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Dienstag, 13. Juli 2010

Verborgenheit

Einen Text zu verfassen ist immer auch verbunden mit der Spannung des Entdeckers, der durch den Dschungel kriecht, und mit offenem Mund beobachtet, was ihm da vor Augen kommt. Das läßt sich nicht einmal wirklich einschränken auf "künstlerische Absicht" oder "Gebrauchstext" - ohnehin eines der furchtbarsten Mißverständnisse der Gegenwart.

Denn das, was einen Text wirklich ausmacht, ist ein nie machbares Geheimnis. Das genau so groß, oder genau so klein ist, wie der Verfasser. Man kann sich niemals verbergen. Vermutlich nichts erzählt so viel über jemanden, und auf so dem Hervorbringer verborgene Weise, wie ein Text.

Wohl von da her kommt die Scheu, die im Grunde jeder Autor hat, einen Text, den er als noch nicht fertig einschätzt, aus der Hand zu geben, wenn er nicht sicher sein kann, daß der Leser von dieser Tatsache weiß.

Aber diese Geheimnishaftigkeit ist das Entscheidende. Um sie zu wissen nämlich ist die einzige Art, richtig damit umzugehen. Auch, was die Korrektur von Texten anbetrifft. Denn es kommt nicht selten vor, daß formale Kriterien einen Text ruinieren, der gerade in seiner Seltsamkeit etwas hatte, das in der Verbesserung unwiderbringlich verloren geht.

Ich sage das nicht als Aufforderung, sich beim Schreiben ruhig Schlampigkeit zu leisten. Diesen Mangel empfindet man aber auf andere Weise, und weiß in der Regel sehr genau um ihn - als Ignoranz eines Anrufes, den man sehr wohl gehört hat. Schlampigkeit ist eine Gewissensfrage.

Aber das Geheimnishafte eines Textes, das verlangt ein Loslassen.


*130710*