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Samstag, 24. Juli 2010

Der Funke im Grotesken

An Bizarrerie kaum zu überbieten sind Schopenhauers Erklärungen zur Päderastie (=Homosexualität). Er sieht sie, vereinfacht, als List der Natur, denjenigen (und da also vor allem den Älteren), der noch den Trieb zur Artfortsetzung verspürt, aber nur in der Lage ist, schwache, untaugliche Spezies seiner Art zu schaffen, zur Befriedigung seines Antriebes zu bringen, ohne der Spezies Schaden zuzufügen.

Hier wird Schopenhauer zur wahrhaftigen Karikatur, wo er die Vorliebe der Antiken für die Päderastie zu begründen sucht. Dem männlichen Alter sei sie ja fremd und unbegreiflich, sie sei ja eine Neigung, die vorwiegend dem Jungen wie dem Alten eigne, und ihre Gefahr liege darin, sie zum Laster werden zu lassen. Als Beleg zieht Schopenhauer vorgebliche empirische Belege herbei, wonach junge wie alte Menschen vorwiegend geistig wie körperlich schwächliche Nachkommen zeugten. Immerhin meint auch Plutarch, daß die Knabenliebe "echt und düster" sei, und die wirkliche Liebe vertreibe.

Nun kann es ja für Schopenhauer in der "Natur" nichts "Sinnloses" geben! Also muß er eine naturimmanente Erklärung suchen - wenn es keine Freiheit gibt, ist alles "natürlich", wenn auch nicht alles "gut". Das Nicht-Gute auszumerzen wird dann eben auch naturgewollt. (Den Übeltäter zu erschlagen Selbstreinigung der Natur. Etc. etc.) Eigentliche "individuelle Moral" (die dem Kantianer Schopenhauer nur über Willensentscheid möglich ist) gibt es für ihn nur "contra naturam" - als Akt gegen das Leben, als wörtliche Lebensverneinung. Eine Ansicht, die ja auch heute weitest verbreitet ist, und dem Protestantismus (dem ja auch die Natur, die Schöpfung gefallen, also verderbt ist) sowie dessen Vor- wie Nachläufern (Schwärmertum, Mystizismus etc.) entstammt.

Der Funke Wahrheit freilich liegt in der von Schopenhauer indirekt angesprochenen Selbstschwäche des sich zur Homosexualität Entschließenden (die, wie hier schon mehrfach ausgeführt, keine Identität für sich darstellt, sondern eben den Mangel an einer solchen, weshalb sich auch Homosexuelle in ihrer "Zweisamkeit" Identitätsvorbilder in den normalen Geschlechtsbeziehungen suchen), man muß also zum Beispiel an obiger Aussage die Betonung auf "männlich" sehen - weil sie (als Neigung) bei jenem auftritt, dessen Persönlichkeit zu schwach (oder zu unwillig, was allenfalls aus selber Wurzel oder gar dasselbe scheint) ist, das Weib zu nehmen und zu prägen. Insofern stimmt sogar Schopenhauers Bezug auf Alte (deren Kraft nachläßt) und Jugendliche (die ihre Identitätskraft im Lebensvollzug und Ausbau ihrer Persönlichkeit erst aufbauen müssen).

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Seit der Zwischenkriegszeit wird in einer Langzeit- und Großstudie die Zeugungskraft der Männer (USA und Westeuropa) anhand der Anzahl der Spermien in der Samenflüssigkeit untersucht. Das Ergebnis ist erschreckend: die Zahl hat sich AUF EIN DRITTEL im Durchschnitt reduziert. Wobei sie bei manchen Gruppen nahezu gleich blieb, bei den meisten aber dramatisch abnahm, und weiter abnimmt.

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Es besteht für mich nicht der geringste Zweifel, daß die Homosexualität in der Kirche (auch fast alle Mißbrauchsfälle, über die berichtet wurde, sind ja Fälle von Homosexualität, wobei hier das Wort Päderastie, Knabenliebe, wirklich treffender wäre) in dem Maß zunahm und weiter zunehmen wird, als die Kirche ihre Männlichkeit völlig aufgab, und zu einer weibischen, gestalt-/formlosen Veranstaltung mißverstandener "Lieblichkeit" (Liebe gibt es nur durch Männlichkeit weil Treue zur Wahrheit) verkam. Die "Liturgiereform" der späten 1960er/frühen 1970er-Jahre war nichts anderes als eine Beseitigung der männlichen Gestalt, und eine Verweiblichung als durchgeführte Gestaltlosigkeit. Solange sie dies nicht behebt, wird sie nur - und zu Recht - verschwinden, sich auf die wenigen Männlichkeiten zurückziehen.

Die Kirche wird nur in Gestalt überleben.

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Die Natur führt in der Homosexualität das Schlechte an der Nase herum, um zu verhindern, daß es sich fortzeugt - auf diese, im Rahmen seiner Denkweise aber stringenten Argumentation, reduziert sich Schopenhauers These zur Päderastie. Eigentlich stellt er also die Homosexualität moralisch "neutral", sie wird sich durch Unfruchtbarkeit ohnehin selbst ausrotten. Um dennoch vorzubeugen, daß man ihm vorwerfen könnte, er würde sie verteidigen, führt Schopenhauer an, daß ihre Verwerflichkeit darin liege, daß sich im Homosexuellen der Weltwille an sich den Weg zur Erlösung im Einzelwillen versperrt, weil sich der Wille an sich nicht (fortzeugend) fortsetzt, im Päderasten also der Lebenswille verneint.

Fast hat man den Eindruck, daß sich Schopenhauer damit nicht ohne Stolz eingereiht sieht in die lange Riege jener Philosophen, die von alters her die Päderastie als "Neigung der Weisen" sehen. Und außerdem hat er den Spagat geschafft - zwischen persönlicher Abneigung, die aus allen seinen Bemerkungen zu dem Thema spricht, und antikischem Ruf der Großen, in die er sich zweifellos eingereiht sieht.


*240710*