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Donnerstag, 28. Januar 2010

Krieg der Biersäufer

So ganz wohl war da niemandem, als Friedrich V. von der Pfalz den Antrag der böhmischen Stände zum König in Prag annahm und sich am 4. November 1619 krönen ließ. Zweifellos ein Akt gegen den wenige Wochen zuvor in Frankfurt zum Kaiser gekrönten Ferdinand II., dem Habsburger. Selbst sein Schwiegervater, der englische König Jakob I., riet ihm dringend ab. Aber Friedrich entschied sich anders, und verbrachte mit seiner schönen und lebenslustigen Frau vorerst gleich einmal einen Winter in einem wahren Rausch der Sinne in Prag.

Johann Georg I. von Sachsen
Selbst protestantische Landesherren stellten sich hinter den katholischen Kaiser. Allen voran der sächsische Kurfürst Johann Georg I. Ein legendärer Biertrinker im übrigen: angeblich betrug sein täglicher Konsum ca. zwanzig Liter. Im Durchschnitt. Bei manchen Anlässen stieg sein Verbrauch noch erheblich. Gegen welchen sich denn doch Unmut erhob, trotz seiner erklärbar leutseligen Stimmung und unstillbaren Jagdlaune. Nicht nur, weil er stets etwas betrunken war (der Volksmund nannte ihn "Bierjörge"), sondern seine Hofhaltung war vielen einfach zu verschwenderisch. Aber so nüchtern blieb er denn doch, daß er die Calvinisten in Prag noch mehr als die Katholiken zu hassen nicht vergaß. Wie alle Lutheraner im übrigen.

Zupaß kam dieser Konfliktherd lediglich einer Reihe von Feinden des Reiches. Allen voran den Türken, sowie den Siebenbürgern unter Bethlen Gabor. Nebst vielen protestantischen Ungarn, die die türkische Schreckensherrschaft vorzogen, auch wenn sie letztendlich 90 Prozent der Ungarn das Leben kostete.

Weshalb neuerlich Deutsche in einer zweiten Welle ins Land geholt wurden. Womit man gleichzeitig das Protestantenproblem per 1648er Frieden - "eius regio - cuius religio" - elegant zu lösen meinte.

Aber die Böhmen selbst hatten ein schlechtes Gewissen erster Güte. Ein böhmischer Adeliger, wird überliefert, schrieb dazu (und hier soll es gebracht werden, zum Schlaglicht auf das Thema, welche Motive denn hinter diesem 30jährigen Kriege gestanden hätten):

"Bethlen Gábor [der bekannt hinterlistige, ja verschlagene Fürst von Siebenbürgen, als Vasall von Istanbul recht fest im Sattel; Bild: die 2010 aktuelle Ungarische Banknote mit seinem Konterfei; Anm.] sagt: er suche nicht Gerechtigkeit, sondern Herrschaft. [Der Herzog von; Anm.] Anhalt sagt: er suche Geld; ebenso die anderen Obersten und Hauptleute. Darin liegt eine gewisse Ehrlichkeit. Aber auch das Gewissen will befriedigt werden, und deshalb schiebt man die Religion vor. In Wahrheit war das Bekenntnis unter den Habsburgern zehnmal freier als unter den Calvinisten. Darum haben der Kurfürst von Sachsen und die anderen Lutheraner mit weisem Bedacht die Partei des Kaisers ergriffen. Was hat denn auch unser König [Friedrich V. von der Pfalz, Anm.] getan? Er hat Bilder zerstört, das Wohl der Generalstaaten in böhmischem Bier getrunken und mit böhmischen Damen getanzt.

Mögen wir Sieger sein oder Besiegte: unser Los ist schwer. Siegen wir, so steht die lange Reihe derer da, die Friedrich geholfen haben, gierig nach Besitztum und Geld auf unser Kosten. Werden wir besiegt, so kommt über uns der Zorn des schwer beleidigten Kaisers. Was ist auch anderes zu erwarten? Wir haben dem Kaiser genommen, was des Kaisers ist, und was Gottes ist, haben wir dem Türken angeboten."

Entsprechend sah dann 1620 zur entscheidenden Schlacht am Weißen Berg auch die Streitmacht Friedrichs d. V., des "Winterkönigs" - weil er nicht länger regierte - aus, mit der er sein äußerst wohlhabendes Königreich Böhmen verteidigen wollte: fast keine Tschechen fanden sich da, sondern nur Deutsche, Ungarn und Engländer.



*280110*