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Donnerstag, 15. Juli 2010

Touristische Häresie

Das Wort Häresie bezeichnet nicht, daß ein Gedanke "falsch" ist, sondern es bezeichnet einen Gedanken, der "ausgewählt" und solcherart übergewichtet oder/und falsch eingeordnet wurde. Ob die Dinge der Welt also - zumindest: auch - überhaupt sie selbst bleiben, ist eine Frage der Ordnung.

Etwas, das sich auch zum Geschäft des Tourismus sagen läßt. Es geht nicht ums Gastsein, um den Besuch, um die Horizonterweiterung. Es geht darum, ob die Besuche, die Touristen, das was sie besichtigen enteigentlichen, und somit die Welt "verbrauchen" - im wahrsten Sinne: verbrauchen.

Im Tourismus heutiger Prägung wird die Herstellung der Dinge stärker als die Dinge, und die Teilnehmer. Und damit macht er aus den Besuchern Verbraucher, und aus dem Besuchten eine Ware: die an der besuchten Welt Teilnehmenden nehmen die Züge des Hergestellten an. Was nicht mehr rückgängig zu machen ist: alle Teilnehmenden sind verändert.

Eine an sich wunderbare Sache - Reisen! - wurde durch ihre Entwicklung zur Industrie erwürgt. Sie wurde häretisch.

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Der Verbrauch an Welt, schreibt Kästner einmal, ist heute enorm. Herstellung erzwingt Verbrauch, sonst geht sie bankerott. Und Verbrauch treibt die Herstellung. Neuzeit ist Welt-Herstellung. Und es ist nur zu logisch, daß auch der Mensch hergestellt werden muß und wird. Und Weltverbrauch mündet in Welt-Müll. Nichts darf mehr lange halten. Auch Überzeugungen nicht, nicht Hoffnungen, Eindrücke, auch der Ruhm nicht, auch nicht Wahrheiten. Welt-Untreue.


*150710*