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Dienstag, 26. April 2011

Heiteres Bezirksgericht

Das findet man selten - eine komplette Geschichte in der Tageszeitung "Die Presse". Es ist die Geschichte einer österreichischen Ehe, die von Anfang an auf eine Scheidung zusteuerte, wie man nun weiß. Sie spielt in Adelskreisen, in deren Zerreißprobe in der Ständeauflösung der Gegenwart, wobei es Mesalliancen ja immer wieder mal gab. Und sie wirft interessante Schlaglichter auf das österreichische Eherecht, zum Beispiel, daß die Wegweisung, die die Frau ohne Pflicht irgendwelcher Nachweisung durch bloße Behauptung und Anruf bei der Polizei (die sofort zu handeln hat) "verfügen" kann, und die dann als Beweis für die "Schuld" des Ehemannes (sic!) bei einer Scheidung gewertet werden kann. Sie wurde es diesmal, mit guter Begründung, in letzter Instanz nicht, auch wenn die Frau es versucht und in zweiter Instanz Recht bekommen hat.

Aber die Geschichte ist im Grunde ein Roman in Schlagworten, mit Charakterbildern und Milhieueinblicken, mit Eindrücken zu Sozialgeschichte und Kulturdiskrepanzen.

„Die Ehe verlief von Anfang an nicht harmonisch“, sollten später die Gerichte lapidar feststellen. Tatsächlich roch schon die Hochzeit nach Erpressung. Die schwangere Frau hatte dem zögerlichen Bräutigam gedroht abzutreiben, falls er sie nicht heiratet. Überdies legte die Frau laut den Gerichtsakten „großen Wert auf sozialen Stand und adelige Herkunft“, geriet aber wegen ihrer „egozentrischen Art leicht in Konflikt mit ihrem Umfeld“. Während der Schwangerschaft klagte die Frau öfters über Beschwerden, für die keine organischen Ursachen gefunden werden konnten. Sie habe einfach im Mittelpunkt stehen wollen, meinte ihr Umfeld.

Auch nach der Geburt des Sohnes wurde die Ehe nicht besser. Bei der Taufe wurde eifrig gestritten: über die zu teure Torte, die gewählte Dekoration und die Sitzordnung. Immerhin durfte die Frau nun aber im Schloss ihres Ehemannes wohnen. Dort klagte sie aber über die mangelnde Privatsphäre: Schließlich wohnten in den Gemäuern auch die Schwiegermutter, und selbst die Geschwister des Ehemannes hielten sich mit ihren Familien häufig im Schloss auf. Dass man nur eine 150 Quadratmeter große Wohnung im Schloss zur Verfügung hatte, stieß der Frau sauer auf. Sie forderte (vergeblich) mehr Räume. Noch schlimmer fand sie, dass übrige Familienmitglieder das Badezimmer in der Ehewohnung benützen wollten. Die Frau entfernte deren Sachen aus dem Badezimmer und legte sie ihnen vor die Tür. Auch verbot die Frau den Cousins und Cousinen ihres Kindes, das für den Sohn bestimmte Spielzeug auch nur anzurühren.

Wer im Schloss wohnt, muss deswegen noch lange nicht reich sein: Der Mann hatte der Frau bereits vor der Eheschließung gestanden, dass er ihren finanziellen Vorstellungen nicht gerecht werden könne. Er stellte der Frau ein Haushaltsgeld von 400 Euro zur Verfügung. Als die Frau zwei Putzfrauen ins Schloss holte, schickte sie der Mann, der in der Landwirtschaft und als Gemeinderat tätig war, wieder weg: Man habe schließlich vereinbart, dass die Frau, die sonst keinen Job hatte, sich um den Haushalt kümmere. Gegenseitige Beschimpfungen der Eheleute standen an der Tagesordnung. Mal vor der versammelten Familie, mal im Schlafzimmer: Einmal trat die Frau den Mann sogar aus dem Bett.

Rund zwei Jahre nach der Eheschließung flog die Gattin mit ihrer Mutter nach London. Der Mann war nicht dabei: Er brachte sie zwar zum Flughafen, zog aber sodann ein Abendessen mit einem Freund klar der Gesellschaft seiner Schwiegermutter vor. Die Frau sollte von dieser Reise erst Monate später zurückkommen: Denn sie flog von London gleich in die USA weiter, um ihren kranken Vater zu treffen. Den kleinen Sohn hatte die Frau bei sich. Der Ehemann, der das nicht guthieß, brach den telefonischen Kontakt zur Frau ab. 

Nach der Rückkehr gab es noch mehr Ärger: Einmal warf der Mann sogar das Buch, das seine Gattin im Bett lesen wollte, aus dem Fenster. Die Frau holte das Buch. Der Mann warf es wieder beim Fenster hinaus. Als die Frau einmal an der Tür der Schwiegermutter so lange rüttelte, bis der Riegel abbrach und die Tür aufging, zuckte der Mann aus: Er beutelte die Frau an der Kleidung, schüttelte sie und schob sie zur Seite, wodurch sie zur Wand fiel. Der Mann zog darauf aus dem gemeinsamen Schlafzimmer aus. Bei einem weiteren Streit drückte der Mann die Frau mit dem ganzen Körper ein paar Mal gegen den Türrahmen und sagte, dass er sie hasse. Der Mann wollte sich zwar kurz darauf entschuldigen, doch die Ehegattin ging nun zu Gericht: Der Mann wurde mittels einstweiliger Verfügung für drei Monate aus der Ehewohnung verwiesen. Und die Frau forderte die Scheidung.

Doch wer war schuld an der Scheidung? Die beiden Ehepartner schoben die Last vor Gericht auf den jeweils anderen. Die Frage, wer verantwortlich ist, spielt bei den scheidungsrechtlichen Folgen (etwa dem Unterhalt) eine große Rolle. Das Bezirksgericht Laa an der Thaya entschied, dass beide das Ende der Ehe verursacht hätten. Das Landesgericht Korneuburg in zweiter Instanz aber stellte eine überwiegende Schuld des Mannes fest. Nun war der Oberste Gerichtshof am Zug. Er betonte, dass die Frau den Anfang des „ehezerstörenden Verhaltens“ gesetzt hatte, weil sie sich egozentrisch und fordernd verhalten habe. Tätliche Übergriffe hätten beide Eheleute gesetzt, die Frau aber nur einmal und der Mann gleich dreimal. Andererseits führe die Wegweisung des Mannes nach dem letzten Übergriff nicht automatisch dazu, dass er am Ende der Ehe schuld ist.

Überhaupt sei ein überwiegendes Verschulden „anders als im allgemeinen Sprachgebrauch“ nicht schon anzunehmen, wenn jemand mehr als 50 Prozent Schuld in sich trage. Sondern nur dann, wenn das Verhalten des anderen Ehegatten „fast völlig in den Hintergrund tritt“. Davon könne hier aber keine Rede sein, meinte der OGH. Er schied die Ehe daher aus beiderseitigem Verschulden 

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