Wie eine Bestätigung der hier zuletzt entwickelten Gedanken kam mir nun "Der westliche und der östlich Weg - Essays über östliche und westliche Mystik" von Daisetz Daitaro Suzuki in die Hände. Der Japaner zeigt darin sein Erstaunen, erst, und dann seine Zufriedenheit, daß die "Mystik" des Zen-Buddhismus sich in fast allen Zügen mit einer Mystik deckt, wie sie sich bei Meister Eckhart wiederfindet, also "offensichtlich" die abendländische, christliche Mystik mit dem Zen auf eine Weise ident ist, dasselbe will, dieselben Wege beschreitet.
Da sei es gestattet, was hier an zwei Stellen (u. a.) ausgearbeitet wurde: auf die Problematik der Mystik des Meister Eckhart, der in seiner Mystik exakt in den Pantheismus hinein sich auflöst, der ja zugleich ein Nihilismus ist. Kein Wunder also, daß er sich mit dem Zen-Buddhismus* scheinbar "nahtlos" deckt!
Und es sei die jüngere Replik angeführt, in der Alois Mager in seiner großartigen Psychologie der Mystik diese Stufe so klar identifiziert: beschreibt, seziert, klar auf den Tisch legt. Als jene Stufe, ab (bzw. nach) der christliche Mystik erst beginnt, und die die christliche Tradition als vormystisches "Gebet der Ruhe" kennt. Bis dorthin kann auch der Nichtchrist kommen (wobei auch darüber die Meinungen auseinandergehen, weil sie auf gewisse Unterschiede in der Art, nicht nur dem Grade nach hinweisen, s. u. a. A. Stolz in seinem Standardwerk "Theologie der Mystik"), bis dorthin kommen auch Anschauungen, die in ebenfalls sehr klar identifizierbaren gedanklichen Weichenstellungen (und Irrtümern) im Pantheismus oder, noch eine Stufe weiter, im Nihilismus - dem Auflösen in einen Allgeist, einerseits, folgt logisch ein Nichten der Person, anderseits - enden.**
Tatsache ist also, daß die Schriften der Hl. Theresia von Avila, des Hl. Johannes vom Kreuz, als Spitze einer gewaltigen mystischen Literatur und Entwicklung ihrer "psychologischen Theorie", Dinge und Stufen beschreiben und anzielen, die weit über alles hinausgehen, was in der Mystik aller nichtchristlichen Religionen vorkommt, dabei deren Erfahrungen klar erfaßt, beinhaltet, und einzuschätzen vermag.***
Sie alle kennen keine Erlösung des Fleisches, sie ist ihnen unerhört. Und in der Tat: diese ist unerhört! (Aber sie ist der Kern des Christentums, das nicht die Welt "flieht", auf daß sie eben dadurch entschwinde, sondern in sie hinein, ins Konkrete, über dieses sich wirkt! Incarnation! Gott ist also auch der Konkreteste.) Und auch diese Konsequenz ist logisch, und macht auch die leibseelischen Gründe, ja die kulturellen Spannungen, aus denen herausdiese Geisteshaltungen erwachsen, sehr gut nachvollzieh- und verstehbar. Aber umso klarer auch als begrenzt klassifizierbar, als nicht der Heiligung dienlich, sondern in scharfer Konsequenz sogar dem Gegenteil.
* Den der Verfasser dieser Zeilen aus sehr handfesten Erfahrungen kennt,
in deren Rahmen er vor über dreißig Jahren sogar mit einem höchst bemerkenswerten
Erleuchtungserlebnis beglückt wurde; darüber vielleicht an anderer
Stelle, es ist fast vergessen, und war dabei so wichtig für des
Verfassers dieser Zeilen weitere Zukunft.
** Dabei ist Mager dem Meister Eckhart noch sehr
freundlich gesonnen, meint, daß dieser nur mißverstanden würde oder
worden war, welcher Meinung sich der Verfasser dieser Zeilen nicht
anschließen kann, bei aller Wonne, mit der er seine Schriften - in ihrem
Rahmen - liest und schätzt.
*** Da muß man sich halt wirklich die Mühe machen, so
manche umfangreiche Originalliteratur durchzuarbeiten, das läßt sich
nicht mehr mit ein wenig Sekundärliteratur abhandeln, denn hier geht es
um metaphysische und anthropologische Grundsatzüberlegungen, an denen
sich diese Dinge explizieren, und an denen sie plötzlich so manchem
gefühlichten Dunkel entrissen und verständlich werden - während sie das
Geheimnis erst recht erstehen lassen. Aber der Verstand kommt - und kam
bereits - hier viel weiter, als sich so viele, gerade heute, wo dieser
ganze Bereich, u. a. in die Esoterik, so gerne abgetäuftwird, träumen lassen.
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