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Samstag, 18. Juli 2009

Predigten, weniger Gespräche

Nicht wenige von Ralph W. Emerson's Essays geben dem Leser das Gefühl, einer emphatischen Predigt ausgesetzt zu sein - mehr denn einer Gedankenführung zu folgen, wie man sie von Essays erwartet. Als wollte er mit nicht wenig Anstrengung ein Weltbild vermitteln, das es in vielem nur zu glauben gibt, weil Emerson keine Vernunftanbindung bieten kann.

Das ist es wohl auch, warum er so eigentümlich "zeitgenössisch" auf mich wirkt: wie einem esoterischen Zirkel angehörig, der heute, im Juli 2009, im 14. Bezirk Wiens sitzt und dessen Mitglieder monatlich eine Erweckungszeitschrift hektographieren und kuvertieren, und wöchentlich zu Séancen bei Mun-Tee und Aromakerzen zusammenkommen.

Gewiß, immer wieder findet man Körner, schon gar, wenn man wohlwollend und bereit ist, seine metaphorische Darstellungsweise als solche, als Poesie gar, zu nehmen. Findet wertvolle Einzeldarstellungen, erleuchtete, wie einen manchmal blitzartig durchglühende einzelne Gedanken und Schlüsse.

Aber in Summe hat man nicht den Eindruck, daß Emerson seine einzelnen Versuche zu einem sinnvollen, überzeugenden, vernünftigen und damit verantwortbaren Ganzen zusammenführen kann. Sondern, daß er - der Plato (wie manche andere) nur zur Untermauerung eines mit viel Bildungsgut verbrämten Subjektivismus benützt - sie als Munition benützt, um die Welt zu bekehren, zu verbessern, getrieben von einem fast esoterischen, lediglich dumpf gefühlten, und stark enthusiasmierten, aber letztlich irrationalen Weltbild. Die meisten seiner Essays erfahren ihre formale Geschlossenheit somit aus einer rhetorischen Brillanz, die ein begnadeter, aber in seiner perfekten Sprache gefangener und deshalb nicht immer wahrhaftiger Prediger zu verleihen vermag.

Er ist vielleicht einfach doch nur ... Amerikaner.




*180709*