Dieses Blog durchsuchen

Freitag, 10. Juli 2009

Funktionseliten statt Kultureliten

"Hinter allen Erörterungen der Gegenwart um die Grundlagen des Bildungswesens steckt an irgendeiner entscheidenden Stelle der durch das unaufhaltsame Umsichgreifen der Bürokratisierung aller öffentlichen und privaten Herrschaftsbeziehungen und durch die stets zunehmende Bedeutung des Fachwissens bedingte, in alle intimsten Kulturfragen der eingehende Kampf des FACHMENSCHEN-Typus gegen das alte KULTURMENSCHENTUM."

Die durch bürokratische Strukturen (in allen Kulturen in ihren Spätphasen) erfolgte wie effektuierte Technisierung unserer Kultur (wobei auch die Bürokratisierung im selben Sinn Technisierung bedeutet, wie sie die Basis für die utilitaristische Ökonomisierung des Soziallebens bedeutet wie diese vorantreibt) steht in beachtlichem Gegensatz zum Bildungs- und Menschenideal sowohl des (als Beispiele genannten) antiken Griechenland, des alten China, oder des europäischen Mittelalters. Und sie bringt automatisch eine Nivellierung der Beherrschten, durch Auflösung der Stände, nein: durch deren Umwandlung in "Klassen" (als einheitlichen technischen Gesellschaftsbezügen unterliegend). Bürokratismus ist Rationalismus, und deshalb wie dieser immer revolutionär, indem sie [archaische, traditionelle, gewachsene] Herrschaftsstrukturen durch unpersönliche, verzweckte Regeln und Mittel ersetzt.

Das meint Max Weber, und er führt an, daß während in diesen Hochkulturen der "kultivierte Mensch" Ziel der Bildung und Erziehung war, der auch soziale Ehre und Prestige verdiente, kam (und kommt - als Prognose ca. 1925 verfaßt) es in Europa zu einer völligen Auswechselung der Kultureliten durch reine Funktions-, utilitarisierte und damit eigentlich zur Klasse proletarisierte Fachwissenseliten, die natürlich auch die sozialen Ehrenzeichen usurpieren. "Es ist das Zurückdrängen der Begabung (des "Charisma") zugunsten des Besitzes," bringt es Weber auf einen Punkt.

Er beschreibt damit bereits vor hundert Jahren das Problem der heutigen Eliten als kaum mehr umkehrbaren, längst eingeschlagenen Weg. Denn er geht einher mit einer Verbeamtung/-bürokratisierung - während Merkmal jedes Verwaltungsapparates seine effiziente Selbsterhaltung kraft seiner faktischen (auf "Fachwissen" beruhenden) Macht ist.

Lediglich im mittelständischen (nicht verbürokratisierten) Unternehmertum sieht Weber noch eine kulturgebundene Bastion.




*100709*