Thomas Müller, Kriminalpsychologe und Autor mehrerer (nicht wirklich guter ...) Bücher (die vor allem große Eitelkeit beweisen) in "Frühstück bei mir":
Der Fall von Amstetten sei zwar ungewöhnlich, aber er stehe weltweit durchaus nicht einzeln da, weshalb er sich über ausländische Zeitungskommentare gewundert habe, die die Frage stellten, ob denn so etwas nur in Österreich vorkomme, was denn da los sei.
Er habe viel Erfahrung mit Tätern, die ihre Opfer ähnlich dem Amstettner Fall gefangen hielten und beherrscht hatten. Er kenne Fälle, wo die Täter nur einen einzigen Tag dazu gebraucht hätten, ihre Opfer völlig willenlos zu machen - indem sie sie (je nach Geschick schneller oder weniger schnell) meist subtil behandelten und brachen, willenlos machten. Das war so weit gegangen (in einem Fall), daß der Täter mit dem Opfer zu deren Eltern gefahren war und die Frau dort behauptet hatte, sie sei freiwillig bei ihm. Vor allem Täter mit bestimmten Narzißmen entwickelten oft eine bemerkenswerte Fähigkeit, ihre Opfer zu foltern, zu brechen.
Ebenso seien ihm Fälle mit Bunkern, die als Gefängnisse (und Folter- und Mörderkeller) gedient hatten, bekannt; in anderen Ländern oder aus der Vergangenheit.
Zum Fall Amstetten: Seine Monstrosität sieht Müller nicht in Zusammenhang mit der Quantität des Geschehens - der Anzahl der im Inzest gezeugten Kinder, oder dem immer perfekteren Ausbau des Bunkers. Es gäbe in Kriminalfällen eben zwei Entwicklungen - die Phantasie-Entwicklung sowie die "pragmatische Entwicklung", die aus rein praktischen Fähigkeiten und Anforderungen erwachsen sei, wie in einem sachlichen Automatismus.
Müller trägt übrigens Steinchen im Schuh - sie sollen ihn erinnern, daß alles vergänglich ist, er vor allem im Glück nicht meint, es würde immer bleiben. Gerade die Erfahrung mit Opfern habe ihn demütig gemacht: obduzierte Kinder zu sehen, die Opfer von Verbrechen waren ... da relativiere sich so viel, was an Alltäglichem für die Menschen Grund zur Klage darstelle.
Tote zu sehen berühre ihn vor allem, weil die Vergänglichkeit des Menschen so sichtbar werde - wenn ein Toter tagelang daliege, bei geöffnetem Fenster ... Er meine, daß im Tod nur "die Schale zerbreche". Der eigentliche Kern aber "gehe voraus."
Er glaube, daß entscheidend für außergewöhnliche Leistung sei, ob jemand Selbstwertgefühl habe oder nicht. Was aber nicht heiße, daß dies auch heiße, daß solch ein Mensch nicht destruktiv sein könne. Wichtig sei dabei Ausgewogenheit, z. B. zwischen Privatem in Interaktivität wie Dingen, die man nur für sich tue, und Beruflichem. Die Menschen lebten aber in Schwankungen aller dieser Bereiche, "Kurven", und so komme es zu Ausbrüchen, auch in Bereichen, die man für völlig "normal" gehalten habe.
Er kenne eben Fälle, wo die Täter nach getroffener Entscheidung alles Nachdenken über weitere Konsequenzen ausgeschaltet hätten. Auch sei ihm wiederum ein Fall bekannt (aus den USA), wo der Unsterblichkeitsgedanke den Täter dazu getrieben hatte, inzestuös viele Kinder zu zeugen. Vielleicht sei es aber auch einfach das Gefühl, Macht auszuüben. Im konkreten Fall (Amstetten) könne er gar nichts sagen, kenne den Täter nicht.
In jedem Fall aber sei er der Auffassung, daß es nicht gut sei, generell das Mißtrauen zu schüren - keinem mehr zu trauen, wie der Bezirkshauptmann gesagt habe. Jeder habe seinen Hausverstand, und es sei ein guter Lebensrat, einfach ab und zu stehenzubleiben, und 360 Grad Rundumschau zu halten.
Natürlich sei der Fall außergewöhnlich, aber er glaube auch, daß der Täter genug Fähigkeiten habe, andere nichts davon merken zu lassen. Trotz allem glaube er, daß sich in der detaillierten Aufarbeitung noch "böse" Überraschungen in dem Fall auftun könnten.
*300609*