Bis zur Erfindung des Buchdrucks aber war jedes Buch zugleich ein unschätzbares Manuskript, ja ein Kunstwerk. Entsprechend wurde es wertgeschätzt, waren seine Inhalte kostbar, und wurde das Wort wohl gewogen, ehe es zu Papier gebracht wurde.
Die Vervielfältigung im Buchdruck macht jedes Buch plötzlich zu einer anderen Sache. Zu einer anderen Sache, sowie zu einem abstrakten "Inhalt".
So, wie es im Leben nicht gleichgültig ist, wer etwas sagt, wie er es sagt, in welchem Ton, und ob er es morgen anders sagt, und damit eine neue Ebene seines Textes aufschließt. Den der Buchstabe als Symbol darstellt, in Vielfalt und Aussagekraft.
Was aber erzählt der Buchdruck? Was erzählt die ausgedruckte Seite im Internet, das jeder benutzt, in das jeder einkoten kann?
Der Dichter aber ist Schreiber eines Buches, und Abschreiber aus dem Buche des Lebens, ja die Rolle des Buches im Gesamt des Kosmos kann durch die Apokalypse - mit dem "Buch des Lebens" als Universalgedächtnis - nur angedeutet werden und geht bis zur Gleichsetzung von Gott und Buch/Dichtung ("In principio erat verbum, et verbum erat apud Deum et Deus verbum erat." Er notiert (Dante!), was Amor ihm diktiert. Wie anders treten einem da die Buchstaben entgegen, die eine Hand gemalt hat.
Ich sage es nicht aus Bitterkeit oder Wehmut. Ich sage es damit man relativiere, was ein Buch heute noch leisten KANN, und was nicht. Ähnlich der Photographie gegenüber dem Gemälde, ist das heutige Buch nur noch Erinnerung an das Wort, von dem es - unter Bezug auf das Dargestellte, nämlich das ursprünliche Wort - nur noch berichtet. Es KANN in den meisten Fällen nicht mehr seine eigentliche Wirkung entfalten, die Novalis sogar so weit sieht, als er dem Buch die Aufgabe als Träger der Tradition und damit der Kultur sieht, weil das gedruckte Wort nicht mehr das Wort IST. (Wie beim Gemälde, das das Dargestellte IST, während das Photo nur davon berichtet.)
Im Englischen heißt Buchstabe übrigens character.
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