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Freitag, 23. Juli 2010

Unterschied

Flachziegel und Feldsteine, mit viel Mörtel zu einem Mauerganzen vereint, verraten die späte römerzeitliche Art; denn während die Griechen Stein dem Steine anfugten, waren die Römer Bäcker von Mauern, da wird zusammengebracht was will und was nicht will, da wird der Stoff nicht mehr gefragt und nicht mehr der Wille des Teils; alles ist recht, wenn es dient.

Erhart Kästner schreibt das in "Kreta". Ich habe selten so präzise den Unterschied zwischen der römischen und der griechischen Welt erfaßt gefunden.

Es (= das griechische Baumaterial, Anm.) ist nicht mehr Kalkstein oder Sandstein, es ist Stoff, zum Höheren gewandelt. Atemzüge beleben den Stein, und Geist durchweht ihn, Adel fließt in ihm und Blut. Wenn man ihn begreift, so weiß man die Hand noch, die ihn gebildet, den Sinn, der ihn bedacht, den Ernst und die Ehrfurcht, die ihn, vor Höherm sich beugend, dem Tod und dem Stoffe entriß. [...] Eine Schule der maßvollen Maße und der menschlichen Grenzen in allem Gelebten und allem Gebauten.
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Den Tempel der Athene, auf Cypern gesehen, den ich bei Kästners Sätzen vor Augen hatte, fand ich leider nicht. Luc, Clotilde und ihr entzückendes Töchterlein waren vom nachmittäglichen Mittagessen in einem sehr geheimen Restauranttip am Meer gekommen, und wir unterhielten uns angeregt über die seltsame Lage der Türkisch-Cyprioten, durchfuhren eine Kurve, da öffnete sich das Tal. Clotilde beugte sich zwischen die beiden Vordersitze, deutete uns zu schweigen: vor uns, auf der Nase eines beeindruckend ins Tal ragenden Berges, sah man die Ruinen eines alten Tempels im Abendlicht. Dort sollten wir noch hinauf, meinten wir, es kam nicht mehr soweit.

Aber dafür fand ich das.



*230710*