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Freitag, 22. April 2011

Nationale Ästhetik

Auf dem Filmfestival in Ljutomir (Slowenien), zu dem ich seinerzeit eingeladen worden war, hatte mich ein in Serbien sehr bekannter Filmkritiker, Fernsehmoderator und Literat angesprochen. Ihm falle auf, daß der österreichische Film, und die österreichische Literatur, eine eigentümliche nationale Färbung aufweise: sich auffallend mit schmutzigen, tiefseelischen, hintergründigen, dunklen Seiten des Menschen befasse.

Das führe zu einer freudlosen, deprimierenden "Begräbnispoesie", der jede Befreiung und Hoffnung fehle, und zu einer morbiden Ästhetik der Häßlichkeit. Als wäre das wirkliche Österreichertum ident mit dem Niedrigsten im Menschen, das wieder und wieder aus den tiefsten Eingeweiden geholt werde. Er finde das abstoßend, und freiwillig würde er sich solche Werke, die ihn an Besudelung erinnerten, nie ansehen. Als fehlte es diesem Land an Hoffnung, als fehlte es Österreich an positiven Gestalten, als seien die Österreicher regelrecht in ihr eigenes Inneres verbissen. Was sei das für eine Aussage über dieses Land?

Könne man, meinte er dann, in einem Land überhaupt leben, das solche seelische Verkrümmung erzeuge, wo nichts hebe, wo selbst Humor nur noch als Bitterkeit, Sarkasmus und Ironie vorkomme, wo jeder Kunstschaffende nur noch Bosheit als Ausweg sieht? Wo Lust und Lebensfreude in so breitem Ausmaß zu Morbidität, Vulgarität und Verzweiflung geworden ist?

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