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Samstag, 17. Juli 2010

Keine Moralanstalt

Wenn ein Staat, schreibt Schopenhauer einmal sinngemäß, sich darauf verlegt, jedem - in Nachahmung eines Idealzustandes, wo jeder jedem nur Liebe erbringt - Wohlwollen und Werke der Menschenliebezuführen zu wollen, so wird er bald erleben, daß sich seine Bürger rasch auf die Seite jener schlagen, die diese Taten ERFAHREN wollen, aber keiner mehr auf jene, die sie ERBRINGEN.

Es läßt sich nie das Positive, es läßt sich nur das "Negative" erzwingen, also das Strafrecht zum Beispiel, ja im Grunde: das Recht überhaupt.

Aufgabe des Staates kann nicht sein, gegen den natürlichen Egoismus der Menschen vorzugehen - er würde etwas Unmögliches versuchen, weil sich der Grundwille der Menschen nicht ändern läßt. Er hebt sich auch nicht auf, wenn alle nur noch moralisch handeln - er ist keine Moralanstalt! Vielmehr kann er nur darauf achten, daß die nachteiligen Folgen des Egoismus sich in fürs Gemeinwohl erträglichen Grenzen halten.

Und genau dort ist ja auch der neuralgische Punkt der Politik der Gegenwart - es geht immer um die Definition des Gemeinwohls, und diese wiederum ist keine Frage der "Moral", sondern der Anthropologie, somit eine philosophische, weltanschauliche Auseinandersetzung - es geht darum, was überhaupt Moral IST, um festzustellen, worin sie verletzt wird. Sorge also muß einem machen, beobachtet man die Natur des Konflikts der Gegenwart - es ist ein Auseinanderbrechen dieser Grundauffassungen, in mittlerweile sogar mehrere Parteiungen. Wo des einen Moral, des anderen Unmoral geworden ist.

In diesem Fall wird der Staat unausweichlich zum Missetäter, der positives Unrecht festlegt, und damit seine eigene Substanz - die Grundlage seines Volkes Gemeinwohl überhaupt - zerbricht. Dann ist er seinem Wesen nach auch Despotie.


*170710*