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Donnerstag, 18. Juni 2009

Alter Etikettenschwindel

Max Weber sieht den Anteil des Christentums an der Abschaffung der Sklaverei defacto nicht relevant, weil sehr gering. Weil sich Sklaverei nur auszahlt, wenn die Lebenshaltungskosten gering waren (was ihre Reproduktion ausschloß, denn Familien sind teuer, haben einen hohen Anteil von unproduktiven Essern) und Boden billig, wenn nicht (durch Expansion) frei ist, war das Ende der Sklaverei in Amerika längst eingeläutet: Boden war bereits begrenzt, und die Zufuhr von Sklaven aus Afrika unterbunden beziehungsweise eingeschränkt, auch durch afrikanische Entwicklungen. Weber vergleicht die Lebensweise der Südstaaten-Farmer eher mit denen der römischen Großfamilie, den Sklavenhalter mit dem Pater Familiae, mit sehr weitgehenden Rechten, aber längst sehr familiären Haltungen.

Der Bürgerkrieg Nord-/Südstaaten hatte also nach Max Weber rein politische, kulturelle Gründe. (Julien Green übrigens definiert den Bürgerkrieg genau so: als kulturelle Katastrophe, nicht als "humanitäres Projekt" des Nordens; entsprechend spricht Green vom "Trauma des Südens") Es war ein Krieg der Farmerdemokratie und bürgerlichen Plutokratie der Nordstaaten gegen die südliche Pflanzeraristokratie. Ein Kampf der neuen, protestantischen Welt gegen die alte europäische, katholische Welt. Ein Kampf der Schwärmer und Mystizisten gegen aristotelisch-thomistische Metaphysik.

Die parallele Entwicklung in Europa - Weber sieht die unfreie Arbeit als generelles Kriterium dieser Kulturstufen, unterscheidet nur formal zwischen Sklaverei und Frondienst (die Bauernbefreiungen fanden am Kontinent ebenfalls zu etwa der gleichen Zeit statt) - war gleichfalls von Rentabilitätsüberlegungen getragen: Die Entwicklung moderner Produktionstechniken hatte unfreie Arbeit unrentabel gemacht.




*180609*