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Donnerstag, 29. Juli 2010

Tat, nicht Täter!

Betrachtet man staatliche Systeme der Bestrafung, so wird einem meist nicht bewußt, daß es zwei prinzipiell verschiedene Ansätze dazu gibt, und die Höhe und Art der Bestrafung naturgemäß davon abhängt, von welcher Seite man es betrachtet.

Denn seit der Aufklärung hat sich auch bei uns der Gedanke der "Besserung" des Täters durchgesetzt. Das ist aber ein Paradigmenwechsel, denn bis dorthin galt (und gilt weltweit immer noch zumeist) das Prinzip, DIE TAT, und nicht den Täter zu bestrafen.

Der Mensch hat in seiner Zerbrechlichkeit eben auch die Neigung zu fehlen. Diese Würde bleibt ihm, so seltsam das für aufgeklärte Ohren klingen mag, es aber keineswegs ist. Wir maßen uns stattdessen aber an, den Menschen "zu bessern" - und DIESER Gedanke ist ernsthaft zu hinterfragen. Denn: kann man das überhaupt? Sind dies nicht völlig andere Vorgänge? DARF der Staat sich dies überhaupt zumuten, weil: KANN er es überhaupt erfüllen?

Weder nämlich bedeutet, einmal gefehlt zu haben, und auch wenn es ein schweres Vergehen war, ein schlechter(er) Mensch zu sein als andere, und als man zuvor war.  Noch steht es dem Richter, dem Staat zu, die Tat abzuwerten, und damit das Opfer, um die "geringere Schuld" des Täters zu berücksichtigen.

Strafe muß ein Übel sein und bleiben! Denn ihre Abschreckung ist nach wie vor eines der probatesten Mittel der Verbrechensprävention. Es ist lächerlich, erst durch Senkung und Fortnahme des Übels aus der Strafe zur Tat einzuladen, um dann den Täter prinzipiell "zu bessern".

Sieht man davon ab, daß es ein zutiefst im Menschen verankertes Wissen um die Zusammenhänge von Schuld und Sühne gibt, die NUR durch eine der TAT gerechte Strafe - im Dienste des Täters! - hergestellt sind. Ein Täter, der nicht angemessen sühnen durfte, und so muß man das bezeichnen, wird in seiner Tat auf sich zurückgeworfen, und somit auch NIE von seiner Schuld befreit! Stattdessen wird diese an ihn gekettet, und während die Gesellschaft ihm erklärt, er sei rehabilitiert, wächst in ihm genau das gegenteilige Bewußtsein: er weiß sich IMMER NOCH schuldig!

Welch ein Zynismus steckt also in den Bestrebungen nach "humanerem" Strafvollzug. Und welche Anmaßung zugleich.

Ein anderer Ansatz also könnte gänzlich neue Überlegungen dazu bringen, wie mit Tätern, die gesühnt haben, umzugehen sei. Denn genau aus obigen Gedanken läßt sich auch ersehen, daß es nicht wundernimmt, wenn die "Resozialisierung" von Straftätern keineswegs "funktioniert". Kann ja gar nicht sein - der Täter weiß sich schuldig, und die Gesellschaft weiß ihn nicht entsühnt ...

Den das entscheidende Moment einer Tat ist NICHT die Neigung oder der Charakter - diese Disposition haben wir nämlich alle, und das nicht mehr zu sehen, das ist der eigentliche und so gefährliche Wahn von heute: wo sich diejenigen, die gerade nicht eine Straftat begangen haben, als GUT sehen. Das entscheidende Moment einer Straftat ist die Bereitschaft und die Selbstvergessenheit, die Grenzen zur Missetat zu überschreiten! Nur daraus auch läßt sich auch eine (für die Bemessung der Strafe mit zu berücksichtigende) Motivlage abwägen. Nicht der Täter aber ist das Übel.  Potentielle Übeltäter sind wir alle. Von Verbrechern aber unterscheidet uns - die TAT.

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Schopenhauer wendet sich strikt gegen die Sinnlosigkeit der Einzelhaft: der Sühnende hat keine Zeugen, also keine Öffentlichkeit, und das Opfer sieht seine Qual nicht, und kann sie sich auch nicht vorstellen. 

Das Pfand, so Beccaria, muß dem Wert des Eingesetzten entsprechen! Darin liegt auch die Begründung der Todesstrafe, die auch laut Katechismus der Katholischen Kirche - aus denselben Gründen - als äußerste Notwehr gerechtfertigt ist. Und ... sogar sein muß: es muß (als ultimo ratio) für einen Mord auch das Leben des Täters stehen.

Weil aber das Gesetz, die Tat zu bestrafen, und nicht den Erfolg zu rächen hat, muß deshalb auch Mordversuch gleich bestraft werden wie die vollzogene Tat. Nur der (durch Strafandrohung) zu verhütende Schaden kann den richtigen Maßstab für die Strafe geben. NICHT der moralische Unwert einer verbotenen Handlung! Einen Blumentopf vom Fenster fallen zu lassen, kann völlig belanglos - aber auch ein Mordversuch sein.

Ein Kriminalindex sollte also nichts anderes sein als eine Liste von Gegenmotiven, gerade stärker als das Motiv, eine Tat zu begehen. Bemessen nach Kriterien wie der Nachteil, der aus einer Straftat erwächst, nach dem Maß der Versuchung, sowie nach der Möglichkeit, den Täter zu überführen.

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Vor einigen Wochen wurde in den USA eine Todesstrafe auf eine heute sehr ungewöhnliche, aber altbekannte Art vollzogen: durch Erschießen. Man darf in manchen Bundesstaaten der USA die Art des Todes, bei gefälltem Urteil, selbst wählen. Der Pönitent gab als Erklärung dafür an, daß er der Öffentlichkeit die Unmenschlichkeit der Todesstrafe demonstrieren wolle.

Also trat ein aus fünf Schützen zusammengesetztes Exekutionskommando an, wobei einer der fünf eine Platzpatrone erhält, die Gewissensabsicherung also doppelt ist: man kann davon ausgehen, daß nie EIN Schuß tödlich ist, es tötet die gemeinsame Wirkung, und man weiß nicht, ob eines Schuß nicht überhaupt wirkungslos blieb.

Der Delinquent war (ich glaube sogar: mehrfacher) Mörder. Wie hat er aber die Unmenschlichkeit seiner Tat(en) demonstriert, an der zusätzlich ein ganzes Umfeld zu leiden hatte? Zusätzlich könnte man sogar diskutieren, ob es nicht ein Maß weiterer Grausamkeit war, normale Soldaten (auch wenn sie sich freiwillig gemeldet hatten) mit der Gewissenslast der Exekution zu belasten.


*290710*