Medienpreis erhielt. Der gestrige Blogbeitrag bringt in einer Kurzinformation, worum es darin geht.


*220710*

Zu zeugen gewollt

Es ist zuerst das, was auf den Fortbestand der Art ausgeht, das uns als Antrieb führen möchte, um sich zu wirklichen. Es ist die Stimme der vielen Stufen niedrigerer Natur, an denen wir zwar auf eine Weise teilhaben, die wir aber auch nicht "sind".

Denn was etwas ist, bemißt sich aus seiner höchsten Möglichkeit, nicht einmal aus seiner höchsten Wirklichung.

Und wir sind Menschen ganz, bis hinein in jede einzelne Zelle, die mit einer tierischen nicht einfach kompatibel ist (was bei Organtransplantationen deutlich wird, die eine völlige Unterdrückung des Immunsystems verlangen, also der INNEN-Beziehung zur Außenwelt). So "gleich" technisch gesehen Vorgänge, die diese Bestandteile leisten, auch sein mögen.

Deshalb ist es zuerst der Wille zum Kind, der das Begehren der Geschlechter überhaupt grundlegt und auslöst. Menschlich und menschengemäß ist sodann, dieses über die Individualisierung in alle Stufen des Menschseins hineinzuführen - bis hinauf in den Geist und die Freiheit.


***

Chamfort (Nicolas Sebastien Roch, 1519-1603 durch Selbstmord) ist deshalb sogar der Ansicht, daß der Zeugungsakt - wie immer auch die Beteiligten sich dazu bewußt stellen mögen - in jedem Fall "Ehe" begründend wirkt. Das ist zwar gewiß übertrieben, weil es eine Einheit im Menschen voraussetzt, die er nicht hat, aber es hat ganz gewiß einen Funken Wahrheit.

***

Schopenhauer meint, daß in der Geschlechtsbegierde der übermächtige Artwille dem Einzelnen vortäuscht, daß diese Artnotwendigkeit der Erhaltung und Zeugung auch für den Einzelnen hohen Wert hätte. Deshalb löst sich auch diese Begierde im Einzelnen sofort auf, nachdem der Geschlechtsakt stattgefunden hat - weil die Illusion zerstiebt. (An dieser Stelle darf sich der Autor den erneuten Hinweis auf seinen Roman "Helena oder: Das Gute ist was bleibt", Passagen-Verlag, Wien, erlauben, der u. a. diese Frage - die Illusion des Nur-Geschlechtlichen - darstellt.)

Ehen aus Liebe werden deshalb - wie anders der Volksmund! aber sogar das spräche genau für dieses Argument! - nicht im Interesse des Einzelnen, sondern in dem der Gattung beschlossen.


*220710*

Und bleibet ewig

Man muß es nicht gleich vollmundig "Ruhm" nennen, auch wenn es das ist - verwenden wir das Wort "Ruf", für das Nachwehen des Seins, das auf jeden Menschen mehr oder weniger kommt, sobald er tot ist.

Im Ruhm aber lebt ein Mensch tatsächlich über sein rein physisches Hiersein hinaus. Denn die Wirkung seines Lebens bleibt weiter bestehen, ja bei großen Menschen, deren Leben eine Schlüsselfrucht für viele, oder alle erbrachte, kann man mit Fug und Recht davon sprechen, daß sie hier auf Erden auf eine Weise, mit einem Beine noch, weiter wandeln. Und das ist mehr als "als ob" - es ist sehr real. Sie gehen also nie. Sie bleiben immer (auch) hier, ragen durch alle Dimensionen, des Jenseits, des Hier.

Der Totenkult ist also weit mehr als ein "symbolischer Akt".

***

Man sollte vorsichtig damit sein, Wünsche eines Sterbenden nach seinem Tode zu erfüllen. Unter Umständen bringt ihn erst DAS ins Verderben, und zerstört seine Lebensfrucht. Mit diesem Unseligen "Er hätte das gewollt!"

***

Der Haß der Diktatoren erstreckt sich schon deshalb auch auf die Verstorbenen. Sie sind ihm äußerst reale Gegner.

***

War der Ruhm früher nicht auf Menge bedacht, sondern auf Qualität, und genügten dazu schon wenige Blätter, wenige Jahre, wenige Tage, wenige Werke, wenn sie denn die Substanz hatten - so ist er heute im Spiel von Herstellung und Verbrauch gefangen. Er ist das Hoffen, daß eine Leistung, für kurze Zeit wenigstens, Mode wird. Und nicht selten, wird die Verfertigung eines Kunstwerkes nur noch danach bemessen - ob die Aussicht darauf besteht.


*220710*

Blick von drüben

Jutta Rabbsberg schreibt in ihrem ansonsten vernachlässigenswerten, ja miesen Machwerk, dem Roman "Gonorrhoe gratis" (Schmuddel-Verlag, Oldenburg), immerhin einige bemerkenswerte Sätze.

So den: daß im Blick zweier Verliebter, aber auch in dem zweier, die kurz vor der sexuellen Vereinigung stünden, sich bereits das nun gezeugte Kind zeigt.

"Wie der Schatten, der am Fenster der Stifterloge sichtbar wird, die in den Altarraum blickt. Man wohnt der Messe bei, blickt einen Augenblick nach oben, da - man sieht es, da ist jemand, da ist etwas. Man wird beobachtet! Jemand wartet - drüben, und will zur Welt werden."

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(Der Held in erwähntem Roman stirbt dann eines höchst seltsamen Todes. Vielleicht ist das Buch doch nicht so schlecht.)

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Nachtrag vom 23.07.: Wie mir ein Leser mitteilt, ist der Gründer des erwähnten Verlages, Horst Ulrich Schmuddel, seit drei Jahren tot. Die Erben, allen voran seine obszöne Tochter Knigga, haben alle Verlagsaktiva verkauft. Die Rechte für obgenannten Buchtitel besitzt nun angeblich der Verlag Highblooms in Los Angeles. Er wird also nur noch antiquarisch erhältlich sein, so weitere Leser dieses Blog ihn erwerben wollen.


*220710*

Mittwoch, 21. Juli 2010

Augenzwinkern der Welt

Eine der schönsten Szenen an dem an schönen Szenen so reichen Film "Lawrence of Arabia" ist jene, wo "T. E. Lawrence" (Peter O'Toole) mit dem Sheik Auda ibu Tayi (Anthony Quinn) spät abends am Lagerfeuer sitzt. Das Essen des ersten Kreises, dem der Sheiks, wurde soeben beendet (T. E. Lawrence schreibt in seinen Büchern, daß erst danach das Volk bekam, von denselben Tafeln, von denen die ersten aßen - was übrigblieb) und man spricht über das Vorhaben. Es geht darum, Akaba zu erobern. Das von den Türken zur Festung ausgebaut ist, die Auda ibu Tayi Tributgelder zahlen, im übrigen eine sehr normale Vorgehensweise.

Lawrence deckt erst auf, daß Auda ibu Tayi Gold von den Türken erhält. Der rechtfertigt sich gar nicht, er sei eben der (freilich, nicht so ganz redliche ...) Quell, aus dem sein Volk trinke und lebe. (Geschrei der Zustimmung aus den Umlagernden.) Und dann spitzt es sich zu: Abu Tayi sagt, daß er nicht wüßte, warum er Akaba angreifen solle. Da sagt Lawrence:

Auda Abu ibu Tayi wird nicht angreifen, weil er Gold dafür erhält.
Nein, stimmt der zu.
Er wird auch nicht angreifen, weil er Ruhm oder Ehre oder Beute möchte.
Nein, wieder stimmt der Sheikh zu.
Er wird angreifen, WEIL ES IHM SO GEFÄLLT.

Das sitzt. Abu Tayi sieht ihn mit zugekniffenen Augen an, er kann nicht mehr anders.  Er muß beweisen, daß er diese Freiheit hat! Erst dann ist man groß.
Deine Mutter hat sich mit einem Skorpion gepaart, sagt er dann.

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Weil es mir so gefällt. Die höchste Freiheit hat der, der nur aus sich bewegt ist. Weil es ihm so gefällt. Kein Nutzen, keine lächerliche Rechnung von Vorteilen oder Kosten. Weil es ihm so gefällt. Der ist frei. Der ist er selbst, aus sich heraus. Und der ist schön. Wie der krummnasige, dreckige, verschwitzte Auda ibu Tayi.

Diese Sequenz von wenigen Minuten gibt dem Fünf-Stunden-Epos vielleicht die entscheidende Beischwingung und Hintergrundfärbung. Hier wird nämlich sichtbar, was Lawrence überhaupt an der arabischen Welt und Seele so fasziniert: Sie ist so, WEIL SIE SO IST. Zusammen mit der Stelle, wo der Bedu von Omar Sharif am Brunnen erschossen wird, weil er aus ihm Wasser schöpft, der Brunnen aber den Beni Sadr gehört, wird hier eine archaische, mythische, ganze Welt sichtbar, nach der sich der Mensch sehnt. Das hat durchaus mit Paradies zu tun, denn der Mensch ist im Eigentlichen poetischer Abstammung, und dorthin will er wieder. In dieser Welt wird er immer Fremdling bleiben.

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Der Kurier bringt einen Bericht der "Gleichbehandlungskommission", der besagt, daß es ungerecht sei, für Frauenhaarschnitte mehr zu verlangen als für Haarschnitte bei Männern. Es sei nicht rechtfertigbar.

Das Enttäuschendste daran ist, daß die Friseurinnung tatsächlich zu argumentieren begann, und Haardichte, höhere Ansprüche etc. anführte. Erst damit begann (und beginnt nun wohl) die Ungerechtigkeit. Damit beginnt vor allem der Haß, die Häßlichkeit, damit beginnt das Ende des Ganzen, das Geheimnis, gewahrt in der Diskretion.

Alles Erhebende ist niemals eine Frage des niedrigen Preises. Es ist eine Frage der Werthaftigkeit. Alle Dinge haben ihren Preis. Das ist so. Nur das Nichtige braucht die Hilfe der Hunde, die argumentieren. Das Hohe ist kein Hund. Das Hohe ist frei.

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Preisgerechtigkeit heißt nicht, daß alle den gleichen Preis zahlen. Weil niemand gleich ist, weil niemandes Lage gleich ist, und weil keine Situation des Kaufes selber gleich ist. Wer so denkt, nimmt dem Kauf das Letzte, was er immer noch (und: zuallererst!) ist: Teilhabe am Leben, Kommunikation. Auch mit dem Risiko des Ärgers, gar des Betruges, auf den zu reagieren auch mir selbst überlassen ist - manchmal ist es tatsächlich die zweite Wange, die es hinzuhalten gilt. Leben ist weit, weit! mehr als Summenrechnung ... Wer austauschbare Leistung möchte, wird selbst austauschbar.

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Wen wundert, daß wir an unseren Schulden ersticken? Unser Geld wird für solche Dinge (wie der gesamte Genderwahn) und Institute sinnlos, und zwar völlig sinnlos, ja selbstzerstörerisch, beim Fenster hinausgeschmissen. Warum? Weil es so evident ist, daß man sagen darf: weil es so ist. Nur Verrückte meinen, das argumentieren zu müssen.

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Was ist das Nächste beim Friseur? Abrechnung nach Stunden? Kostenvoranschläge am Donnerstag eingeholt, am Freitag entschieden, unter fünf Anbietern, samt immer grenzenloserem Bürokratismus? Prozesse, warum bei der einen die Galafrisur siebzig, bei der anderen neunzig kostete? Weil die mehr schnattert, nerviger, "anspruchsvoller" oder ... häßlicher ist?

Was wird aus einer Welt, der all diese abstoßenden Emanzen, die per Verordnung Liebe wollen, die aus Neid, Gier und Bösartigkeit dem Leben das letzte Augenzwinkern entreißen? Es wird ihr dramatisch alles Lebendige, und auch noch letzte Barmherzigkeiten ausblasen.

Alles nur dafür, daß manchen Häßlichen billiger ihre Haare normgerecht abgebissen werden.


*210710*