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Donnerstag, 16. Juli 2009

Hasardspiele ohne Ende

Es waren eben nicht einfach die "Reichen und Superreichen", die mit ihren Milliarden an den Börsen zockten und damit "die Finanzkrise" auslösten. Weil die österreichische Bundesfinanzierungsagentur, deren Aufgabe es ist und war, die öffentlich nötigen Gelder am Finanzmarkt aufzutreiben, ebenfalls gewaltige Summen verlor, war es irgendwann nicht mehr geheimzuhalten, und gilt doch nur als Beispiel:

Es waren eben "wir alle", unsere faulen Gesamtsysteme, deren Blasen hier geplatzt sind: die Pensionsfonds, die die Gelder anlegen mußten, auf unseren Auftrag hin, die die fehlenden Pensionszahler durch Geld- und Wirtschaftswachstum ersetzen sollten, die überschüssigen Gelder aus der Umverteilung (wovon? Kredite!) der letzten Jahrzehnte abschöpfen und verzinsen mußten, und nicht zuletzt die Staaten mit ihrem exorbitanten Finanzbedarf, in Europa vor allem für den Sozialtopf. Von allen Seiten wurde auf die wunderbare Geldvermehrung gesetzt, die sich rein kalkulatorisch ergeben müßte ...

Paul C. Martin (u. a.) hat es in den 1980er/1990er-Jahren bereits völlig richtig analysiert, als er schon damals grübelte, warum die Börsen, nach den damaligen gewaltigen Zusammenbrüchen nicht wirklich zusammenbrachen: Er kam drauf, daß das Zockerspiel nur um eine Etage HÖHER stieg - was nichts anderes hieß, als daß die Sicherheiten für Kredite immer "phantasievoller" wurden! Sodaß sich nun die Staaten wechsel- und gegenseitig Kredite in immer komplexeren Konstruktionen (fast) ohne Ende geben konnten.

Was nämlich niemand wirklich ernsthaft wagt, ist, den Menschen die Wahrheit zu sagen, die stattdessen immer noch von Reichtum und Wohlstand faseln, den wir uns alle erarbeitet haben.

Wie in der DDR - "Geld hatten wir doch!" sagen sich manche sogar noch heute, wie kann man da pleite sein?

Der Bürger zweifelt immer noch? Hat er nicht vor kurzem vom Vorhaben des IWF (Internationaler Währungs-Fonds) gehört, der nun ebenfalls beginnt, Kredite zu vergeben? An diesem Fonds sind die Staaten weltweit beteiligt, und diese Kredittöpfe werden (noch) aus begebenen Anleihen finanziert, die die Staaten zeichnen.

Sie haften also für jene Kredite, die sie sich selbst und gegenseitig zuteilen (denn selbst wenn die Kredite an Drittweltländer oder ähnliches vergeben werden, so soll damit Nachfrage geschaffen werden, die nur von den Industriestaaten gedeckt werden kann, die sich also das Geld wieder zurückholen ... ja: selbst brauchen, um so durch Wachstumsraten und Prosperität jene Bonität vorzuschützen, die ihnen wiederum zu Krediten verhilft, oder hilft, sie zurückzuzahlen ... Nicht anders hat es unter anderem Österreich im ehemaligen Ostblock gemacht.) So, in einfachen Linien, funktionieren die heutigen Wirtschaftssysteme, die immer existentieller eine absolute Zementierung ihrer selbst verlangen, und den Glauben an längst irrationale (aber mathematisch scheinbar rationale) Zukunftsperspektiven zum unabdingbaren Dogma zu diktieren.

Dabei kann man nicht einmal schlicht "böse Absicht" unterstellen. Vielmehr haben unsere Staatshaushalts- und Finanzierungssysteme auch einfacher Wirtschaftseinheiten längst eine Dynamik angenommen, die uns zu Getriebenen macht: und einen Bezug auf das Gesamtsystem - "Wenn das System nicht bricht, muß das auch gehen. Und bricht es, ist es ohnehin egal" - zum immer alltäglicheren Kalkül machen. Alles wird damit noch rascher bereits zum "geringeren Übel," das überhaupt schon die Hauptmaxime des heutigen Lebens ist.

Wer nicht begriffen hat, daß alle Rechenmodelle der Finanzmathematik niemals geschlossene Systeme bleiben dürfen, sondern immer eine sehr "handfeste" Erdung in den simpelsten Realitäten des Lebens benötigen - Reißleinen gleich - mag in hoher Intelligenz handeln, aber nicht mit Verstand. Das menschengerechteste und damit wirklichkeitsgerechteste Handeln ist nicht, rationalistisch vorzugehen, sondern vernünftig, nach dem Maß des "Normalen".

Man muß es sagen: daß "Caritas in veritate" es zwar nur vorsichtig anspricht, aber recht hat. Es braucht neues menschliches Handeln! Es braucht neuen Mut, und es braucht ein grundsätzliches Überdenken der Grundlagen unserer technizistischen Lebensführung.




*160709*