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Mittwoch, 1. Juli 2009

Blickschutznetze vor dem Tod

In Gesellschaften "vernetzter Menschlichkeit" (wie: facebook) bieten alle Mitglieder einander Gewähr, jeden in jenem Selbstbild zu bestätigen, das er von sich vorauswirft. Solcherart immer mehr davon abhängig, daß eine Identität positivistisch-willkürlich von der Umgebung aufrechtgehalten, ja eben: gestützt wird, ist "Twitter" (quasi ortlos, und jederzeit) der nächste Schritt in der Schaffung einer notwendig lückenlosen Maske des Selbstseins, wo alle einander in Empfindenswelten tragen wie halten.

Der Einbruch des Hassenswerten geschieht überall dort, wo die Wirklichkeit durchzuschlagen droht. Und der Verhaltenscodex ist hart - er besteht in den aktuellsten Konventionsvereinbarungen, und hat einen Grundsatz: Aufgabe der Persönlichkeit.

Diese Formen der "Vernetzung" sind also Versuche (und man unterschätze ihr Aggressionspotential nicht), eine Welt ohne Wirklichkeit, in reinem Konstruktivismus, und so: in Neuschaffung einer Wirklichkeit, mit simulierten Gefühlen und Realitäten, zu erbauen. Solcherart wird auch die wirkliche Wirklichkeit nur noch zum Steinbruch im Dienste der Illusionsdichte. Persönlichkeit, die Mühe kostet, wird verzichtbar zugunsten eines Austauschs der (sohin: simulierten, in Verwertbarkeiten aufgelösten) Früchte aus ihr.

Sohin geschieht alles im Dienste eines getarnten, aber umso bösartigeren Egoismus, denn der Verkehr miteinander geschieht in der Form eines unentwegten Manipulationsversuchs der anderen, so wie die Ameisen an den Läusen die Zitzen kitzeln um sie zu "melken", sie für eigene Zwecke ("Liebesempfang") dienstbar zu halten.

Sie liegen im Trend, in einem Zeitalter, wo die Dinge unwesentlich werden, weil man ihr "Frui", ihren Fruchtgenuß, einfach künstlich zu schaffen verspricht. Denn wenn die Wirklichkeit lediglich eine Folge mechanischer, materialistischer Abläufe, Geist Epiphänomen physiologischer Vorgänge ist, ist Glück ebenfalls eine rein mechanische Reaktion, Geist eine Täuschung.

In Wahrheit bauen alle diese aber nur an der Verbarrikadierung vor dem immer dräuenderen Tod. Und mauern an Gebäuden eines Tages nicht mehr länger verbergbarer Verachtung füreinander. Und wetzen die Messer für den Tag, wo die Kräfte versiegen noch länger vorzutäuschen, den anderen der Mühe des Selbstseins ("Person" als Gestalt der Persönlichkeit) zu entheben.

Es sind Marktplätze des Menschlichen, die brutal-darwinistische Ausschlachtung des Menschen zur Ware. Alle wollen hier voneinander etwas, alle hoffen auf das große Geschäft und hohe Renditen. Das sicherste Zeichen für einen Markt, an dem Menschen teilnehmen, die allesamt leere Taschen haben.




*010709*