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Dienstag, 30. Juni 2009

Der Fall Amstetten - kein österreichisches Spezifikum

Thomas Müller, Kriminalpsychologe und Autor mehrerer (nicht wirklich guter ...) Bücher (die vor allem große Eitelkeit beweisen) in "Frühstück bei mir":

Der Fall von Amstetten sei zwar ungewöhnlich, aber er stehe weltweit durchaus nicht einzeln da, weshalb er sich über ausländische Zeitungskommentare gewundert habe, die die Frage stellten, ob denn so etwas nur in Österreich vorkomme, was denn da los sei.

Er habe viel Erfahrung mit Tätern, die ihre Opfer ähnlich dem Amstettner Fall gefangen hielten und beherrscht hatten. Er kenne Fälle, wo die Täter nur einen einzigen Tag dazu gebraucht hätten, ihre Opfer völlig willenlos zu machen - indem sie sie (je nach Geschick schneller oder weniger schnell) meist subtil behandelten und brachen, willenlos machten. Das war so weit gegangen (in einem Fall), daß der Täter mit dem Opfer zu deren Eltern gefahren war und die Frau dort behauptet hatte, sie sei freiwillig bei ihm. Vor allem Täter mit bestimmten Narzißmen entwickelten oft eine bemerkenswerte Fähigkeit, ihre Opfer zu foltern, zu brechen.

Ebenso seien ihm Fälle mit Bunkern, die als Gefängnisse (und Folter- und Mörderkeller) gedient hatten, bekannt; in anderen Ländern oder aus der Vergangenheit.

Zum Fall Amstetten: Seine Monstrosität sieht Müller nicht in Zusammenhang mit der Quantität des Geschehens - der Anzahl der im Inzest gezeugten Kinder, oder dem immer perfekteren Ausbau des Bunkers. Es gäbe in Kriminalfällen eben zwei Entwicklungen - die Phantasie-Entwicklung sowie die "pragmatische Entwicklung", die aus rein praktischen Fähigkeiten und Anforderungen erwachsen sei, wie in einem sachlichen Automatismus.

Müller trägt übrigens Steinchen im Schuh - sie sollen ihn erinnern, daß alles vergänglich ist, er vor allem im Glück nicht meint, es würde immer bleiben. Gerade die Erfahrung mit Opfern habe ihn demütig gemacht: obduzierte Kinder zu sehen, die Opfer von Verbrechen waren ... da relativiere sich so viel, was an Alltäglichem für die Menschen Grund zur Klage darstelle.

Tote zu sehen berühre ihn vor allem, weil die Vergänglichkeit des Menschen so sichtbar werde - wenn ein Toter tagelang daliege, bei geöffnetem Fenster ... Er meine, daß im Tod nur "die Schale zerbreche". Der eigentliche Kern aber "gehe voraus."

Er glaube, daß entscheidend für außergewöhnliche Leistung sei, ob jemand Selbstwertgefühl habe oder nicht. Was aber nicht heiße, daß dies auch heiße, daß solch ein Mensch nicht destruktiv sein könne. Wichtig sei dabei Ausgewogenheit, z. B. zwischen Privatem in Interaktivität wie Dingen, die man nur für sich tue, und Beruflichem. Die Menschen lebten aber in Schwankungen aller dieser Bereiche, "Kurven", und so komme es zu Ausbrüchen, auch in Bereichen, die man für völlig "normal" gehalten habe.

Er kenne eben Fälle, wo die Täter nach getroffener Entscheidung alles Nachdenken über weitere Konsequenzen ausgeschaltet hätten. Auch sei ihm wiederum ein Fall bekannt (aus den USA), wo der Unsterblichkeitsgedanke den Täter dazu getrieben hatte, inzestuös viele Kinder zu zeugen. Vielleicht sei es aber auch einfach das Gefühl, Macht auszuüben. Im konkreten Fall (Amstetten) könne er gar nichts sagen, kenne den Täter nicht.

In jedem Fall aber sei er der Auffassung, daß es nicht gut sei, generell das Mißtrauen zu schüren - keinem mehr zu trauen, wie der Bezirkshauptmann gesagt habe. Jeder habe seinen Hausverstand, und es sei ein guter Lebensrat, einfach ab und zu stehenzubleiben, und 360 Grad Rundumschau zu halten.

Natürlich sei der Fall außergewöhnlich, aber er glaube auch, daß der Täter genug Fähigkeiten habe, andere nichts davon merken zu lassen. Trotz allem glaube er, daß sich in der detaillierten Aufarbeitung noch "böse" Überraschungen in dem Fall auftun könnten.




*300609*

Montag, 29. Juni 2009

Denn Poesie ist ...

"... ein Ringen mit dem Mysterium. Ihr Objekt ist das Okkulte. Nicht Gefühl oder Stimmung. Nicht subjektive Aufschönung, sondern objektive Aufdeckung der Welt. Dichter sein heißt: die mysteriöse Qualität des Universums wittern, sie aufspüren in allen Verbindungen, sie einritzen auf die Schallplatte der Sprache.

(Ernst R. Curtius in "Der junge Cocteau")




*290609*

Mythos der Entschuldung

Es sagt sich sehr schnell, in letzter Zeit, und noch lieber, weil es manchen Gruppierungen Wind in die Segel bedeutet. Aber es wird nicht wahrer:

Was sagt R. R.?
Die Leute, die am wenigsten davon hatten, dass andere an den Börsen hohe Gewinne gemacht haben, dürfen die Krise ausbaden.

Noch dazu darf man den Verdacht haben, daß mit "am wenigsten" mit der Höhe der Beträge gleichgesetzt wird. Nicht einmal das aber stimmt.

Tatsache ist vielmehr, daß zu einem sehr hohen Anteil, ja überwiegend, nicht private Vermögensspekulationen jene Blase aufgebaut haben, die geplatzt ist und den ganzen Markt destabilisierte, sondern institutionelle Anleger und deren Vertreter! Das läßt sich speziell bei den Deutschen Banken wunderschön nachvollziehen, die unter hohem Renditedruck standen. Pensionsfonds und -kassen sowie Versicherungen sind als Auftraggeber dieser Geldvermehrung im selben Atemzug zu nennen. Das also, was als "dritte Säule" angesichts der längst unabwendbaren demographischen Katastrophe die Pensionen sichern sollte, und durch "steuerliche Begünstigung" noch dazu regelrecht gezüchtet wurde. Also sind es die vielen vielen Privatanleger, Lebensversicherer etc., die hohe Renditen forderten, weil sie sich ihr Leben so schön ausgerechnet hatten: gute und teure Ausbildung, double income - no kids, jährlicher Urlaub in Kenia, bester Krankenversorgungs- und Pflegestatus, und zum Abschluß das Sahnehäubchen: die tüchtige Pension. Das hat schon was von Schlaraffia.

Auf die Spitze getrieben, aber gar nicht so übertrieben, könnte man es so formulieren: Das Geld, das nicht in die Nachkommen investiert wurde, wurde stattdessen an die Börse getragen. Dort sollte es sich auf wunderbare Weise vermehren. Aber die Nachkommen, die diese Wertsteigerung erarbeiten hätten sollen, waren nie geboren.

So wie bei einer Krankheit immer böse Viren und unverschuldete äußere Einflüsse herangezogen werden, so sind es nun eben aber die bösen Reichen. Das hilft, um sich's weiter im eigenen Leben unverändert einrichten und Schlaraffia fordern zu können.

So nebenbei: die Masse der Steuereinnahmen - mit denen die Krise "ausgebadet" werden wird müssen - stammt nach wie vor nicht von Klein- und Kleinsteinkommen.




*290609*

Sonntag, 28. Juni 2009

Vom Begründenden der Liebe

Die Bestimmung der Person, damit der Anfang der Persönlichkeit, ist es, ETWAS oder JEMANDEN zu lieben. In der aktiven Betätigung dieser Kraft erfolgt die Neugründung persönlicher Lebensgestalt zur Persönlichkeit.

Weshalb der Neid, und die Gier, die beiden prinzipiellen Standessünden und -laster, sich zu allererst darauf richten, die Liebe des anderen zu etwas zu verhindern, oder zu zerstören. Nicht zuletzt, ja ausschließlich: durch Stiften von Verwirrung in der Lüge, durch Täuschung.

(Das Prinzip der Schizoidität liefert dafür den illustrativsten Beweis: das Vortäuschen einer Tatsache auf der Grundlage der Konvention, die aber im konkreten Fall an der Wahrheit bricht, also Liebe ohne Wahrheit vortäuscht, damit eine wahrhaftige Rezeption der Wirklichkeit, ein Mißtrauen der eigenen Wahrheitsfähigkeit gegenüber, bei gleichzeitiger Aufschichtung einer Verhaltenspflicht verhindert.)

Das/der Geliebte selbst hinwiederum weiß sich (im Maß dessen, worauf sich dieses Liebesleben erstreckt) als Beginn wie Schicksal einer neuen Gründung: Es hält das Gelingen des mit dem Liebenden Gemeinsamen, und hier wirklich Neuen, in Händen.

Gelingt in der Pubertät die allmähliche (und damit natürliche) Zusammenführung von Gefühl und Wahrheit nicht, fehlt es diesem jenigen an Liebesfähigkeit, trotz (oder: gerade wegen) oft schäumendster Gefühle und Erregungen.

Der Passive (und Lasterhafte) und Feige ist also schon damit gekennzeichnet, es sei nur hinzugefügt, der darauf wartet, geliebt zu werden. Hinzugefügt, weil die heute vorherrschende Subjektivierung der immer in der Adoleszenz zu verabsolutierenden Maßstäbe bereits im Frühalter deren Maßhaltigkeit fast verunmöglicht. Es ist also eine regelgerechte Hinführung zur Liebesunfähigkeit und zum Laster, die manche Pädagogik wie manche Weltidee kennzeichnet.




*280609*

Samstag, 27. Juni 2009

Wodurch der erste Beweger bewegt


Wodurch, fragt Aristoteles, bewegt Gott? Ja, wer ist der persönliche Gott? Er ist "das Denken des Denkens!" antwortet er. Selbst unbewegt, bewegt er das gesamte All.

Wodurch aber bewegt er?

Weil er sich in der Schöpfung selbst erzählt, dem Erkennen preisgibt, macht er sich also zum Objekt des Liebens - Gott bewegt durch die Anziehungskraft des Geistes, durch geistige Anziehung! Er bewegt dadurch, daß er - erkannt in seinen Geschöpfen - geliebt wird!

E. R. Curtius weist übrigens a. a. O. darauf hin, daß dieser christlich-metaphysische Ansatz die Entsprechung zum Orpheus-Mythos ist: der durch den Gesang bewirkte, daß man ihm folgte ... Aber er hält damit eine wichtige Analogie fest: jene von Gott - zum Schöpfertum des Menschen. Das eben nicht in einem bloßen "Selbstausdruck" (siehe den Satz a. a. O. im Blog hier) unfruchtbar sich um sich bewegt, sondern im "Schaffen eines Zieles der Liebe" besteht.

Denn, wie Antonio della Caraffa einmal sagt: "Man kann nur ETWAS lieben." Und: etwas zu lieben bedeutet, es als "etwas" erkannt zu haben, weil man nur lieben kann, was man kennt. Sonst liebt man nämlich ... gar nicht.





*270609*

Ein Satz wie eine Bombe

In seinem Essay über Toynbee, über die Lebensphasen von Kulturen, über Byzanz, das im osmanischen Reich seinen Körper aufgelöst hat und deshalb in unserem Bewußtsein so wenig präsent ist (sieht man von ihren Resten in der russischen Kultur und Orthodoxie ab), schreibt E. R. Curtius in einer Fußnote einen Satz, der wie eine Bombe erschüttert, weil er den wesentlichen Moment des Schöpferischen einfordert, dabei eigene Dekadenz bewußt macht: Daß Kultur den Willen zur positivistischen Tat braucht.

"Selbstausdruck ist nicht Schöpfertum!"

Selbstausdruck an sich ist statisch und unfruchtbar, bedeutet ferner den Verzicht auf Deutung, auf Einordnung in einen Sinnhorizont. Gerade in den Erzeugnissen der Kunst ist dies deutlich beobachtbar.

Curtius schreibt in diesem Essay übrigens weiter: In der letzten Phase einer Kultur, der Auflösung, die dem Niedergang folgt, hat der Einzelne im sozialen Verhalten nur noch die Wahl zwischen Mimesis (der Anpassung unter Selbstauflösung), und dem Martyrium.

(Nur in letzterem übrigens kann jene Klammer überleben, die Revolte mit Altem zur Zukunft verbindet.)

Unterscheidbar in je aktive und passive (persönliche) Tendenzen, zeigen sich in dieser Auflösungsphase Tendenzen von Archaismus (Beschwörung der Geister der Ahnen im "zurück zu"), und Futurismus (vergleiche die ständig neuen "Weltkatastrophen- und -rettungsideen"), in den Polen "Schuldbewußtsein" und beiden gemein ist die Flucht aus der Gegenwart, womit sie die Auflösung manifestieren, anstatt sie zu lösen. Während der Archaismus (der Begriff ist von Toynbee) einen Rückschritt zur Primitivität bringt, ergeht sich der Futurismus in Vermeidung der Passivität in die sinnlose Bewegung des Hamsters im Tretrad.

Im Sozialgefühl geht jedes "Stilgefühl" verloren, wie es einer wachsenden Kultur innewohnt. Die Seele überläßt sich der Formlosigkeit, und "im Schmelztiegel der Promiskuität" (cit. Toynbee) vermischen sich unvereinbare Traditionen und Werte. In Religion und Philosophie wirkt sich das als Synkretismus aus. Dem steht (im aktiven Part) das Streben nach einem Einheitsstil, einer Einheitsform entgegen, die das Chaos im Einzelnen durch eine kosmische (Zwangs-)Ordnung ersetzen will.

Dies alles auf der Grundlage eines "quälenden Gefühls des Versagens" als beherrschendem individuellem Empfinden.

[Was sich mit der hier schon mehrmals untermauerten Analyse trifft, daß das größte heutige Problem jenes der unbewältigten Schuld ist: Unser Leben besteht nahezu ausschließlich bereits aus Mechanismen der Schuldverdrängung statt -bewältigung (die nur durch Verzeihung möglich ist - ohne Religiosität ist Bewältigung also unmöglich)].

Im geistigen Bereich - um dieses Thema an dieser Stelle abzuschließen - findet Toynbee die Analogie in den beiden Polen "Apathie" (in Herstellung von "Unverwundbarkeit" - vom Mystizismus bis zur Stoa, buddhistische Auflösung etc., aber als Verzicht auf Selbstbestimmung auch durch die Betonung der Extreme "Zufall" und "Notwendigkeit") und "Verklärung."

Letztere, im Verbund mit der Loslösung eher dem futuristischen Aspekt (des Aktiven) entsprechend, ist ein Weg zu einem tatsächlichen geistigen Wandel, und sohin dem mythischen Schema "Rückzug und Wiederkehr" gleichzustellen - Rückzug in die Wüste, und Wiederkehr auf veränderter Basis.




*270609*

Freitag, 26. Juni 2009

Von eigenartigen Gewißheiten

Die Wirtschaftskrise der jüngsten Zeit hat zu mancherlei Irritation geführt. Denn gerne wird sie als Systemkrise des Kapitalismus an sich dargestellt. Und mit "Kapitalismus" wird noch rascher jene freiheitlich-humanistische Gesellschaftsordnung identifiziert, die Europa so stark gemacht hat, ja: die der abendländischen Anthropologie (deren Richtigkeit, Zutreffendheit unbezweifelbar ist) völlig natürlich erfließt, deren Korrektive dort ansetzen, wo menschliche Neigung zur Sünde gewisse Rahmen des Gemeinwohls überschreiten möchte.

Da klingt so mancher Ruf nach "stärkerer Kontrolle" fast logisch, und abendländisch. Aber er ist genauso verfehlt wie die Wahnsinnsrufe nach marxistischer Gesellschaftsordnung, Verstaatlichung, Gleichheit aller etc. - und das nach derart offensichtlichem Scheitern des Kommunismus! (Eine Meisterleistung linker PR!)

Die wirklichen existentiellen Probleme der Gegenwart - Arbeitslosigkeit und Hunger - sind ja Produkte der Auflösung menschlichen Wirkens (zwischenmenschlich wie im Erwerbsleben) in technische Abläufe, die Mutation des Einzelnen zum für sich lebensunfähigen Rädchen eines Mechanismus. Was soll einem Handwerker, der hinterm eigenen Haus ein Gärtchen hat, und fünf Kinder, denn wirklich passieren? (Das macht ja Massen-Arbeitslosigkeit in jeweiligen sozialen Räumen eigentlich unbegreiflich: Fünf Millionen Deutsche, dreihunderttausend Österreicher ... ein für sich lebensfähiger Sozialraum! Ein Schuster braucht nur tausend Einwohner, um durch Reparaturen überleben zu können!) Genau da ist der (anti-individualistische) Marxismus aber sogar noch schlimmer als der (sogenannte) Industrie-Kapitalismus. Diesen Rückzug auf einfachere, weniger arbeitsteilige Sozialeinheiten gibt es gerade dort schon gar nicht mehr, weil die persönlichen Haltungen noch devastierter sind, die in Krisen großer Zivilsationsebenen das Aufleben kleinerer Auffangeinheiten evozieren, Bezug und Bindung zu Boden, Familie und Eigentum.

Nein, das ist keine Alternative, Gott bewahre. Auch diese Krise hat den Marxismus also nicht wahrer, menschengerechter gemacht. Schon GAR NICHT diese Krise. Weil?

Weil sie zu ganz wesentlichen Teilen eine Krise einer kulturell-gesellschaftlichen Entwicklung ist, die genau unter Bezug auf den Materialismus und Biologismus Geld- und Wirtschaftsvorgänge zu für sich bestehende Mechanismen gerne zu sehen bereit war, weil die marxistischen Begehrlichkeiten aus der Zerstörung familiär-kultureller Grundlagen weltweit nicht mehr anders zu erfüllen waren! Weil die Familien nicht mehr in der Lage waren und sind, das alles an gesellschaftlicher Funktion zu erfüllen, was einfach in ihrer Natur läge (der der Gesellschaft wie der der Familien, die ja aufeinander bezogen sind), war immer mehr Geld notwendig, um diese Funktionen zu erfüllen! Und wie unfinanzierbar ein Staat ohne Familien ist, das wird sich erst in zehn, fünfzehn Jahren herausstellen!

Pflege und Erhalt nicht Erwerbsfähiger (oder: -bestimmter! auch die kulturelle Leistung von Künstlern zum Beispiel zählt dazu!), Erziehung, "Pensionssysteme", vor allem aber die Gesundheitssysteme werden definitiv kollabieren! Für Gesellschaften, die bereits über sechzig Prozent ihrer "Wirtschaftsleistung" (Bruttosozialprodukt) auf solchen "in sich-Geschäften" aufbaut, ist programmierter Selbstmord! Keine Zuwanderung wird das stoppen können, denn auch hier wird sich erweisen, wie im Letzten immer die wahre Natur des Menschen übrig bleibt, und sich durchsetzt. Die gesellschaftliche Solidarität wird sich - völlig ohne Zweifel - in Luft auflösen, weil kein nachbarschaftlicher Zusammenhang mehr besteht. Unser Staat zeigt genau das, was Max Weber so nachvollziehbar als "Stadtentstehung" und -charakteristik darlegt, das vor allem ökonomisch bedingte Zusammenleben einander Fremder, deren Sippenzusammenhänge und damit "natürlich-familiäre" Sozialprozesse aufgelöst sind. Mit anderen Worten: Zugewanderte Familien werden mit ihren Angehörigen (selbst im Ausland) wohl Zusammenhalt pflegen, aber ganz sicher nicht mit diesen Strukturen Fremden.

Das kann per Gesetz nur überbrückt werden. Kein Gesetz der Welt vermag aber zu verhindern, daß Natur sich durchsetzt. Und weil es mangels Basis (erkennbar unter anderem in einer gemeinsamen beziehungsweise allgemein relativ gleichen Lebensführung) zu keiner Ausformung solcher Natur (durch Umformung, sprich Assimilation) kommt, ist diese Folge unausweichlich. Das ist auch nicht mehr zu stoppen. Nachzujammern, daß der Grundfehler war, Menschen ins Land zu holen, die NICHT an der hier vorzufindenden Lebensform PARTIZIPIEREN wollten, sondern nur ihre Ziele mit deren Mitteln erreichen wollten, nützt nichts mehr, ist für diese Überlegungen unproduktiv.

Die derzeitige Krise "der Wirtschaft" ist ein erstes Vorbeben eines Wegbrechens der realen Basis des Lebens - fast weltweit. Ein Reagieren, wie es derzeit geschieht, das nur in einem Strecken den Kollaps direkt ansteuernder Wege mit Mitteln, die diesen Kollaps nur noch rascher und dramatischer herbeirufen, ist nur noch feige und lächerlich. Aber weil realpolitisch in unseren demokratistischen Systemen keine andere Chance besteht, weil sonst nichts durchsetzbar ist, die Schmerzenshürde unüberwindlich wurde (die Maßnahmen der Staaten weltweit sind ja bloße Narkotika), wird der Zusammenbruch unausweichlich.

Doch darf man eine Stimme nicht überhören, und sie ist weit lauter, als man gemeiniglich meint! Und das ist die Stimme der (ersten) Natur. Was nichts anderes heißt als daß die faktische Realität eine Gemengelage aus Bezügen zwischen wirklich = Gestalt-werden-sollenden/wollenden Kräften ("entelechial") und förderlichen wie zerstörenden Einflüssen darstellt. Man hört längst, wie laut die Worte "Familie" und noch mehr "Väter" ertönen!

Ginge es nicht in der Zwischenzeit auch um viele (junge) Menschen - denn jeder Augenblick ist unwiederholbar und "schicksalshaft" einzig - deren Leben glücken soll, so könnte man sich zurücklehnen, amüsiert kopfschüttelnd den Narreteien feministischer und linker Schwachköpfe zusehen, und in Ruhe warten: Die Nachfrage und Dringlichkeit steigt von Tag zu Tag!

Sodaß meine Warnung immer schon ... anders lautete! Meine Warnung war, wie ist die vor einer "Re-Ideologisierung" von Familie und Patriarchismus (NICHT Patriarchat!). Ist also tatsächlich "Faschismus". Wie überall also erschafft sich die Linke das, wogegen sie anzukämpfen vorgibt. Weil sie es ... will? Zu diesem Schluß muß man, bedenkt man das Gesagte über die Natur, nämlich kommen. "Ex factis, non ex dictis, amici pensandi." - Achte auf die Taten, nicht auf die Worte.

Über den Umweg völliger Mangellage nach Männlichem wächst die Bereitschaft für den Mann ... Verknappung eines notwendigen Guts war immer schon die effizienteste Methode der Preistreiberei.

Ist das nicht witzig?




*260609*

Gnade den Kindern

'Die PRESSE' berichtet, daß in Großbritannien die Fälle aggressiver, ja sexueller Übergriffe DURCH Kinder, teils sogar im Vorschulalter, zu einem immer größeren Problem wird, dem man vorerst hilflos gegenüberstehe. Weshalb man - na net nana - nach staatlicher Hilfe rufe.

... Direktor einer Volksschule in London. Er beobachtet, dass anti-soziales Verhalten bei Kindern immer früher beginnt. Den Schulen könne dafür aber nicht die Schuld gegeben werden: "Die Kinder, die sich so verhalten, haben eine ganze Reihe von Problemen, sie werden oft selbst missbraucht oder haben andere Komplikationen in ihrem Leben," zitiert das Ö1-Morgenjournal. Die Eltern seien mit der Erziehung überfordert.

Die Journalistin Polly Curtis von der Tageszeitung Guardian verfolgt seit Jahren die Entwicklung von Kindern in Großbritannien: "Es häufen sich Fälle, in denen Kinder andere Kinder unsittlich angreifen und in einer sexualisierten Sprache sprechen." Betroffen sind Schulen in sozial benachteiligten Gegenden, sagt die Journalistin.

"Die Schulausschlüsse könnten dezimiert werden, wenn die Kinder die richtige Hilfe bekämen. Aber viele Schulen haben nicht die Kapazitäten, um an den psychischen Problemen der Kinder zu arbeiten," kritisiert Polly Curtis. Das Schulinspektorat ersucht die Regierung nun dringend um Hilfe.

Dem muß freilich energisch widersprochen werden. Denn die Schulen haben sich viele dieser Probleme, die sie nun sogar den Eltern in die Schuhe schieben (und, das gibt immer etwas her, das politisch verwendbar ist den sozialen Umständen), selbst geschaffen. Ja, viele der Probleme, mit denen Elternhäuser in der Tat nicht mehr fertigwerden können - antiautoritäre Erziehung, Sexualisierung des Unterrichts durch "Aufklärungsunterricht" und Erziehung zur Invertiertheit und reiner Anlaß-Triebbefriedigung (als Pädagogik) - setzen kindlich-menschliche Mechanismen in Gang, die vom Elternhaus schon prinzipiell gar nicht mehr zu bewältigen sind.

Während also die Schule die Autorität der Eltern devastiert (und da muß man beileibe nicht auf England zurückgreifen), den Autoritätsbegriff generell sogar, während (ich greife auf eigenes Erleben zurück) Eltern, die diesen Zerstörungen nicht tatenlos zusehen, regelrecht bekämpft und hintergangen werden (von Beleidigungen und sozialen Verleumdungen gar nicht zu reden), elterliche Erziehungsgrundsätze aushebelt, werden dieselben Eltern verächtlich als unfähig qualifiziert, diese Probleme dann auch wieder zu beheben.

Marian Heitger, der em. Vorstand des Wiener Pädagogischen Instituts der Uni Wien, hat einmal (ich glaube, es war er) den Satz geprägt: "Die Schulen sind die Koloniakübel der weichen Human-Wissenschaften." Ständig wechselnde, unausgegorene, ja von Menschen mit geistigem Fundament leicht durchschaute pädagogische Moden und Irrwege im Geiste irgendwelcher Gesellschafts- und Menschenänderer, haben die Schüler zu Experimentierobjekten oft regelrecht größenwahnsinniger und heillos überforderter Lehrer gemacht.

Die kraft einer rein der Machtrestauration (als Ersatz verschwindender kultureller Strukturen) dienenden Mythenbildung um "Wissenschaft" und "Akademiker" (die reine Funktionseliten geworden sind, unfähig wie unfähig gemacht, den jeweils herrschenden Zeitgeistströmungen zu widerstehen) entmündigte Elternschaften gefordert haben, um Gewissensanfragen auszuweichen.

Kinder sind kein Experimentierfeld. Es geht bei jedem einzelnen um eine unwiederholbare Existenz und einmalige Lebenszeit. Der Umsturz des Menschenbildes durch Materialismus und Evolutionismus (der Mensch als rein biologischer Ablauf, womit der Freiheitsbegriff fällt), hat aber die Schulen zu Versuchsanstalten gemacht.

Die nun ihren Tribut fordern.

Man hat bekommen und bekommt, was man herausgefordert hat. Wo der Staat (in den Schulen) in die Familien eingriff, wird er nun endgültig überfordert, die Folgen daraus zu tragen. In den Schulen begegnet der Staat somit lediglich seiner eigenen Wirklichkeit. Wie offenbar, daß systemlogische Notwendigkeiten mit der Leistungspotenz der Menschen immer weiter auseinanderklafft.

Die Folgen werden aber sowieso wieder auf die Familien abgewälzt, weil es gar nicht anders geht. Wenn das Geld endet, bleibt nur noch der Mensch. Und weil auch privatimste Strukturen wie Ehe, Familie, ja das Mann-Frau-Verhältnis, längst willkürlich (aus ideologischen Zielen heraus) zerstört ist ... bleiben nur noch die Väter.

Oder das Ende.



*260609*

Mittwoch, 24. Juni 2009

Standortlosigkeit heißt: Erkenntnislosigkeit

Der große Irrtum ist nicht, subjektive Erkenntnis für Unwahrheit zu halten, sondern nicht zu sehen, daß weil der Bezugspunkt (das Objekt) gleichbleibt, die Vielzahl der Sichten ein mosaikartiges Ganzes ergibt. Der große Irrtum besteht darin, eine standortlose (perspektivlose) Wahrheit zu fordern! So schreibt sinngemäß Ortega Y Gasset. "Die species aeternitatis des Spinoza existiert nicht," meint er weiter. [Es kann also nicht um die Ausschaltung der Individualität des Subjekts gehen, sondern um dessen Läuterung: als Öffnung zu seiner Perspektive gegebenen Lichtspiegelung aus dem Erkenntnisobjekt; Anm.] "Jede Kollektiv- und Einzelseele erfaßt die Wirklichkeit von einem Blickpunkt aus, der nur ihr gegeben ist. Wenn verschiedene Menschen dieselbe Landschaft von verschiedenen Punkten aus betrachten, so bedeutet das nicht, daß alle diese Blicke illusionär sind, sondern daß jeder legitim ist." Die Wirklichkeit ist eben immer eine "Wirklichkeit für".

Selbst die Quantenphysik läßt sich so weiter erhellen - die keine objektiven Erkenntnisgegenstände mehr kennt, ja genau das zur Aussage hat. Und Y Gasset zieht sogar tatsächlich auch eine Linie zur Physik, zu Einstein's Relativitätstheorie. Die formal zwar mit der Quantentheorie nicht vereinbar ist, aber wohl genau dort ihre Gemeinsamkeit finden wird.

Die Summierung aller dieser Perspektiven in erstgenanntem Sinn freilich - dort findet sich Gott, meint Y Gasset.

So sei dem VdZ noch gestattet, den Querverweis zum Künstler zu vollziehen - in dem die Figuren (Perspektiven) der Welt lebendig sind.




*240609*

Barbarismus

Das Barbarische der Gegenwart wird darin vielleicht am deutlichsten, als die Frage der Wahrheit zu einer Frage der Freizeitgestaltung wurde - während die wirkliche Lebensgestaltung simple und vordergründige Bedürfnisbefriedigung und pragmatischer Materialismus ist. "Niemand stirbt mehr für eine Idee," nennt es E. R. Curtius einmal. Sobald die Grenze eine Situation des Wohlgefühls - die sich dadurch im übrigen immer enger schraubt - erreicht ist, endet jede Wahrheitssuche. Weshalb Systeme bloßer Rechtfertigung des Ist-Zustands die größten Triumphe feiern.

Im selben Maß aber steigt die Aggressionsbereitschaft, alle jene zu verfolgen, die diese Trägheit der Masse bedrohen.

Das sind die Wesenszüge heutiger Pädagogik, und damit auch die Paradigmen der Massendemokratie.

Hier findet sich die Vergemeinung, das eigentliche Ziel, dem nach und nach alle gesellschaftlichen Ströme zufließen, wohin sie umgelenkt werden. Gegründet auf einer zunehmenden Angst vor der an sich Überraschung seienden Kraft der Wirklichkeit.

Was zu einer scheinbar paradoxen Situation führen wird beziehungsweise führt: Dem Ruf nach der ordnenden Kraft "traditioneller" (der Vergangenheit entnommener) Werte, auf der Basis einer diktatorischen Forderung, die die eigene Trägheit schützen soll.




*240609*

Montag, 22. Juni 2009

Gesetzeskonformität ersetzt Gerechtigkeit

Max Weber über das Verdrängen des Naturrechts durch den Rechtspositivismus - ein Vorgang, den er bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts unabwendbar sah:

"Das Schwinden der alten Naturrechtsvorstellungen hat die Möglichkeit, das Recht als solches kraft seiner immanenten Qualitäten mit einer überempirischen Würde auszustatten, prinzipiell vernichtet: Es ist heute allzu greifbar [...] als Produkt und technisches Mittel eines Interessenkompromisses enthüllt. Aber eben dieses Absterben seiner metajuristischen Verankerung gehörte zu denjenigen ideologischen Entwicklungen, welche zwar die Skepsis gegenüber der Würde der einzelnen Sätze der konkreten Rechtsordnung steigerten, eben dadurch aber die faktische Fügsamkeit in die nun mehr nur noch utilitarisch gewertete Gewalt der jeweils sich als legitim gebärdenden Mächte im ganzen außerordentlich förderten. Vor allem innerhalb des Kreises der Rechtspraktiker selbst."

Weber sagt da nichts anderes als daß die heutige Rechtsauffassung den Juristen zu einem Funktionär egal welchen Rechts macht, sodaß das Gerechtigkeitsstreben zu "Gesetzeskonformität" einerseits, Gesetzgebung zur reinen Ausführenden eines sich irgendwie faktisch findenden "Volkswillens" anderseits (damit: Vorschub der Mehrheitswillkür) verkommt. Er fällt damit viel stärker als früher in die Waagschale einer gerade herrschenden "legitimen" autoritären politischen Gewalt. (Schon die Entwicklungen 1933 gaben ihm vollauf recht.)




*220609*

Nicht einfach Thema

Ernst Robert Curtius in einem Essay über Hermann Hesse:

"Motiv und Thema sind zweierlei [...] Motiv ist das, was die Fabel (den 'Mythos' der aristotelischen Poetik) in Bewegung setzt und zusammenhält. Das Motiv gehört der Objektseite an. Thema ist alles, was das originäre Verhalten der Person zur Welt betrifft. Die Thematik eines Dichters ist das Register seiner typischen Reaktionen auf bestimmte Lagen, in die ihn das Leben bringt. Das Thema gehört der Subjektseite an. Es ist eine psychologische Konstante. Es ist dem Dichter mitgegeben. Das Motiv ist eingegeben, gefunden, erfunden, was dasselbe bedeutet. Wer nur Themen hat, kann nicht zum Epos oder zum Drama gelangen. Auch nicht zur großen Lyrik! Wir berühren hier ein ästhetisches Gesetz, dessen beste Formulierung ich bei T. S. Eliot finde:

The only way of expressing emotion in the form of art is by finding an 'objective correlative'; in other words, a set of objects, a situation, a chain of events which shall be the formula of that particular emotion; such that when the external facts, which must terminate in sensory experience, are given, the emotion is immediate evoken.'

Mit dem Motiv, dem objektiven Korrelat, ist die Dürftigkeit des bloßen 'Erlebens" überwunden. Das Motiv ist ein organisches, autonomes Gebilde pflanzlicher Art. Es entfaltet sich, gliedert sich, verzweigt sich, treibt Blätter, Blüten, Früchte. War das Glasperlenspiel einmal da, so mußte eine ganze Welt darum aufgebaut werden.
"




*220609*

Vom rechten Führen

Was Hans Speidel über den "Führungsstils" Adolf Hitlers schreibt, zertrümmert jeden Mythos vom "Führungsgenie" Hitlers, sofern das durch Biographen wie Joachim C. Fest unter anderem nicht längst geschehen ist. Aber es sagt auch viel über Prinzipien des Führens allgemein:

"Hitler und Goebbels predigten unter geschickter Ausnützung massenpsychologischer Momente einen 'revolutionären Militarismus', dessen Definition aber selbst diesen Wortkünstlern schwer wurde. Das Ergebnis war, daß ein Teil der Offiziere, berauscht von der Möglichkeit napoleonischer Avancements [eine gute Umschreibung dessen, was viele Schauspieler bewegt, deren Kopf immer in den Wolken der Zukunft steckt], reine 'Funktionäre' wurden. [...] Hitler wußte nichts von Washingtons Mahnung: 'Nehmt nur Gentlemen zu Offizieren.'"

Speidel zieht in der fanatischen Engführung geistiger Ausrichtungsforderungen direkte und gut nachvollziehbare Parallelen zum System totaler Bespitzelung unter Robespierre (mit dessen Ausführungsorgan St. Just). Insbesonders das Führerprinzip zeigt Speidel (unter anderem General unter Rommel), das einerseits jede wirkliche Autorität zugunsten willentlichen Terrors zerstört, sich des "divide et impera" (unter Ignoranz persönlicher Würde) bediente, und (unter Fehlen jeglicher persönlicher Vornehmheit) krankhaft jede Entscheidung bis ins Detail vorschrieb, wodurch jede lebendige Persönlichkeit der Untergebenen ausgelöscht wurde, gleichzeitig Hörigkeit entstand.

Interessant ist dabei vor allem, daß Speidel als effektivste Elemente dazu die "immer neue Ermutigung ohne jede Grundlage" nennt. Und weist auf die Glaubwürdigkeit und suggestive Kraft von Figuren wie Karl XII., Wallenstein oder Napoleon hin, wo ähnliche Elemente seelischer Desintegration zu beobachten wären: Gerade diese erzeugten eine Überzeugungskraft [vorstellbar als partielle Identifikationsfähigkeit, unabhängig von großen Faktenzusammenhängen; Anm.], die dem Gesunden fehle.

"In der Kriegsführung ist das Phantastische ohne alle schöpferische Kraft," zitiert Speidel Clausewitz. "Der große Feldherr ist das gerade Gegenteil eines Fachmenschen, eines bloßen Technikers; er ist aber ebenso wenig ein reiner Willensathlet. Ihn zeichnet vielmehr ein harmonischer Verein der Kräfte aus, ein Gleichgewicht des Verstandes und des Willens, wie es nur in der wahrhaft großen Persönlichkeit sich findet." Der Befehl habe nach Clausewitz "die Richtung verständlich zu machen, in der das Gesamtziel beeinflußt werden solle, aber die Ausführung dem Einzelnen [in seinem Kompetenzbereich, also gekoppelt an Verantwortung] zu überlassen."




*220609*

Sonntag, 21. Juni 2009

Paradoxe Paradoxie


Viktor Frankl gab dem Verhalten den Namen "Paradoxe Intention" (Oder: Intervention). Was meinte er? Die Dämonie (Irrationalität) der Neurose läßt sich effektiv bekämpfen, indem man ihrer verbalen Intention nachgibt, die Angst die dahintersteht verbalisiert, und solcherart das Unbewußte dazu zwingt, automatisch gegenzusteuern, und damit den Realitätsgehalt einer nur behaupteten Angstquelle zu prüfen. Durchaus also ist die Paradoxe Intention geeignet, irrationale, unbegründete Vorurteile - und Ängste hängen in hohem Ausmaß von Irrationalem ab, ja das Irrationale (am deutlichsten im Horror erkennbar) macht Angst, weil es keine Beurteilung zuläßt - auszutrocknen.

Aber das passiert nur eben bei Vorurteilen, also bei Urteilen, die nicht in der persönlichen Erfahrung, im zum Wissen Gemeinten, verankert sind. Die paradoxe Intention - als überzogene, bewußt zugespitzte Behauptung - führt die subjektive Selbstverortung in die Realität zurück, und ermöglichst somit ihre wirkliche Verarbeitung, eine wirkliche Stellungnahme.

Wenn aber ein von der paradoxen Intention zugespitztes Argument der Realität entspricht? Dann ist das Urteil kein Vorurteil, und das macht dann diese Behauptung erst so richtig bewußt, und regt zum Handeln an.

Was sich also jene, die Aktionen wie die im Bild festgehaltene initiiert haben, gedacht haben, darf verdächtig erscheinen. Und zwar ganz anders, als die Initiatoren - und wie erst die naiv-netten Proponenten - vermuten würden. Verhetzungsabsicht läge nämlich am nächsten. Und manch einer würde das Tragen solcher Aussagen aus Noblesse verweigern! Man bohrt nicht in evidenten Schwächen anderer herum, das gebietet die Nächstenliebe.

Es wäre aber nicht das erste Mal, daß "gut meinen" der Feind einer proklamierten Absicht wäre. Und den Verdacht kann man ohnehin haben, daß so manche Absichten (gerade zu diesem Thema Migration) umso lautstärker verbalisiert werden, als sie gar nicht wirklich ... gewollt sind!

Wozu die Auflagerung einer Intention auf Irrationales (Geforderte Verhaltensweisen und persönliche Haltungen ohne Fundierung in der Realität) ein recht probates Mittel ist.




*210609*

Samstag, 20. Juni 2009

Schreiben und Sein

Als ich in Nadine Gordimer's "Schreiben und Sein" einen Einleitungstext des Verlags (Suhrkamp) entdecke, der mit Inklusiv-Sprache verfaßt wurde, werfe ich wütend das Buch in den Müll. Später hole ich es heraus, reiße nur die entsprechende Seite heraus.

Dann lese ich Gordimer's Nobelpreisrede, und bin erschüttert: Denn was sie da sagt, zeigt mir, daß wir in derselben Welt leben. Und was sie über die Sprache, die Wahrheit sagt, was sie über die Absichtslosigkeit schreibt, indem sie unter anderem Camus zitiert, das einmal meint, daß ihm "Menschen, die Partei ergreifen, lieber sind als Literatur, die das tut", so erscheint sie mir nun durch die Verlagstexte regelrecht verhöhnt. Sie weiß um das Geheimnis der Schönheit, der Aufgabe der Darstellung, der Deutung der Welt, der Annäherung an den Seinszustand der Welt durch das Wort, der ästhetischen Erforschung des Wortes als Geschäft der Literatur, die Pflicht, an der Form, nicht an der Analyse zu kleben. "Im Anfang war das Wort", beginnt sie ihre Rede. Um in Nikos Kazantzakis überzuleiten, der da meinte: "Kunst hat nicht die Aufgabe, den Körper darzustellen, sondern die Kräfte, die den Körper geschaffen haben."

Dann führt sie mit Empörung im Ton das Beispiel Salman Rushdies an, über dem nach wie vor das Schwert der Fatwa hängt, deretwegen er verborgen leben muß, weil er täglich um sein Leben fürchten muß. "Welche Implikationen, [selbst, wenn er ein mittelmäßiger Schriftsteller wäre], welche neue Drohung gegen den Mann oder die Frau des Wortes bedeutet dieses Urteil?" Es geht um die prinzipielle Sucht nach Wahrheit, die in der Formtreue dem Künstler lebensnotwendige Pflicht ist. Nur hier kann und darf er Maßstab sein - niemals ein gerade herrschendes Diktat.

In Gordimer's Worten spürt man die zuckende, weiche, verletzliche Bauchseite, spürt wie Ideologie wirken kann, und gerade hier wird.

Und man fragt sich, was man zu erwarten hat, in einem Land zu leben, das gerade dabei ist, die Sprache ideologisch motiviert zu verändern, sodaß man noch weniger Verständnis zu erwarten hat. In einem Land (und Sprachraum) zu leben, wo eine Sprache (und man hat nur diese, und ist in ihr zur Wahrhaftigkeit verdammt wie befreit) selbst als unerwünscht, weil bereits unerwünschtes Mittel, definiert wird.

Und ohnmächtige Wut auf die Sprachverderber steigt auf, zum dringenden Wunsch an die Ewigkeit sublimiert: Jene zu verderben und zu vernichten, die so verbrecherisch die Wahrheit an ihrer Wurzel verhindern wollen.

"Der Schriftsteller dient der Menschheit nur soweit, wie er das Wort sogar gegen seine eigenen Loyalitäten kehrt, soweit, wie er sich darauf verläßt, daß das Sein, wenn es sich ihm offenbart, irgendwo in seiner Komplexität Fäden aus dem Seil der Wahrheit enthält, die die Kunst - da und dort - zusammenbinden kann: wenn der Autor sich darauf verläßt, daß das Sein fragmentarische Elemente der Wahrheit freigibt. Und Wahrheit ist schließlich das Wort der Wörter, das [...] nie verändert wird, nicht von Lügen und auch nicht von semantischer Sophistik, nicht von der Verschmutzung des Wortes zu Zwecken des Rassismus, Sexismus, Vorurteils, der Herrschaft, der Verherrlichung der Zerstörung, der Flüche und der Lobeslieder."




 *200609*

Die großen Bindungen

Leben kann nur im Raum der großen, zutiefst existentiellen Bindungen gelingen - Mann und Frau, Volk und Herrschaft, Mensch und Kirche. Von dort aus befruchtet sich auch alles Nächst-Ursächliche - im rechten Verständnis von Eigentum, in den Begriffen von Verantwortung als Handlungskonstituierende.

Diese Gewißheit und Gebundenheit macht die Großartigkeit des Mittelalters Europas aus, das zu einem abstrakten Begriff der Menschheitsgeschichte deutbar wird, als "ewige Gegenwart der Fülle" in allen großen Kulturen aufweisbar ist, die zu einer wirklichen Fülle gekommen sind.

Wo Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit zu toten Häresien des einen wirklich die Welt tragenden Zeitbegriffs wird, der Ewigkeit unvergänglicher Aktualität, die zu aller Bewegung "quersteht".

Die Größe einer Kunst, als Liturgie wird sie so begreiflich, beginnt genau dort: Wo sie aus allem bloß Historischen herausgetrennt, alle Zeit - und damit: Alle Gestalt, ja jene durch diese - zu zeugen vermag. Wo alles Zeitgesicht nichts mehr ist als das Ringen des Universalen, des liebend entelechialen Seins, mit den Kräften der durch den Menschen immer wieder in die Welt getragenen wie zugelassenen Finsternis - das Wesen aller menschlichen Kunst, die ja erst im Sakralen, in der sakralen Kunst, ihre größte Vollkommenheit (im Sinne einer Rangordnung, und doch in einem Raum befindlich) fände.

Deshalb ist Vervollkommnung einer nur je gefühlten und fühlbaren Form Ausgangspunkt wie Ziel der Kunst, ist neue Schöpfung, ist erst überhaupt Schöpfung, weil von der Natur menschlichen Erkennens, als Teilhabe, und damit "Vergöttlichung" (als: Annäherung).




*200609*

Politischer Sexismus


Nun soll auch sexistische Werbung verboten werden, fordern die Grünen. Nicht ohne die Definitionsdebatte, was denn sexistisch sei, zu bestimmen. Denn gemeint ist ja in erster Linie: Gender. Zu bekämpfen ist ja jede "Festlegung" der Geschlechter in "Rollen", natürlich "traditionelle", und damit eigentlich jedes "Mannsein/Frausein", ja jede Identitätsbildung ... aber Dummheit ist einfach nicht zu bekämpfen.

Das glauben gerade die Grünen aber nicht. Kein Wunder, denn sie halten sich ja prinzipiell für gescheit. Gescheit genug jedenfalls, um alles zu brechen, was sich ihrem momentanen Verstehenshorizont verschließt, womit sie - dieser Charakterzug, was man denkt, seine "Überzeugung" (als Positivismus der Bindungsnatur des Menschen), auch durch irreversible revolutionäre Taten zu festigen, kommt einem bekannt vor? Richtig, er hat auffallende Parallelen zu dem, was unter anderem als Fanatiker auffällt.

Wir haben uns daran gewöhnt, aber die Art wie diese Partei Politik macht, ist ohnehin nur sehr schwach unterschieden von der, wie eine Kirche agiert. Ja, weniger eine Kirche, als eine Moralgemeinschaft.

Die Menschen, die "Gesellschaft", verbessern - das ist die Art und Weise, wie hier Politik gemacht wird. Sie steht in der Tradition der französischen Revolution, der Schwärmer-, Charismatiker- und Erweckungsbewegungen des Mittelalters, mit denselben Schreckensvisionen "Pest, ja Weltuntergang - durch menschliches Verhalten!", und mancher Utopisten des 19. Jahrhunderts, Thomas Morus ausgenommen, und damit der Linken, in denen diese Bewegungen überlebt haben.

Grün zu wählen ist damit nicht einfach das Bekenntnis zu Werten - hier herrschen ja auch Widersprüche, und dieselben Menschen, die für Mülltrennung, Naturschutz und Pazifismus kämpfen, verlangen im nächsten Atemzug ein Recht auf Abtreibung. Es ist das Bekenntnis zu einer Politik der Veränderung der Menschen "zum Besseren", und sei es um Beschränkung der Freiheit, denn Moralismus (als mehr oder weniger Selbsterlösung) rechtfertigt auch das. Es ist der Beitritt zu einer Gemeinschaft des Puritanismus, der Reinheitsfanatiker.

Nur von Grünen habe ich bislang Forderungen zur Beschränkung wie Lenkung der Kunst gehört (gemäß den Richtlinien des Feminismus und der Multi-Kulturalität), und dies geschieht über konkrete Einflußnahme auf Förder- und Mäzenatentum, und von dort kommen die stärksten Rufe nach Moralisierung des öffentlichen, aber vor allem auch des intimsten privaten Lebens. Es ist deshalb Heuchelei der schlimmen Art, wenn Madeleine Petrovis in derselben Zeitung davon spricht, daß sie, die Grünen, nicht mit politischen Mitteln arbeiteten wie die FPÖ, die "Rechte." Ja, es ist glatte Lüge: Denn es geht einfach nur um eine bestimmte Art von Gewalt - nicht um Gewalt. Die Gewaltbereitschaft der Grünen ist weit stärker, und gerade in ihrer klaren Tendenz zum Fanatismus identifiziert sie sich als typisch weibliche (weibische) Form der Gewalt: Die über seelische Mechanismen arbeitet und auf Verhaltensdressur abzielt.

Das macht sie nicht nur unberechenbar, sondern drängt Gewalt in den Irrationalismus ab. Was Gewalt erst gefährlich macht. Denn Gewalt ist immer "am Rand jedes Dings", wie es jemand einmal ausdrückte. Und immer dort unabdingbar - hier müßten die Grünen nur ehrlich sein, denn die handhaben es ja so - wo von Verantwortung gesprochen wird. Wobei ich zugestehe, daß die Grünen auch Verantwortung ablehnen, insofern also gedanklich stringent, lediglich auch auf einem Auge blind, bleiben.

Daß sie mit diesem Moralismus aber auch genau jenem Rationalismus das Wort reden, den ihre Moral angeblich bekämpft, ja daß sie mit ihrer Moralisierung des Lebens das Leben selbst seiner Poesie berauben, jeden Genuß technisieren, den Menschen, die Welt ihrer Transzendenz (die nicht einfach nur religiös zu verstehen ist) kann nur zu einem starken Gegenreflex des Künstlers führen. Denn ohne die Metaphorik der Welt, ohne deren Ganzheit, und ohne archaisches Verständnis und damit Symbolik wie Zeichenhaftigkeit der Welt der Erscheinungen selbst - gibt es gar keine Kunst. Hier beginnt sie erst, die Sinnesfreude und Lebenslust, ja das Leben selbst! Das eben keine Vitaminbedarfssättigungsrechnung ist.

Vor allem aber: ohne Eros erstirbt alles Leben und vor allem Schaffen.




*200609*

Freitag, 19. Juni 2009

Der schmale Grat

Welche Gratwanderung die Arbeit an der Rolle für den Schauspieler ist, erkennt man an dem, was im Drehbuch "Charakter(beschreibung)" genannt wird. Schreibt man diese Charaktere nieder, bedenkt, was Regisseur und Schauspieler mit diesen Zeilen tun, wie sie damit umgehen werden, werden die Mechanismen deutlich. Und wird deutlich, wie rasch aus einem künstlerischen Prozeß ein technizistisch-mechanistischer Vorgang wird, und mit welcher Sorgfalt damit umgegangen werden muß.

Der Schreibende nämlich steht selbst vor der ständig zu umschiffenden Klippe, eine Figur seiner Handlung nicht "herauszuschälen", abzulösen aus dem, was er sieht, vor sich selber - als Beobachtender, in so geheimnisvollem Zusammenspiel mit dem Schaffen - stehen hat, als lebendigen Menschen, als Figur, sondern Eigenschaften als Treibsatz für seine Handlung zu benutzen, der es an Stringenz und Logik fehlt. Oder durch sinnlose "Phantasie" (ein Begriff, der auch vielfach mißverstanden wird) regelrecht zu verunstalten.

Der Ansatzpunkt ist dann also nicht: Was "tut diese Figur", ist die Frage "Wer, was ist sie?" sondern: "Was soll sie tun? Was brauche ich, damit sie meiner gewünschten Handlung - dahinter: einer gesollten Aussage - entspricht?"

Dieselbe Frage hat sich der Regisseur zu stellen, der Inszenator, und er hat mit denselben Klippen zu ringen. Aber! - er hat es mit einem neuen Vorgang zu tun! In sein Spiel der Figuren, in sein kreatives Spiel ist nämlich ein Faktor dazugekommen, der Schauspieler. An ihm nimmt eine Figur neue Kontur, die für den Regisseur wiederum als solche nur mit einer Haltung des Staunens zu betrachten ist. In dem Moment, wo eine Eigenschaft phänomenologisiert gefordert wird ("mehr Liebe, mehr Charme, mehr Haß, mehr ..."), bricht erneut das Insgesamt der nunmehr entstandenen Figur, wird der Schauspieler mechanisiert und mißbraucht.

Der Regisseur hat sich im Idealfall auf die rein technischen "äußeren" Vorgänge - geh' hierhin, nimm die Karaffe, schleudere sie zu Boden, tritt drauf - zu beschränken. Andernfalls wird er nie über ein Machwerk hinauskommen, in dem mehr oder weniger Faktoren Lebendigkeit simulieren (wie zum Beispiel im "method acting").

Die Herangehensweise für den Schauspieler ergibt sich nun: Die Beschreibung eines Charakters, wie er sie vom Autor vorfindet, ist nicht mehr als eine nachträgliche Erinnerungshilfe, welche Spuren eine Figur hinterließ. Bei: Ihm hinterließ. Sämtliche Aussagen zu Charakter und Psychologie der Figur sind lediglich "Bojen", die anzeigen, daß dahinter, hinter dem seltsamen Nebel, der für viele bereits "Wirklichkeit" bedeutet, für den Künstler aber nur jene Membran ist, die die Welt unzulässig in zwei Hälften teilt, jene des Geistes und jene der Phänomene, daß sich hier also eine lebendige Figur verbirgt, die es zu sehen gilt.

Dann setzt nichts anderes ein als die Imitation, wie sie auch im normalen alltäglichen Beobachten stattfindet: Wo aus dem Menschenstudium (das zu allergrößten Teilen ja unbewußt bereits stattfand, noch ehe jemand an den Beruf des Schauspielers dachte - es ist einer jener Faktoren, die man Begabung nennt, denn schauspielerisches Tun kommt vom Sehen und Hören) eine Eigenschaft FREIGELEGT wird, die dann gezeigt werden kann.

Die Eigenschaften also, die der Schriftsteller einer Figur zuordnet, die ein Regisseur meint zu benötigen, können für den Schauspieler, aber können für alle in dieser Kette des Schaffens, nicht mehr sein als Bojen und nachträgliche Markierung. Die Rolle selbst kann aber nicht von dort her aufgezogen, erarbeitet werden. Die Rolle muß vom Sehen eines lebendigen Menschen her ihr Leben beziehen.

Weil aber der Mensch alles ist und hat, weil des Künstlers Ziel das Universale ist, wo er zum Träger ALLER Form der Schöpfung wird, wird ihm je älter er wird, und je ausgebauter seine Persönlichkeit wird, sein Facettenreichtum größer, das was er zu spielen - als: Darstellen - vermag, immer umfassender.

Aber nur, wenn er in diesem alltäglichen Slalom der Anforderungen und Erwartungen (auch von ihm selber stammend, wobei: damit wieder von außen, weil an einem außen liegenden Effekt orientiert) lernt, soviel Disziplin zu wahren, daß er diesen schmalen Grat nicht verläßt: Wo es sich entscheidet, ob er Effekte mechanisch hervorruft, oder wo er eine Figur freilegt, deren Phantasie zu der seinen, alles an ihm also reiner Formgehorsam wird. Ein Gehorsamsgebot, dem alle, in der langen Kette derjenigen, welche eine Figur "in die Hand" nehmen, die am Schluß auf der Leinwand, auf der Bühne zu sehen ist, unterliegen. Gerade angesichts einer Praxis (im Film, im Theater) gesagt, wo heute Lebendigkeit in all diesen Stufen der Entstehung nur noch mit krankhafter Ergebnis- und Aussagenfixierung erwürgt wird.

Kunst ist eben: Das Schaffen der Welt im Betrachter. Sie selbst aber ist: Der Akt der Befruchtung durch das potente Wort, durch die Wurzel, die im Betrachter Konkretisierung hervorruft beziehungsweise diesen zur Konkretisierung anwegt. Der Poet, der Bildhauer, der Maler, der Komponist, der Regisseur (also auch jene, die es mit bereits weiteren Stufen der Ursächlichkeit zu tun haben), der Schauspieler - sie alle sind mit einer prinzipiellen Ursächlichkeit konfrontiert, zu deren Konkretion sie die Durchgangsstation sind: Ihre Arbeit hebt diese Ursächlichkeit ins Konkrete, macht göttlichen Funken und entelechialen Willen zur konkreten Welt. Ja, Welt sein ist eben: Konkretion des Abstrakten, nur Eigenschaftlichen.

Max Reinhardt meinte genau deshalb einmal: "Nicht verstellen - sondern: Freilegen, das ist die Arbeit des Schauspielers." Ein Gebot, dem alle Künste gleichermaßen unterliegen.

Es ist das Gebot ... der Liebe.





*190609*

Eine Tragödie der Ideologie


Wie sich Verwirrung, die durch ideologische Behandlung eines Sachverhalts (demgemäß sich durch die Wirklichkeit ergeben muß, was sich ergeben soll) entstanden ist, zur Tragödie steigern kann, aber auch, wie Ideologie in subjektive Schuldverarbeitung verwoben ist, demonstriert der "Fall Cher-Chastity".

Die Tochter des Pop-Stars Cher nämlich, Chastity (beide im Bild), ist nicht nur "bekennende Lesbe" (im übrigen: eine Lebensform, für die Bekenntnis wesentlich ist, weil alles an ihr Versuch ist, auszusagen), sondern hat sich nun "entschlossen", ihr Geschlecht umwandeln zu lassen. Cher findet das "mutig".

Mutig, sagt nun Cher, und stärkt ihrer Tochter zumindest medial den Rücken. Erst sei es ihr ja nicht so recht gewesen, daß aus ihrer Tochter ein Sohn würde, aber nun ... sagte sie. Die ja mit ihrer Musik immer ein wenig mit einer gewissen Faszination der weiblich-männlichen Identifikationsachse gespielt hat.

Mutig? Nicht mehr? Ist das alles, was eine Mutter dazu zu sagen hat? Ach so, ja, wir haben es ja mit dem Zeitalter der "herrschaftsfreien Diskurse" (Habermas) zu tun. Wo sohin auch das Geschlecht frei zur Disposition steht. Und nachdem Chastity offenbar in ihrer lesbischen Beziehungsgeschichte jeweils den Part des Mannes gespielt hat, kann sie sich ja gleich zum Mann um operieren lassen, der man so gerne immer gewesen wäre. Heutzutage kann man sich ja nicht nur eine andre Nase machen, oder das Fett aus den Schwabbelzonen absaugen lassen - heutzutage kann man sich in der Mitte seines Lebens auch das Geschlecht mal schnell wandeln lassen. Beispiele zeigen das ja zur Genüge.

Zur Genüge? Es gibt Transsexualität als Phänomen tatsächlich. Es gibt - man schätzt in Deutschland wie Österreich etwa fünf- bis achttausend Personen - diesen seltsamen Fall, daß das sichtbare Äußere eines Menschen mit seinem gesamten seelischen Fühlen und Erleben nicht kombiniert. Dieses seltsame Fremdsein im eigenen Körper liegt weit jenseits von Neurosen und Homosexualität, es ist eine seltsame Laune der Natur, für die Erklärungsgründe irgendwo dort liegen könnten, wo die katholische (thomistische) Seelenlehre die Nahtstellen zwischen der reinen "Vegetativseele" und der "Verstandesseele" ansetzt.

Ähnlich, wie die Fälle, wo "nicht überlebende Zwillinge" in den Überlebenden lange Jahre oft weiterwachsen. Wo mit fünfzehn, fünfundzwanzig, dreißig ... Jahren plötzlich bis dorthin im Körper desjenigen gewachsene Körperteile des anderen Zwillings gewachsen sind, "gelebt" haben, bis sie eines Tages denn doch absterben. Hier zeigt sich nichts anderes als die von Thomas so bezeichnete "Vegetativseele", die in gewisser Weise gewisse Abtrennung von der ganzpersonalen menschlichen Mitte zuläßt, und wie im genannten Fall (Reste eines Zwillings, die im eigenen Körper mitwachsen) offenbar interpersonal verschränkt, durcheinander sind. (So nebenbei: und nur dort, in diesen peripheren Bereichen, kann es auch mit gewisser Erfolgsaussicht zu menschlichen "Klonergebnissen" kommen. Zumindest ist alles, was derzeit an Erfolgen auf dem Gebiet der Gentechnik, auch im Tierreich, gefeiert wird, so verstehbar.)

Aber aus Gesprächen mit Betroffenen, deren Leidensdruck mit seelischen Neurosen Homosexueller, mit Identitätsproblemen nicht das geringste zu tun hat, die sich auch selbst in keinem (mir) bekannten Fall als "Homosexuelle" bezeichnen, ja sich strikt dagegen verwahren, zeigt sich eine grundlegende Unterscheidung zu den Identitätsproblemen, die Homosexualität evozieren. Menschen, die sich als "im falschen Körper" erfahren, erfahren sich nicht als "Homosexuelle", sondern erleben höchstens, daß sie in dieses Umfeld geschoben werden. Transsexualität also in eine Reihe mit Genderthematik zu stellen ist auch in den Augen der wirklich Leidenden ein (wie sich hier zeigt: unverantwortlicher, weil beispielgebender) Fehler. "Queer" oder "Transvestitentum" haben damit nicht das geringste zu tun. Hier nicht klar zu scheiden, bedeutet eine Verhöhnung und verächtliche Abwertung des Leidensdrucks wirklicher Transsexueller!

Das Gegenteil behauptet natürlich die Homosexuellenbewegung, mit deren Schutzschild, der Ideologie des "Gender". Für sie, die Geschlecht prinzipiell subjektiv beliebig wählbar, zumindest in seiner Polarität als "conditio humanae" bestreitbar sehen (um sich zu rechtfertigen), sind diese bedauernswerten Menschen (deren Selbstmordrate bedrückend hoch ist, zumindest, solange sie den Schritt zu einer heute weitgehend vollziehbaren "Geschlechtshomogenisierung", also nämlich keiner "-umwandlung", nicht vollziehen) Beweisgegenstände und Objekte der Rechtfertigung, daß ihre Nicht -Wahrnehmung ihres Geschlechts(auftrags) eine unwiderstehliche Naturmacht (und vererbt) ist. Ja, daß das Geschlecht generell wählbar ist, frei nach Simone de Beauvoir, daß man zur Frau (oder umgekehrt) erst gemacht würde, das sei man nicht.

Es gibt nur einen Fall aber, wo die Selbstmordrate noch höher ist, und hier ist nicht die Rede von Theorien, sondern von Informationen aus der Praxis (auch in Österreich gibt es Chirurgen, Mediziner, die damit relevante Erfahrungen haben) Nämlich jene Fälle, wo Homosexuelle ihre Neurose zu solchen Geschlechtsumwandlungen ausformten. Hier liegt die Wahrscheinlichkeit eines Suizids bei über 50 Prozent. Weshalb im Vorfeld exakt und höchst eingehend zu prüfen ist, ob es sich eben um die Charakter- und Identitätsneurose "Homosexualität" handelt, oder um wirkliche "Transsexualität". Passiert hier ein Irrtum (die hormonellen und operativen Eingriffe sind nur ein einziges Mal machbar, und irreversibel) wird aus dem "Drama der Selbstinszenierung" plötzlich ein Ernst, dessen Leidensdruck wohl unvorstellbar ist.

Chastity bekannte sich als Lesbe, als Homosexuelle also. Damit ist die Wahrscheinlichkeit, daß sie wirklich transsexuell ist, schon recht niedrig, hoch aber dort, wo zu vermuten ist, daß die Ideologien des heutigen Genderwahns Grundlagen ihrer Entscheidung sind. Cher scheint denselben Ideologien zu folgen, was umso befremdlicher erscheint, als Cher selbst ein Musterbeispiel für den Entstehungsboden von Homosexualität bietet! Eine Mann-Frau äußerlich mit ihrer Identität, mit der Androgynie spielend (damit keine Identifikationsfläche bietend), stark, und (wenn vielleicht auch aus ihrer Vita erklärbar) stärker als der Mann. (Stärker als Sonny, ihrem ersten Mann, war sie allemal.)

(Nachweisbar und höchst signifikant statistisch korrelierend ist, daß in über 80 Prozent der Homosexualität die Kräfteverhältnisse unter den Eltern so sind: schwacher Mann, starke Frau. Sodaß die Umverteilung der Macht, die in den letzten Jahrzehnten stattfand, ein regelrechter Garant für die Zunahme von Homosexualität - noch einmal: eine Neurose der Identität und Persönlichkeitsentfaltung - war und ist.)

Dieser Hintergrund aber gibt ihrem "Verständnis" mit einem Mal - einen seltsamen Beigeschmack von Zynismus. Als diente ihre "Liebe" zu ihrer Tochter im Grunde nur der ... Rechtfertigung ihrer Leichtfertigkeit, mit der sie das Joch ihres Mensch- und Mutterseins abschüttelte.

Im übrigen: Das wahrscheinlich häufigste Motiv für die heute so gern zitierte elterliche "Toleranz".

Aber es würde nicht Wunder nehmen, wenn auch diese Geschichte ein tragisches Ende nähme. Vielleicht ist die Öffentlichkeit dieser Geschichte ihr Wert - was zu sagen hoffentlich ohne Zynismus möglich ist. Es spricht aber viel dafür, daß sich hier nicht ein Muster an Liebe und Verständnis vollzieht, sondern ein Lehrbeispiel der Tragödie, die entsteht, wenn man tatsächlich Gender-Ideologie ernstnimmt (Chastity), und ihr aufsitzt. Und ein Lehrbeispiel, was der Entstehungsgrund einer Ideologie ist: Rechtfertigung eigenen Versagens (Entschuldung) und eigener Fehlhaltungen.

Was nichts an Cher's Liedern ändert, mit denen eine Generation groß wurde. Und wo eine verheiratete Cher ihr Spiel mit der Androgynie - wen wundert's? - noch keinesfalls so in den Vordergrund schob. Als: Sonny und Cher in "I got You Babe"

Und wie erst (ich gestehe alles ...) Cher mit Sunny in "The Beat goes on"




*190609*

Donnerstag, 18. Juni 2009

Glaubwürdigkeit auf der Grundlage persönlicher Weitergabe

Einen interessanten Hinweis gibt Max Weber zur Rolle der Schriftlichkeit in Gesetz und Recht wie Heiligen Schriften - im Islam. Weber führt an, daß ein Vertrauen in die Schriftlichkeit ein Abweichen vom prophetisch-charismatischen Charakter der maßgeblichen Personen der Religion und Lebensordnung bedeutet hätte beziehungsweise bedeuten würde. Ihre Glaubwürdigkeit hängt aber an der ununterbrochenen Weitergabe der Wahrheit von Person zu Person! Deshalb gilt im Islam nach wie vor das Prinzip der Tradition der persönlichen Weitergabe der Grundsätze und Lehre in Schulen und Anstalten.

Eine "sola scriptura"-Rolle Heiliger Schriften meint Weber nur im "Altprotestantismus" zu finden. Selbst im Hinduismus findet sich nach Weber diese Tradition, wobei er ihn noch als Exempel benutzt, um die Unterscheidung zwischen dogmatischen Büchern der Offenbarung (srufi vedas) und "Erinnerungsschriften" (smeti), aus der Geschichte gegriffene Auslegungsschriften, zu demonstrieren, die es auch zum Beispiel im Islam gibt. (Natürlich auch im Katholischen, unter anderem in den Schriften der "Kirchenväter".)

Weber, ein Protestant, führt damit die (nunmehr also: auch) katholische Position zur Stellung und Rolle der Heiligen Schrift ("Die Kirche hat sie sich selbst gegeben!") Die Rolle der Schriftlichkeit, wie Weber sie sieht: um über die Dauer die Einheitlichkeit der Überlieferung nicht zu gefährden.

"... nicht die Heiligen Schriften die Wahrheit der Tradition und der Kirchenlehre, sondern umgekehrt: die Heiligkeit der als Fideikommiß der Wahrheit von Gott gestifteten Kirchen und ihrer Traditionen die Wahrheit der Schriften garantiere. Dies ist konsequent und praktisch: das umgekehrte (altprotestantische) Prinzip setzt ja die Heiligen Quellen der historischen und philologischen Kritik aus."


(Max Weber in "Wirtschaft und Gesellschaft")




*180609*

Alter Etikettenschwindel

Max Weber sieht den Anteil des Christentums an der Abschaffung der Sklaverei defacto nicht relevant, weil sehr gering. Weil sich Sklaverei nur auszahlt, wenn die Lebenshaltungskosten gering waren (was ihre Reproduktion ausschloß, denn Familien sind teuer, haben einen hohen Anteil von unproduktiven Essern) und Boden billig, wenn nicht (durch Expansion) frei ist, war das Ende der Sklaverei in Amerika längst eingeläutet: Boden war bereits begrenzt, und die Zufuhr von Sklaven aus Afrika unterbunden beziehungsweise eingeschränkt, auch durch afrikanische Entwicklungen. Weber vergleicht die Lebensweise der Südstaaten-Farmer eher mit denen der römischen Großfamilie, den Sklavenhalter mit dem Pater Familiae, mit sehr weitgehenden Rechten, aber längst sehr familiären Haltungen.

Der Bürgerkrieg Nord-/Südstaaten hatte also nach Max Weber rein politische, kulturelle Gründe. (Julien Green übrigens definiert den Bürgerkrieg genau so: als kulturelle Katastrophe, nicht als "humanitäres Projekt" des Nordens; entsprechend spricht Green vom "Trauma des Südens") Es war ein Krieg der Farmerdemokratie und bürgerlichen Plutokratie der Nordstaaten gegen die südliche Pflanzeraristokratie. Ein Kampf der neuen, protestantischen Welt gegen die alte europäische, katholische Welt. Ein Kampf der Schwärmer und Mystizisten gegen aristotelisch-thomistische Metaphysik.

Die parallele Entwicklung in Europa - Weber sieht die unfreie Arbeit als generelles Kriterium dieser Kulturstufen, unterscheidet nur formal zwischen Sklaverei und Frondienst (die Bauernbefreiungen fanden am Kontinent ebenfalls zu etwa der gleichen Zeit statt) - war gleichfalls von Rentabilitätsüberlegungen getragen: Die Entwicklung moderner Produktionstechniken hatte unfreie Arbeit unrentabel gemacht.




*180609*

Samstag, 13. Juni 2009

Abgeschnitten von den Wurzeln

"Es ist möglich, daß sich eines Tages irgendein mutiger Wissenschaftler an die Untersuchung herantraut, wie unser kulturelles Leben durch die 68er Bewegung direkt und indirekt beschädigt wurde. Es ist möglich, aber kaum wahrscheinlich. Frustrierte Revolutionäre klammern sich noch immer an ihren Schreibtischen in den Redaktionen fest und sprechen bitter von "der Erneuerung, die im Sande verlief." Sie sehen nicht ein (wie sollten sie das können!), daß ihr Einsatz einer Entwicklung, die nie von ihren Wurzeln getrennt werden darf, den Todesstoß versetzte. In anderen Ländern, in denen mehrere Gedanken nebeneinander gedeihen dürfen, wurden Tradition und Ausbildung nicht liquidiert. Nur in China und Schweden verhöhnte und demütigte man seine Künstler und Lehrer.

(Ingmar Bergman, in seinen Erinnerungen "Mein Leben", erschienen 1987)




*130609*

Donnerstag, 11. Juni 2009

Der Komet kommt. Eines Tages.

So kam sie, die Finanzkrise, die Wirtschaftskrise hinterdrein. Tauchte auf - und streifte uns. Oder schlug ein. Fast zumindest.

Keiner konnte was dafür. Niemands.

Ja, die Reichen, wie die Meinls, und überhaupt alle diese Betrüger und Geldaussauger, die schon. Solche, wie die Wallstreet-Banker, in ihren Anzügen, die feinen Pinkel.

Aber wir halten zusammen. Und kämpfen gemeinsam. Schulter an Schulter! Gegen die Wirtschaftskrise.

Dort ist sie! Haut sie! Abgewehrt.

Ober!? Noch ein Vierterl! Irgendwann geht sowieso alles zugrund'. Irgendwann kommt er, der Komet.




 *110609*

Dienstag, 9. Juni 2009

Beneplacitum Dei

In der Genesis liegt der großartigste Erweis der Priorität des ästhetischen Akts vor dem Gutsein selbst, so untrennbar alles verbunden, das Ethische mit dem Ästhetischen ident ist.

Und Gott sah, daß es gut war - und er fand Gefallen daran.




*090609*

Vorsehung und Kunst

Theodor Haecker deutet es in seinem Buch über Vergil an: Das Wesen einer christlichen Kunst, insbesonders einer christlichen Literatur, die dieses Attribut als "Spur" einer hinter allem stehenden Anschauung und Glaubenswelt verlangt, gründet im "Fatum". Im zuinnersten Glauben, daß alles Geschehen einen Sinn hat, und einen Sinn erfüllt, im Denken sucht, im Handeln zu erfüllen hat.

Damit schließt sich ein Kreis: Am Ausgangspunkt, der göttlichen Vorsehung, am Gut, das hinter allem als Movens steht. "In principio erat verbum"- Im Anfang war das Wort. Das Gesagte. Und das Wort, das Gesagte, das Fatum, war Gott.

Das Scheidegebirge zwischen Hoffnung im Sinn, und Verzweiflung im Chaos. Das - meint Haecker - so beeindruckend Adventliche an Vergil's Aenaeis.




 *090609*

Mittelmaß aus Berufung

Kaum einmal bedacht ist das Problem der beruflichen Ausbildung von der Seite her, daß hoher Ausbildungsstand eine Frage der Verantwortung der Gesellschaft gegenüber ist. Weshalb VOR einer Ausbildung die Aspekte der Lebensplanung abzuwägen sind.

Dabei ist ein großer Störfaktor ein grotesk weitverbreiteter "Glaube", man sei ... etwas Besonderes (in Verkennung wirklicher Einzigartigkeit, die von einer gesellschaftlich-kulturellen Stellung unabhängig ist.) Und je mehr man diese Besonderheit auch institutionalisiert versucht "hervorzubringen", desto mehr fehlt sie. Und allzu oft ist "Besonderheit" dem kindischen Rollenspiel von Kleinkindern vergleichbar. In solchem Klima wird dann Menschlichkeit zur Zustimmung zu eben diesem zweitwirklichen Spiel allgemeiner Identitäts-Simulation.

Wie oft, ja fast immer ist aber festzustellen, daß eine solche Selbsteinschätzung in keiner Weise gerechtfertigt ist, und eher einer sinnlosen Neurotisierung entspringt. Noch dazu, wo die Geschichte eindrücklich lehrt, daß "Besonderheit" kaum einmal eine Frage der Talente, sondern des Charakters ist. Der Ansatz, daß Talent auch "Anrecht" hieße, dessen Wirklichung eine Bringschuld der Gesellschaft sei, ist also völlig verkehrt.

Die meisten Menschen sind einfach ... mittelmäßig, durchschnittlich, und ihre Gaben sind es - einzigartig nur im Sinne der Einzigartigkeit des Individuums, das ganz sicher, und im unmittelbaren Umfeld (auch hier: völlige Verfehlung des Bezugspunktes, es genügt nicht mehr der Nächste, das Nächstliegende, sondern es ist Hollywood oder die Welt).

Wenn "Normalität" (und: Bescheidung auf das kleine Umfeld) aber so übel beleumdet ist - womit man diesem überwiegenden Teil der Bevölkerung unerträglichen immanentisierten Druck aufbaut - wird sie eine Frage der Überlebensfähigkeit einer Kultur beziehungsweise eines Staates.




*090609*

Sonntag, 7. Juni 2009

Reputation Management

Wenn jedes Selbstsein zum Image verkommt, jeder Lebensvollzug der formenden Hand einer höheren Zieladäquatheit unterworfen wird, oder gar nur noch daraus erwächst, wenn das oberste Ziel eben die Bestimmung dessen ist, "was man für andere ist" (weil: sein will) - dann haben wir es mit dem weiteren Ausfluß des technischen Zeitalters zu tun. Wo alles bereits diesem Mechanismus unterworfen ist, der keine originäre Lebensäußerung mehr zuläßt, alles erfrieren und ersticken läßt, was einmal pathetisch "Herz" genannt wurde.

Zur "Ich-AG" verkommt das Ich, und getrieben vom Giftstachel des Neides wird der Ehrgeiz zum Motor eines Lebensvollzuges, der nur noch Besonderheiten und eiskalten Konkurrenzkampf kennt. In welchem auch längst Zwischenmenschlichkeit zur Ware verkommen ist, weil alles nur noch Lüge und Simulation ist. Gemeinsamkeit wird nur noch daran ablesbar, wieweit der andere bereit ist, sich denselben Konventionen aus Weltanschauungen und Moralismen zu fügen.

Bis alles nur noch Lüge ist, und die Lebensangst immer größer wird, weil es keine Handbreit originäres Leben mehr gibt, das - als "Wirklichkeit" - wirkliche Selbstwerdung ermöglichte oder forderte.

Und bis die Sehnsucht unerfüllt bleiben muß, die Trauer zur Verzweiflung gerät. Wo es keinen Fluchtpunkt mehr gibt, weil auch die Kunst längst davon angekränkt und durchfault ist.

Weil es ein Weg ist, den man zu gehen hätte. Ein Weg täglicher Ablösung und täglichen Zurüstens auf den Tod. Weil es das bräuchte, was man Askese nennt. Und das so diametral zu allem zu stehen scheint, was vorgeblich Grundlage unseres heutigen Lebens, ja nahezu "Verpflichtung" zum Schein ist.




*070609*

Samstag, 6. Juni 2009

Weil alle lieber im Trüben fischen

Nun tauchen Meinungen auf, denen gemäß Polen sogar ("die") Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hätte ... Das kommt diesmal aus Rußland, übrigens. Die (abgesehen von den historischen Spannungen mit Polen) am freiesten mit der Frage nach der Kriegsschuld umgehen. (Die Auffassung, daß der Angriff Deutschlands auf Rußland im Juni 1941 ein Präventivschlag war, kommt aus Rußland, wo sie nach Einbeziehung der "geheimen Archive" historischem Forschungsstand entspricht.) Weil dort die verschiedensten Interessen, mit denen Geschichtsforschung betrieben wird, sofern sie mit solchen Interessen (Historie ist ja immer ein Belegen, was sonst; also stets eine Frage der Weltanschauungen) betrieben wird, einander wiederstreiten, und das auch dürfen.

Womit wir beim Thema wären. Denn was wir hierzulande immer nur an solchen Ereignissen (wenn zum Beispiel in Rußland solche Thesen auftauchen) bemerken, ist, daß unser Geschichtsbild gerade über jene Zeit ("Hitlerismus") in höchstem Maß feststeht. Aber kann es auch ausreichend erklären?

Das läßt sich nämlich hinterfragen. Denn die Ansichten, gerade im "breiten Volk", über diese Zeit, gehen weit auseinander. Man muß allerdings unterscheiden: zwischen "offiziellen", gelehrten wie öffentlich verkündeten Ansichten, und privaten Meinungen, den Meinungen des einfachen Mannes, wie man gerne unterscheidet. Dabei verläuft die Trennungslinie aber woanders: Jene, die nach Erklärung suchen, und jene, die erklären können. Meinen zu können. Und dabei nicht bemerken, wie sehr sie die Interessen einer Ideologie vertreten.

Weil Geschichtsinterpretation hierzulande von einer politischen Gruppierung regelrecht okkupiert wurde. Und dieser politischen Richtung, die sich gerne als "Funktionselite" begreift, die nach solchem Verständnis auch die eigentliche gesellschaftliche Elite darstellt, ist es höchst genehm, die Geschehnisse dieser Zeit den Grundsätzen ihres Weltbildes gemäß zu erklären.

Deshalb braucht - die Linke, nennen wir das Kind beim Namen - einen rationalen Hitler! Deshalb braucht sie das Vorgehen Nazi-Deutschlands eingebettet in einen Kranz "nachvollziehbarer", weil ideologisch erklärbarer, Ursachen und Wirkungszusammenhänge. Die im letzten im bösen westlich-abendländischen (und das bedeutet: patriarchalen) System an sich liegen.

Aber genau so lange diese Geschichtsklitterung vorherrscht, genau so lange wird über dieser Zeit ein seltsamer Nebel liegen. Genau so lange wird es ständig wieder zu mal diesen, mal jenen Ansichtenstreits kommen. Denn alle diese Ansichten nützen den Umstand, daß viele vereinzelte "Körnchen Wahrheit" - hier: das Verhalten Polens in der Zwischenkriegszeit war unter bestimmten Aspekten keinesfalls einfach "jungfräulich", aber was hätte man an Alternativen gehabt? Und man hat auch Fehler gemacht, ganz klar, auch weil Polen sich neu und ziemlich künstlich erfinden mußte, der historische Strom war salopp formuliert "abgedrückt"; an sich aber kann man fragen, ob Sachen wie "Teschener Land" notwendig waren ... - für alle möglichen Theorien verwendbar bleiben.

Weil sie bis zum heutigen Tag in kein wirklich umfassend befriedigendes, erklärendes Gesamtbild eingebettet sind.

Das verhindert die Linke nämlich auch konsequent, gerade indem sie ein Erklärungsmodell (sogar: per Sanktionierung) verlangt und propagiert. Denn die Linke macht - zeugt, schafft - sich, gemäß ihrem inneren Wesen: sie ist eine Charakterdeformation - ihre Gegner selbst. Ihre Ansichten haben sohin simpel selbsterfüllenden Charakter. Ein Erklärungsbild, das nicht ihrem Weltbild zuspielt, wird so schlicht verhindert. Und das ist in diesem Fall so!

So wird Hitler's Politik außen wie innen konsequent (eine ganz bestimmte) Rationalität unterstellt. Wird konsequent sogar unterstellt, Deutschlands Politik unter Hitler stünde in einer kontinuierlichen historischen Linie, die an das Vorher anknüpfe.

Aber bei intensiver Beschäftigung mit diesen Themen zerfällt diese These. Sie erklärt nämlich nahezu gar nichts wirklich. Wo immer historische politische Linien auftauchen, die scheinbar fortgeführt wurden, muß man sie nämlich als das sehen, was sie für Hitler waren: Chancen. (Man beachte alleine die Verwendung des Wortes "Vorsehung" durch ihn: als Leitstern) Nicht mehr.

Mit "echten" Motiven hat Hitler seinem politischen Handeln lediglich Rationalität unterschoben. Sein Verhalten selbst, und das seiner wesentlichen Figuren (unter anderem Ribbentrop), war hingegen völlig widersprüchlich! Das konnte auch gar nicht anders sein.

Denn der Nationalsozialismus war alles andere als eine homogene, in sich stimmige Theorie oder Ideologie! Er war ein rohes, in sehr vielem widersprüchliches Mischmasch ungeklärter, oft genug diffuser, krankhafter (auch das), dann wieder evidenter, ja an sich richtiger (ja, auch das) Einzelgedanken und -thesen. Das zeigt sich alleine an seiner Kompatibilität mit dem Kommunismus, den zu bekämpfen er vorgab. (Selbst Stalin war dieser Meinung!)

Ein Konglomerat aus Zeitströmungen, Emotionen, Ansichten, Theorien ... also, an dem lediglich eines klar war: er hat sich GENAU DURCH SEINE IRRATIONALITÄT hervorragend geeignet, um Wahnsinnigen freie Bahn zu geben, ihren Wahnsinn auszuleben. "Der" Nationalsozialismus war ein Mäntelchen, unter dem eine politische Struktur aufgebaut werden konnte, die sich je länger desto deutlicher als dämonischer Wahnsinn entpuppte. Der Nationalsozialismus war - auf den Punkt könnte man es bringen - eine reine Funktionsstruktur. (Man sehe sich alleine den aberwitzigen Zuständigkeitswirrwarr an, der in allen Organen herrschte, die mit der Partei zu tun hatten!) Seine Macht konnte der Nationalsozialismus genau dadurch nur aufbauen wie behaupten: weil er unvernünftig war, mußte er sich nie rechtfertigen, und war damit unwiderlegbar weil total anpaßbar. Das war auch schon das einzige "Totale", das er war. Aber schon alleine mit heutiger Gesellschaftspolitik verglichen, müßte man blaß werden: denn die Parallelen mit dem heutigen "Sozialstaat", die Modernität des Hitlerstaates also, jagt einem Schauer über den Rücken.

Eine solche Irrationalität aber können sich Russen, die noch dazu so viele Jahre das linke Geschichtsbild inhaliert hatten, gar nicht vorstellen. Für sie muß das Handeln ihrer (damaligen) Gegner rational gewesen sein. Denn die Politik Stalins war es. Stalin war ganz klar rational, hatte ein Ziel, und er verfolgte es konsequent. So konsequent, daß er sogar den Westen in den Verhandlungen über die Nachkriegsordnung laufend überrumpelte. Weil ihm eine Niederwerfung Deutschlands keineswegs fundamentalstes Ziel gewesen war, wie dem Westen - bloß das vordringlichste, als Mittel zum Ziel. Wieder waren es die Engländer, war es Churchill, der das als einziger erkannt hatte.

So wie es auch die Engländer 1938 waren, die als erste kapiert hatten, daß Hitler und damit Deutschland nicht berechenbar, sondern irrational war. Und so wird auch das Verhalten Englands Polen gegenüber rational, nicht "kriegshetzerisch" - lediglich schrecklich nüchtern. Selbst wenn der Anlaß seltsam erscheinen mag. Im Umgang mit dem Irrationalen aber ist es so, daß man eine Weile braucht, um die Vernunftunfähigkeit des anderen zu begreifen, und schließlich anzunehmen. Damit spekuliert ja der Unvernünftige (so sich Böses längst mitmischt): daß der "Anlaß" für den Vernünftigen zu klein und zu "irrational" scheinen könnte, weil zum Vorher wie Nachher in Bezug setzt, herausgenommen, für sich stehend. Rationalität ist hier aber längst ein Heraustreten aus dieser historischen Kette, in einer Rückkehr zum Prinzipiellen.

Solange wir hier, in Österreich, in Deutschland, nicht die Einsicht zulassen, daß es so war, oder: gewesen sein könnte, solange, wird diese Zeit ein nie endender Herd abstrusester, nie eingrenzbarer Thesen, Ansichten und Motiven bilden, aus denen sich weitere Irrationalitäten und Dämonien nähren.

Aber nicht nur der Linken nützt ein solches Interpretationsdiktat, das nichts erklärt, sondern alles möglich macht. Auch nämlich allen möglichen abstrusen Vereinigungen, und gar Konservativen, scheint diese irre Zeit zum Beleg mancher These gerade recht zu kommen.

Aber die Linke profitiert zweifellos am meisten, weil sie in dieser historischen Interpretation eigene Legitimation auszuweisen behauptet.

Selbst das gesamte Problem des echten "Rechtsradikalismus" (der sehr sehr selten ist!) hat aber wesenhaft damit zu tun: Alle fischen nämlich lieber im Trüben. So hat ein Geschichtsbild Platz, das als Motiv historische Verkettungen vorgaukelt, die die (bloß charakterlich fundierte) Gegenwart verschleiern, aber vor allem: den Status quo legitimieren soll.

Man muß Hitler als das sehen, was er war: ein wirklicher Psychopath. Erst in diesem Licht beginnt sich diese damalige Zeit zu erhellen. Seine Politik war wesenhaft irrational, nur scheinbar und bestenfalls in Ansätzen dort vernünftig, wo es ihm in den Kram paßte. Und dieser "Kram" war in einem Ausmaß "persönlich", daß wir's uns kaum vorstellen können. Der Mißbrauch der Sprache war dazu wesentlichstes Instrument. In diesem Punkt unterscheidet sich nichts mehr von heute. Nur die Rechtfertigungsmodelle haben sich verändert. Der Nationalsozialismus hat die Instrumente heutiger demokratischer Politik, die in höchstem Maße auf dem Mißbrauch der Sprache beruhen (vor allem durch "Äquivokation" - NLP zeigt es vor) nicht nur aber längst ausgelotet, er hat sie regelrecht erfunden.

Solange das nicht akzeptiert wird, solange aber vor allem die Linke nicht aufhört, ihr Geschichtsinterpretat um jeden Preis durchsetzen um als politischen Hebel nutzen zu wollen, solange insgesamt so viele Gruppen und Personen ein reges Interesse daran haben, diese Zeit 1933 bis 1945 eigentlich im Dunklen des Dämonischen zu halten - solange wird dieser Dämon seine zeugende Kraft nicht und nicht verlieren.

Und das heißt in diesem Falle das historisch so Unfaßbare als wirklichen Ausfluß von Irrationalität und Dämonie zu begreifen.

Dann aber kann man auch erfassen, wie eng in heutigen politischen Konstellationen persönliches Tun mit Charakter und Absichten von Einzelnen zu tun hat. In der Zerstörung der Staaten 1918, vor allem aber: der Kultur, hat sich in Hitler ein Menetekel an die Wand geschrieben. Er hat das langfristige, zu ahnende Schicksal Europas - wie es seinem Charakter entsprach - in geraffter Form darstellend lediglich ein für alle Mal vorwegzunehmen versucht.

So erfaßt, wird diese Zeit plötzlich zu einem wirklichen Lehrbeispiel der Geschichte. Wo jedes "nie wieder" erst glaubwürdig, aber völlig anders, wird.




*060609*