Dieses Blog durchsuchen

Freitag, 2. Juli 2010

Nicht Luther war's

Josef Nadler ist in seinen Schriften keineswegs der Ansicht, daß das "moderne" Deutsch, das Neuhochdeutsche, wie es sich bis heute seine Bahn brach, von Luther "geschaffen" wurde, wie eine Mär gerne verkündet.

Vielmehr war es eher umgekehrt, und Nadler belegt das recht glaubwürdig. Luthers Deutsch war thüringisch-ostthüringisch und hinkte hinter dem modernen Deutsch der Meißner Druckereien, das wiederum vom Prag Karls IV. her so geprägt war - Kanzleideutsch, in dem im 15. Jahrhundert zunehmend auch kaiserliche Schriftstücke und Dokumente verfaßt wurden - kräftig hinterher. In Luthers frühen Schriften wurde von den Druckern Meißens deshalb noch kräftig verbessert, wenn auch die Satzstellung lutherisch geblieben war.

Ab 1530 war Martin Luther sichtlich bemüht, sich der längst abgeschlossenen Sprachentwicklung Ost-Mitteldeutschlands anzuschließen - frei nach seinem Leitsatz, daß man sich der Sprache bedienen sollte, die am meisten bewirkte, und das war eine allgemeine Hochsprache allemal. Die er dann für seine Bibelübersetzung benutzte, die auch keinesfalls die erste war, wie verschiedentlich gemeint wird.

Und so war es Luther nur indirekt - in seinen Schriften. Als Träger, aber nicht als Inititator des modernen Deutsch. Das in Prag (das tschechischer Nationalismus umprägte) wieder verkümmerte, sich aber aus Meißen heraus - das sich Prag gleichgestimmt hatte - in ganz Deutschland verbreitete. Meißen, erst die Stadt, dann das Land, nicht einmal die Buchhandelsstadt Leipzig, das als katholischer Pfeiler aus dieser Dynamik vorerst sogar ausgeklinkt blieb, ehe auch dort die "neue" Bildung des Humanismus Einzug hielt, war es also zuerst, das begonnen hatte, eine deutsche Zentralkultur und -literatur zu etablieren, weil dort die große geistige Befreiung stattfand, deren wichtigster Proponent Luther war.

In seinen (erstmals: staatlichen!) Schulen und Universitäten, und wo etwas wie eine deutsche Nationalliteratur geboren wurde. An der Schnitt- und Kittstelle des "alten" Deutschlands und den neubesiedelten Ostgebieten, bis zur Memel hinauf, die in ihrer Nationalkraft die Vereinheitlichung der Schriftsprache vorantrieben.


*020710*