Leben gibt es nur in der Gegenwart. Sodaß zu leben - das es nur in Gestalt gibt, ja das Gestalt aus Formwirklichung IST; Form aber ist an Vergänglichkeit gebunden, durch das ohnunterbrochene Wirken aufeinander, das ein fortwährendes Werden, Vergehen bedeutet - auch bedeutet, pausenlos zu sterben, Abschied zu nehmen.
Die Todesangst also ist dem Menschen allgegenwärtig, und nur prinzipiell, nicht in der Geschichte (durch Tröstung, durch Verhaltenstricks, Scheinphilosophien, "Lebensklugheiten" etc.) zu überwinden. Denn das Leben ist aus sich heraus eine pausenlose Todeserfahrung.
Also zeigt das Maß des Mutes, sich in die Gegenwart einzulasten, als in ihr zu leben, sich der Wirklichkeit zu stellen, (was hinwiederum nicht heißen kann, "ohnbedacht" zu handeln, also im Denken die Vergangenheit und Zukunft "wegzulassen" - die Erfahrung zeigt einfach, daß das Leben ein Kontinuum ist, die praktische Vernunft verlangt demgemäß, die Zeit zu berücksichtigen), zeigt also dieser Mut zur Gegenwart sich nur im Maß der Überwindung der Todesangst.
Noch mehr, als einem bei den zu bloßen einmaligen Fakten - Tod am Lebensende, Begräbnis etc. etc. - bewußt werden könnte. Womit auch deutlich wird, welche Bedeutung diese Todesangst permanent für den Menschen hat, der sein ganzes Leben unter Umständen zu nichts anderem gestaltet als einem Davonlaufen vor diesem Schwinden - damit ihm seine Gefährdetheit, seine Flüchtigkeit nicht bewußt wird.
Der ganz praktische Rang der Todesangst wird sohin deutlich. Es ist die allererste Hürde, die es zu überwinden gilt. An der der Mensch schon fast immer scheitert - sodaß er nie zu mehr kommt als zur Angstvermeidung, anstelle zur Gestaltung seines Lebens.
*080710*