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Donnerstag, 28. April 2011

Paradoxien der Neuen Moraldiktate

So kann es gehen: plötzlich widersprechen sich die dringenden Gebote, plötzlich weiß man nicht mehr, was Vorrang haben sollte - alle Lösungen sind hysterisiert bis zur Verzweiflung. Die Windräder, die die eigentliche Natur zerstören, dafür Ökostrom produzieren, um die Natur zu schützen, oder - wie im Artikel in der Zeit dargestellt, erfrischend objektiv dargestellt - der Ausstieg aus der Atomkraft, um die Umwelt zu schützen, der dafür die Kohlekraft hochfahren muß, die die Umwelt wieder wie früher verpestet und mit dem Gebot des Klimaschutzes in Konflikt gerät.

Pest oder Cholera? Je nach öffentlicher Stimmung, könnte man sagen. Derzeit ist wieder der Klimaschutz dran, um ein wenig Luft aus dem Ballon zu lassen - alles halb so schlimm also? Noch vor eineinhalb Jahren (der strenge Winter hat die PR-Maschinerien der von öffentlichen Geldern lebenden Vorfeldorganisationen der Politik, die NGOs, ein wenig zurückhaltender agieren lassen) schien die Klimakatastrophe an Dramatik kaum zu überbieten.

Kohlekraftwerk Datteln - Fertigstellung mit Hochdruck
Jetzt verdrängt man das denn doch wieder eher. Auch die vollmundigen Versprechungen, ruckzuck auf alternative, "nachaltige" Energiequellen umzustellen, die die Bevölkerungen aufatmen ließ - der Glaube an den großen, tollen Staat, die Kraft der Wissenschaft und die Zauber der Technik durfte wieder so richtig aufleben! - läßt man lieber dort, wo sie immer hingehört haben: im Arsenalschrank politischer Machinationen und leerer Worthülsen.

Fakt ist: In so kurzer Zeit wie noch nie, wurden und werden in Deutschland so viele Kohlekraftwerke wie noch nie gebaut (oder: umgebaut). Warum? Weil eben die "nachhaltigen Energiequellen" auf gar nicht absehbare Zeit NICHT das liefern werden und wer weiß, ob je können, was verzweifelter Wohlstandsbauch ihnen abverlangen würde. Also schiebt man die Thematik - wie bei Atomkraft - in die nächste Blackbox: "Irgendwann werden wir das schon lösen!"

Die Logik ist seit vielen Jahren klar, daran hat sich für die wenigen Vernunftköpfe nichts geändert: Wind- und Solarenergie sind nach derzeitigem Wissens- und Technikstand nicht geeignet, einer modernen Volkswirtschaft die Grundversorgung zu sichern, ja nicht einmal dazu geeignet, einen nennenswerten Beitrag zu leisten. Das schreibt ganz beiläufig sogar Die Zeit, die ja sonst gerne Vorreiter für die neue Moral spielt. Unabhängig von allen übrigen Parametern wie Umwelt und "Nachhaltigkeit" (was für eine großartige verbale Neuschöpfung!) Dafür braucht man konstante Energielieferanten - Atomkraft, Kohle- und Gaskraftwerke. Gleichzeitig nimmt man die Fluß- und Speicherkraftwerke insoweit vom Netz, als sie notwendig sind, die Schwankungen der "alternativen Energiequellen" auszugleichen: als jederzeit lieferbereit bei Unter-, als Puffer in bestimmtem Rahmen bei Überproduktion. Puffer wodurch? Weil dann die je vernutzten Wasser von den unteren in die oberen Becken gepumpt werden.

Derzeit (und in alle absehbare Zukunft) ersetzt also nur die Wind- und Solarkraft die Speicherkraft. Mehr ist nicht dahinter. Schon ist man ja dabei, laudauf landab Möglichkeiten zum Bau weiterer Speicherbecken zu suchen, denn beschlossen ist er ja, der Ausbau der Windkraft. Und das kostet, so nebenbei, gar nicht mehr absehbare Steuermilliarden. (Ach ja, die Klugen sagen dazu: Steigerung des Bruttosozialprodukts, Ankurbelung der Wirtschaft ...) Was, so nebenbei, die ohnehin schon in Geldblasen verschillerte Fiskalpolitik und damit die Währungen, die Grundlage unseres täglichen Werkens und Tuns, mit der wir direkt verbunden sind und bleiben, weiter aushöhlt. Die doch so gerne mit wenigstens noch ein paar Jährchen klingender Atomstrommünze gefuhrwerkt hätte. Nun heißt es aber wieder: Kohle schippen, und nicht zu knapp!

Braunkohle- und Flußkraftwerke (und die Importe von Atomstrom, pardon, das mußte sein; sogar Österreich hat ja mittlerweile einen Atomstromanteil von 7 % im Netz, aber GANZ SICHER nicht aus jenen AKWs, die seinen Landesgrenzen so unsittlich nahe kommen) tragen dabei die Grundlast, sie funktionieren am besten kontinuierlich, Steinkohle (auch die wird zunehmend importiert, weil die Förderung in Südafrika oder Kolumbien billiger ist) gleicht die mittleren Schwankungen aus, und dann kommen die Speicherkraftwerke dran. Bislang haben diese Spitzenlasterzeuger nur die ohnehin üblichen Verbrauchsschwankungen nach oben (je nach Tageszeiten, Jahreszeiten etc.) ausgeglichen. Nun müssen sie auch die Schwankungen unstetiger Energieerzeuger - Wind, Solar - ausgleichen. Auch hier, übrigens, ist Deutschland in hohem Maß vom Ausland abhängig, wußten Sie das? Auf einen kleinen Punkt gebracht: die Abhängigkeit von Energieimporten wird immer größer. Aus freier "ökologischer" Entscheidung!

Menetekel technizistischer Sinnlosigkeit
Ja, könnte man nun fragen, geht denn das? Hat Deutschland nicht auch mit CO²-Zertifikaten zu tun? Ist der Gesamtausstoß in dem Land nicht begrenzt? Ha, so kann auch nur naives Rechtsdenken denken. Die internationalen deutschen Konzerne kaufen doch schon lange mit Umweltprojekten in Indonesien (oder weiß der Deibel wo es sonst noch gilt einen Regenwald zu schützen) jene CO²-Kontingente, die sie dann in Dülmen oder Buxtehude in die Luft blasen dürfen! Bleibt doch in der Familie - sind wir nicht eine Welt, eine Menschheit, eine Klimakatastrophe!?

Und weil die Schimäre vom "Öko-Strom" ohnehin nur funktioniert, wenn ein "freies" (und, auch das nur so nebenbei, gigantisch ausgebautes und auszubauendes, längst kontinentales) Liefernetz existiert, bei dem das unbeherrschbare Lieferrisiko geographisch so weit wie möglich gestreut ist, betreibt der Atomkraftgegner aus Wolfenbüttel sein Handy, mit dem er die neueste Klimakatastrophenmeldung bequatscht und Windräder fordert, ruhigen Gewissens mit Atomstrom aus Novosibirsk. Längst hat ohnehin kein Staat mehr die Hoheit über seine Energieproduktion, auch bei Öko-Strom reden wir nur noch von statistischen Erscheinungen, und die übermoralisierte Hysterie des Themas hat lange schon bewirkt, daß Atomstrom ein Export-Geschäft wie noch nie ist - für Frankreich, für Rußland, etc. Und keiner hätte etwas gemerkt, wäre nicht Fukushima so häßlich aufgefallen. Der Ausbau der Wind- und Solarkraft macht diese Abhängigkeit einerseits, diesen Hoheitsverlust (durch Verwendungseinschränkung, z. B. für Speicherkraft aus Österreich) anderseits jedenfalls noch deutlich größer, auch wenn man das nur "zentrale europäische Energiekoordination" nennt. Und bewirkt vorderhand eine Renaissance der schon überwunden geglaubten Kohlekraft.

Aber die, die war ohnehin längst angesagt. Fukushima hat ja nur bewirkt, daß es nun bekannt und "toleriert" wird! Man hätte sonst eher geschwiegen, denn das tolle grüne Mäntelchen der darunter nackten "Öko-Regierung", die nicht vorhandenes Geld in Lastwagen in neu errichtete Windkraftwerke fährt, die nichts bringen, war politisch äußerstgut verwertbar. Wußte jemand, daß so viele in Bau waren, daß man sie wegen des rascher als geplant versprochenen Atomausstiegs so rasch "fertigstellen muß" - weil nun kann? Und warum?

Die Zeit im Zitat:


Die Industrie hat das schon immer gesagt; nun, da es mit dem Ausstieg ernst wird, sagen es auch die Vordenker der Anti-Atom-Bewegung. Das Ökoinstitut in Darmstadt, das Umweltbundesamt in Dessau, der atomkritisch geprägte Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung, sie alle sind jetzt plötzlich zu demselben Ergebnis gekommen: Wind und Sonne mögen die ferne Zukunft der Stromversorgung sein. Zu einem schnellen Ausstieg aus der Atomkraft tragen sie wenig oder nichts bei. Dafür wird aber jedes einzelne der neuen Kraftwerke, unter denen einige von Grünen und Umweltschützern erbittert bekämpft wurden, nun dringend gebraucht. Kohle statt Atom – nicht schön, diese Klimakiller, aber unentbehrlich, leider.
Bei Greenpeace versuchen sie, das peinliche Eingeständnis zu vermeiden, und haben darum Karten gezeichnet, auf denen neue Gaskraftwerke wie Pilze aus dem Boden schießen. Es reicht immer noch nicht. Stillschweigend rechnet Greenpeace in seinem jüngsten Konzept für einen schnellen Atomausstieg vier der neuen Kohlekraftwerke ein.[...]

Neun oder zehn neue Kohlekraftwerke ersetzen demnächst ebenso viele AKWs. Noch einmal so viele sind noch geplant, und wenig spricht dafür, dass der zweite Teil des Atomausstiegs weniger klimaschädlich ausfallen wird als der erste. Erst vorige Woche ist wieder ein neues Kohlekraftwerk genehmigt worden: 1800 Megawatt in Brunsbüttel. Deutschland steigt nicht nur aus der Atomkraft aus, sondern auch aus dem Klimaschutz. Unfassbar aber ist, dass es das unter dem Jubel von »Umweltschützern« tut, denen es damit nicht schnell genug gehen kann.


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