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Samstag, 24. Juli 2010

Gleichschaltung (2)

Das haut den stärksten Neger um ... Deutsche Journalisten und Medien protestieren energisch gegen die Pläne der niedersächsischen Sozialministerin Özkan (wie gestern hier berichtet), die Medien in einem Pakt zu einer Berichterstattung im Sinne gelingender Integration von Zuwanderern zu verpflichten.

Mit solchem Protest war ja zu rechnen, nicht wahr? Umhauen tut es einen erst, wenn man dann liest, mit welchen Argumenten die Medien sich wehrten. Der Standard schreibt da:

Medienvertreter kritisierten die Pläne heftig. "Unverblümter hat seit langem kein Politiker mehr versucht, Zeitungen und elektronische Medien auf Kurs zu bringen", sagte der Chefredakteur der Oldenburger "Nordwest-Zeitung", Rolf Seelheim. "Wir haben im vergangenen Jahr für unsere Integrationsserie "Gut angekommen" den 1. Preis von einer deutsch-türkischen Organisation bekommen. Das machen wir, ohne dass wir von der Landesregierung irgendwelche Handreichungen, Vorgaben oder feierliche Appelle brauchen," sagte der stellvertretende Chefredakteur der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung", Matthias Koch.

NDR-Sprecher Martin Gartzke sagte: "Verantwortungsvolle Berichterstattung zum Thema Integration gehört zu unserem öffentlich-rechtlichen Auftrag und zu unserem Selbstverständnis. So gut gemeint der Vorschlag gemeint sein mag, so problematisch erscheint uns der Vorgang, daß Medienvertreter eine in einem Ministerium formulierte Verpflichtungserklärung abzeichnen sollen."

Was das heißt? Sie wehren sich nicht dagegen, daß ihre Berichterstattung interessensgesteuert zu gestalten das höchste Ziel journalistischen Ethos - Objektivität - zu verletzen verlangt, wie es jede schäbige Diktatur macht. Oder wie man es derzeit Ungarn als blanken Nazismus vorwirft, weil dort von den staatlichen Medien nationale Verantwortung eingefordert wird, nein.

Sie wehren sich, weil sie diese Interessensgebundenheit im Sinne einer "verantwortlichen Berichterstattung" (man beachte den Sprachgebrauch!) ohnehin bereits - belegbar und preisgekrönt - vollziehen! So ein Akt aber wäre eine seltsame Geschichte, denn dann könnten die Menschen ja glauben, sie würden ... ja was eigentlich? Nicht mehr verantwortlich berichten? Verantwortlich aber WEM gegenüber? Welchem gesollten Gesamtbild gegenüber?

Wir wissen es, und wir müssen nicht mehr darüber sprechen. Diese Medien brauchen nämlich keine offizielle Einflußnahme auf die Berichterstattung mehr, sie sind bereits gleichgeschaltet, wehren sich nur gegen die Art, wie es verlangt war. Denn in vorauseilendem Gehorsam - wie sich das so gehört - sind sie empört, daß man an ihrer aufrechten Gesinnung zweifelt.

Deutschland, gute Nacht! 

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P. S. Wie immer sind die Postings der Leser im Standard fast noch interessanter, vor allem illustrativer als der Artikel selber. 

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Das beste aber kommt erst: Özkan versuchte am Nachmittag, die Wogen zu glätten. Der bisherige Text sei nur ein Entwurf gewesen, betonte sie. "Die Charta war und ist als eine erste mögliche Diskussionsgrundlage gedacht. Nichts liegt mir ferner, als die Unabhängigkeit der Medien in irgendeiner Form zu berühren".

Mit dem Papier sollen sich die Pressevertreter verpflichten, über "Herausforderungen der Integration zu berichten" und eine "kultursensible Sprache" anzuwenden.

Worauf wohl jedem klar ist, was sie als "sensible Sprache" versteht. Und noch erschreckender ist der ethisch-persönliche Hintergrund, der hinter Özkals Äußerungen (gerade in dieser Naivität!) deutlich wird. 

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Es geht immer (!) über die Sprache.

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NDR ... war da nicht der Fall dieser Fernsehjournalistin, die man rauswarf, weil sie ... ja was eigentlich? Denn der Prozeß ging ja verloren, sie tat es also nicht. Weil sie also zuwenig "kultursensibel" war? Oder nicht gleichgeschaltet? Nach mathematischer Logik könnte man das fast so einsetzen. Da scheint es also eine ausgeprägte Tradition der kulturellen Verantwortung geben.


*240710*